Vom „Malkasten“ zu Düsseldorf

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Autor: Eduard Daelen
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Titel: Vom „Malkasten“ zu Düsseldorf
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aus: Die Gartenlaube, Heft 27, S. 853-854
Herausgeber: Adolf Kröner
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Erscheinungsdatum: 1892
Verlag: Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
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Vom „Malkasten“ zu Düsseldorf.

Skizze von E. Daelen.
Mit Zeichnungen von H. Otto

Der Rhein, der alte Vater Rhein! Wie mancher Wanderer hat ihn gepriesen, wie mancher Dichter ihn besungen in begeisterten Weisen! Wer ihn schaute, dem senkte sich der Reiz seiner Landschaft, der poetische Zauber seiner Burgen und Schlösser, seiner Geschichte und Sage tief ins Herz.

Aber schauen wir genauer zu, so gilt der Lobpreisungen unerschöpfliche Fluth doch meist nur einem Theile des Stromes. Jene Strecken vom Niederwalddenkmal bis zum Drachenfels sind es vornehmlich, welche die Harfen der Sänger erklingen lassen. Für den Wanderer und für den Dichter hört der Rhein auf beim Siebengebirge oder allenfalls bei der „Stadt mit dem ewigen Dom“. Was unterhalb liegt, das ist gleichsam nur ein Anhang, ein Nachwort, das man im Nothfall auch ungelesen lassen kann.

Und doch birgt auch dieser Anhang noch der Perlen genug! Da ist das malerische Kaiserswerth, das denkwürdige Xanten, da ist vor allem das liebliche Düsseldorf mit seinen grünenden Gärten, mit seinen Künstlern und ihrem prächtigen Heim, dem „Malkasten!“.

Die älteren Leser der „Gartenlaube“, die heute mit mir dem „Malkasten“ einen Besuch abstatten, sind nicht ganz unbekannt daselbst. Noch 1885 haben sie einen Blick in seine Kegelbahn geworfen, und auch früher schon haben sie sich manchmal mit ihm beschäftigt. Aber immer kommt man gern wieder. Denn wahrlich, es lohnt der Mühe! Es ist ja eine leidige Thatsache, daß von dem Nimbus, welcher für den Fernerstehenden das Künstlerdasein umwebt, so manches Stück bei näherer Betrachtung dahinschwinden muß. Aber dem idyllischen Besitzthum der Düsseldorfer Künstlerschaft droht dieses Schicksal nicht. Je näher man es kennt, desto mehr wird man es liebgewinnen.

Es war im Jahre 1848. Die nationale Bewegung hatte ihren machtvollen Aufschwung genommen, und in den edelsten und besten Männern lebte der Glaube an den Anbruch einer neuen großen Zeit für unser geeintes deutsches Vaterland.

„Damals hatte sich in Düsseldorf ein Komitee gebildet aus allen Kreisen der Bevölkerung, um der freudigen Begeisterung, die sich aller bemächtigt hatte, einen öffentlichen Ausdruck zu geben, und zwar durch ein Verbrüderungsfest am 6. August. Die Künstlerschaft wurde aufgefordert, durch ihre Theilnahme und Hilfe dem Feste einen besonderen Glanz zu verleihen. So wurde denn am Abende des 6. August auf der Alleestraße zwischen dem heutigen Theater und der Kunsthalle eine Kolossalstatue der Germania enthüllt und bei lodernden Fackeln bejubelt und besungen. Schließlich senkten sich die Fahnen aller deutschen Länder vor dem Banner mit dem Adler des neuerhofften Reiches.

Nach dieser Huldigungsfeier zogen die Künstler nach dem heute noch bestehenden Lokal zur ‚Bockhalle‘, und hier kam bei patriotischen Reden und fröhlichem Becherklang der Gedanke zum Ausdruck: gleich wie die deutschen Stämme sich einigen sollten, so möchte auch im Kreise der Künstlerschaft sich eine Vereinigung bilden, die ihre Glieder einander persönlich näher führen würde, damit sie nach des Tages ernster Arbeit Erholung und Anregung fänden in treuer Gemeinschaft. Der sofort gegründete Verein wurde nach des Altmeisters Carl Hübner geistreichem Vorschlag ‚Malkasten‘ getauft. Alle Farben sollten vertreten sein, alle Farben zur Geltung kommen, alle ein gleiches Recht haben.“ Mit diesen Worten schilderte am letztjährigen Stiftungsfest der damalige Vorsitzende O. Erdmann die Gründung des Vereins. „Im Laufe der Zeit,“ fuhr er dann fort, „sind manche Ideale, die im Jahre 1848 erträumt wurden, verloren gegangen, manche Enttäuschungen mußten verwunden werden. Der Malkasten hat alle Stürme glücklich überstanden und unerschüttert festgehalten an seinem Wahlspruch und seiner Fahne.“

So ist denn auch in seiner Entwicklungsgeschichte ein stetes Emporblühen zu immer prächtigerer Entfaltung zu beobachten. Von hervorragender Bedeutung in diesem Verlauf ist die Erwerbung seines jetzigen eigenen Hauses. In den ersten Jahren seines Bestehens hatte er ein zwar sorglos gemüthliches, aber doch ziemlich fragwürdiges Dasein geführt, indem er als Miether in verschiedenen Gastlokalen Unterkunft suchte. Da, in der Mitte der fünfziger Jahre, wurde ihm vom Schicksal die Gunst zutheil, ohne viel Mühe die bekannte ehemals Jacobische Besitzung in Pempelfort als Eigenthum erwerben zu können.

Eine Klippe, die sich anfangs noch drohend zeigte, wurde bald glücklich umsteuert. Der Verein mußte nämlich, um den Besitz antreten zu können, sich Körperschaftsrechte verschaffen. Das zu diesem Zweck eingereichte Gesuch fand aber bei der Regierung eine wenig günstige Aufnahme. War doch in den reaktionären Jahren der Demokratenriecherei die sich so ungebunden bewegende Künstlergesellschaft in den Geruch eines höchst gefährlichen Verschwörernestes gekommen! Leute von der verfänglichen Färbung eines Freiligrath hatten hier als Stammgäste verkehrt; ja man wollte sogar in dem Wappenthier des „Malkastens“, einem Adler, der in den Krallen ein Bierseidel und einen Hausschlüssel trägt, ein [854] frevelhaft karikiertes preußisches Wappen aufstöbern! Als aber bei näherer Erkundigung die befriedigendsten Aufschlüsse über die scheinbar so hochverrätherischen Respektlosigkeiten gegeben werden konnten und es sich herausstellte, daß in der sich harmlos vergnügenden Künstlervereinigung nicht eine Spur von Blutdurst, Tyrannenhaß und Umsturzplänen zu finden sei, da wurde das eingereichte Gesuch nicht länger beanstandet.

In jener reizenden Parkanlage mit ihren mächtigen Baumgruppen, ihren stillanmuthigen Teichpartien, ihren lauschigen Plätzchen im Gebüsch oder am Wasserfall, in dem die muntere Düssel über Steingerölle stürzt – wie dies alles schon Goethe als Gastfreund Jacobis in „Wahrheit und Dichtung^ so begeistert geschildert – dort wurde nun ein echtes Künstlerhaus erbaut. Bald bethätigte sich natürlich auch immer lebhafter die Lust, das eigene Heim in würdiger Welse auszuschmücken. Dekorative Wandgemälde von Leutze und Ad. Schmitz, „Albrecht Dürers Huldigung“ darstellend, zierten den Speisesaal; im Laufe der Jahre kam eine ganze Reihe neuer Bilder von Kröner, Fahrbach, Simmler, von Gebhardt, Volkhart u. a. hinzu, die in harmonischem Zusammenwirken mit schweren Rüstungen, seltenen Trophäen und anderen Schmuckgegenständen dem großen Festsaal eine machtvolle Wirkung verleihen. Und hatte schon bisher der „Malkasten“ den Ruf genossen, daß er es verstehe, die heitersten, schönsten Künstlerfeste zu feiern, so wußte er von jetzt ab, da ihm ein so herrliches Eigenthum zu Gebote stand, sich in der Eigenschaft als Festgeber weit und breit einen hervorragenden Namen zu erwerben. Bei solchen Gelegenheiten werden in der Regel selbst dieses Hauses Wände zu enge, und mit Bedauern sieht sich dann der Einladende genöthigt, seiner Gastfreundschaft Grenzen zu setzen. Günstiger sind in dieser Beziehung die Sommerfeste gestellt, weil der Park räumlich eine bedeutende Ausdehnung hat, und sie gestalten sich denn auch gewöhnlich zu Festlichkeiten, wie sie so abwechslungsreich und farbenprächtig eben nur die sprudelnde Künstlerlaune ins Leben zu rufen weiß.

Der „Malkasten“ in Düsseldorf von der Parkseite.
Originalzeichnung von H. Otto.

Unter den bisherigen Veranstaltungen gebührt unstreitig die Krone dem großartigen Kaiserfest im Jahre 1877, wo der „Malkasten“ den glorreichen Gründer des Deutschen Reiches in seinem Heim begrüßen durfte, wo alle Künste sich vereinten um jenen unvergeßlichen Abend zu einer des Gastes wie des Gastgebers würdigen Huldigungsfeier zu erheben. Damals erhielt das „Achtundvierziger Kind“ seine Weihe; in der ganzen Welt wurde sein Name bewundernd genannt, und mit besonderem Stolz wurde als ehrenvollster Schmuck der anerkennende Dankesbrief des greisen Monarchen an der Wand des Hauptsaals angebracht.

Die Hauptleiter des Festes, W. Camphausen und C. Hoff, wurden dem „Malkasten“ leider zu früh entrissen; unter ihrem thatkräftigen Wirken hat er eine hohe Blüthe erreicht.

Gewissermaßen ein Familienfest, das meist nur die Mitglieder in engstem Kreise zusammenführt, bringt alljährlich der Lenz, dessen triumphierenden Einzug der „Malkasten“ durch eine Riesen-Maibowle feiert. Mitten in ein solches Frühlingsfest hinein versetzt uns der Zeichner unseres Bildes. Da lagert im Hintergrunde, den Eintretenden heiter bewillkommnend, laubumkränzt und mit dem Wahrzeichen des „Malkastens“ geschmückt, das große Vereinsfaß, unter dem sich die inhaltvolle Bowle befindet. An dieser, deren stattliches Bäuchlein eine schier unerschöpfliche Menge des edlen Rebensaftes faßt, sehen wir O. Erdmann unter der bewährten Beihilfe des behäbigen Kellermeisters noch in voller Thätigkeit, den Labetrunk für all die durstigen Kehlen in ausreichendem Maße zu brauen. Im ganzen Saale aber sprudelt unerschöpfliche Heiterkeit. Alt und jung mischt sich in buntem Durcheinander. Die ältesten Malkästner, die einst schon an der Wiege des jetzt so blühend emporgewachsenen Sprößlings gestanden haben, werden wieder jung in diesem frischen fröhlichen Kreise.

Da leuchtet vor allem der geistvolle Kopf des Führers der Düsseldorfer Landschafterschule, Andreas Achenbachs, hervor; auch um den „Malkasten“ hat er sich glänzende Verdienste erworben, denn seinem entschlossenen Eingreifen ist es in erster Linie zu danken, daß der Ankauf der Jacobischen Besitzung möglich wurde. Der Verein bewies denn auch seine Dankbarkeit gegen den edlen Wohlthäter bei Gelegenheit seines siebzigsten Geburtstages, indem er ihn zu seinem Ehrenmitgliede ernannte und ihm eine Jubelfeier veranstaltete, wie sie wohl selten einem Künstler zutheil geworden ist.

An seiner Seite erblickt man den Altmeister der Düsseldorfer Genremalerei, Benjamin Vautier, dessen liebenswürdiger Humor schon so manches Herz gefangen genommen hat. Links von ihm steht der Schlachtenmaler E. Hünten, weiterhin erkennen wir Oswald, den jüngeren Achenbach, den Meister in der packenden Darstellung italienischen Lebens; neben ihm Chr. Kröer, der den deutschen Wald und seine flinkfüßigen Bewohner verherrlicht. Ihnen reihen sich der Historienmaler Albert Baur und der Landschaftsmaler G. Oeder an, sowie die jüngeren Malkästner Carl Gehrts, Th. Rocholl, Jacobus Leisten, Joh. Gehrts, F. Montan, A. Frenz, F. Brütt, Volkhart, Jutz, H. Otto, Schnitzler, F. Vezin, A. Lins und viele andere. Ja, wer nennt die Namen all in dem malerischen Gewirr!

Am Klavier sitzt der Humorist Fritz Sonderland, dessen muntere Laune in scherzhaften musikalischen Leistungen sich ausströmt. Und hat er sein Spiel unter jubelndem Beifall geendet, so ertönen von der Veranda her die allen vertrauten Klänge des Malkastenmarsches, einer Komposition von Jul. Tausch, welche, in Liedform übertragen, von der Künstlerliedertafel unter Musikdirektor H. Willemsens sicherer Leitung zum Vortrag gebracht wird.

Da erschallt aus den Reihen der Ruf: „Op der Bühn!“, eine Zauberformel von unfehlbarer Wirkung. Der Vorhang hebt sich und eine flott improvisierte Aufführung auf der Bühne führt die Stimmung zum Gipfel der Heiterkeit. Diesen Vorgang hat schon der wackere Chronist, der verstorbene Meister Wilh. Camphausen, in seiner „Chronica de rebus Malcastaniensibus“ mit den ergötzlichen Versen geschildert.

Und sind wir des Berathens müde,
Treibt gleich die Narrheit neue Blüthe
In einem lust’gen Bummelstück.
Da lacht der Schalk aus jeder Ritze
Mit Pritschenschlag und Schellenmütze
Und lose Schelmerei im Blick.

So zeigt sich denn der „Malkasten“ als ein ergiebiger Boden für eine zwanglose, echt künstlerische Fröhlichkeit, die nach ernstem Schaffen eine anregende erfrischende Erholung bietet. Und mancher launige Funke, der uns aus Bildern der Düsseldorf Meister entgegenblitzt – er wäre wohl ungeboren geblieben ohne den „Malkasten“ und seine Feste.