Vom Weihnachtsbüchertisch (Die Gartenlaube 1899/26)

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Autor: Louis Riedel
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Titel: Vom Weihnachtsbüchertisch
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aus: Die Gartenlaube, Heft 26, S. 831–834
Herausgeber: Adolf Kröner
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Erscheinungsdatum: 1899
Verlag: Ernst Keil’s Nachfolger G. m. b. H. in Leipzig
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
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Rubrik: Vom Weihnachtsbüchertisch
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Vom Weihnachtsbüchertisch.

I. Für die Jugend. Ein gutes Buch, ein guter Freund! Selbst unsere Kleinen wollen nicht ohne diese freundliche Kameradschaft sein und begrüßen sie, wenn die Weihnachtstanne brennt, mit dem Gepatsch der Händchen. Für sie bietet F. Loewes Verlag (W. Effenberger) in Stuttgart drei reizende Gaben, für die Kleinsten, welche die Bücher gleich auch auf ihre Zähigkeit probieren, ein unzerreißbares Bilderbuch: „Tiere aus Haus und Hof“ mit 12 guten Farbdruckbildern von Chr. Votteler und passenden Begleitreimen, sodann ein durch seine schöne Ausstattung hervorragendes „Großes Tierbilderbuch“, 12 Farbdruckbilder des gleichen Künstlers mit illustriertem Text, der das Leben der verschiedenen Tiere in dem kindlichen Verständnis angepaßten Versen schildert, und endlich in 6. veränderter Auflage das in humorvoller Art gehaltene, mit „alten lieben Reimen“ geschmückte Kinderbuch „Allerlei Schnickschnack“, das 6 Farbdruckbilder und 36 Textabbildungen nach Originalzeichnungen von Oskar Pletsch, dem feinsinnigen Illustrator des Kinderlebens, enthält. Nicht minder Freude werden in der kleinen Welt die elegant und solid ausgestatteten Bilderbücher des Verlages J. F. Schreiber in Eßlingen erregen, so „Kinderlust“, ein Bilderbuch auf Pappe mit hübschen Begleitversen von Cornelie Lechler, ein „Militärisches Bilderbuch“ mit 16 Bildertafeln in Farbendruck und 6 Bildertafeln in Tondruck, die die wichtigsten Waffengattungen der deutschen, der österreichisch-ungarischen und anderer Armeen darstellen, „Ich kann schon französisch“, ein von Lothar Meggendorfer illustriertes Büchlein von Helene Schaupp-Horn, das den Kleinen an Hand seiner Bilder einen gewissen Vorrat an französischen Wörtern und Sätzchen, von denen es zugleich die Uebersetzung giebt, vermitteln will. Besonders aber werden die Bilderbücher dieses Verlags, die mit beweglichen Figuren ausgestattet sind, das Entzücken weitester Kinderkreise sein, das humoristische Album „Die Frau Bas“ von Lothar Meggendorfer, das mit seinen dreifach zerschnittenen Blättern die Zusammenstellung von viertausend verschiedenen Köpfen, hübschen und häßlichen, gestattet, das komische Bilderbuch „Der Verwandlungskünstler“ mit Illustrationen des gleichen Zeichners und Versen von Georg Böttcher, das Verwandlungsbilderbuch „Bubenstreiche“ ebenfalls von Lothar Meggendorfer und das prächtige Aufstellbilderbuch „Im zoologischen Garten“, dessen Menschen- und Tierfiguren sich in der That zu einem plastischen Lebensbild entwickeln lassen. Für Kinder, die sich in der schweren Kunst des Lesens bereits einige Fertigkeit erworben haben und gleichsam an der Schwelle der eigentlichen Jugendlitteratur stehen, legt der Verlag F. Loewe in Stuttgart einige Bände vor, die, aus dem Volksschatz der deutschen Litteratur geschöpft, uns Erwachsenen wie ein Gruß aus eigener Jugendzeit erscheinen. Da sind „Till Eulenspiegels lustige Streiche“, die Georg Paysen Petersen für die Jugend neu bearbeitet, E. Klimsch mit Einschalte- und Textbildern geschmückt hat, die fröhlichen „Reisen und Abenteuer des Freiherrn von Münchhausen“, die E. D. Mund mit trefflichem Verständnis für die Bedürfnisse der Kinder neu erzählt, dann Ludwig BechsteinsNeues Märchenbuch“, in einer sorgfältigen Bearbeitung von Max Pannwitz, sowie „Deutsche Kindermärchen“ von Grimm und Bechstein, Bücher, zu denen verschiedene Künstler eine stattliche Zahl von Farbdruck- und Textbildern beigesteuert haben. Führen uns die letztgenannten zwei Werke in den Phantasiegarten des deutschen Volkes, so geleiten uns die „Märchen Wilhelm Hauffs“, die der Verlag in zwei von Fritz Bergen reich illustrierten Ausgaben und Zusammenstellungen vorlegt, in den Zauberwald des Morgenlandes, wo Khalif Storch sein Wesen treibt.

Besonders begehrt und beliebt sind bei der lesekundigen reifern Jugend die sogenannten Jahrbücher, die ihren Inhalt möglichst mannigfaltig gestalten, die verschiedenartigsten Bedürfnisse der jungen Welt durch die Vereinigung eines reichen Stoffes von Erzählungen, Bildern aus der Geschichte und dem Leben hervorragender Männer und Frauen, aus der reichen Welt der Tiere und Pflanzen, der Natur überhaupt befriedigen, dabei Auskunft über allerlei nützliche Beschäftigung geben und auch dem Scherz und Spiel der Jugend volle Beachtung schenken. Eine Reihe solcher Sammelwerke für die Jugend legt die Union, Stuttgart, auf den Weibnachtstisch, als Mädchenbuch besonders „Das Kränzchen“, das auf die heurige Weihnacht in elfter Folge aus der reichillustrierten Wochenschrift für junge Mädchen, als die es sonst erscheint, zum stattlichen Bande von über siebenhundert Seiten zusammengestellt ist. An größeren Erzählungen bietet es treffliche Beiträge von Bernhardine Schulze-Smidt und Luise Glaß, von jener die Geschichte „Annele“, von dieser „Schattenblümchen“, dazwischen ist eine Menge kleinerer Erzählungen, Gedichte, Sprüche, Aufsätze aus der Naturwissenschaft, Geschichte, Kunst, Länder- und Völkerkunde eingestreut und eine Fülle von Artikeln giebt Anleitung zur Beschäftigung und weiblichen Handarbeit, zu Unterhaltung, Scherz und Spiel. Ein Gegenstück zu diesem Mädchenjahrbuch bildet das reichillustrierte Knabenjahrbuch „Der gute Kamerad“, das in dreizehnter Folge vorliegt. Die novellistische Führung dieses Bandes haben Max Felde und C. Matthias mit den Erzählungen „Addy, der Riflemann“, einem spannenden Lebensbild aus der Zeit der Kämpfe zwischen Weißen und Indianern, und „Mit vollen Segeln“, den reichen Erinnerungen eines alten Seebären. Dazu bringt „Der gute Kamerad“, dessen Inhalt so recht auf das mutige Knabenherz gestimmt ist, eine Fülle von Mitteilungen aus den Gebieten des Heerwesens, der Marine und Luftschiffahrt, Belehrungen über einzelne Abschnitte der Geschichte, über Naturkunde und Gesundheitspflege, Anleitung für Spiele im Freien, sowie Aufgaben und Rätsel. Ein Knabenjahrbuch für ein noch reiferes Alter ist „Das neue Universum“ mit seinem Anhang „Häusliche Werkstatt“, die eine Menge Anregung zur Selbstbeschäftigung giebt. Es pflegt nun in zwanzigster Folge mit Wort und Bild besonders die interessanten Gebiete der Erfindungen und Entdeckungen, der Technik, des Verkehrs und des kolonialen Lebens, aber auch die charakterbildende Erzählung. Bescheiden nimmt sich neben diesen reich ausgestatteten Bänden der Union die vom Verlag E. Kempe in Leipzig zu einem Jahrbuch zusammengestellte Zeitschrift „Jugend-Gartenlaube“ aus, doch enthält auch sie hübsche Erzählungen und belehrende Aufsätze.

Die selbständige Erzählung nimmt wohl den weitesten Raum im Reich der deutschen Jugendlitteratur ein. Zwei billige ansprechende Bändchen dieser Art sind die von der Union, Stuttgart, in ihrer Universalbibliothek für die Jugend herausgegebenen Erzählungen W. O. von Horns: „Hans Joachim von Zieten“, „Der Brand von Moskau“ und „Der Herr ist mein Schild“, „Admiral Ruiter“, vier beliebte Stücke aus der ältern deutschen Jugendlitteratur. Einer freundlichen Aufnahme dürfen auch die beiden neuen Bünde der „Vaterländischen Jugendbücherei“ Julius Lohmeyers, die im Verlag von J. F. Lehmann in München erscheint, sicher sein. Im einen hat Gustav Schalk die „Großen Heldensagen des deutschen Volkes“ Nibelungen, Gudrun und Dietrich von Bern für die Jugend neu erzählt, im andern führt uns E. Wuttke-Biller „Lina Bodmer“, eine Heldin der deutschen Befreiungskriege, in fesselnder Darstellung vor. Die Erzählungen für die männliche Jugend zeigen, dem Geist der Zeit entsprechend, der besonders nach den Vorgängen in fernen Weltgegenden späht und sie mit erhöhter Aufmerksamkeit verfolgt, einen kräftig entwickelten Zug zur Darstellung exotischer Lebensverhältnisse. Als alte, noch aus der eigenen Jugend vertraute Bekannte begrüßen wir auf diesem Gebiet zuerst Coopers unverwüstliche „Lederstrumpf-Erzählungen“, die der Verlag von Gustav Weise in Stuttgart in der Neubearbeitung von Klaus Bernhard in einem stattlichen, mit Buntbildern geschmückten Prachtband neu herausgegeben hat und die mit ihren Jndianerabenteuern gewiß jetzt noch wie einst leicht entzündbare Knabenherzen in Flammen zu setzen vermögen. Das thut auch das in F. Loewes Verlag in Stuttgart erschienene Buch „Die Goldsucher von Klondyke“, in dem C. von Barfus die mit der Entdeckung der berühmten Goldfelder verbundenen Erlebnisse eines jungen Deutschen in patriotischem Ton und warmen Farben erzählt. Zwei altbekannte Namen auf dem Gebiet des exotischen Jugendromanes sind Karl May und Friedrich J. Pajeken mit ihren spannenden Werken, die auch von den Erwachsenen gern gelesen werden. Beide haben als Schauplatz ihrer neuesten Werke den amerikanischen Westen erwählt, während aber Pajeken in seinem „Bill, der Eisenkopf“, einem Buch, das wie das vorgenannte bei Loewe in Stuttgart erschienen ist, in die Prairie- und Jndianerromantik der sechziger Jahre zurückgreift und die durch den Bau von Eisenbahnen völlig veränderten Verhältnisse nur streift, führt uns Karl May mit seiner von der Union in Stuttgart herausgegebenen Erzählung „Der schwarze Mustang“, mit starker realistischer Kraft die Schicksale deutscher Auswanderer schildernd, in das moderne Leben des Westens hinein. Und endlich verdient unter den exotischen Jugendbüchern ein warmes Wort der Empfehlung die im gleichen Verlage in zweiter Auflage erschienene Erzählung Franz Trellers, „Der Letzte vom ,Admiral‘“, die an den reichbewegten Schicksalen eines jungen Hamburgers ein fesselndes Bild modernen Seelebens und eine Art Robinsonade entwickelt. Eine Erscheinung für sich bilden in der Litteratur für die Knaben und Jünglinge die der Belehrung dienenden, mit technischen und wissenschaftlichen Abbildungen ausgestatteten „Illustrierten Taschenbücher für die Jugend“, welche die Redaktion des „Guten Kameraden“ bei der Union in Stuttgart herausgiebt. Bis jetzt sind sechs Bandchen erschienen, nämlich „Berufswahl: Armee und Marine“. „Aquarium und Terrarium“. „Liebhaber-Photographie“. „Der junge Elektrotechniker“. „Kleine Sternkunde“ und „Jugendtheater“, Werkchen also, die sich in den Dienst der Wissenschaft und des praktischen Lebens stellen. Bereits an die Backfische der Mittelschulen wenden sich mehrere im Verlag von Gustav Weise erschienene frische Erzählungen. „In den Ferien“ von Jda Kunitz hält in befriedigendster Weise was der Titel verspricht. Bertha Clement entführt uns aus den heimischen Landen nach Damaskus und Jerusalem, um allerdings ihre Heldin das Hauptschicksal, die Hochzeit, in München erleben zu lassen. Von der gleichen Verfasserin stammt eine Erzählung, „Die Rosenkette“, mit der sie den Cyclus eines in seinen drei Teilen selbständigen und doch wieder verbundenen Mädchenromans zum schönen Abschluß bringt. Das vierte dieser Bücher ist „Das Stiftskind“ von Agnes Hoffmann, welche dann Freude und Leid eines mitten unter würdigen Stiftsdamen aufwachsenden überaus sympathischen Mädchens in anziehendster Weise schildert und vor dem Altar zum glücklichen Schlusse führt. Für das gleiche Alter bestimmt ist die mit allerlei anziehenden Mädchengestalten belebte, eine Fülle von Mädchenschicksalen entwickelnde Erzählung „Das Montagskränzchen“ von Luise Glaß, einer Lieblingschriftstellerin des „Kränzchens“, deren Redaktion mit dem Bande die „Kränzchen-Bibliothek“ eröffnet. Im gleichen Verlag, der „Union“ in Stuttgart, ist der 24. Band vom „Jugendgarten“ erschienen. Dieses reich ausgestattete längst eingebürgerte Unternehmen, das alljährlich zu Weihnachten erscheint, bietet neben gutgewählten Erzählungen und Gedichten allerlei gediegene Beiträge belehrender Art in anregender Abwechslung. Der neue Band enthält über 200 ein- und mehrfarbige Illustrationen.

[832] II. Für Erwachsene. „Leberecht Hühnchen gehörte zu den Bevorzugten, denen eine gütige Fee das beste Geschenk, die Kunst glücklich zu sein, auf die Wiege legte; er besaß die Gabe, aus allen Blumen, selbst aus den giftigen, Honig zu saugen.“ Diese Worte, mit welchen Heinrich Seidel den liebenswürdigen Helden mehrerer seiner liebenswürdigsten Erzählungen vorstellt, sind bezeichnend für den Dichter selbst, dessen Poesie dem Leser in so anmutig heiterer Weise zu Gemüt führt, daß zum Glücklichsein vor allem gehört, die eigenen Ansprüche ans Leben im Einklang zu halten mit den Verhältnissen, über die man verfügt. Alle die vielen, welchen bereits Leberecht Hühnchen und seine Gesinnungsverwandten gute Bekannte sind, werden sich mit uns freuen, daß „Heinrich Seidels erzählende Schriften“ gegenwärtig im Verlag der J. G. Cottaschen Buchhandlung in Stuttgart in einer Gesamtausgabe erscheinen, die nach Gediegenheit der Ausstattung und Wohlfeilheit des Preises sich den Volksausgaben anschließt, welche im Laufe der letzten Jahre die Werke von Grillparzer, Anzengruber, Auerbach, Riehl im gleichen Verlage erlebten. In der zierlichen, längst beliebten Geschenkausgabe, in welcher die Erzählungen und Gedichte Seidels bisher erschienen, hat sich im gleichen Verlag ein neuer Band eingestellt: „Reinhard Flemmings Abenteuer zu Wasser und zu Lande“. In seiner kraftvollen niederdeutschen Eigenart gemahnt der in dieser lustigen Knaben- und Schelmengeschichte waltende Humor an Fritz Reuter, ohne daß dieser Anklang dem originellen Reiz der Erfindung Abbruch thäte.

Auch sonst steht ein gut Teil der uns vorliegenden Erzählungen im Zeichen des Humors. Er herrscht vor in „Richard Leanders Sämtlichen Werken“ (Leipzig, Breitkopf u. Härtel), wie er im besondern dieses Autors köstliche Märchen „Träumereien an französischen Kaminen“ auszeichnet, und nicht minder in Victor Blüthgens neuer Gabe „Das Weihnachtsbuch“ (Leipzig, Ernst Keils Nachf.), welche allerlei Weihnachtliches in Vers und Prosa enthält, darunter mehrere Erzählungen, die schon beim Erscheinen in der „Gartenlaube“ unsere Leser erfreuten; mit seinem reichen poetischen Inhalt voll Weihnachtsstimmuug, seinen Kunstbeilagen und Textillustrationen, ist es so recht berufen, auf vielen Bescherungstischen das „Weihnachtsbuch“ zu bilden. Der neue Band der Schriften von Hans Arnold: „Christel und andere Novellen“, mit Illustrationen von W. Claudius (Stuttgart, A. Bonz u. Komp.), umfaßt zehn kleinere Geschichten, deren herzerfrischender kräftiger Humor zumeist dem Familienleben entstammt. Auf einer humoristischen Grundidee beruht auch der neue Roman, den Peter Rosegger dieses Jahr seiner großen Gemeinde bietet: „Erdsegen. Vertrauliche Sonntagsbriefe eines Bauernknechts“ (Leipzig, L. Staackmann). Die „Sonntagsbriefe“ sind von einem modernen Städter geschrieben, der sich als Knecht auf einem kleinen Bauerngut in Steiermark verdingt hat, um das Landleben gründlich kennenzulernen: die rauhe Arbeit dort, der Verkehr mit arbeitsamen schlichten Menschen macht ihn glücklich und heiter. Auf demselben Stimmungskontrast beruht „Martinhagen. Eine Geschichte abseits der Heerstraße“ von Julius Stinde, mit 30 Federzeichnungen von R. Knötel (Berlin, Freund u. Jeckel). In dieser fein humoristischen Erzählung erlebt ein anspruchsvolles Mädchen aus Berlin, das als Gouvernante auf einen Pachthof kommt, durch den Einfluß ihrer neuen Umgebung, seine sittliche Läuterung. Eine originelle Satire auf moderne Kleinstädterei, im Stil an Jean Pauls „Siebenkäs“ erinnernd, ist die „Spießhagener Geschichte“ „Heinrich Zwiesels Aengste“ von Heinrich Steinhausen (Berlin, G. Grote). „Unter lachender Sonne“ heißt bezeichnend ein Band lustig erfundener, flott erzählter Humoresken von Max Hartung (Berlin, O. Janke). Warme Empfindung und sinnige Gemütsart sprechen sich anmutend aus in den Novellen und Skizzen „Erlauschtes und Erträumtes“ von Else Hofmann (Leipzig, P. List).

Auf der „Sonnenseite des Lebens“ spielt sich auch das schöne Liebesidyll ab, das dem zuerst in der „Gartenlaube“ erschienenen, nun als Buch vorliegenden Roman „Das Schweigen im Walde“ von Ludwig Ganghofer (Berlin. G. Grote) seinen eigentümlichen Zauber verleiht. Aber auch tragische Schatten fallen auf dies sonnige Lebensbild aus dem bayrischen Hochland. Noch mehr ist dies der Fall in Adolf Wilbrandts Roman „Der Sänger“, dessen Held ein Mainzer Schlossergesell ist, den ein freundlich Geschick auf die Höhen einer beglückenden Künstlerlaufbahn emporführt. Noch einen zweiten Band bietet der Cottasche Verlag von Wilbrandt. Er enthält die zwei kleineren ergreifenden Erzählungen „Erika“ und „Das Kind“. Wie die letztere ist unseren Lesern auch der machtvoll spannende, die Schrecken der Wüste und die Herrlichkeit der Hochalpenwelt packend schildernde Roman „Montblanc“ von Rudolf Stratz schon bekannt, der als Buch nun auch im genannten Verlage erschienen ist, in welchem J. C. Heers tiefpoetischer Schweizer Alpenroman „An heiligen Wassern“ gegenwärtig bereits in vierter Auflage im Druck ist. Ernste und heitere Geschichten aus Tirol vereinigt der gehaltvolle Band „Ueber Berg und Thal“ von Rudolf Greinz (Stuttgart, Deutsche Verlagsanstalt). In den Schwarzwald dagegen versetzt uns „Die Thalkönigin“ von Hermine Villinger, die hier aus romantischen Voraussetzungen ein Werk kraftvoller Charakteristik entwickelt hat (Stuttgart, A. Bonz u. Komp.). Genaue Kenntnis der Landschaft und Bevölkerung des Elsaß und ein frisches ansprechendes Erzählertalent offenbart in dem bei Cotta erschienenen Roman „Stille Wasser“ Hermann Stegemann. Ein neuer Name, an den sich Hoffnungen knüpfen! Das letztere gilt auch von den Verfassern zweier im gleichen Verlag erschienenen Romane, die uns mitten hinein in die Kämpfe führen, welche im letzten Jahrzehnt das politische und soziale Leben im deutschen Vaterlande bewegt haben. Ernst Heilborn schildert in „Kleefeld“ das Schicksal eines hohen Regierungsbeamten, der nach Bismarcks Rücktritt seine Entlassung nimmt und dann in einem kleinen Hause eines Berliner Vororts, in welchem ihm die Jugendgeliebte den Haushalt führt, ein friedliches Alter findet. Der Kampf ums „Frauenrecht“, der hier gestreift wird, schlägt die Grundaccorde an in dem dramatisch bewegten Roman „Der Weg zur Erkenntnis“ von Wilhelm Arminius. Die Heldin ist die Tochter eines unschuldig Verurteilten; das begründet den Fanatismus, mit dem sie für die Frauenrechte eintritt und von dem sie dann durch schmerzliche Erfahrungen befreit wird.

Ein sozialer Roman ist auch derjenige, den der Verlag der „Gartenlaube“, Ernst Keils Nachfolger, als Neuheit auf den Weihnachtsbüchertisch legt: „Schloß Josephsthal“ von Marie Bernhard. Das Werk hat bei seinem ersten Erscheinen in diesen Spalten allgemeines Interesse erregt, das gleich sehr der sympathischen Charaktergestaltung der Heldin, die als Erbin ihres reichen Vaters die Wohlthäterin seiner Arbeiter wird, wie der spannenden kriminalistischen Verwicklung galt, welche der an dem Fabrikanten verübte Mord zur Folge hat. Verwandt in der Tendenz mit diesem Werk unserer beliebten Mitarbeiterin ist „Der Armenpastor“ von Arthur Sewett (Dresden, C. Reißner), dessen Held sich als Seelsorger praktisch an der Lösung der sozialen Frage versucht und das Mädchen seiner Liebe, die Tochter eines stolzen Großindustriellen, zu gleichem Wirken begeistert. Im Keilschen Verlag erschienen auch in 2. Auflage die Geschichte in Briefen von R. ArtariaDas erste Jahr im neuen Haushalt“, die im Gewande eines unterhaltenden Romans jungen Hausfrauen vortreffliche Unterweisung giebt, und der Roman aus Weimars Blütezeit „Brausejahre“ von A. v. d. Elbe, in welchem Goethes erste Erlebnisse in Jlmathen poetische Darstellung erfuhren. In frühere Zeiten versetzen uns auch die kulturhistorischen Novellen aus dem Handwerkerleben „Aus eigener Kraft“, ein Buch, das der Verfasser Eduard Braunfels mit Recht als „goldenes Buch für Meister, Gesellen und Lehrlinge“ Es ist vom Verleger Udo Beckert in Stuttgart mit [833] zahlreichen Illustrationen ausgestattet worden. In eine noch ältere Geschichtsperiode greift A. Kleedehn zurück, der uns in dem Roman aus der Hohenstaufenzeit „Die Geschwister von Neuffen“ (Dessau, A. Haarth) die Kämpfe zwischen den Ghibellinen und Welfen heraufbeschwört, insbesondere die Zeit der Eroberung von Weinsberg durch Konrad III. Die Gesckwister von Neuffen sind zwei Brüder aus dem stolzen Rittergeschlecht, das damals auf dem Hohenneuffen, der ältesten und stärksten Burg im Schwabenlande, saß.

Diese Burg Hohenneuffen ist seit Jahr und Tag der Gegenstand eifriger Durchforschung seitens des Württembergischen Landeskonservators Eduard Paulus, in welchem das Schwabenland einen poetischen Verherrlicher besitzt, der zugleich als einer der gründlichsten Kenner seiner glanzvollen Geschichte gilt. Unter dem Titel „Der Alte vom Hohen-Neuffen“ reicht der Dichter dem deutschen Volke einen vollen Strauß neuer Berglieder, deren herbkräftiger Duft von ganz eigenartigem Reiz ist. In einzelnen dieser Lieder läßt er die Vorzeit der großartigen Burgtrümmer des Neuffens lebendig werden, dessen Entstehung er in die Zeit des Gotenkönigs Theodorich zurückverlegt. Im Cottaschen Verlag, wie dieser Band, sind auch die „Lieder eines Zigeuners“ von Georg Busse-Palma erschienen, einem jüngeren Bruder von Carl Busse, der diesen schwung- und temperamentvollen Poesien eine Einleitung vorausgesandt hat. Die so schnell zu allgemeiner Anerkennung gelangten, schon früher hier besprochenen „Gedichte“ von Anna Ritter liegen bereits in 5. Auflage vor. Von idealer Gesinnung beseelt sind die formenschönen „Gedichte“ von Albert Geiger, die im gleichen Verlag wie die vorstehenden erschienen sind. Die „Neuen Gedichte“ von Emil Rittershaus und die „Gedichte“ von Ernst Scherenberg, beides Sammlungen, die so vieles enthalten, was die Poesie des deutschen Familienlebens wiederstrahlt und zuerst in der „Gartenlaube“ ans Licht trat, wurden in neuer Bearbeitung und sehr gefälliger Ausstattung vom Keilschen Verlag zum sechsten Male herausgegeben. Das gleiche erfreuliche Schicksal erlebte im Cottaschen Verlag „Ein deutsches Hausbuch“ von Oskar von Redwitz, in welchem echter Patriotismus und warmes Familiengefühl ebenfalls eine wahrhaft herzerhebende Sprache führen. Begeisterte Vaterlandsliebe belebt auch die Dichtungen „Unter dem Zollernaar“ von Otto Franz Gensichen (Berlin, Alexander Duncker). Die neuen vermehrten Auflagen der Gedichte von H. BulthauptDurch Frost und Gluten“ (Oldenburg, Schulzesche Hofbuchhandlung) und der „Neuen Balladen“ von Heinr. Vierordt (Heidelberg, C. Winter) bestätigen die erfreuliche Thatsache, daß auch diese Dichter den verdienten Erfolg finden. Bei E. L. Kling in Tuttlingen erschienen die Gedichte „Rosen und Dornen“ von Paul Cornel, aus dessen Nachlaß herausgegeben von Herm. Kloß. Die Herausgabe dieses Bandes ist nicht nur ein schönes Denkmal der Freundschaft; er verhilft auch einem wirklich talentvollen Dichter von echtem Patriotismus und volkstümlichem Wesen zur Anerkennung. Die „Hundert Kinderlieder“ von Johannes Trojan (Berlin, Freund u. Jeckel) und „Kinderlieder und Reime“ von Julius Lohmeyer (Leipzig, Th. Grieben) verdienen im Familienkreise ein herzliches Willkommen. Den Freunden der lyrischen Poesie seien weiter empfohlen die „Dichtungen“ von Herm. Krone (Halle, O. Hendel), „Leuchtende Tage“ von L. Jacobowski (Minden, J. C. C. Bruns). Sanges- und hoffnungsfrohe Jugend äußert sich in dem Musen-Almanach Berliner Studenten für das Jahr 1900 „Dem neuen Jahrhundert“ (Berlin, H. Walther). Die Auswahl der Werke Julius Mosens, die Dr. Max Zschommler in vier Bänden herausgegeben und mit einer Lebensgeschichte versehen hat (Leipzig, A. Strauch), ist des Dichters würdig, dem die Nation die genialen Epen „Ritter Wahn“ und „Ahasver“ verdankt. Wie dieser Sammlung wünschen wir der 3. verbesserten und vermehrten Auflage der „Gesammelten Werke des Grafen Adolf Friedrich Schack“ in 10 Bänden, mit ihrem Reichtum bedeutender Dichtungen jeden Genres, weiteste Verbreitung.

Echt poetische Anschauungskraft offenbart die geschichtliche Schilderung „Paris 1870/71“ von Karl Bleibtreu, die mit Illustrationen von Chr. Speyer bei C. Krabbe in Stuttgart erschien. Heinrich v. Sybels längst anerkannte klassische „Geschichte der Revolutionszeit“ hat bei Cotta eine wohlfeile Ausgabe erfahren, die das bedeutende Werk weiteren Kreisen zugänglich macht. Wahrhaft lebensvolle Darstellung und klare Uebersichtlichkeit zeichnet die „Preußische Geschichte“ von Hans Prutz aus, von welcher im gleichen Verlag die ersten 2 Bände [834] (bis 1740 reichend) vorliegen. Von unterhaltend belehrenden neuen Büchern, die sich zu Christgeschenken eignen, schildern nicht weniger als drei: Reisen um die Erde. „Um die Erde. In Wort und Bild“ betitelt unser Mitarbeiter Paul Lindenberg seine anschaulichen frischen Schilderungen, welchen zahlreiche Illustrationen beigegeben sind (Berlin, F. Dümmlers Verlag). Wilhelm Brand, ein anderer geschätzter Mitarbeiter, berichtet nicht minder lebendig von seiner „Reise um die Welt“ (Leipzig, B. Elischer Nachf.). Nach Tagebüchern und mit 46 Illustrationen des Korvettenkapitäns E. Kohlhauer hat H. de Méville den Band „Um die Erde mit S. M. S. ‚Leipzig‘ zur Flaggenhissung in Angra-Pequena“ (Berlin, K. Siegismund) herausgegeben. Von den „Wanderungen durch die deutschen Gebirge“ bietet Karl Kollmann den 3. Band: „Von der Elbe bis zur Donau“ dar (Köln, P. Neubner). Die lebendigen Schilderungen sind durch 38 Vollbilder ergänzt. Von allen Freunden Italiens wird ein neues Werk gern begrüßt werden, das uns die Wunderwelt und die Wirklichkeit des alten viel gepriesenen Kulturlands jenseit der Alpen mit frischer Begeisterung und dabei gründlicher Sachkenntnis schildert: Friedrich NoacksItalienisches Skizzenbuch“ (Stuttgart, Cotta).

Von den uns vorliegenden größeren Illustrationswerken sind die „Illustrierte Geschichte des neunzehnten Jahrhunderts“ (Stuttgart, Union Deutsche Verlagsgesellschaft), die in Lieferungen erscheint, und die Bildermappe „Deutschlands Ruhmestage zur See“ von Hans Petersen erst kürzlich in der „Gartenlaube“ besprochen worden. Die „Lichtbild-Studien“ von Alfred Enke, welche in eleganter Mappe 30 Heliogravüren umfassen (Stuttgart, Union), sind ein glänzender Beweis für die Vollkommenheit dessen, was die vorgeschrittene photographische Technik im Dienste einer wahrhaft künstlerischen Auffassung und Ausübung zu leisten vermag. Das Resultat der Lichtbild-Studien Alfred Enkes ist ein Prachtwerk von echtem Kunstwert; Anmut und Schönheit in reizvollem Wechsel labt das Auge beim Betrachten dieser Landschaften und Genrebilder. Sehr originell wirkt die von Heinrich Lefler im Rokokogeschmack und mit köstlichem Humor illustrierte Ausgabe von Andersens Märchen „Die Prinzessin und der Schweinehirt“ (Wien, Gesellschaft für vervielfältigende Kunst). Gleichzeitig bietet der Verlag von Paul Neff in Stuttgart den zahllosen Verehrern von Andersens Märchen eine Prachtausgabe derselben, mit zahlreichen ganz reizenden Illustrationen von Hans Tegner, einem Landsmann des Dichters. Die Märchen sind neu übersetzt von Pauline Klaiber. „Sang und Klang im neunzehnten Jahrhundert“ ist der Titel eines schön ausgestatteten großen Bandes, welcher eine Auswahl der schönsten Kompositionen der hervorragendsten Meister unseres Jahrhunderts vereinigt, eine orientierende Einleitung von Hans Merian mit 18 Porträts ist denselben vorangestellt (Berlin, Verlagsanstalt Pallas). Echte Christfeststimmung atmet das zweiaktige Weihnachtsstück „Beerenlieschen“ von A. Danne (Weimar, J. Sernau), dessen ansprechende Musik von K. Goepfart gewiß gern überall, wo man gute Hausmusik pflegt, willkommen geheißen wird.