Vom höchsten deutschen Berge
Vom höchsten deutschen Berge.
Wer noch vor einigen Jahren die Zugspitze im Wettersteingebirge bestieg und aus einer Höhe von 2973 m über die bayerischen Alpen seine Blicke schweifen ließ, der konnte mit Fug und Recht sagen, daß er seinen Fuß auf die höchste Zinne des Deutschen Reiches gesetzt habe. Heute stellen wir an die Männer, die als die „höchstgestiegenen“ in deutschen Bergen gelten wollen, ganz andere Ansprüche.
In den letzten Jahren entstand jenseit der Oceane ein Neudeutschland. Ueber unermeßlichen Ländern weht die deutsche Flagge, und mit den Kolonialgebieten erwarben wir auch Berge, die weit höher sind als die heimathlichen. Zunächst wurde Kamerun mit seiner palmölberühmten Niederung und seinen gewaltigen Bergzügen errungen. Da war schon die Zugspitze nicht mehr unser höchster Berg; denn der kahle Gipfel des Westafrikanischen Riesen, der Große Kamerunberg oder der „Götterberg“, wie ihn die Eingeborenen nennen, ist gegen 4000 m hoch. Die Alpen waren uns aber noch über und mit dem 4810 m hohen Montblanc konnte sich der Bruder „Götterberg“ immer noch nicht messen. Da kam eine neue Errungenschaft hinzu. In Ostafrika wurden zwischen Deutschland und England die „Interessensphären“ abgegrenzt und ein neuer Riese fiel Deutschland zu: der Kilimandscharo, den vor Jahrzehnten ein Deutscher gemessen hat und der mit 5694 m Höhe selbst den Montblanc übertrifft.
Betrachten wir auf der Karte von Afrika die Grenzlinie zwischen den beiden Interessensphären, so sehen wir, daß diese nicht in schnurgerader Linie von der Meeresküste zu dem großen Ukerewesee läuft, sondern in der Mitte etwa einen kleinen halbkreisförmigen Bogen beschreibt, der in das englische Gebiet einschneidet. In diesem Halbkreise liegt der Kilimandscharo und diese Abweichung der Grenzlinie beweist, daß wir bei den Erwerbungen in Afrika den Riesen uns erhalten und ihn nicht preisgeben wollten. Preisgeben! Das Wort ist berechtigt; denn wem sollte ein gefundener herrenloser Gegenstand gehören, wenn nicht dem Finder?
Und ein Deutscher hat den Riesen in Ostafrika gefunden, war der Entdecker des Kilimandscharo! – Seit Jahrtausenden ging unter den Völkern die Sage von himmelanstrebenden Bergen in Ostafrika. Ptolemäos berichtete im zweiten Jahrhundert nach Christo von einem Quellsee des Nils und einem Mondgebirge. Dreizehnhundert Jahre vergingen, bis der reisekundige Spanier Fernandez de Enciso diese dunkle Nachricht durch die Mittheilung erweiterte, daß westlich von Mombassa ein sehr hoher „Berg Olympos“ liegen sollte, und drei Jahrhunderte verflossen wieder, bis der Mythus in der geographischen Wissenschaft als Wahrheit erwiesen wurde.
In den vierziger Jahren lebten an der Ostküste von Afrika einige Missionare, welche den Heiden das Evangelium verkündeten. Einer von ihnen, Namens Rebmann, drang auf seinen Wanderzügen tiefer in das Land hinein und kam am 11. Mai 1848 in die Nähe von Taweta. Da fesselte, als sich die Nebelschleier zertheilten, ein überwältigendes Schauspiel sein Auge; in weiter Ferne ragte aus düsterm Untergrunde eines Waldes der Schneedom des Kilimandscharo in den klaren blauen Himmel empor. Jeden, dem dieser Anblick zutheil wird, ergreift er noch heute im Tiefinnersten, und der schlichte Missionar fiel auf seine Kniee und betete mit bebenden Lippen den hundertelsten Psalm: „Ich danke dem Herrn von ganzem Herzen.“ Diese Wirkung des ersten Anblicks kann man begreifen, wenn man einen anderen deutschen Reisenden nach vierzig Jahren an derselben Stelle ausrufen hört:
„Welche Gegensätze sind in dem Bild harmonisch vereint! Hier unten die Gluth des Aequators und tropisches Leben, neben uns der nackte Neger und vor uns Palmenhaine am Rande des Tawetawaldes; dort oben die Eisluft der Pole, die überirdische Ruhe der gewaltigen anorganischen Natur, ewiger Schnee auf erloschenen Vulkanen!“
Rebmann, der nur von zehn Trägern begleitet wurde, konnte frei und sicher an den Hängen des Kilimandscharo umherwandern; denn um jene Zeit herrschte noch Frieden im Lande, der Einfluß der arabischen Sklavenjäger war bis dorthin noch nicht vorgedrungen. Bald darauf entdeckte ein anderer Missionar Krapf den Keniaberg, und beiden Deutschen wurde die Silberne Medaille der Geographischen Gesellschaft in Paris dafür zuerkannt, daß sie das Vorhandensein schneebedeckter Berge im äquatorialen Ostafrika nachgewiesen hatten.
Seit jener Zeit wurde der Kilimandscharo von englischen und deutschen Reisenden wiederholt besucht, aber niemand vermochte bis jetzt die Spitze desselben zu erreichen. Inzwischen aber sandte die Deutsch-ostafrikanische Gesellschaft Dr. Jühlke an den Fuß des Berges, der mit dem mächtigsten Häuptling des Landes, Mandara, einen Schutzvertrag abschloß und dadurch den deutschen Einfluß in jener Gegend praktisch zu sichern suchte. In jüngster Zeit kamen Neger vom Kilimandscharo zum erstenmal nach Deutschland und wurden sogar vom Kaiser empfangen. Alles dies weckt von neuem unser Interesse für den wunderbaren Berg, und es dürfte darum an der Zeit sein, auch unsere Leser mit diesem deutschen Gebiet vertraut zu machen.
Rings um den Kilimandscharo wird die Ebene von dem kriegerischen Stamme der Massai bewohnt, welche Dr. Fischer in der „Gartenlaube“ (Jahrgang 1885, S. 210) ausführlich geschildert hat. Das Hochplateau aber, welches den Sockel des Berges bildet, ist die Heimath des Dschaggastammes, nach dem auch das Land genannt wird.
„Dschagga,“ schreibt Dr. Meyer in seinem Werke „Zum Schneedom des Kilimandscharo“, „ist die Kulturzone des Kilimandscharo. [638] Auf seinem vulkanischen, zersetzten Boden, der durch regelmäßige Niederschläge das ganze Jahr hindurch bewässert wird, während zugleich tief eingeschnittene Bäche die Niederschlagsmengen reguliren, wachsen die Kulturpflanzen wie Bananen, Mais, Maniok etc. in einer Ueppigkeit, die jener van Sansibar nichts nachgiebt. An landschaftlich schönen Partien ist Dschagga außerordentlich reich. Das Land ist für afrikanische Verhältnisse stark bevölkert, und dieser Bevölkerungsdichtigkeit entsprechend ist die Kultur des Bodens eine ausgedehnte. Daneben wird Viehzucht (kleine Sangarinder, Ziegen, Schafe, Hühner) betrieben, da man vor den räuberischen Massai in diesen Bergeshöhen nicht besorgt zu sein braucht und die Donderobofliege hier nicht vorkommt.“
Das ganze Dschaggaland bildet nun eine Gruppe kleiner, selbständiger Staaten, deren Zahl etwa 20 betragen mag. Einer dieser Staaten ist Moschi mit dem Fürsten Mandara, und diesem, da er unser „Bundesgenosse“ ist, wollen wir in erster Linie unsere Aufmerksamkeit schenken.
Moschi ist nicht groß, sein Gebiet beträgt etwa anderthalb Quadratmeilen; aber es ist ein herrliches Stück Land und alle Reisenden, die es besuchten, wetteifern im Lob desselben.
Johnston schildert den ersten Blick auf das Fürstenthum Mandaras. „Nordwärts ragten die schweren Massen des Gebirges bis in den Himmel, und hüllten die beiden Bergspitzen sich auch in dicke Haufenwolken ein, unter ihnen sah man Hügel nach Hügel, Bergrücken nach Bergrücken in wellenförmiger Abwechslung sich in tiefes Dunkelblau kleiden unter dem schweren Schatten der niedriger hängenden Wolkenschicht. Dann folgten einige Streifen schwarzen, dunkelgrünen Waldes, der noch im Schatten lag, und in mittlerer Entfernung, da wo das Sonnenlicht auf die Landschaft durchbrach, erglänzten hübsche, runde Hügel gegen den düsteren Hintergrund mit ihren Gruppen smaragdgrüner Bananen als Vorboten der kultivirten Zone. Näher nach uns zu folgten tiefe Schluchten mit zwirnsfadendünnen Wasserfällen und Beständen üppigen Waldes, weiche, sonnige Niederungen, auf denen Ziegenherden weideten, frisch gepflügte Bodenparzellen, angebaute Felder, mit Hecken eingefaßte Wege und zuletzt der rothe kahle Berg.“
Und Thomson vervollständigt das Bild. „Das Dorf liegt auf dem schmalen Rücken eines Bergzuges, welcher nach beiden Seiten von einem tiefen Thal begrenzt wird. Vom obern Theil desselben leiten sehr geschickt angelegte Miniaturkanäle das Wasser eines kleinen Baches über den ganzen Bergrücken und verbreiten so über ihn während des ganzen Jahres die fruchtbringende Feuchtigkeit. Einen reicheren und mannigfaltigeren Anblick genoß ich an keinem anderen Punkte Afrikas. Die reiche Grasdecke wechselte ab und war gemischt mit Bananenwäldchen, Feldern mit Bohnen, Hirse, Mais, süßen Kartoffeln, Yams etc. Hie und da standen gleich Wachen kleine Gruppen stämmiger Bäume. Die Ufer der Bewässerungskanäle waren mit zartem Frauenhaarfarn und ähnlich aussehenden Gewächsen reich besetzt. Träges Vieh lag um die Hütten herum oder weidete in kniehohem saftigen Grase; lustige muntere Ziegen hüpften um die Kanalufer oder führten mit drohender Miene heitere Kampfspiele aus. Mit ungeheuren Fettschwänzen, die um die Beine watschelten, beladene Schafe sahen so lebensmüde aus, als ob sie sehnsuchtsvoll auf das Messer warteten. – – – Nach Osten schweift das Auge über den Wald von Taweta und die gelbe sonnverbrannte Ebene dahinter, bis der Blick an der Burakette und dem Pic von Kadiaro haftet, die sich über den Horizont erheben wie gefährliche schwarze Felsen aus einem schlammigen Meere. Nach Südosten bemerkten wir im Vordergrunde die von zahlreichen rauschenden Bergbächen durchwühlten Hügel und Thäler zu unseren Füßen. Hier wölbt sich domartig ein „Galerie-Wald“ über einem rauschenden Bach, dort erhebt sich ein buschgekrönter Hügelrücken. Bald blickt man auf eine schöne Lichtung, bald in eine parkartige Landschaft. Dazu denke man sich kräuselnde Rauchsäulen und buntgefärbte Gärten, und man hat Dschagga!“
So ist das Land beschaffen, sehen wir uns das Volk an! Die Dschaggas sind zumeist von kleinem Wuchs und kein schöner Menschenschlag, aber sie sind uns durch ihren Ackerbau sympathisch. Derselbe steht bei ihnen auf einer höheren Entwickelungsstufe als bei anderen Negerstämmen, die Dschaggas bringen ihre ganze Zeit damit hin, den Boden umzugraben, mit Asche zu düngen, zu harken und mit hölzernen Karsten umzuhacken. Vor allem aber sind sie Meister in der Bewässerungskunst und überziehen ihre Felder mit einem ganzen System von Kanälen, die sie von Bächen ableiten. Da sie auch Viehzucht treiben, Rinder, Schafe und Ziegen halten, so kennen sie den Genuß der Milch, und unsere Imker wird es interessiren, zu erfahren, daß die Dschaggas von den halbwilden Bienen Honig in ungeheueren Massen gewinnen. Die Eingeborenen hängen Kästen an Waldbäumen auf, damit die Bienen darin ihre Stöcke anlegen.
Auch Anfänge einer gewerblichen Thätigkeit finden wir bei ihnen vor. Sie sind kunstgerechte Schmiede und verfertigen alle Arten Hausgeräthe, Waffen und Schmucksachen aus Roheisen und dem eingeführten Eisendraht. Sie sind ausgezeichnete Korbflechter und sie verstehen ihre Körbe so dicht zu flechten, daß man in diesen Geräthen von gewebten Gräsern oder Bananenfasern Milch sicher befördern kann. Auch schnitzen sie aus massiven Holzblöcken gute Schüsseln und stellen aus Rhinoceroshörnern schön polirte Keulen her.
Die Dschaggas sind also in vielfacher Beziehung besser geartet als die Küstenneger und haben einen guten Kern, den man mit der Zeit fortbilden könnte.
In diesem lichten Bilde von Dschagga giebt es aber auch recht dunkle Schatten und diese sind in den politischen Verhältnissen des Landes, namentlich in den „Fürsten“, verkörpert. Mandara, der mächtigste von allen, möge für alle zeugen!
An und für sich als Mensch betrachtet, ist er eine wirklich interessante Erscheinung. Er ist groß gewachsen, etwa 180 cm hoch, ein auch äußerlich hoher Mann unter den Dschaggas. Er zählt jetzt nahezu 50 Jahre und wird etwas fett; aber sein Gesicht verräth auf den ersten Blick eine für den Neger nicht gewöhnliche Intelligenz. Mit den stark hervortretenden Backenknochen und der Adlernase erinnert er an die typischen Erscheinungen der indianischen Häuptlinge Nordamerikas. Der Mund ist weit, mit dünnen Lippen, und das Kinn fest, rund und Entschlossenheit verrathend. Das eine Auge hat die Sehkraft verloren und sieht irr und glasig aus, das andere aber glänzt wie das eines Adlers und schaut funkelnd unter den Brauen hervor. Leider ist uns kein Porträt, keine Zeichnung oder Photographie von Mandara bekannt; nur einmal konnte Johnston einen Theil des fürstlichen Körpers skizziren. Mandaras linkes Ohr. Dasselbe war durchbohrt und die Oeffnung derartig erweitert, daß durch dieselbe ein großer hölzerner Ring durchgezwängt werden konnte. Das Ohr ist eigenartig wie der Mann selbst. In der Reihe seiner blendend weißen Zähne befindet sich eine künstlich angebrachte Lücke, durch die er Bananenbier zu spritzen pflegt wie der Matrose den Tabakssaft. Im Spucken sind nämlich die Dschaggas ebenso groß wie die Massai, denn zum Zeichen der Verehrung, der Verwunderung oder des Dankes spucken sie einen an. Andere Völker, andere Sitten! Mandara drückt jedoch sein Erstaunen und seine Zufriedenheit noch auf eine besondere Art aus: er pfeift. Auch darin soll er Meister sein, und wenn ihm die Geschenke besonders gefallen, bringt er eine ganze chromatische Tonleiter zustande. Alle Reisenden, die ihn besuchten, wurden von ihm angepfiffen und mußten sich erst an diese seltsame Kundgebung der fürstlichen Gefühle gewöhnen.
Den Charakter des Mannes lernen wir am besten aus seiner Lebensgeschichte kennen. Als Mandaras Mutter das Scepter im Lande Moschi führte, herrschte dort Frieden. Mit dem Regierungsantritt des jungen Herrschers aber begannen schlimme Tage für Dschagga. Um jene Zeit waren die Sklavenhändler bis zum Kilimandscharo vorgedrungen, und da sie sich zu schwach fühlten, auf eigene Faust zu rauben, griffen sie zur List. Sie hetzten die kleinen Fürsten gegeneinander, unterstützten sie bei ihren Raubzügen und kauften dann die geraubten Sklaven. Ein schwarzer Mensch wurde mit nur 8 Mark bezahlt und der ackerbautreibende Dschagga in Sansibar gern gekauft. Unter diesen Räubern nahm Mandara die erste Stellung ein und sein Name war rings um den Fuß des Berges gefürchtet, bis eines Tages die gepeinigten Dschaggas der anderen Staaten ein Bündniß schlossen und ihre „vereinigten Heere“ in Moschi einrückten. Der „Napoleon vom Kilimandscharo“ unterlag der Koalition, er mußte fliehen und war König ohne Land. Dies dauerte jedoch nicht lange. Als sich der Sturm gelegt hatte, kehrte er in das verwüstete Moschi zurück und arbeitete an der Wiederherstellung des „Reiches“. Sein Ländchen zählt nur 8000 Einwohner, aber er hat die allgemeinste Wehrpflicht eingeführt, so daß er über 800 bis 1000 Krieger verfügt. Das Unglück hat ihn klug und vorsichtig gemacht; er [639] raubt und plündert weiter, aber mit Maß und Ueberlegung und weiß seine Macht zu behaupten.
In seinem bewegten Leben ist er mit vielen Europäern zusammengekommen. Als Rebmann am Kilimandscharo reiste, war Mandara noch ein Kind von 3 bis 4 Jahren; als Jüngling sah er den „Baroni“, wie der deutsche Reisende Klaus v. d. Decken noch heute am Kilimandscharo heißt, im Jahre 1873 plünderte er den Missionar New aus, zehn Jahre darauf wußte er Thomson wie eine Citrone auszupressen, später mußte Johnston ihm in einem gefährlichen Kriege Hilfe leisten, wobei die feindliche Armee durch ein bei Beginn der Nacht abgebranntes Feuerwerk in die Flucht geschlagen wurde. Als der Wettstreit um koloniale Erwerbungen auch in Ostafrika begann, trat er zunächst mit General Matthews wegen eines Schutzvertrages mit Sansibar in Unterhandlungen, fand aber dessen Legitimationen vom Sultan von Sansibar nicht in Ordnung, nahm mehrere hundert Piaster als Anzahlung aus den Vertrag an und sandte den General zur Küste zurück, damit er sich Vollmachten hole, und inzwischen schloß er, wie schon oben erwähnt, mit Dr. Jühlke den Vertrag ab. Sehr betrübt war er, daß Dr. Meyer 1887 zum Sultan Mareale, einem anderen Dschaggafürsten, und nicht zu ihm zog, und ließ durch seinen Suaheli-Sekretär Briefe: „Im Namen des Allerhöchsten. An die Adresse des geliebten, des erhabenen, des geehrten, des zu ehrenden, des geliebten Doktors“ schreiben.
In denselben kehrten folgende Klagen und Betheuerungen wieder. „Ich wollte Dir Speise senden, aber ich habe folgende Bedenken gefunden: Als jener Weiße kam, welcher in Taweta war,[1] habe ich ihm ein Rind geschickt und er hat mein Rind nicht angenommen und er hat es zurückgeschickt. Ich bin ein großer Mann, zu geben einem Manne. Ich gebe nicht um eines guten Gegengeschenkes willen. Ich liebe die Deutschen, weil ich Euer Bundesgenosse bin, und ich habe Vertrag geschlossen mit meinem Freunde, dem Doktor (Jühlke), und siehe nur nach in Deinem Buch, da wirst Du Euren Bundesgenossen finden. Bis wie lange haben wir diesen Euren Bund verschoben, und Du willst nun nicht zu mir kommen, um Euren Bundesgenossen zu sehen?“
Mandara würde versöhnt, denn Meyer schickte dem Bundesgenossen durch eine Gesandtschaft Geschenke, auf die es wohl vor allem ankam, und auch der Reisende v. Eberstein begab sich zu ihm, um Geschenke von Dr. Peters zu überbringen. Mit dem letzten Deutschen, der bei ihm weilte, lebte Mandara in bester Freundschaft und die Dschagganeger, die mit Otto E. Ehlers im Frühling dieses Jahres nach Berlin kamen und als Gesandte Mandaras vom Kaiser empfangen wurden, gaben auch weiteren Kreisen Gelegenheit, Soldaten der Moschiarmee kennen zu lernen, die um den Kilimandscharo als unüberwindlich gilt. Es ist dies eine afrikanische Prachttruppe, an welcher der Kaiser und die Kaiserin, vor allem aber die kleinen Prinzen, die der Audienz beiwohnten, sicher ihre Freude hatten. Die kriegerischen Söhne der Wildniß hatten „Kriegsfarben angelegt“. Da fehlten nicht die Kragen von Adlerfedern und die Mäntelchen von Affenfellen. Den Kopf schmückte ein Aufputz von Straußenfedern und an den Armspangen hingen zierliche Affenschwänzchen, während eiserne Schellen an den Fußgelenken bei jeder Bewegung ein lustiges Geklingel ertönen ließen. Die Krieger führten auch, wie unsere obige Abbildung darstellt, ihre Tänze auf, schwangen die gefürchteten Speere mit [640] schaufelartigen Spitzen, die Keulen und die schöngearbeiteten, mit Büffelhaut überzogenen Schilde. Im Hintergrunde steht, mit einem langen Mantel angethan, der Dolmetscher.
Mandaras Armee hat viele harte Proben bestanden und einst wurde sie sogar vor eine Batterie kommandirt – vor die galvanische Batterie Thomsons, wo ihre Offiziere mit der ganzen Selbstbeherrschung, die einem Krieger möglich ist, den unheimlichen Zuckungen des elektrischen Stromes Widerstand leisteten! –
Das sind Bilder von Dschagga, die den Kolonialpolitiker interessiren, denn das obere Dschaggagebiet (1500 bis 1800 m hoch gelegen), das augenblicklich wegen der kühlen Temperatur nicht bewohnt wird, ist vielleicht das einzige Gebiet in Deutsch-Ostafrika, in dem sich Weiße niederlassen können, um dort Ackerbau zu treiben. Aber die über jenem schönen Lande thronenden Berggipfel reizen den Forscher, der hier mit einem einzigen Blick Palmen und ewigen Schnee umfassen kann.
In zwei Spitzen läuft der Berg aus, die niedrigere felszerklüftete heißt der Kimawensi (4950 m), die höhere ist der Kibo. Wohl sind die Menschen über die Urwaldgrenze, über die mit merkwürdigen Pflanzen bestandenen Grasgebiete des Berges hinaus vorgedrungen und haben auf Schneefeldern bei fünf Grad Kälte beinahe unter dem Aequator genächtigt; aber der Berg ist noch nicht bezwungen. Eine thurmhohe Eiswand in 5450 m Höhe gebot den einen Halt, während ein dichter Nebel die anderen am tiefsten Rande des erloschenen Kraters zur Umkehr zwang, und niemand hat den höchsten „Sitz des Kälte bringenden Dämons“[2] betreten. Aber während diese Zeilen in die Hände unserer Leser gelangen, werden zwei deutsche Reisende wieder in Sansibar Expeditionen ausrüsten, um dem Kilimandscharo entgegenzustreben.
Otto E. Ehlers führt die Dschaggas nach ihrer Heimath zurück, und für den 118 Pfund schweren Elfenbeinzahn und die Speere und Schilde, die unserem Kaiser überreicht wurden, bringt er Gegengeschenke: Waffen, Theatermäntel, Spielwaaren, Maschinenmodelle, Feuerspritzen etc. für Mandara und von unserm Kronprinzen ein Dreirad und eine Kürassieruniform für den kleinen schwarzen elfjährigen „Prinzen“ am Kilimandscharo, damit dieser auch wie König Bells Sohn, der „Kronprinz“ von Kamerun, auf einem Stahlroß sein Moschi durchfahren könne. Hoffentlich wird Mandara recht tüchtig pfeifen zum Zeichen seiner Zufriedenheit und seinem Bundesgenossen treu bleiben und die Deutschen noch mehr lieben.
Auch Hans Meyer ist bereits unterwegs, mit allem Rüstzeug eines Bergsteigers in den Alpengletschern wohl versehen. Vielleicht gelingt es ihm, die Eiswand zu überwinden und seinen Fuß auf den höchsten Punkt Afrikas zu setzen. So mögen aus den Reisen der beiden Staat und Wissenschaft Nutzen ziehen; unsere Glückwünsche begleiten sie auf dem weiten Wege! – Wenn aber der Riese bezwungen sein wird, dann werden wir noch einmal mit unsern Lesern im Geiste zu unserm höchsten Berge pilgern und, unbekümmert um Krieg und Sklavenraub, uns der erhebenden Eindrücke freuen, welche ein tagelanger mühevoller Marsch von den Palmenhainen zum ewigen Eise dem nach Wissen dürstenden Geiste in unermeßlicher Fülle beschert.