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Von der Insel Malta

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Textdaten
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Autor: Hermann Reimer
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Titel: Von der Insel Malta
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 8, S. 259–260
Herausgeber: Adolf Kröner
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Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1890
Verlag: Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig
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Erscheinungsort: Leipzig
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Originalherkunft:
Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
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[259] Von der Insel Malta. (Mit Abbildung. Seite 260.) Während der größte Theil unserer Winterflüchtlinge sich die Riviera zum Reiseziel setzt, wählten andere, welche die weitere Reise und insbesondere die Seereise nicht zu scheuen haben, gern eine der Mittelmeerinseln als Zufluchtsstätte. Unter ihnen hat auf Korsika das staubfreie Ajaccio eine stetig wachsende Kurgemeinde erhalten, und nun folgt ihm Korfu mit seinen herrlichen Olivenwäldern und seinen unübertroffenen landschaftlichen Reizen. Sicilien ist im Rückgange begriffen; als vierte aber ist in den Bund dieser Inseln Malta eingetreten.

Ein starker Gegensatz zu allen Eindrücken, die man aus Italien mitbringt, das ist das erste, was dem Ankömmling in der maltesischen Hauptstadt Lavalette auffällt. Eine italienische, mit arabischen Bruchstücken gemischte Bevölkerung unter englischer Herrschaft! Statt des leichtfüßigen gewandten Bersagliere mit seinem wallenden Federbusch, statt der schmucken Carabinieri in Frack und Dreimaster sieht man hier und da auf den Bastionen Gestalten aufgepflanzt, lang, schlank und roth wie eine Stange Siegellack, mit weißem Helm auf dem Kopf – es sind die englischen Koloniesoldaten. Die Bootsleute, die uns ans Land rudern, sprechen den malteser Dialekt, ein Gemisch von Italienisch und Arabisch, aber die flinken Vetturini mit ihren sauberen Carozellen sind des Italienischen [260] vollständig mächtig. Statt einer Lira verlangen sie „un cillino“, und man muß sich erst besinnen, daß das ein Shilling sein soll. So wenig ist also im Verlauf von 90 Jahren das Englische von der Bevölkerung der eroberten Insel angenommen worden.

Kein Wunder daher, daß der Versuch der Engländer, ihre Landessprache als Amtssprache einzuführen, glänzend gescheitert ist. Nur für saubere Straßen und gutes Pflaster hat man überall gesorgt. Vier größere Gasthäuser stehen uns zur Verfügung. Ihre innere Einrichtung ist nicht besser als die der italienischen Gasthöfe zweiten Ranges trotz des Fahrenheit-Thermometers, der sich im Speisezimmer befindet. Von diesem Instrument sich zu trennen, scheint dem Engländer geradezu unmöglich, während die meisten Nationen längst die in der Wissenschaft allein gebräuchliche hunderttheilige Skala nach Celsius angenommen haben. Von hervorragender Güte ist die Verpflegung. Wer sich an die Anspruchslosigkeit der italienischen Küche gewöhnt hatte, sieht hier mit Verwunderung, was der englische Magen vertragen kann. Für den Pensionspreis von bis 10 Shilling täglich erhält man außer Wohnung 3 Mahlzeiten, die in der Regel um 9, 1 und 6 Uhr stattfinden. Schon das erste Frühstück, welches neben Thee aus verschiedenen Eierspeisen, gebackenen Fischen und gebratenem Fleisch besteht, giebt uns eine Idee von dem, was wir weiterhin zu erwarten haben, und in der That kann damit auch der verwöhnteste Geschmack und der ausgesprochenste Heißhunger befriedigt werden.

Malteserin mit der Faldetta.

Das Klima von Malta hat seine Licht- und Schattenseiten. Im regenlosen Sommer sind Hitze und Kalkstaub unerträglich, und wer irgend kann, verläßt dann die Insel. Dieser Zustand dauert an bis in den September hinein, wo noch einzelne Stöße des erschlaffenden Scirocco die Insel treffen. Dann kommen die Herbstregen, die, vom porösen Kalkboden begierig aufgesogen, den Staub löschen: die hochgradige Wärme mäßigt sich, bleibt aber immer auf einer für den Nordländer ganz behaglichen Stufe. Beträgt für San Remo die mittlere Temperatur der 3 Wintermonate 9½°, für Ajaccio 11°, für Palermo 11½°, so erhebt sie sich für Lavalette auf 13½°C., und dabei sind die täglichen Wärmeschwankungen, der Natur des Inselklimas entsprechend, sehr unbedeutend. Gegen Mitte des Winters erfolgen neue Regengüsse oft von tropischem Charakter, und nun, bis in das Frühjahr hinein, leidet die Insel unter ihrer vollständigen Schutzlosigkeit gegen die Nordwinde. Man sieht, daß die gute Zeit Maltas für Leidende, insbesondere für Brustkranke, sich auf Anfang Oktober bis Mitte Dezember beschränkt.

Ein sehr wesentlicher Nachtheil Maltas ist die Schattenlosigkeit. Der dringenden Nothwendigkeit, sich überall gegen die Sonne zu schützen, entspricht die allgemeine Tracht der Frauen, welche unsere Abbildung veranschaulicht, die Faldetta, jener schwarzseidene Kopfüberwurf, einer Schürze vergleichbar, deren oberer zusammengeraffter Theil über dem einen Ohre sitzt, während der untere malerisch über den Kopf herabfällt, das Gesicht schützend und wie in einen schwarzen Rahmen einfassend. So hat hier am Gestade des Mittelmeeres der gewöhnliche Schattenspender der Helgoländerinnen diese anmuthigere Form angenommen. Nun befindet sich zwar in der Umgebung des botanischen Gartens von Lavalette eine Anpflanzung, innerhalb welcher Orangen, Oleander, Korkbäume und Rhododendren einigen Schutz gewähren, aber eine wirkliche Parkanlage trifft man erst in S. Antonio, im Garten des Gouverneurs, der 7 Kilometer von der Stadt entfernt ist. Sonst ist man überall darauf angewiesen, zwischen graugelben Häusern und Mauern auf den häufig steil ansteigenden Straßen zu wandeln, und oft genug muß uns der Aufenthalt in den hohen, luftigen Zimmern des Gasthofs den Luftgenuß im Freien ersetzen. Hermann Reimer.