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Warnung für Auswanderer (Die Gartenlaube 1867/51)

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Textdaten
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Autor: unbekannt
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Titel: Warnung für Auswanderer
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 51, S. 815–816
Herausgeber: Ernst Keil
Auflage:
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Erscheinungsdatum: 1867
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Originalherkunft:
Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung: Peru
Blätter und Blüthen. Zum Thema: Warnung für Auswanderer
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[815] Warnung für Auswanderer. Im Anfang des Monats August d. J. verließen zwei Männer, ein gewisser Martin (Luxemburger von Geburt) und ein Engländer, Namens Scotland, die Stadt Lima in der südamerikanischen Republik Peru, in der Absicht, Deutsche zur Auswanderung dahin zu verleiten.

Die Regierung jenes Staates suchte nämlich die Ländereien im Innern der Republik, welche noch im wüsten Urzustande daliegen, zu colonisiren. Von früheren Versuchen, die eigenen Unterthanen zu einer Niederlassung in jenen Districten zu bewegen, hatte sie abstehen müssen; wegen der weltbekannten Trägheit der Peruaner und weil die rauhen, über wilde Schluchten und reißende Bergströme führenden Verbindungswege, zu deren Restauration die Regierung weder Geld noch taugliche Leute hatte, Jeden zurückschreckten. Da blieb denn nichts Anderes übrig, als Ausländer anzuwerben, und welche wären dazu wohl besser passend als die Deutschen? Arbeitsam und unermüdlich, wie der Deutsche ist, versprach er, der Obrigkeit (vom nationalen Standpunkte aus betrachtet, keineswegs zu seinem Ruhme) ein guter, geduldiger Unterthan zu werden, der im Schweiße seines Angesichts dem fremden Lande neue Erwerbsquellen eröffnen und mit seiner Hände Arbeit das fremde Volk zum Wohlstande führen würde.

Schon um die Mitte der fünfziger Jahre trafen auf Veranlassung und unter Führung eines Deutschen, Damian von Schütz, dreihundert Einwanderer, Tiroler und Rheinländer, in Lima ein, um Niederlassungen am oberen Amazonenstrome zu gründen. Schütz hatte es wohl ganz ehrlich mit den Leuten gemeint, ehrlicher gewiß als die peruanische Regierung, die keine ihrer großen Versprechungen gehalten hatte. Z. B. sollten die Colonisten bei ihrer Ankunft eine gute Straße nach dem Innern vorfinden, statt dessen war noch kein Spaten zum Bau einer solchen in Bewegung gesetzt, und auch noch heute sind die Wege, wenigstens bis auf wenige Stunden vor der Hauptstadt, blos schmale Maulthierpfade, verfallener und verwahrloster als dazumal, und werden es auch wohl bleiben, bis einmal einer der Präsidenten selbst darauf den höchsteigenen Hals bricht. Das Geld zum Bau der Straße war von gewissenlosen Beamten zu anderen, wahrscheinlich privaten Zwecken verwandt werden! Genug, nichts war für die Aufnahme der Colonisten gethan, und diese konnten nun selbst sehen, wie sie fortkämen.

In Lima schon waren viele (etwa der dritte Theil) zurückgeblieben, um auf andere Weise ihren Unterhalt zu verdienen, weil sie sich durch die Wortbrüchigkeit der peruanischen Regierung von ihrem Contracte entbunden glaubten. Die übrigen, unter denen sich auch viele Weiber und Kinder befanden, langten nach Ueberwindung großer Gefahren und Strapazen bald an einer Stelle, einem Bergabhange, an, wo selbst die Maulthierpfade aufhörten, und jetzt begann für die Armen eine arge, schwere Zeit.

Da saßen sie hoch oben in den Schneeregionen der Anden und klopften Steine! Wie manche Thräne mag dem Auge der Mutter entfallen sein, wenn sie auf ihr Kind blickte, das sie einer trüben Zukunft entgegenführte; wie manchen Fluch über die Verlockungen der Werbeagenten mögen dort die Lippen eines Vaters hervorgepreßt haben, sah er Weib und Kind hungernd und vor Frost zitternd in gänzlicher Ermattung zusammenbrechen! Zwei lange, lange Jahre der Drangsal und der Gefahren verflossen, ehe ein Platz gefunden war, wo sie sich ansiedeln konnten, und nicht Wenige waren inzwischen den Beschwerden erlegen.

Der Hauptzweck der Regierung, einen Handelsweg nach den atlantischen Staaten Südamerikas für die Producte einer am oberen schiffbaren Amazonenstrome zu gründenden Colonie zu erschließen, war aber nicht erreicht, denn die junge Niederlassung lag noch weit von den schiffbaren Gewässern des großen Stromes entfernt, und durch nichts waren die Ansiedler zu bewegen, ihr kleines, geschütztes Thal wieder zu verlassen und noch länger die Beschwerden eines Marsches in der Wildniß zu ertragen.

Jetzt nun sollen von Neuem Einwanderer nach Peru geschafft werden, um die Pläne der Regierung auszuführen, und die beiden Eingangs genannten [816] Männer haben sich zu deren Heranziehung erboten. Sie wollen fünftausend Personen anwerben und erhalten pro Kopf hundertundfünfzig Soles, werden also durchaus kein schlechtes Geschäft machen, wenn es ihnen gelingt, eine solche Anzahl zu bethören.

Leider sind es größtentheils gerade die tüchtigsten Kräfte, der Kern des deutschen Volkes, welche am leichtesten zu gewinnen sind; thatkräftige Männer, die drüben, wenn auch mit harter Arbeit, den Wohlstand ihrer Familien gründen, den Keim zum Glücke ihrer Kinder legen zu können glauben. Daher ist es Pflicht jedes Menschenfreundes, jedes Deutschen, vor den Verlockungen der Anwerbenden zu warnen. Denn was erwartet die mit frohen Hoffnungen Ankommenden? – Harte, unbelohnte Arbeit und Gefährdung von Gut und Leben. Handel und Gewerbe liegen in Peru darnieder wie noch nie zuvor. Die Regierung ist gezwungen, um sich Geld zu verschaffen, dem Volke immer neue und größere Steuern und Lasten aufzulegen, wodurch sich das Murren und die Unzufriedenheit fortwährend mehren. Unzählige Revolutionen haben die socialen Verhältnisse des Landes gänzlich zerrüttet; Raub- und Mordgesindel treibt selbst in der nächsten Nähe der Hauptstadt sein Unwesen, und die niedere Bevölkerung rückt, geistig wie leiblich, einer gänzlichen Verkommenheit immer näher.

Möchten darum sämmtliche deutsche Zeitungen es für eine nationale Pflicht erachten, diese Warnung durch Aufnahme in ihre Spalten zu verbreiten!