Wendische Sagen, Märchen und abergläubische Gebräuche/Kapitel XXXVI

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XXXVI. Kirchen
XXXVII. Glocken
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XXXVI.
Kirchen.

1.

In einem Dorfe nicht weit von Cottbus wollten die Bauern eine Kirche bauen. Schon waren die Mauern des Baues etwa zwei Fuss hoch, da zerstörte der Böse sie wieder. Er trieb nämlich in der Nacht um zwölf Uhr eine Heerde Schweine in die Kirche. Diese wühlten den Boden so auf, dass die Mauern wieder einstürzten. Das trieb der Böse so lange, bis die Maurer es aufgaben, an dieser Stelle eine Kirche zu bauen: die Trümmer des Baues sieht man noch heute.

Ströbitz.     
2.

Eines Sonnabends trieb ein Schweinehirt aus Stradow bei Spremberg seine Heerde nach Hause. Plötzlich brach ein furchtbares Gewitter herein. In dem Augenblick, als dies geschah, hatte auch der Schweinehirt das Dorf erreicht. In seiner Angst trieb der Hirt die Schweine in die Kirche, welche gerade offen stand. Nachdem das Gewitter ausgetobt hatte, verliess die Schweineheerde die Kirche. Seit der Zeit hält der Kirchthurm in Stradow nicht mehr. So viel auch daran ausgebessert wird, immer fällt er theilweise wieder ein.

Stradow.     
3.

In Reuthen befinden sich die Mauerreste eines alten Baues. Man erzählt, dass sie von folgendem Vorfall herrühren. Die Bewohner von Reuthen wollten eine Kirche bauen. Sie hatten den Bau schon ziemlich weit gefördert, als einstmals ein Treiber mit einer Heerde von Schweinen [376] zur Schänke kam. Er fand dort kein Unterkommen mehr, so sehr er auch darum bat. Es blieb ihm nichts weiter übrig, als in den Mauern der alten Kirche mit seiner Heerde Unterkunft zu suchen. Nachdem der Treiber mit seiner Heerde am folgenden Tage abgezogen war, wurde an der Kirche weiter gebaut, allein am folgenden Morgen fand man, dass Alles verwüstet war, was man am Tage zuvor gebaut hatte. Das wiederholte sich fortan jeden Tag. Da stellten die Reuthener des Nachts Wächter auf. Diese sahen um Mitternacht einen Wagen angefahren kommen, welchen zwei schwarze Stiere zogen. Sie bemerkten, dass Jemand abstieg, das frisch Gemauerte einriss und mit den Steinen den Wagen belud. Dann fuhr er ab. Alles geschah mit einer solchen Schnelligkeit, dass die Wächter nicht zu sehen vermochten, wer oder was für ein Wesen es war, welches die Mauern abriss. Es blieb den Bewohnern von Reuthen nichts anderes übrig, als dass sie die vorhandenen Mauern unvollendet stehen liessen, die Kirche aber an einem andern Fleck aufbauten.

Reuthen.     
4.

Die Madlower wollten ihre Kirche ursprünglich dort bauen, wo jetzt die Vogelskaupe ist. Allein so oft man auch den Grund gelegt hatte, immer war er des Morgens wieder verschwunden. Da stellte man einen Wächter auf. Allein diesen erfasste des Nachts ein Grausen und er lief davon. Endlich erbot sich ein sehr beherzter Mann, er wolle die Wache übernehmen. Als es zwölf Uhr schlug, kam ein Wagen angefahren, welchen zwei schwarze Ochsen zogen. Die Ochsen hatten grosse, feurige Augen. Sobald der Wagen zur Stelle war, sprang ein kleiner, schwarzer Mann von demselben herab, riss die Mauern ein, belud mit den Steinen den Wagen und fuhr damit fort. Als es eins schlug, hatte er sein Werk vollbracht. Darauf sagte er zu dem Wächter: „So lange Ihr hier bauen werdet, werde ich jedes Mal den Bau zerstören, denn dieser Ort ist verflucht. Wollt Ihr eine Kirche bauen, so mögt Ihr es dort drüben thun.“ Bei diesen Worten zeigte er nach jener Stelle hin, wo jetzt die Kirche steht. [377] Kaum hatte er die Worte gesprochen und den Ort bezeichnet, so war Mann und Wagen verschwunden. Der Wächter erzählte am andern Morgen, was er erlebt hatte. Darauf begann man sofort den Bau an der bezeichneten Stelle. Jetzt wuchsen die Mauern der Kirche schnell empor. In der Nacht aber vor der Einweihung der neuen Kirche erschien der kleine Mann dem früheren Wächter wieder und sprach: „Habe Dank, dass Du Alles ausgerichtet hast, wie ich es Dir gesagt habe. Nun bin ich erlöst.“ Kaum hatte das Männchen die Worte gesprochen, so war es verschwunden. An der Stelle, wo das Männchen gestanden hatte, fand sich ein Häufchen Asche.

Madlow.     



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