Wendische Sagen, Märchen und abergläubische Gebräuche/Kapitel XXXVII

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XXXVI. Kirchen Wendische Sagen, Märchen und abergläubische Gebräuche (1880) von Edmund Veckenstedt
XXXVII. Glocken
XXXVIII. Versunkene Wagen
[378]
XXXVII.
Glocken.

1.

Vor vielen Jahren war in Burg auf dem Kirchthurm eine uralte Glocke. Jedesmal, so oft dieselbe Mitternacht schlug, kam im Schallloch ein alter Topf zum Vorschein, welcher die zwölf Schläge nachschlug, ebenso um ein Uhr den einen Schlag. Das ist viele Jahre hindurch von den Leuten beobachtet worden, ohne dass Jemand hat dahinter kommen können, woher der Spuk rühre. Endlich aber ist der alte Topf nicht mehr gesehen worden.

Burg.     
2.

In Steinitz war eine solch schöne Glocke, dass die Cottbuser sie zu haben wünschten: sie versprachen den Bauern, wenn diese ihnen die Glocke abliessen, den Weg von Cottbus bis Steinitz mit harten Thalern zu pflastern. Die Steinitzer sind aber auf den Handel nicht eingegangen.

Steinitz.     
3.

Die Steinitzer hatten sehr schöne Glocken. Die Bauern eines Nachbardorfes wollten sich der Glocken bemächtigen, die Steinitzer gaben sie aber nicht gutwillig her. In Folge dessen kam es zu einem heftigen Streit. Dabei fielen die Glocken, deren sich die Bauern des Nachbardorfes schon bemächtigt hatten, in den Steinitzer Teich. In diesem Teich sind auch die zwölf Apostel versenkt. Man hat schon viele Versuche gemacht, Glocken und Apostel aus dem Teich zu ziehen, bisher aber vergeblich. Der Teich ist nämlich so furchtbar tief, dass man bis jetzt niemals bis auf den Grund gekommen [379] ist, so viel man auch Stangen an einander gebunden und hineingestossen hat.

Steinitz.     
4.

In der Nähe von Steinitz ist ein See, welcher unergründlich tief ist. Darin soll die Steinitzer Glocke, welche einen wunderbar schönen Klang hatte, liegen. Einer Frau wäre es einmal beinahe geglückt, dieselbe an das Licht des Tages zu ziehen. Einstmals fischte sie nämlich im See. Als sie ihr Netz hochziehen wollte, war es so schwer, dass sie das kaum vermochte. Daran merkte sie, dass ein sehr schwerer Gegenstand im Netze war. Weil ihr derselbe viel zu schaffen machte, rief sie in ihrem Aerger aus: „Verfluchtes Ding!“ In demselben Augenblick ward ihr Netz leicht. Tief unten vom Grunde herauf aber gab es einen seltsamen Klang. Da wussten die Leute, welchen sie Alles erzählt hatte, dass die Frau die Glocke in ihrem Netze gehabt hat.

Steinitz.     
5.

Die Bewohner des früher katholischen Dorfes Steinitz hatten eine Glocke, welche durch ihr schönes Geläute den Neid der Einwohner von Lindchen und Bahnsdorf erweckte. Die Bauern dieser Dörfer beschlossen, sie wollten sich, da sie selbst keine Glocken hatten, derselben bemächtigen. Es war ihnen auch schon gelungen, die Glocke heimlich bis auf einen Berg, welcher zwischen den Dörfern liegt, zu schaffen. Plötzlich jedoch fing die Glocke von selbst an zu läuten. Kaum hörten die Steinitzer das Geläut ihrer Glocke, so eilten sie herzu und entrissen den Bewohnern von Lindchen und Bahnsdorf ihre Glocke wieder. Bei dem Streit, welcher entstand, ereignete es sich jedoch, dass die Glocke in einen Sumpf am Abhange des Berges fiel. Da hat sie mehrere Jahre hindurch gelegen, bis sie eines Tages von einer Sau wieder ausgewühlt ist. Die Steinitzer freuten sich, dass sie wieder zu ihrer Glocke kamen. Man kann dieselbe noch heute im Dorfe läuten hören.

Steinitz.     



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