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Westphälische Sagen und Geschichten/Die weiße Jungfrau

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Textdaten
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Autor: H. Stahl alias Jodocus Temme
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Titel: Die weiße Jungfrau
Untertitel:
aus: Westphälische Sagen und Geschichten
Seite 123–124
Herausgeber:
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1831
Verlag: Büschler’sche Verlagsbuchhandlung
Drucker:
Erscheinungsort: Elberfeld
Übersetzer:
Originaltitel:
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: Commons = Google
Kurzbeschreibung:
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Bearbeitungsstand
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[123]
XVIII.


Die weiße Jungfrau.


Jede Nacht, so wie die Glocke eilf Uhr geschlagen hat, sieht man in dem Dorfe Elsey in der Grafschaft Limburg eine schneeweiß gekleidete Jungfrau. Dieselbe kommt oben von der Rheerheide, da wo der Galgen steht, geht dann durch das Henkhäuser Feld bis in das Dorf Elsey, wo sie hinter der Kirche her auf den Stiftsplatz geht, bis an den auf diesem befindlichen Brunnen. Ueber diesen Brunnen bückt sie sich lange und blickt hinein; dann läßt sie auf einmal einen Eimer hinunter, tief in den Brunnen und in das Wasser [124] wenn sie denselben aber nach oben gezogen hat, so sieht sie geschwind in denselben, bald aber gießt sie ihn aus, und läßt ihn von neuem hinunter und zieht ihn wieder herauf. Dieses wiederholt sie dreymal, bis die Glocke auf dem nahen Kirchthurme Mitternacht schlägt; dann geht sie seufzend und händeringend von dem Brunnen weg, wieder hinter der Kirche her, durch das Heekhäuser Feld, bis sie auf der Rheer Heide neben dem Galgen wieder verschwindet. Man erzählt sich, diese Jungfrau sey vor vielen Jahren ein vornehmes Stiftsfräulein in Elsey gewesen. Diese hatten ein Kind bekommen, und dasselbe umgebracht und in den Stiftsbrunnen geworfen; und weil sie so vornehm und reich gewesen, hatte Niemand ihr etwas darum thun mögen. Als sie nun aber zum Sterben, gekommen, da hat der Teufel ihren Leib geholt, und denselben unter dem Galgen oben auf der Rheer Heide verscharret; und ihre Seele kann nicht eher Erlösung finden, als bis sie den Leib ihres todten Kindes wieder hat. Darum muß sie alle Nächte aus ihrem Grabe aufstehen und zu dem Brunnen wandern, und dort den, Leichnam suchen.

(Mündlich.)