Wilhelm Bauer’s unterseeische Fahrten

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Autor: Fr. Hofmann
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Titel: Wilhelm Bauer’s unterseeische Fahrten
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aus: Die Gartenlaube, Heft 35, S. 554–607
Herausgeber: Ernst Keil
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Erscheinungsdatum: 1863
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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[554]
Wilhelm Bauer’s unterseeische Fahrten.
Von Fr. Hofmann.
1.
(Mit Abbildung.)

Jetzt, nachdem für eine Erfindung unsers Wilhelm Bauer auch in Deutschland der Sieg ein vollendeter ist, nachdem er den ehemals baierischen, nun seinen Dampfer „Ludwig“ aus der Tiefe von mehr als 70 Fuß gehoben, auf dem Niveau transportirt und endlich ausgepumpt und wieder flott gemacht hat – in jeder Beziehung ein Meisterwerk der Schiffhebung, wie die Welt noch keines gesehen! – jetzt, hoffen wir, ist auch für die übrigen Erfindungen Bauer’s in Deutschland das volle Vertrauen gewonnen, jetzt erst ist die Zeit gekommen, wo wir sie unseren Landsleuten vorführen können mit der Zuversicht, daß ihnen die rechte Beachtung zu Theil werde.[1]

Wir gehen mit diesem Artikel zu der ersten Erfindung Bauer’s zurück, welche die Grundlage aller späteren ist: zur unterseeischen Schifffahrt.

Die unterseeische Schifffahrt ist bis jetzt vernachlässigt worden, weil für das Hauptseevolk der Erde bis heute durch eines jener wunderlichen Gesetze, die gerade in England das zäheste Leben haben, die Ausübung derselben untersagt ist, und zwar aus dem Grunde, „weil die Submarine nicht controlirbar sei und darum dem Schmuggel besonders förderlich werden möchte.“ Im englischen Volke selbst hat sie nur vorübergehend Freunde gefunden; im Allgemeinen ist der Stolz und die Zuversicht auf die oberseeische Flotte dort so groß, daß für eine unterseeische bis jetzt das Bedürfniß noch nicht gesprochen hat.

Erst in der jüngsten Zeit wird der unterseeischen Schifffahrt wieder regere Theilnahme zugewendet. Den Anstoß dazu gab unser Wilhelm Bauer, dem die alleinige Ehre gebührt, der erste Erfinder der Submarine zu sein. Denn er ist’s, der zuerst, d. h. im Jahre 1849, also lange vor der Zeit, welcher alle übrigen ähnlichen Versuche angehören, auf den Gedanken kam, das unterseeische Boot vollkommen unabhängig von der atmosphärischen Luft zu machen und ihm dadurch die selbstständigste Bewegung und das Vordringen bis zu Tiefen von bedeutendem Atmosphärendruck zu ermöglichen. Das ist seine Idee, und er hat sie zuerst praktisch durchgeführt und durch 134 glückliche Fahrten auf das Vollkommenste bewährt gezeigt.

Wie in meinen Artikeln „Ein deutscher Erfinder“ (1861, Nr. 41), „W. Bauer’s Taucherkammer“ (1862, S. 331) und „W. Bauer’s Erfindungen etc.“ (1862, S. 566 der Gartenlaube) vorläufig angedeutet ist und wie ich früher schon in Payne’s Panorama des Wissens und der Gewerbe (Bd. 1, S. 207 und 369) zu erzählen Gelegenheit hatte, wurde Bauer durch einen echt patriotischen und soldatischen Trieb auf den ersten Gedanken seiner Erfindung geleitet. Wilhelm Bauer, 1822 zu Dillingen geboren, war, wie sein großer Landsmann Burgschmiet, seines Zeichens ein Drechsler, ehe er seinen höheren Weg im Leben einschlug. Ins baierische Militair eingetreten, diente er sieben Jahre bei den Chevauxlegers, [555] bis man, auf seine technische Begabung aufmerksam geworden, ihn zur Artillerie versetzte. Als Artillerieunterofficier kam er mit den baierischen Truppen nach Schleswig-Holstein. Hier war es der Ingrimm über die Zerstörungen, welche die dänische Flotte ungestraft an deutschen Küsten verüben konnte, der in ihm den Entschluß erweckte, die feindlichen Schiffe durch eine Art Kriegsbrander zu vernichten. Eine Anfrage deshalb bei seinen Vorgesetzten brachte ihm einen abschläglichen Bescheid ein. Und das war gut, denn nun sann sein reger Geist auf neue Mittel, seinen Plan dennoch auszuführen, aber so, daß er auf seinem Zerstörungswege von Niemand beobachten werden könne. Du mußt ein Fahrzeug haben, sagte er sich, das unterm Wasser fährt und keiner Verbindung mit oben bedarf. Mit diesem Gedanken sprang er über Alles, was mit dem bis dahin alleinherrschenden (sogen. cartesianischen) Princip der Taucherkammer zusammenhing, kühn hinweg und forderte von seinem Tauchapparat, daß er 1) ein hermetisch verschlossener sein müsse, wodurch die in dem Raum desselben eingeschlossene Luft vor jeder Einwirkung der Wassersäulenschwere geschützt sei, daher dem menschlichen Organismus auf gewisse Zeit in jeder Tiefe entsprechend bleibe, – und daß 2) außen an dem Tauchschiffe schwimmende Hüllen, mit Sprengladung gefüllt, angebracht sein müssen, um diese an die feindlichen Schiffe zu befestigen und durch galvanische Batterien zu entzünden.

Bauer erzählt, daß, während diese Idee Tag und Nacht mit ihm herumgegangen sei und nach Gestaltung gerungen habe, er an Jütlands Küste einen Seehund habe ins Meer springen sehen. Da war die Form gefunden und blieb so. Es war natürlich, daß Bauer wegen dieser Bestrebungen viel von seiner Umgebung zu leiden, daß er wegen seiner „verrückten Gedanken“ Spott von oben und unten zu verwinden hatte; er hatte einen Dornenweg betreten, aber das Ziel war des schweren Weges werth.

Das erste Tauchschiff (der Brandtaucher) war ein deutsches, erbaut auf Kosten der schleswig-holsteinischen Armee; durch einen Tag Löhnung derselben und Zuschüsse patriotisch gesinnter Männer und der Admiralität zu Kiel wurde die Summe von 11,500 Mark dafür aufgebracht. „Leider“ – so berichtete damals der Professor der Physik, G. Karsten in Kiel – „standen bei der Ausführung der Erfindung nicht solche Mittel zu Gebote, welche das Schiff nach dem Projekte (des Erfinders) zu erbauen gestattet hätten, vielmehr mußten, um Kosten zu ersparen, wichtige Theile des Apparates durch andere, einfachere, aber auch ungenügendere ersetzt werden. Diesem Uebelstande allein ist das am 1. Februar (1851) erfolgte (im Artikel „Ein deutscher Erfinder“ geschilderte) Verunglücken des Schiffes zuzuschreiben.“ Der arme „Seeteufel“, wie die Seeleute das submarine Boot nannten, liegt, trotz der dänischen Hebeversuche in den Jahren 1855 und 1856, noch heute in seinem Wassergrabe im Kieler Hafen.

Durch dieses Kieler Mißgeschick gerade erst recht von der Richtigkeit und hohen Bedeutung seiner Erfindung überzeugt, legte Bauer dieselbe der Regierung seiner Heimath vor. Da aber Baiern sie nicht verwerthen konnte, so versah König Max den Erfinder mit den nöthigen Reisemitteln, damit er auswärts für sie Boden suche. Bauer wandte sich zuerst an Preußen und Oesterreich, wurde aber von ersterem gar keiner Beachtung, von letzterem nur einer abschläglichen Antwort gewürdigt. Gleiches Schicksal hatten Anfragen im Auslande. Da lenkte eine geistreiche hohe Frau noch einmal die Aufmerksamkeit Oesterreichs auf Bauer. Er wurde nach Triest entboten und bestand dort eine Prüfung seiner Modelle vor dem Kaiser, dem Erzherzog-Admiral, der gesammten Admiralität und einer gemischten Commission, deren Ergebniß die vollkommenste Anerkennung der Richtigkeit und außerordentlichen Wichtigkeit der Erfindung war. Es sollten, nach Protokoll vom 16. März 1852, sofort 50,000 Gulden zum Bau eines Tauchschiffs, und zwar 15.000 Gulden von der Marinecommission, 10,000 Gulden von der Gesellschaft des Lloyd. 10.000 Gulden von der Triester Börse und 15,000 Gulden vom Handelsministerium in Wien, aufgebracht werden. Da gefiel es dem Herrn Handelsminister von Baumgarten, die Erfindung für einen Schwindel zu halten, „weil sie allen physikalischen Gesetzen widerstreite“, – der Widerspruch dieser Excellenz gegen die verbrieften und besiegelten Erklärungen der obersten österreichischen Autoritäten der Fachmännerschaft wirkte ansteckend, die Sache verwickelte sich in einen diplomatischen Hofknäuel, den keine Bemühung mehr lösen konnte, und auch diese Erfindung (wir erinnern an Ressel’s Schraubenschiff!) ging für Oesterreich verloren.

Mit Empfehlungsbriefen von Coburg ging Bauer nun nach England, um seine Erfindung unter den Schutz des Prinzen Albert zu stellen. Dieser geistvolle Mann durchschaute sofort die Großartigkeit und Tragweite derselben, unterstützte Bauer mehrere Jahre und wandte, als die englische Regierung aus den oben angeführten Gründen jede Betheiligung an der Submarine zurückwies, ihr die Theilnahme großer Industrieller zu. Diese Herren, der Leviathanerbauer Scott Russell (in dessen Atelier Bauer sieben Monate lang alle Pläne und Risse zum Tauchschiffe und zu einer unterseeischen Kriegscorvette zeichnete), Charles Fox und Ingenieur Brunel, entblödeten sich nicht, als nicht nur Bauer’s vollständige Zeichnungen, sondern auch zur Ausführung der Erfindung 10,000 Pfd. Sterl. von den Lords Palmerston und Panmure in ihren Händen lagen, dem Erfinder die Thür zu weisen, weil sie nun ohne ihn sein unterseeisches Schiff bauen könnten. So sah Bauer sich beraubt und abermals verlassen zugleich, und entrüstet über solchen „britischen Hochsinn“ kehrte er dem Lande der gekröntesten Selbstsucht den Rücken. Die drei Herren bauten in der That ihr Boot, fügten aber ihrem Bau so viel Neues aus eigenem Genie zu, daß es gleich beim ersten Versuch unterging und mehreren Menschen das Leben kostete.

Als Bauer früher sich – ebenfalls vergeblich – nach Nordamerika gewandt hatte, war ihm von einem nordamerikanischen Consul der Wink geworden: wenn England die Erfindung nicht anwende, so sei nur noch von einem Lande etwas zu hoffen, nämlich von Rußland.

Diesem Wink folgte nun Bauer, und gerade dieser Schritt ist ihm am meisten zum Vorwurf gemacht worden, und zwar ebenso von Nationalitäts-, als von Freiheits-Phantasten. Die Einen schrieen – als es galt, das deutsche Taucherwerk nicht mehr mit Redensarten, sondern mit der Hand im Geldbeutel zu unterstützen – : „Wir geben nichts, denn Bauer hat seine Erfindungen (– und man log dazu: zuerst –) dem Ausland angeboten!“ – Und jene: „Er hat sie dem Despotismus überliefert und sich dadurch der Unterstützung aller Freisinnigen unwürdig gemacht.“ – Aus letzteren Gründen vergaß sogar ein bedeutender deutscher Schriftsteller sich so weit, die Ehre dieser Erfindung lieber einem Spanier (Monturiol, der zehn Jahre nach Bauer mit seinen Versuchen auftrat) zu gönnen, weil dieser die nationale Unterstützung und die der liberalen Parteigenossen dem Regierungsanerbieten vergezogen, als dem Deutschen W. Bauer! – Ihr gelehrten Herren, wer trug denn die Schuld, daß Bauer im Auslande für seine Erfindungen gleichsam herumbetteln mußte? Doch wohl die Vertreter der nationalen und liberalen Presse, die sich um diese Erfindung nicht bekümmerten, die sie als etwas ihrem Gesichtskreis Fremdes ihrem Schicksal überließen. Jetzt ist hoffentlich die Zeit solcher Vorwürfe vorüber: seitdem es uns so rasch gelungen ist, mit der „Gartenlaube“ mächtiger Hülfe, Bauer’s Erfindungen zu einer mit seltener patriotischer Wärme erfaßten nationalen Sache zu erheben, seitdem die Nation in allen ihren liberalen Organen gezeigt hat, daß sie ihren Stolz in diese Erfindungen setzt, seitdem ist nicht nur für Bauer, sondern auch für andere deutsche Erfinder die Aussicht gewonnen, daß sie sich nicht mehr an das Ausland hinzugeben brauchen, um sich und ihre Erfindungen vor der Verkümmerung zu bewahren.

Für die Entwicklung dieser Bauer’schen Erfindung sind wir Rußland sogar Dank schuldig, denn dort wurden Bauer zum ersten Male die Mittel geboten, sein unterseeisches Boot ganz nach seinem Plane zu bauen und damit die Ausführbarkeit dieser in Deutschland bereits dem Spott preisgegebenen deutschen Idee darzuthun. Darum halten wir uns auch mit unserer Beschreibung ausschließlich an dieses Schiff, das außerdem noch existirt, aber als todt, seitdem ihm die Seele fehlt, welche die Bauer’s gewesen ist. Dieser Beschreibung liegen, außer der in diesen Artikeln bereits mehrmals erwähnten Broschüre Ludw. Hauff’s in München („Die unterseeische Schifffahrt etc.“, Bamberg 1859), viele schriftliche und mündliche Mittheilungen W. Bauer’s zu Grunde.

Der russische „Seeteufel“ Bauer’s hat, wie früher der deutsche und der englische, Seehundsgestalt. Er ist 52 Fuß lang, 12 Fuß 6 Zoll hoch und 11 Fuß breit und ganz in Eisen ausgeführt. Um einer Wassersäule von 150 Fuß Höhe widerstehen, d. h. bis in solche Tiefe sicher vordringen zu können, ist die äußere Hülle aus Platten von ½ Zoll Dicke, 2 Fuß Breite und 10 Fuß Länge zusammengesetzt und durch 3½zöllige Eisenrippen von Fuß [556] zu Fuß verstärkt; sie bildet eine Ellipse von 11 zu 12, mit Ausnahme des Kopfes, welcher keilförmig endet und in dessen nach rückwärts schiefer Abdachung die Luke sich befindet. Um die größte Tragkraft dem Mitteltheile zu überlassen, ist der Kopf um 6 Zoll niedriger gestellt, als die höchsten Punkte des Körpers. In demselben sind nach vorne 2, nach den Seiten 2, in der Luke ein Fenster von je 2 Zoll Dicke und 9–11 Zoll Durchmesser, in Metallrahmen eingesetzt. Die Fortbewegung des Bootes geschieht mittelst der Propellerschraube, die durch vier eiserne Arme vor Beschädigungen durch etwa anrennende Gegenstände geschützt ist, und die Steuerung durch die Steuerschraube. Das Triebwerk besteht aus 4 Rädern von 7 Fuß Durchmesser, eine durchlaufende Achse von 3½ Zoll Stärke trägt die Treträder und giebt die Transmission der Kraft durch 2 unlösbare Stirnräder auf eine zweite Achse, an welcher sich ein konisches Rad befindet, um durch die verticale Uebersetzung die 6 Zoll über dem eisernen Boden horizontalliegende Schraubenkuppelwelle zu drehen.

In diesem Zustand schwimmt das Schiff an der Oberfläche des Wassers. Um es in die Tiefe zu zwingen, ist Zweierlei nöthig: Ballast und 3 große und ein kleiner Cylinder zur Einnahme von einem beliebigen Quantum Wasser. Es versteht sich von selbst, daß jede Thätigkeit von innen nach außen durch Stopfbüchsen vermittelt wird. Die Handhabung des Ballastes übergehend wenden wir uns sogleich zu den Cylindern. Die großen Cylinder zur Aufnahme des Belastungswassers haben 10 Fuß Länge, 4½ Fuß Durchmesser, 1 Zoll Wandstärke, sind aus 2 Hülsen zusammengesetzt und enthalten eine Schraube von 3½ Zoll Durchmesser. Diese 3 Cylinder können 45,000 Pfund Wasser aufnehmen, worauf die Hähne geschlossen werden, um in den Pistons der Cylinder das Wasser festzuhalten. Der kleine Cylinder (Directionscylinder) ist 5 Fuß lang, hat 14 Zoll Durchmesser und 1 Zoll Wand; er setzt den Bootführer in den Stand, die Friction des Apparats im Wasser in dem gewünschten Tempo zu überwinden. Er darf nur bis 10 Kubikfuß (620 Pfund) Wasser einnehmen, weil schon 10 Pfund genügen, um den Körper von 4000 Kubikfuß Volumen in 5 Minuten einen Fuß sinken zu machen und in diesem Fallen gleichmäßig zu erhalten. Dagegen bringen ihn 2 Pfund erst in 37 Minuten 1 Fuß tiefer, 40 Pfund dagegen in 1 Minute 2½ Fuß. Zum beliebig schnellen Steigen des Boots dienen die Forcepumpen, welche das in die Cylinder aufgenommene Wasser wieder in die See hinauspressen; umgekehrt wie beim Sinken entspricht beim Steigen die Schnelligkeit desselben dem Gewichte der ausgepreßten Wassermasse. Um den Apparat in beliebiger Tiefe verharren zu lassen, führt ihn zuerst Ueberschwere an Wasser bis zu der Tiefe, in welche man gelangen will, dann wird diese Ueberschwere ausgepreßt, und der Apparat gelangt nach kurzem Spiele in die genaue specifische Schwere.

Die vielen technischen Einzelnheiten, als hier zu weitführend, übergehend, haben wir noch Zweierlei, das unsere Abbildung zeigt, zu erklären. Am Kopf des Apparats sehen wir die Pulvermine. Sie kann 500–1000 Pfund Pulver, Bomben etc. enthalten und wird durch einen im Kopf des Apparates angebrachten Guttapertschaärmel gehandhabt und vermittelst Fuchseisens oder pneumatischer Sauger am Kiel des feindlichen Schiffs befestigt. Ihre Zerstörungskraft ist leicht erweisbar.

An der Wand des Raumes sehen wir eine Thür. Sie führt in die sogenannte Taucherkammer, oder vielmehr das Tauchercabinet, um mit jener Bezeichnung unsere Leser nicht irre zu führen, da Bauer seiner zweiten, aus dem Brandtaucher hervorgegangen industriellen Gestaltung seines unterseeischen Schiffs den besonderen Namen der Taucherkammer (vgl. Gartenlaube 1862, Nr. 21) gegeben hat. Dieses Tauchercabinet ist ein Raum am Schiff, durch welchen ein Taucher aus dem inneren Raume ins freie Meer gelangen kann, ohne daß Wasser ins Innere eindringt. Es enthält eine Thür nach innen und eine nach außen, beide in Metallrahmen schließend. In der nach außen führenden Thür befindet sich ein Ventil, um Wasser in das Cabinet einzulassen. Im Boden des Cabinets ist ein zweites Ventil, damit das Wasser aus demselben in den Kielraum des Boots ablaufe, und im Deckel des Cabinets ist ein Luftventil, um Luft aus dem Cabinet nach dem Schiffsräume, und umgekehrt, zu führen. Der Taucher tritt in das luftgefüllte Cabinet und schließt die Thür zum Schiffsraum, öffnet das Ventil nach dem Meer hin und läßt in das Cabinet das Wasser eindringen, dann erst öffnet er die Thür nach dem Meere. Kehrt er zurück, so schließt er diese Thür wieder, öffnet das Ventil nach dem Kielraum, das Wasser fließt ab, und er kann die innere Thür nach dem Schiffsraum wieder öffnen, worauf, wenn nöthig, das Wasser aus dem Kielraum wieder ausgepumpt wird.

Hinter den großen Cylindern im Innern ist die Regenpumpe angebracht, welche das Wasser vom Kiel holt und durch eine Siebröhre von 33 Fuß Länge, zum Behufe der Luftverbesserung, in den Raum spritzt. Am Schlusse des Apparats befindet sich der Abtritt mit Pumpröhre und Schlußhahn.

So ist, in allgemeinen Umrissen dargestellt, der Apparat, dessen Bau im Mai 1855 Bauer in der Leuchtenberg’schen Fabrik zu Petersburg begann und der am 2. November desselben Jahres von der Admiralität übernommen wurde.

Der Transport des Apparates von Petersburg nach Kronstadt hat seine eigene Geschichte, die später einmal des Erzählens werth ist. Sieben volle Monate brachte die Admiralität mit 2–300 Mann an dieser Arbeit zu, um das ihr von vorn herein verhaßte Schiff nach Monaten ungefähr 1000 Schritte weit zu bringen. Nach der Rückkehr des Großfürsten Constantin, des eigentlichen Beschützers dieser Erfindung in Rußland, aus der Krim übernahm Bauer die Oberleitung des Transports und machte dadurch, daß er sein Tauchschiff binnen 24 Stunden an’s Ziel dirigirte, der einträglichen Finanzspeculation der hohen Herren, denen Bauer schon während des Baues einen „Rechnungsfehler“ von 16,700 Silberrubel nachgewiesen hatte, ein Ende. Am 25. Mai 1856 gab Bauer den Befehl zur Versenkung des Bootes, in welchem der Apparat durch den Canal transportirt worden war, und am 20. Mai, früh 3 Uhr, stand er auf dem Kopf seines hart am Niveau schwimmenden Seeteufels vor der Barriere des Kriegshafens von Kronstadt, und damit beginnen seine unterseeischen Fahrten in diesem Gewässer.


[557]

Wilhelm Bauer’s Brandtaucher.

[604] Wer verargt der Schildwache am Thore des Kriegshafens den Schrecken, der sie packte, als plötzlich, wie ein Seegespenst im Morgengrauen aus der Tiefe aufgetaucht, auf den Wogen ihr eine Gestalt näher und näher rückt – und sie endlich sogar mit russischem Commandowort anruft? Hätte der Mann Fassung genug gehabt, auf den fürchterlichen Meergeist zu schießen, wie viel Aerger und Sorge hätte er vielleicht allen Denen erspart, welchen die Störung der ewigen Ruhe des „Ludwig“ im Bodensee so ein Gräuel gewesen ist! – Anstatt zu schießen, lief der Soldat schreiend zum Wachthaus, und ehe man dort über das grause Wunder einig geworden, rannte die Wucht des Seeteufels die Barrière durch, und er hielt auf diese neue Manier seinen Einzug in des Kaisers Hafen.

Nach kurzer Rast begannen die Exercitien mit Schiff und Mannschaft, welche letztere außer Bauer aus einem Officier, 10 Matrosen und einem Schlosser bestand, denen später noch, als beständiger Begleiter Bauer’s im Apparat, ein Lieutenant Fedorowitsch beigegeben wurde.

Bauer nahm zunächst 1800 Pud (1 Pud = 40 Pfd.) Eisenballast auf, wozu noch 540 Pud gußeiserner Auswurfballast in eigenen Hülsen kam. Während dieser Vorarbeiten fuhr der Großfürst Constantin heran, um den ersten Versuchen der Tauchfähigkeit des Boots beizuwohnen. Nachdem das Einlassen von 45,000 Pfund Wasser in die Cylinder begonnen hatte, schloß sich die Luke über der in dem eisernen Ungeheuer eingeschlossenen Mannschaft. Der Apparat hatte jetzt, durch Ballast und Cylinderfüllung, die specifische Schwere des Volumens Wasser, das er verdrängen mußte, um sinkfähig zu werden, erreicht; nur die Deckfenster standen noch über dem Wasser. Alle diese Vorrichtungen waren der Mannschaft neu. Bangen und Neugierde stritt in allen Gesichtern. Nachdem die Cylinder gefüllt sind, geht Bauer zum Directionscylinder und läßt nur 5 Pfund Wasser in ihn eindringen. Da verschwindet das Sonnenlicht von den Fenstern der Decke, die Wogen spielen über sie hin, – völlig gleichmäßig sinkt das Schiff – schreckensstarr, mit offenem Mund, stehen die Matrosen, die Blicke an die Fenster geheftet. Alles schweigt. Da preßt Bauer, mittels der Forcepumpe, das doppelte Quantum Wasser wieder aus, und in fast gleichem Tempo steigt das Schiff zum Niveau, – das Wasser weicht von den Fenstern, – das Licht des Tages dringt wieder in den Raum – und „Staba Bochu!“ – Gott sei Dank! – rufen die aus der Todesangst aufathmenden Russen und bekreuzen sich inbrünstiglich. Es mußte Bauer vor Allem daran liegen, die armen Menschen, die zu diesen Uebungen commandirt waren und denen er nicht das beruhigende und ermuthigende Verständniß der Sachen des Princips, des ewigen Naturgesetzes, nach welchem das Schiff sank und wieder stieg, beibringen konnte, durch die Erfahrung von der Unschädlichkeit dieses Untersinkens bei der Sicherheit des Wiederaufsteigens zu beruhigen und mit Vertrauen zu seiner Führung und mit Stolz auf ihr Schiff zu erfüllen. Und dies gelang ihm schon an diesem ersten Tage. Noch fünf oder sechs Male erbleichten die Gesichter beim Sinken und preßte die gehobene Angst des „Staba Bochu!“ aus, dann war das Submarinefieber für sie vorbei und an die Stelle des Stoßgebets traten gemüthliche, oft recht sinnige und witzige Bemerkungen.

In den folgenden Tagen konnte Bauer mit den Experimenten des Sinkens und Steigens schon weiter gehen und damit nach und nach die der Inclination, des Vor- und Rückwärtsfahrens, des Steuerns, Wendens etc. verbinden. Bis zum 12. Juni waren alle Principbewegungen erprobt und bis auf die Fortbewegungsweise durch Menschenkraft mittelst der Propellerschraube (für die Bauer jetzt eine andere Kraft einsetzt), dem Zweck des Tauchschiffs vollkommen entsprechend gefunden. Daher beging W. Bauer an diesem Tage die stille Feier seiner Erfindung, indem er in 17 Fuß Tiefe den Apparat beharren ließ und hier ein Danksagungsschreiben an den Großfürsten Constantin und an den König Max von Baiern und einige Zeilen an seine Eltern schrieb. Das Schreiben an den Großfürsten unterzeichnete Lieutenant Fedorowitsch mit, für das andere verweigerte er dies, weil ihm der gemessenste Befehl ertheilt sei, alle Experimente mit dem Tauchapparat als strengstes Staatsgeheimniß zu betrachten. Die Schreiben gelangten jedoch sämmtlich an ihre Adresse.

An den nächstfolgenden Fahrten betheiligten sich, auf Bauer’s besondere Bitte und des Großfürsten und des Seeministers Baron v. Wrangel Anordnung, die Akademiker Lenz und Fritsch, um naturwissenschaftliche Beobachtungen in der Meerestiefe anzustellen. Als erstes Resultat dieser Forschungen fand Lenz, und zwar in drei verschiedenen Höhenstellungen, daß der Compaß unter dem Wasser genau so wie über dem Wasser wirke.

Sehr interessante Experimente stellte Bauer über die Beschaffenheit der eingeschlossenen Luft und die Möglichkeit, in ihr zu existiren, in verschiedenen Zeiträumen des Aufenthalts im Schiffe an. Am 2. Juli (1856) nahm er 12 Fläschchen und 12 Pfund Quecksilber in den Apparat und stieg mit dem Lieutnant Fedorowitsch, einem Schlosser und 8 Matrosen Mittags 12 Uhr 30 Minuten in die Tiefe. Jeder Luftzutritt war abgeschnitten, und der Apparat wurde in allen möglichen Bewegungen unterm Niveau und abwechselnd wieder 30 bis 40 Minuten lang und in Tiefen von 12, 15, 17 und 19 Fuß Kiel an der Stelle beharrend erhalten, um die Mannschaft zur äußersten Luftcomsumtion zu veranlassen. Die Temperatur, die beim Einsteigen im Freien 15° R., im Apparat 20° R. war, sank hier nach 30 Minuten bis auf 8° R. und schwankte während des ganzen Experiments zwischen 8 und 10° R. Die Luft wurde von Stunde zu Stunde in ein Fläschchen eingeschlossen und dieses mit genauer Angabe über den Thermometer und Hydrometer, die Flammenlänge brennender Wachs-, Talg- und Stearinkerzen und über menschliche Respiration versehen. Schon nach zwei Stunden zeigte das Talglicht nur noch die halbe Flammenlänge, und nach 4 Stunden 10 Minuten erlosch es. Der Docht desselben konnte von keiner Flamme mehr in Brand gebracht werden; sobald man ihn aber mit Wachs oder Stearin bestrich, brannte er, bis diese Theilchen verzehrt waren, ein Beweis, daß Wachs und Stearin den Sauerstoff noch an sich zieht, wo es der Talg nicht mehr vermag. Das Wachslicht erlosch nach 5 Stunden 5 Minuten, das Stearinlicht nach 6 Stunden 25 Minuten; letzteres hatte gegen sein Ende nur noch eine Beleuchtungskraft von 9 Zoll Durchmesser und zeigte am Flämmchen keine weiße, sondern eine hochrote Spitze. Die im Apparate durch Respiration erzeugte Feuchtigkeit war so groß, daß auf allen Gegenständen große Schweißtropfen sich bildeten und der Docht mit dem Erlöschen der Flamme nicht den mindesten glühenden Rest zeigte. (Hauff, S. 27.)

Da nach dieser Zeit das Athmen in der bereits so sauerstoffarmen Luft noch keine Beschwerden verursachte, die Matrosen sogar ihr vollkommenes Wohlbefinden versicherten, so ließ Bauer aus den großen Cylindern die 45,000 Pfd. Wasser auspressen. Dadurch stieg zwar der Apparat an das Niveau, aber die Luft ward zugleich um so viel verdünnt, als das ausgepreßte Wasser Volumen eingenommen hatte. Ohne den Zutritt frischer Luft zu gestatten, vertheilte er Cigarren an die Mannschaft, die mittelst Feuerschwammes [606] entzündet werden mußten, weil die Zündhölzchen nicht mehr brannten, sondern der Phosphor nur flammenlos sprudelte. Dagegen bot der Schwamm die interessante Erscheinung, „daß die Luft bei der eigenen Verarmung an Sauerstoff so gierig nach Ergänzung desselben war, daß sie sich selbst in den Verbrennungsproceß der einzelnen Salpetertheilchen theilte und das sonst kaum sichtbare Flämmchen zu einer langen Flamme zog, gleich elektrischen Funken.“ Alle die veränderten Umstände zusammen genommen, Tabaksrauch und Phosphorgeruch, verursachten allgemeine Kopfschmerzen und bei Einigen bereits Schwindel. Es waren somit alle Grade der Luftverschlechterung durchmessen. Bauer schloß die heutige Fahrt, aber nicht ohne eine Art Knalleffect; da der Apparat jetzt am Niveau schwamm, so konnte er plötzlich einen frischen Luftstrom eindringen lassen, um die Wirkung desselben zu beobachten, und so öffnete er denn den großen Lufthahn von 5 Zoll Durchmesser. Die Wirkung war zum Erschrecken stark, denn im Moment des Lufteintritts „erfolgte ein solcher Schlag, daß jeder Einzelne einen Druck auf der Brust und am ganzen Körper fühlte.“ Die Fläschchen mit den verschiedenen Luftsorten wurden den Akademikern zur Untersuchung übergeben.

„Diese Versuche,“ sagt Bauer, „warfen eine alte Behauptung um, denn es war nun erwiesen, daß der Mensch nicht durchaus auf den Sauerstoff aus 180 Kubikfuß für die Stunde zum Leben angewiesen sei, sondern daß er unter Verhältnissen auch bei dem Consum aus 31 Kubikfuß arbeitsfähig bleibe.“

Die Fortsetzung dieser Versuche führte auf einer spätern Fahrt zur Erprobung der Lufterneuerung durch künstlichen Regen. Als die Luft bereits so sauerstoffarm war, daß die Stearinlichter zu erlöschen drohten, preßte Bauer mittelst Pumpe durch die feingelöcherte, S. 556 bereits genannte Röhre einen Sprühregen in den Raum. Sofort lebten die Kerzenflammen wieder auf, und vierzehn Menschen konnten noch dritthalb Stunden in einem Raume von 3060 Kubikfuß aushalten. „Dagegen klagte die Mannschaft bei der chemischen Ergänzung der Luft durch Sauerstoff aus chlorsaurem Kali sehr bald über Kopfschmerzen.“

Auf derselben Fahrt stellte sich heraus, daß zur Lufterneuerung aus der atmosphärischen Luft keine Luftpumpe nöthig sei, sondern daß Röhren von 4 Zoll Durchmesser, vom Apparate aus mit der Atmosphäre in Verbindung gebracht, den Luftwechsel für den innern Raum binnen sechs Minuten vermittelten, wobei (bei 1/3 Atmosphärendruck) auf allen schlechten Wärmeleitern sich Reif zeigte und das Thermometer auf + 4° R. fiel.

Höchst interessant waren die Beobachtungen der Lichtwirkung in der Tiefe. Außer den S. 556 genannten fünf Fenstern im Kopf des Apparats ist der ganze übrige Raum mit noch 10 Fenstern von je 11 Zoll Durchmesser und 2 Zoll Dicke und zwar aus reinstem Krystallglas, nach oben, nach den Seiten und nach der Tiefe versehen. Die Erhellung des Raums durch die Ober- und Seitenfenster hängt natürlich ebenso von der Reinheit des Wassers wie von der Tiefe der Stellung des Schiffes ab, denn während Bauer bei Kronstadt, wenn die Newa nach Regentagen ihren Unrath daher trug, nur 6 Fuß tief schon kaum 4 Fuß weit sehen konnte, vermochte er, als er mit seinem schleswig-holsteinischen Seeteufel im Kieler Hafen lebendig begraben lag in einer Tiefe von 52 Fuß die schlechtgedruckte Aufschrift eines Tabakspacketes ganz gut zu lesen.

Ruhige See und klares Wasser vorausgesetzt, wirkt das Sonnenlicht bis in sehr große Tiefen, und wie die oben auf dem Niveau daherfahrenden Schiffe ihren Schatten in die Tiefe werfen und bei hohem Sonnenstande ihr Nahen oft schon in ziemlicher Ferne an ihrem Schatten zu erkennen ist, so begleitet auch die Gegenstände im Wasser ihr Schatten, und Peter Schlemihl würde, um Leidensgefährten in der Schattenlosigkeit zu finden, vergebens in’s Meer gesprungen sein. Bauer schreibt hierüber: „Allerdings sind auf dem Niveau des Wassers schwimmende Gegenstände, wie Schiffe, Balken u. s. w., von dem Apparat in der Tiefe beobachtet, nur so weit zu sehen, als diese in das Wasser eintauchen, aber ihr körperliches Abfangen des Lichts erzeugt unter ihnen eine lichtlose Stelle, welche sich, je nach der Höhenstellung der Sonne oder des Mondes oder auch künstlichen Lichtes, in die verticale oder seitliche Tiefe zieht und je nach Größe des Gegenstandes und Schärfe der Beleuchtung von 100 bis 500 Schritt als verfolgbare Stelle zum Führer wird. Ich hatte leider nicht Gelegenheit, die Beobachtung eines in einer Glaskugel versenkten Lichtes soweit auszudehnen, daß diese zu einer Scala verzeichnet werden konnte, und mußte die angestrebten Versuche für submarine optische Signale mit farbigen Laternen zu früh aufgeben.“

Dagegen machte Bauer auf einer späteren Fahrt einen andern Versuch, der ohne Zweifel auch zum ersten Mal da war. Er stellte nämlich durch die neben dem Kiel des Apparats angebrachten Fenster submarine Grund-Beobachtungen an, und dabei zeigte sich, daß das Sonnenlicht das moorige Wasser bei Kronstadt nicht genug durchdringe, um in der Tiefe selbst von 16 bis 18 Fuß liegende Gegenstände zu beleuchten. Um dies dennoch zu ermöglichen, wurde mittelst einer großen Reflexlampe durch ein Fenster der betreffende Gegenstand beleuchtet und durch das nächste Fenster beobachtet. Dies gelang so vortrefflich, daß Bauer sofort an eine photographische Aufnahme von Steinen, Wracks etc. ging. Wenn nun diese auch nicht sogleich gelang, wenn Ungeübtheit in der Handhabung des Instruments, Lichtreflex, Schrägstehen der Fenster und ein geringes Rollen des Schiffes durch die Seebewegung nur ein langgezogenes und verbranntes Bild zu Wege bringen ließen, so ist doch durch diese Versuche schon 1856 die Ueberzeugung gewonnen, daß man unter dem Meere photographiren kann.

Ein amüsantes Zwischenspiel gewährte die Beobachtung der stummen Bewohner des Meeres, die durch den neuen Gast in ihrem Reiche in große Aufregung versetzt waren. Besonders wenn im Apparate Lichter brannten, kamen die Fische in Schaaren heran und umdrängten mit den Köpfen die Fenster, folgten beim Fortbewegen in allen Richtungen, und nur ein Schlag mit dem Hammer an die Eisenwand des Schiffes vertrieb sie, aber dann so rasch, als ob sie mit einem Ruck in die Ferne geschleudert würden. Es liegt nahe, daß auch für den Fischfang das unterseeische Schiff sehr vortheilhaft ausgebeutet werden könnte.

Ueber die Seebewegung in der Tiefe schreibt Bauer: „Soweit ich solche (bei Kronstadt) beobachten konnte, reichte sie nur so tief, als die Wellen über die gewöhnliche Niveauhöhe stiegen, und war deren Höhe stets an dem Manometer abzulesen, daher die Behauptung, daß die Wellen keinen Druck nach unten äußerten, vollständig widerlegt ist. Unterhalb dieser Bewegung wirken nur Ströme, doch zeigten sich häufig in Folge der Winde und Aufstauungen von Wasser Wechselströme, welche in der Tiefe von 6 bis 8 Fuß und bei einer Stauhöhe von 5 Fuß oft bis 3 Fuß Stromschnelle hatten, während der gewöhnliche Strom in der Tiefe seine Richtung beibehielt; daher kreuzen sich wohl an einer Stelle von 20 Fuß Tiefe oft drei Ströme, falls nicht der Hauptstrom eines mündenden Flusses oder hohes Gefälle an Buchtenengen die anderen Strömungen in ihrer Wirkung stört.“

Es ist selbstverständlich, daß auch die Akustik in den Kreis der unterseeischen Untersuchungen gezogen wurde. Schon auf dem Grund des Kieler Hafens hatte Bauer die Erfahrung gemacht, daß das Geschrei aus den zahlreichen Booten, die über dem untergegangenen Seeteufel schwammen, bis zu ihm hinunterdrang, wie umgekehrt sein Anschlagen an die Wand des Apparats oben gehört wurde. Aus den Proben bei Kronstadt ergab sich, daß dieses Anschlagen auf mehr als 500 Schritt weit vernehmbar war. „Ein unter Wasser gelegtes Metallrohr“ – schreibt Bauer – „oder ein Schlauch, an beiden Enden auf Kautschukstulpen gestützt, pflanzt den Schall fort, und zwar so, daß er ganz gut zu einer submarinen aktstischen Telegraphie zu verwenden wäre.“

Der denkwürdigste akustische Versuch Bauer’s wird aber immer seine Musik unterm Wasser bleiben. Am 6. Septbr. (25. Aug. alten Styls), dem Krönungstage des Kaisers Alexander II., nahm Bauer außer dem Lieutnant Fedorowitsch und den Matrosen noch vier Trompeter von der Equipage der Flotte (Capitain B. v. Taube) mit an Bord. In dem Augenblicke, wo der erste Kanonenschuß von den Kronstadter Batterien den Beginn der Krönungsfeierlichkeit in Moskau verkündete, senkte sich der Apparat in die Tiefe, die Trompeter stimmten die russische Nationalhymne an, und die Matrosen sangen dazu. Wenn alles Kühne und Zukunftverheißende, das zum ersten Male geschieht, die Seelen der Teilnehmer tief ergreift, so mußte das wohl auch hier geschehen, wo offenbar zum ersten Mal, seit Menschen leben, Musik und Gesang unter den Wogen des Meeres hervorschallte. Die Festlichkeit im Boote, in Tiefen von 27 bis 40 Fuß, währte von 9 bis 1 Uhr, wo die von der russischen Flotte gegebene große Salve anzeigte, daß die Krönung vollendet sei. Im Apparat klang der Ton der Trompeten nicht schmetternd, sondern äußerst weich, wie entfernt, und [607] die Trompeter gestanden, daß ihnen die Töne weit leichter in dieser eingeschlossenen Luft gehorchten, als in der freien. Auf dem Niveau aber wurde, wie das Gutachten der Akademie bezeugt, diese unterseeische Musik noch in 145 Schritt Entfernung völlig klar und deutlich vernommen.

Trotz alledem fand die Submarine keinen andern Freund und Bauer keinen andern Beschützer in Rußland, als den Großfürsten Constantin, und nur soweit dessen persönlicher Einfluß reichte, soweit reichte auch die Theilnahme und Anerkennung für Bauer. Die Nationalrussen waren gegen den Deutschen erbittert, die Admiralität haßte den baierischen Artilleriecorporal, der ein Erfinder sein wollte, die Akademie sah halb neidisch, halb mitleidig auf den Erfinder, der ein Corporal war. Allen diesen Corporationen und Einflüssen schien der unserem Bauer beigegebene Lieutenant Fedorowitsch dienstbar zu sein, wie aus mehreren die Wahrheit stark verdrehenden Berichten des Gelehrtencomité (das den Apparat höchst selten selbst betrat, sondern sich über die Vorgänge im Schiff Mittheilungen machen ließ und daraus erst sein Gutachten zusammenstellte) zu schließen war. Deshalb schloß Bauer ihn lange Zeit von seinen Fahrten aus. Als aber am 2. October (1856) in Anwesenheit einer Fachmänner-Commission von der Marine und dem Genie der erste Versuch mit dem unterseeischen Sprengen eines größern Schiffs stattfinden sollte, mußte jener Lieutenant wieder zugezogen werden. Bauer’s Argwohn fand diesmal seine Bestätigung. Wie bisher schon oft, war auch für den vorliegenden Versuch das Mögliche gethan, um ihn unmöglich zu machen. Das zu explodirende Schiff war nämlich, ungefähr 31/2 Werst von Kronstadt, an eine – wie Bauer nachher erst erfuhr – so seichte Stelle gebracht, daß der Apparat, um unter dasselbe zu kommen, nothwendig auf den Grund stoßen mußte. Fedorowitsch saß am Steuer. Das Schiff fuhr in inclinirter Stellung auf sein Ziel los. Da saß plötzlich das Hintertheil des Schiffs auf einem Sandhügel des Seegrunds fest und die Schraube war mit Seegras und altem Tauwerk so umwickelt, daß der Apparat, nur noch 40 Fuß von dem zu sprengenden Fahrzeug entfernt, am Grund fest gehalten wurde. Vergeblich war alles Bemühen, sich aus solcher Verstrickung loszureißen. Nach anderthalbstündiger Anstrengung ließ Bauer das Wasser aus den Cylindern pressen und Ballast auswerfen, so daß der Kopf des Seeteufels sich bis an’s Niveau hob und noch immer stieg. Kaum aber stand die Luke zur Hälfte über dem Meeresspiegel, so riß Fedorowitsch ohne ein Wort zu sagen, dieselbe auf, schwang sich hinaus auf den Kopf des Apparats und rettete sich, ohne die Luke wieder zu schließen, auf das den Apparat begleitende Boot der Commission. Bauer und die Matrosen, die noch mit dem Ausräumen des Ballastes beschäftigt waren, sahen sich plötzlich unter der hereinstürzenden Fluth, und da es ihnen unmöglich war, von innen aus die Luke jetzt wieder zu schließen, so blieb ihnen nichts übrig, als nun ebenfalls den Apparat während seines Versinkens eiligst zu verlassen.

Das war Wilhelm Bauer’s 134. und letzte unterseeische Fahrt in Rußland gewesen. Das Schiff war zwar schon nach vier Wochen wieder gehoben, und Bauer war indeß zum kaiserlich russischen Submarine-Ingenieur mit Uniform und Gage des Staats ernannt; der Haß gegen ihn und sein Werk konnte aber gerade dadurch nur gesteigert werden. Trotz aller Befehle des Großfürsten ließ die Admiralität das unterseeische Schiff statt nach der Leuchtenberg’schen Fabrik, wo die durch die gewaltsame Hebung beschädigten Theile an Steuer, Schraube etc. reparirt werden sollten, am 15. November nach Ochda, 10 Werst von der Fabrik, schaffen und hier an’s Land ziehen. Dort wird es noch heute liegen, wenn es nicht, wie schon manches größere kaiserliche Fahrzeug, so ganz nach und nach gestohlen worden ist.

Bauer erhielt zunächst den Auftrag zur Construction einer unterseeischen Corvette zu 24 Kanonen, mit einer Dampfmaschine zur Bewegung über dem Niveau und mit einer Luftkraft zur Bewegung unterm Wasser. Er vollendete das Modell. Schon während dieser Arbeit und noch während der Anwesenheit des Großfürsten drangen das Leben verbitternde und die Thatkraft störende Intriguen von allen feindlichen Seiten auf ihn ein; als aber der Großfürst aus bekannten Anlässen auf Reisen ging und nun die Admiralität Bauer den gemessenen Befehl zusandte, den Bau der Corvette – angeblich um ihn, als Gegenstand eines Staatsgeheimnisses, gegen jeden Verrath und jede Nachahmung zu sichern – zu Irkutsk am Baikalsee, also in Sibirien, zu vollenden, zog Bauer es vor, seinen Abschied zu fordern und, nachdem er ihn auf viermaliges Ansuchen endlich erhalten hatte, im Frühjahr 1858 nach Deutschland zurückzukehren.

So schlossen W. Bauer’s unterseeische Arbeiten in Rußland.

Wie die Erprobung der Schiffhebung ist somit auch die der unterseeischen Schifffahrt als gelungen zu bezeichnen. Die am russischen Apparat noch ungenügende Fortbewegungsweise hat Bauer verbessert. In allem Uebrigen hat der Apparat nur in der Form, den verschiedenen Zwecken gemäß, nicht im Princip Aenderungen erfahren.

Aus dem Brandtaucher oder Tauchschiff ist hervorgegangen für die Industrie die cylinderförmige Taucherkammer und für den Krieg die langgestreckte Corvette zu 24 Kanonen und 74 Mann Besatzung (mit 350 Pferdekraft Dampf, um auf, und der Luftrepulsionskraft, um unter dem Wasser zu fahren) und die Brandtauchergondel für einen Mann.

Vor jeder neuen Erfindung ist die erste Frage: was nützt sie? – Den Nutzen der Taucherkammer haben wir in dem betreffenden Artikel ausführlich dargethan; über den der unterseeischen Kriegsfahrzeuge wollen wir Bauer selbst sprechen lassen. „Die Kolosse der Marine“ – sagt er – „rücken dem Grabe nahe, aber auch die Eisenpanzerschiffe, wie sie die letzten Jahre geschaffen und wie sie alle Arsenale Frankreichs und Englands förmlich in Glühöfen verwandeln, werden einst der Hyponautik weichen, die Schöpfungen derselben müssen den Todeskampf der See-Giganten der letzten Jahrhunderte herbeiführen. Die Meerbewohner von der Riesenpolype bis zum Seehund herunter werden dem nächsten Jahrtausend die Modelle stellen, um die ewige Harmonie des geistigen Umschwungs um die Achse Natur zu vervollständigen. Monitors und Merrimacs sind nur die Schleppenträger des großen Katafalks der alten Marine. Mögen Tausende lachen ob dieser Behauptung – sind doch alle Vorläufer und Bahnbrecher großer Umwälzungen altgewohnter und sieggekrönter menschlicher Zurichtungen von je verlacht worden, ja sie mußten sich glücklich preisen, wenn es beim Verlachen blieb.

Allerdings ist mir klar geworden, daß, ehe die Regierungen Europa’s zu unterseeischen Flotten gelangen können, sich erst die Industrie der Submarine angenommen haben muß, daß man namentlich gewagt haben muß, neben der Taucherkammer für industrielle Arbeiten, Schiffheben, Perlenfischen, Bauten, Naturforschung etc., auch Passagierschiffe für unterseeische Fahrt nach dem Muster der unterseeischen Corvette zu erbauen, weil diese den Vortheil gewähren, die friedliche See mit Dampfkraft in bedeutender Schnelligkeit zu durchschneiden, herantobenden Stürmen aber unter die Wellentiefe auszuweichen und sich entweder schwebend in beliebiger Tiefe zu erhalten, bis der Sturm ausgetobt hat, oder auch unterm Wasser mit der Kraft comprimirter Luft die Reise fortzusetzen. Auch die Größe solcher Schiffe ist der Wahl überlassen, die sich nur dem Bedürfniß zu unterwerfen braucht; nachdem ich so viele Gelegenheit hatte, mich zu überzeugen, wie ruhig und sicher die Handhabung dieser Apparate in einer commandirenden Seele concentrirt ist, konnte ich in der Construktion derselben von dem Brandtaucher aus zur Gondel hinab- wie zur Corvette hinaufsteigen, ohne in der Anwendung des Princips auf ein Hemmniß zu stoßen.“

Möge, nachdem W. Bauer das Seine gethan, um Vertrauen in seine Erfindungen auch im Vaterlande zu verdienen, endlich Deutschland es sein, dem er sie ganz widmen kann! Möge der Bau der ersten deutschen Taucherkammer nun nicht lange auf sich warten lassen!


  1. Wir ergreifen diese Gelegenheit, um denjenigen unserer Leser, welche in den letztvergangenen Monaten noch für „Bauer’s deutsches Tauerwerk“ beisteuerten, die Versicherung zu geben, daß alle noch rückständigen Quittungen über diese Gaben nun in rascher Folge veröffentlicht werden; sie werden Nachsicht mit dieser Verspätung haben, da der Raum in der Gartenlaube in letzterer Zeit zu vielfach in Anspruch genommen war. Zugleich bitten wir alle unsere Leser und alle Freunde und Verehrer W. Bauer’s, in ihrem Sammeleifer noch nicht müde zu werden. Nicht die eigentliche Hebung, die, nach den gemachten Erfahrungen, künftig eine ebenso rasche als verhältnißmäßig billige Operation sein wird, sondern diese Erfahrungen selbst, von der Erprobung des besten Materials zu den Apparaten, bis zu den erforderlichen Stärken aller Eisentheile Taue, Befestigunsweisen etc., haben so bedeutende Summen aufgezehrt, daß, nach der Rückerstattung der zur Ermöglichung der Durchführung der Erfindung gewährten Creditsummen und der Abzahlung der Rückstände Herr Bauer für all sein Wagen, Ringen und Mühen von dem Erlöse für das Schif gar Nichts übrig bleibt.
    Es war ein Freudenruf durch ganz Deutschland, der die Hebung des Ludwig, den Triumphzug einer deutschen Erfindung auf dem Schwabenmeer verkündete; jeder brave Deutsche fühlte den Stolz der Ehre mit, die an der Schweizerküste ein kühner deutscher Geist errungen; so seien wir denn auch dankbar dafür! Ruhen wir nicht, bis wir unserm Wilhelm Bauer verliehen haben, was er im vollsten Maße verdient hat, für seinen deutschen Ehrensieg eine wirkliche und würdige Nationalbelohnung!
    Freunden und Bewunderern dieser Erfindung bietet sich eine neue Gelegenheit, ihre Theilnahme durch die That zu beweisen. Ohne Zweifel ist die Hebung des „Ludwig“ in der Geschichte der Erfindungen ein epochemachendes Ereigniß, das den Gegenstand der Hebung selbst zu einem historisch merkwürdigen macht. Da liegt’s nahe, daß Jeder, dem die Sache am Herzen lag, gern sich im Besitz eines „Andenkens vom Ludwig“ sähe. Das wünscht Hr. Bauer zu ermöglichen; er bietet hiermit alle aus dem Ludwig geretteten Gegenstände und alle zur Erhaltung des Schiffs nicht nöthigen Theile desselben, vom Küchengeschirre bis zum Nagel und Holzstück, mit seinem eigenhändigen Namenszug auf einen Zettel versehen und numerirt, zur Versteigerung an. Mögen nun aus allen Städten und Ortschaften, wo man für Bauer’s Taucherwerk sammelte, die Herren Sammler und Vereinsvorsteher mit ihrer Bestellung von einer genau anzugebenden Stückzahl von „Ludwigs-Andenken“ sich direct an „Herrn Submarineingenieur Wilh. Bauer in Rorschach am Bodensee“ wenden; und mögen die Versteigerungen sich überall eines glänzenden Erfolgs zu erfreuen haben!