Wintermorgen in der Großstadt
[84] Wintermorgen in der Großstadt. (Zu dem Bilde S. 81.) Lange vor Morgengrauen erwacht an den Wintertagen die Großstadt, und schon in Nacht und Nebel eilt eine große Schar arbeitsamer Menschen ihrem Berufe nach. Der Milchwagen rasselt durch die Straßen, der Bäckerjunge trägt das Frühstück aus, der Plakatankleber entfaltet seine Thätigkeit und der Buchdruckerei entströmen die großen und kleinen Zeitungsträger. Geschäftiges Leben flutet bereits überall, wenn der Laternenmann die Straßenlampen auslöscht; und wenn die spät aufstehende Wintersonne durch Nebel- und Rauchwolken dringt und mit ihren matten Strahlen die Kirchtürme und Hausdächer vergoldet, haben schon gar viele ihr erstes Tagewerk vollbracht.
Morgenstunde hat Gold im Munde. Auf vielen jugendfrischen Gesichtern ist deutlich zu lesen, wie rüstige Arbeit frohen Sinn schafft. Leider aber bricht sich der matte Lampenschein am Wintermorgen in der Großstadt in so vielen matten, abgehärmten Augen! Wie groß ist nicht die Zahl der Armen und Schwachem, die in dem rauhen Wetter, notdürftig bekleidet, in harter Mühe ihr tägliches Brot verdienen müssen! In der strengen Winterszeit leidet der fleißige Arme doppelt Not, und doppelt groß sollte in dieser Jahreszeit die werkthätige Nächstenliebe sein. Helfen wir nach Kräften diesen Schwachen, die so gern arbeiten wollen, dann wird die Mildthätigkeit viele Thränen stillen und den düstern Wintermorgen verklären!