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Zedler:Persische Religion

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Grosses vollständiges Universal-Lexicon Aller Wissenschafften und Künste
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Persische Schreibe-Kunst

Band: 27 (1741), Spalte: 649–660. (Scan)

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Persische Religion, ist mit der Mahometanischen nahe verwandt, und so wohl als diese vom Mahomet vorgeschrieben; doch sind die Perser darinne von andern Mahometanern unterschieden, und finden sich nicht allein zwischen Persien und andern Asiatischen Völckern, da sie sonderlich von den Türcken gar sehr getrennet sind, sondern auch in Persien selbst so vielerley Meynungen, daß wohl nicht zwey Modarres, Mollahs und andere mehr, in allen Stücken eins sind. Der Ursprung derjenigen Secte, welcher die Perser beypflichten, wird also erzahlet: Nach dem Tode Mahomets stritten sogleich dessen Schwieger-Vater Abubecker und Schwieger-Sohn Haly um die Regierung, welche jener mit seinem neugestrickten Religions-Netze erfischet hatte. Nach des Abubeckers Tode gerieth er mit Omar, einem von Mahomets Generalen, und da dieser starb, mit Osmann in Streit, und wurde von dem letztern sehr in die Enge getrieben. Weil aber dieser endlich im 34 Jahr der Hegira auch starb, so wurde Haly, als der ohnstreitige einige Erbe des Mahomets von beyden Theilen zum Haupt angenommen. Aber nach des Haly Tode wegerten sich die Soldaten gantz und gar denen Söhnen des Haly ein Erbrecht zuzustehen, sondern behaupteten die Wahl, und wähleten einen ihrer Generalen Mahuvia. Von des Haly Söhnen sagt man, es seyn zwölffe gewesen, und Mahuvia habe eilffe derselben aus dem Wege geräumet gehabt; doch einer davon erhielte einen Theil der Länder, die sie schon durch Mahomets Netz bestricket hatten. Ein jeder Theil hat sich eines Vorzugs vor dem andern angemasset, und einem jeden Haupt zu Gefallen haben die Lehrer, so sich mit hervor zu thun gewust, immer eins nach dem andern ersonnen, womit sich ihre Secte für der andern heiliger, gerechter und seliger geachtet, bis des Dinges so viel worden, daß daraus nicht allein die 2 Haupt-Secten entstanden, [650] sondern daß sie fast so viel Secten, als witzige Köpffe unter sich haben. Des Haly seine wird Chia genennet; beyde verdammen einander in die unterste Hölle, keiner glaubt von dem andern, daß er könne selig werden, jedermann hält es für ein weit verdienstlichers Werck, einen Glaubensgenossen von der widrigen Secte, als einen Christen, Juden oder Heyden umzubringen. Ihren Gottesdienst nennen die Persianer, wie andere Mahometaner, Islam, eine Unterwerffung an Gottes Gebothe, sich selbst aber Muselmoon, oder Rechtgläubige. Ihr Glaubensbekänntniß hat folgende 2 Glaubens- und die nächsten 5 Sitten-Gesetze: 1) Daß Gott ein einiger Gott sey. 2) Daß Mahomet von Gott gesandt sey. 3) Die leibliche Reinigung müsse aus Gottes-Befehl unterhalten werden, und sey verdienstlich. 4) Eben so auch das Gebet zu gewissen Zeiten mit behörigen Ceremonien. 5) Ingleichen die Almosen an Arme, milde Gestiffte für Studirende, Reisende etc. helffen gewiß ins Paradieß. 6) Auch das Fasten; aber recht und den gantzen Rammadan durch. Und 7) daß sie in ihrem Leben einmahl wenigstens eine Betfahrt thun; in welchem Artickel aber sie von den andern Mahometanern etwas abgehen. Darzu setzen sie den achten Artickel, daß Haly sey des Gefandten Gottes, Mahomets, Statthalter: Die demselben nachgefolgte 12 Imams seyn des Haly Statthalter, an deren Stelle nun die Könige stünden. Den Alcoran nehmen sie nicht eben nach den Worten an, sondern geben ihm einen Verstand, wie es sie gut düncket, und die Lehrsätze, so ihnen zu strenge vorkommen, mildern sie mit Bildern und Gleichnissen, davon ihre gantze Theologie und Sittenlehre voll ist. Z. E. den Lehrsatz: Daß Gott alles, was in der Welt geschicht, von Ewigkeit gewolt und beschlossen habe, mäßigen sie also: Der Mensch sey kein Klotz, doch auch nicht sein eigener Herr; Gott zwinge keinen Mensche mit Gewalt: überlasse ihn aber auch nicht gantz seiner eigenen Wahl. Es ist fast ein allgemeiner Mahometanischer Lehrsatz, daß Gott alle heilige Gesetz-Bücher vor der Schöpffung geschrieben und bey sich verwahret habe, bis er sie nach einander in die Welt zu senden beschlossen. Ihr Gesetzbuch, den Alcoran nemlich, glauben sie nun das letzte zu seyn; aber Propheten werde Gott noch wohl erwecken, die die Menschen einmahl wieder zurecht und auf den Alcoran weisen würden. Sonderlich erwarten sie noch einen sehr grossen und mächtigen Propheten, der eben, wie Haly, alles zusammen wieder unter Mahomets Gesetz bekehren werde. Und darinnen unterscheiden sie sich allermeist von andern ihren Glaubensgenossen, daß sie dafür halten, sie seyn allein durch den Haly, den sie fast höher ais Mahomet achten und ehren, bey dem Gesetz erhalten worden; daher, wenn dieser grosse Statthalter Gottes, oder einer, der ihm gleich sey, werde wieder kommen, so müsse er andere Menschen wieder bekehren, seine Feinde vertilgen, sie aber, die Perser, in Bewahrung seiner Gebote nur stärcken, behalten, und ihre Glückseligkeit mächtig vermehren. Sie wissen den Haly nicht groß genug zu machen. Seine Lebensbeschreiber erzählen so viel Wunderwercke [651] von ihm, daß viele, so, Lehrer als Layen, ihn fast Gott gleich achten, und gar viel solcher Redens-Arten auf- und in Brauch gebracht haben, die ihn über alles erhoben, und Gott sehr nahe, wo nicht gar gleich setzen. Z. E. Ich glaube, daß Haly zwar nicht Gott, aber nicht viel weniger sey. Wenn sie ihn anreden, sagen sie: Du bist, der da ist. Einige ihrer Lehrer gehen so weit, daß sie glauben, er sey göttlicher Natur, wo nicht ursprünglich gewesen, doch theilhafftig worden; Gott sey in ihm Fleisch worden; habe die Welt durch ihn geschaffen; er sey nicht gestorben, sondern gen Himmel lebendig aufgenommen; von dannen er einst wieder kommen, und die gantze Welt mit seiner Lehre erfüllen werde. Von Gott und seinen Göttlichen Eigenschafften reden ihre geistreichsten Lehrer auf eine zum Theil gar reine und schöne Art: daß er ein gantz reiner Geist sey, der alle, auch die schönsten Geister schaffe, der zwar gar nichts cörperliches in sich selbst habe, aber in der gantzen unbegreiflichen weit ausgebreiteten cörperlichen Schöpffung seine Grösse, gleichwie in deren unermeßlichen langen Währung seine unendliche Ewigkeit sehr herrlich abgebildet habe; der über alles, was sichtbar ist, sehr hoch erhaben sey, und in keinem Stücke seines gleichen habe, der nicht könne gemessen, in etwas gefasset, beschlossen, viel weniger getheilet, und von einander gesondert werden, kurtz, daß er ein einiger und der eintzige Gott sey. In diesen Satz laufft alle ihre Theologie wieder zusammen, wenn sie noch so weit ausgeschweiffet hat. In ihrem Symbolo aber setzen sie Gott und Mahomet oder Haly zusammen, wenn dasselbe heist: Gott ist (der wahre einige) Gott, und Mahomet (Haly) ist von ihm gesandt. Nebst dem legen sie aueh ihrem Mahomet oder Haly alles bey, was wir von Christo glauben; denn da lassen sie sich nicht einfallen, daß sie zu hoch fahren, und in Erhebung ihres Propheten zu weit gehen, oder Gott zu nahe thun könnten; denn wenn sie ihm auch alles geben, was Gottes ist, so halten sie doch allezeit den wörtlichen Innhalt ihres Bekänntnisses: Gott ist Gott, fest, und das ist ihnen genug, ihre Rein- und Rechtgläubigkeit zu behaupten. Treibt man sie ein, und übern Hauffen, so sagen sie wohl gar, wie die Heyden und Götzendiener: Gott sey zu hoch, als daß er von uns könne angebetet oder bedienet werden, darum habe er ihnen einen Propheten, Statthalter, Lieutenant gesandt, dem sie, als sterbliche Creaturen, diese Ehre erweisen müsten, so hoch und viel als sie nur könnten. Darinne unterscheiden sich die Persianer auch von andern Mahometanern, und sonderlich von den Türcken, daß sie andere Glaubensgenossen nicht so leicht anpacken, oder so gern Gelegenheit suchen, sie um ihren Glauben, und wo das nicht seyn kan, ums Leben zu bringen; daß sie ihren Religiösen, welche solches wohl gerne thäten, und sich damit den Ruhm grösserer Heiligkeit in den Augen des Pöbels zuwege brächten, es nicht so offt und viel zu thun zulassen; daß sie denen Christen, unter ihnen häuffiger zu wohnen, verstatten, ihnen sicherern Schutz halten, mehr mit ihnen verkehren, und doch sich nicht so leicht an ihnen verunreiniget zu [652] haben glauben, als die Türcken; ja daß sie noch wohl mit andern Glaubensgenossen sich über Religions-Sachen in Unterredungen einlassen, welches andere Mahometaner gantz und gar verabscheuen, unter dem Vorwande, daß der Alcoran alles Disputiren oder Streiten über Glaubens-Puncte verbiete. Es gehet aber bey den Persern mit solchen Unterredungen insgemein so bescheiden und höflich zu, daß man sie auch, in Ansehung dessen, mit keinem Fug Dispute oder Streitigkeiten nennen kan. Von der Schöpffung haben sie aus Mose vieles mit uns gemein, alles aber ist sehr mit Fabeln vermenget. Sie halten dafür, Gott habe die Welt durch die Hände der Engel bereiten lassen, und doch wird von der Engel Ursprunge geglaubt, sie seyn am fünften Tage mit den Himmeln, Sonne, Mond und Sternen, zugleich allererst erschaffen; dergleichen Widersprüche ihrer Lehr-Sätze finden sich mehr, fechten aber die Perser wenig an. Der gemeine Mann entschuldiget solches so gut als er kan; und was ihm einfällt, muß gut darzu seyn. Die Gelehrten aber machen es geschickter; doch vielmahls läuffts auch mehr auf eine Erweiterung der widersprechenden Sätze und das Einflechten einiger Mährgen und Gleichnisse, damit der Widerspruch nach und nach verschwindet, als auf bündige Beweisgründe hinaus. Die guten und bösen Engel seyn, sagen sie, aus dem Lichte geschaffen: und als Gott den Freytag darauf die Menschen geschaffen, und den Engeln, ihnen zu dienen, anbefohlen, haben ein Theil derselben sich dessen gewegert, und aus Hochmuth sich Gott widersetzet, darauf seyn sie aus dem Himmel in eine Tieffe gestossen, welchen Ort sie durch ihre Raserey und Wuth selbst zur Hölle gemacht hätten. Eine Erb-Sünde können sie nicht glauben. Adam habe auch, als der höchste Prophet, wie alle andere Propheten, deren sie 24000 (oder wohl noch ein mahl so viel zählen,) nicht sündigen können; und das Essen, so man ihm zur Sünde mache, sey nur eine Abweichung von der Vollkommenheit, oder von etwas bessern, zu was schlechtern, und ihm nicht schlechthin verboten, sondern nur widerrathen gewesen, weil alle Speise, die ihm verordnet, so subtil war, daß alle Excrementa davon als ein wohlrüchender Schweiß unsichbar von ihm dunsteten, dagegen die verbotene Frucht nicht anders, als durch ordentlichen Abgang wieder von ihm gehen konnte; damit er nun nicht den Himmel verunreinigte, so jagte ihn Gabriel heraus, aber nicht um einiger Sünde willen. Die Schwäche der also entkräffteten Menschen und die Stärcke der Begierden zu bezeichnen, erzähien sie eine Begebenheit zweyer Engel, Namens Aruth und Maruth: Diese hielten Gott für, daß er den Menschen immerfort Vergebung der Sünden wiederfahren liesse, da solches doch keinen Nutzen schafte und sie nicht besserte. Ihr kennet, sagte Gott, die Begierden nicht, unter welchen die Menschen stehen; sehet da, ich gebe euch menschliche Leiber, und sende euch in die Welt, damit ihr die Sache untersuchen und eine Probe davon nehmen könnet. Sie giengen hin, und verfielen tieffer unter die Leidenschafften, als die Menschen; liessen sich [653] den Wein und die Weiber so starck reitzen, daß sie ihnen Tag und Nacht nachjagten; sie versuncken so tief in die fleischlichen Lüste, daß, als sie wieder gen Himmel kehreten, sie solche, nebst einer schönen Beyschläfferin mit dahin nahmen, weil ihnen diese nicht anders, als mit dieser Bedingung hatte wollen zu Willen seyn; und darüber wurden sie aus dem Himmel, bey Babylon, in eine tieffe Grube gestossen und verschlossen; dabey sie aber gleichwohl, vermittelst ihrer menschlichen Leiber vermöglich waren, den Menschen allerley Künste zu lehren, die sie vermitteist des ihnen mitgetheilten Leibes auszuüben fähig waren: daher nun waren denen Menschen die ihnen beywohnenden vermischten geist- und leiblichen Zauber-Kräffte und sogenannte schwartzen Künste bekannt worden. Ein letzter oder Gerichts-Tag, glauben die Perser, ergehe über einen jeden vollwachsenen Menschen, stracks nach seinem Tode; das Urtheil werde folgender gestalt gefället: gleich nach dem Begräbniß, und sobald die Leich-Begleiter weg wären, kämen zween Engel, schwartz und schrecklich anzusehen, Namens Nekir und Munkir, die setzten den Todten aufrecht in Grabe, (um nun ihnen diese Mühe zu erspahren, so begraben sie ihre Todten sitzend) und erforschten von ihm seinen Glauben und Leben, beydes schrieben sie in ein Buch, in welchem es biß zum allgemeinen Gerichts-Tage behalten werde: biß dahin indessen die Seelen der Frommen Freude und Friede genössen, der Gottlosen aber Angst und Qval empfänden. So lange der Leib eines Menschen nicht zur Erden bestätiget sey, bliebe die Seele um und bey ihm in der Nähe; so bald er aber sein Urtheil im Grabe erhalten, so gehe sie in einen zarten Lufft-Leib so lange über, und wohne und würcke nach solchen Cörpers Eigenschafft unsichtbar in selben, biß zur allgemeinen Aufferstehung, da sie ihren ersten Leib wieder anzühe. Der menschliche Geist könne nicht ruhen, schlaffen, oder gleichsam todtstille seyn, ohne Leib aber könne er gar nicht würcken. Ihr alter oder erster Leib werde zwar schön und ohne Gebrechen auferstehen, aber keine von seinen angeschaffenen Eigenschafften verliehren. Er werde nicht durchsichtig, ohne Essen und Genuß der Wollüste dieses Lebens seyn: alles aber werde fein und subtil wie auch der Leib seyn, so daß er keine grobe Excrementa geben werde, wodurch das Paradieß verunreiniget werden könnte. Die Seligkeit des menschlichen Geschlechts betreffende, sind sie so verschiedener Meynung als die Christen: einige gestehen dieselbe niemanden als den Mahometanern zu; andere machen alle Fromme von allen Völckern und Religionen derselben fähig; wieder andere räumen den Himmel allen denen Nachfolgern wahrer Propheten ein, und sagen: Gott werde am Gerichts-Tage dieselben zu Hülffe nehmen; da denn Moses für die Juden, Christus für die Christen, Mahomet und Haly aber für die Ihren sprechen werden. Ihre subtilsten Lehrer sagen: Gott werde die Verdammniß über keinen Menschen aussprechen, sondern das Urtheil werde sich in eines jeden Gewissen [654] ohne Widerspruch offenbahren, und von guten und bösen Engeln an denen ihnen Zugehörigen vollzogen werden. Eine ewige Höllen-Pein ohne Ende aber glauben sie nicht, sondern halten dafür, die Verdammten werden vom Feuer verzehret oder in dasselbe verwandelt werden. Der Alcoran statuiret 7. Himmel: und wie daher die meisten die Seligkeit in gewisse Grade eintheilen, also messen sie auch die Hölle nach 7 Abtheilungen, und die Pein darnach ab. Die erste theilen sie den Gottlosen von Haly Secte zu; die zweyte den Türcken und allen, so Haly nicht erkennen; die dritte den Christen, die Mahomet nicht erkennen; die vierte den Juden, die beyde Christum und Mahomet nicht erkennen; die fünffte des Heyden; die sechste den Abtrünnigen oder Apostaten; die siebende den Atheisten. Uberhaupt bestehe alle Höllen-Pein in einer ängstlichen Betrachtung über den Verlust des Paradieses. Die Ausschliessung der Weiber von der Seligkeit, welche von vielen durchaus geglaubet wird, geben die Perser nur so weit zu, daß sie nicht mit den Männern zugleich, auf einerley Art und an einem Orte derselben genüssen würden; anderwärts und auf eine ihrem Wesen und Wünschen gemäße Art aber werde es ihnen weder an einem Leben noch an Vergnügen fehlen. Von der Währung oder Dauer der Welt nach diesem Leben glauben die Perser, sie werde ewig seyn, und nur mit samt ihren Einwohnern von einer Ewigkeit zur andern zu einem höhern Grade der Herrlichkeit verändert, und erhöhet werden, biß alles wieder Gott gleich, und der Hitnmel eine unaufhörliche Wohnung aller Geister seyn werde. In den übrigen Artickeln der Mahometanischen Glaubens- und Sitten-Lehre, nemlich dem Waschen, Beten, Fasten und Almosen, werden sich die Perser wohl nicht viel von Türcken und andern Sunniten unterscheiden, und wenn sie auch unterschieden wären, so kan der Unterscheid doch nicht bemercket werden für der gar zu grossen Verschiedenheit, die sich in beyden Haupt-Secten unter allen Anhängern der einen und der andern selbst finden: denn da sind wohl nicht leicht zwey Glaubens-Genossen, weder unter den Sunniten noch Haliten, welche nicht in viel oder wenig unterschieden wären. Es scheinet, als wenn sie wohl erkenneten, daß sie in allen diesen Stücken Gott sehr wenig dienen könnten, darum ersinnen sie sich allerlerley Ceremonien, damit es wenigstens ihnen selbst und andern in die Augen falle, fromm und verdienstlich scheine: Zum Exempel, beym Waschen und Reinigen schöpffet der eine das Wasser mit der lincken, der andere mit der rechten Hand; der lässets oben vom Arme hinab, der andere aus der erhobenen Hand hinunter lauffen; beym Gebet stellet der eine seinen Leib in diese, der andere in eine andere Positur; einer stehet aufgericht; der auf diese, jener auf solche, und der dritte wieder anders gebückt, vor- seit- oder ruckwärts gebeugt; sonderlich machen sie mit den Beinen und Armen, dem Haupte und Gesichte, so vielerley unterschiedene Formen und Gestalten, daß sie nicht zu zählen sind. Die meisten scheinen sehr erbar, [655] andere demüthig, jene andächtig, diese wunderlich und wohl gar lächerlich. Es gehören zu ihrem. Gebet so viel Sachen, z. E. Paternoster, Spiegel, Scheren, Leuchter, Tapeten, Gefäße mit Wasser, Oel, Rauchwerck, Kohlen, Erdklumpen in gewissen Formen, Bildern und Gestalten, daß etliche, je nachdem sie mehr Andacht dabey beweisen wollen, gantze Kasten damit anfüllen, die sie mit auf den Platz oder in das Zimmer nehmen, wo sie beten wollen, und daselbst in besonderer Ordnung und mit besondern Ceremonien auskramen, um sich herum legen, und brauchen müssen. Wenn man nun darzu rechnet, was mit dem vor dem Gebet vorhergehenden Waschen auch für sehr viel Ceremonien verknüpfft sind, so ist leicht zu erachten, daß den Persern ihr Gottesdienst eben so schwer und lästig seyn müsse, als den Juden der ihrige. Mit dem Fasten und Allmosen geben, wissen sie fast eben so wenig als beym Gebet, wie sie alles genug mit Ceremonien veranstalten und ausrichten sollen, damit sichs Gott für einen desto höhern und angenehmern Gottesdienst müsse anrechnen lassen. Die Beschneidung wird bey den Persern zur Gelangung ins Paradieß nicht unumgänglich nöthig geachtet, aber doch deswegen nicht unterlassen. Die Zeit, wenn solche geschehen solle, ist nicht vorgeschrieben; das dreyzehende Jahr der Knaben wird wohl für die Gesetzmäßigste gehalten, weil Ismael in solchem Alter beschnitten worden: Andere halten das neunte Jahr vor das beste, weil alsdenn die Kinder zu mehrer Unterscheidung des Guten und Bösen kämen: aber das fünffte oder sechste Jahr wird am meisten erwählet, weil so dann die Kinder die Schmertzen weniger fühlen, und es eher heilen soll. Sie verrichten solche durch keine Geistliche, sondern durch einen Barbier, der eine Familie etwa bedienet, welcher sein Schermesser darzu gebrauchet, und durch zusammenziehende Mittel das Blut stillet, und mit Balsam die Wunde heilet; ein Mollah aber verrichtet dabey das Gebet. Sie haben auch keinen gewissen Tag, Stunde oder eigenes Haus; ein jeder thuts in seinem Hause, wenns ihm gefällt, und giebt den übrigen Tag seinen Freunden nach seinem Stande und Vermögen ein Gastmahl. Die Kinder haben zwar von ihrer Geburth an einen Namen, aber bey der Beschneidung wird ihnen erst der rechte Name, mit Aufschlagung des Alcorans und andern Andachts-Ceremonien, gegeben, weil sie glauben, es hange von dem Namen eines Menschen ein groß Theil seines Glücks und Unglücks ab. Was einige von Beschneidung des Frauenzimmers erzählen, nicht wenn sie jung sind, sondern der alten Weiber, die an einigen Orten in Persien im Brauch seyn soll, scheinet ein unzeitiger Schertz zu seyn. Die Moscheen oder Tempel werden keinem Heiligen gewidmet, noch besonders eingeweihet; sondern wenn eine von jemanden erbauet und fertig ist, wird das Volck eingeladen, seinen Gottesdienst darinnen zu verrichten, weil aber die Perser nicht verpflichtet sind, eben in solchen ihr Gebet zu thun, so kommen selten grosse oder ansehnliche Leute [656] dahin; das gemeine Volck und was religiös seyn will, verrichtet hingegen seinen Gottesdienst vielmehr in denen Moscheen. Die Mollahs predigen auch so leicht auf den Strassen und andern Orten, wo sie Versammlungen finden, als in Tempeln: Besonders an Freytagen als ihren Sabbathen und Fest-Tagen. Ihre Predigten sind insgemein moralische Discourse, die eben nicht sehr andächtig angehöret werden: etliche lesen, schlafen, essen, oder rauchen Toback; doch sind sie stille und stöhren den Prediger, und die, so ihn hören wollen, nicht; gleichwohl ists nicht ungewöhnlich, demselben mit Händeklatschen oder etlichen Worten Beyfall zu geben, nachdem sich einer oder der andere bewegt befindet: Widersprechen aber ist währender Predigt nicht gebräuchlich, doch nach Endigungen derselben darüber zu raisonniren oder zu disputiren, ist den Persern nicht, wie den Türcken, verboten. In einer grossen Moschee ist doch gemeiniglich ein ordentlich bestellter Mollah, und wenn sie gute Einkünffte hat, sind deren wohl etliche, und ein Monteveli und Aufseher der Güter, Gebäude und Auszierungen, auch ein Moasem, der zum Gebet rufft; und für alle ein Haus, als ein Convent oder Kloster, dabey erbauet. Die Geistlichen werden nicht ordiniret, sind auch von keinem gewissen Geschlecht oder Stande abkünfftig, sondern wer sich geneigt findet, diesen Stand zu erwählen, nachdem er die darzu etwa erforderlichen Studia absolviret, und ein bequem Mundwerck bey sich verspüret, befleisset sich eines erbahren Ansehens in Kleidung, Sitten und Geberden, trägt einen langen Rock bis auf die Füsse, einen weissen Tulband, und unterscheidet sich mit einem nüchternen und exemplarischen Leben, und wie er kan, von gemeinen Leuten, thut auch Wallfahrten zu den Gräbern ihrer Imams, und wenn er die Unkosten zusammen bringen kan, auch eine nach Mecca, ja, wenn ers auf ein Märtyrer-Leiden oder Tod, wegen der eifrigen Sunniten, wagen will, gar nach Medina. Wenn er wieder zurück kommt, wird sein Name bey dem Sadre in das Buch gezeichnet, und er erlanget, nachdem sein Glück gut ist, Aemter und Vorrechte, bis er wohl zu den höchsten Würden aufsteiget. Uberhaupt aber ist die Persische Geistlichkeit nicht reich, weil sie meist von dem Gehalt, den sie von ihren Häusern und Tempeln, Schulen, Collegien, oder wozu sie bestellt sind, heben, leben müssen, und wenig Accidentia haben, ausser, was sie mit Information oder Direction der Kinderzucht in vornehmen Häusern, mit Wahrsagen, durch Aufschlagung des Alcorans etc. verdienen; und da müssen sie sichs mit Führung eines strengen Lebens schon sehr lassen angelegen seyn, wenn sie zu was ordentlichen kommen wollen. Wenn sich aber einer um einen Priester-Theil umsonst bemühet hat, ist ein anderer Weg übrig, ein, wo nicht commode und tugendhafft, doch faules Leben zu führen; denn er kan ein Derwisch werden, und sich selbst darzu machen, so bald er die Hoffnung als ein Mollah empor zu kommen, verlohren siehet, oder wegen grober Excesse den Schein der Heiligkeit nicht länger zu erhalten vermag. [657] Ein solcher kan allenthalben seine Lust büssen, und so liederlich leben als er will, und dennoch, weil er bald anderswo hin wandert, unbekannt bleiben, und eine Heiligkeit fürgeben, auch aller Orten, wo er hinkommt, gleichsam von Rechtswegen seinen Unterhalt fordern; denn es wird in gantz Persien von allen Gütern ein gewisser Zehenden, Dreyßiger oder Funfftzigster, nachdem die Güter und Sachen sind, davon er gehoben wird, eingesammlet, der als ein Allmosen an allerley Arme und reisende Pilger oder Bettler ausgetheilet wird; und da sind alle Religiosen, ais Mirs, Serifs, Sajeds, Derwichs, Fakirs und Kalenters, die nächsten darzu. Die ersten drey werden für gebohrne Geistliche oder Heilige angesehen, weil sie sich für Mahomets Nachkömmlinge ausgeben, und zwar die Mirs und Serifs aus dem männlichen, die Sajeds aber aus dem weiblichen Geblüte. Jene beyde haben das Recht grüne Tulbands, als Mahomets Leibfarbe, zu tragen; sie werden aber in Persien nicht sehr geachtet, theils weil man glaubt, daß sie es mit den Türcken halten, theils weil die grüne Farbe in Persien nicht für heilig gehalten wird, wie bey den Türcken. Die Sajeds aber, die aus der Fatima, Mahomets Tochter, ihr Geschlecht herführen, werden in Persien heilig und hoch geachtet. Die Mahometaner rechnen auch für schöne Gottesdienste ihre Festtage; und die Perser unterscheiden sich von den Türcken gar sehr mit dem Feste, so sie zum Gedächtniß des Todes Hossein und Hassem, zween ihrer Heiligen, feyern. Die Ceremonien und Gebräuche bey Feyrung dieses Festes haben sie durch die Länge der Zeit, wie bey andern Stücken ihres Gottesdienstes, dermassen gemehret, daß sie schwerlich zu zehlen und zu beschreiben sind. Jederman bereitet sich auf dieses grosse Fest, das zehen Tage lang währet: die vornehmsten Leute, sonderlich wenn sie an Ecken, oder offenen Plätzen und mitten in grossen Strassen wohnen, richten aussen vor ihren Häusern Altäre auf, und schmücken sie mit allerley Kriegs-Gewehre und Rüstung für Menschen und Pferde, oder Cameele, mit Fahnen, Standarten, Paucken und Trommeten, so herrlich aus, als sie nur können. Bey solchen stellen sich denn die Festtage durch die Mollahs, Derwichs und Geistliche ein, welche dem Volcke die Legende von Hosseins Geburt, Leben und Tod predigen, und weitläufftig erklären; und nach dem sie gut Mundwerck und eine angenehme äusserliche Gestalt haben, mit einem Wort, nach dem sie berühmte Prediger sind, nach dem versammlet sich das vornehmste Volck in die Häuser, um solche Altäre herum; das gemeine, sonderlich aber das Kriegs-Volck mit ihrem Gewehr und Waffen stehen auf den Strassen umher. Wenn ein solcher beliebter und geübter Prediger nun auf den Tod des Hosseins kommt, so erreget er die Affecten der Zuhörer dermassen, daß sie von Andacht, Mitleiden unb Racheifer gegen die Feinde Hosseins zu brennen und als rasend zu seyn scheinen. Die bewaffnete fechten mit einander, oder verwunden sich auch selbst, und vergiessen ihr Blut zu Ehren des Heiligen; andere legen sich auf den Strassen nieder, und ahmen dem sterbenden Hossein [658] nach, mit so kläglichen Geberden, daß sie als in den letzten Zügen zu liegen scheinen; sonderlich suchen sie den Durst, den er in der dürren Einöde und währendem Gefechte ausgestanden haben soll, nachzumachen, sie hängen die Zunge zum Halse heraus, seufftzen und stöhnen mit so schmachtenden Geberden, daß sie würcklich scheinen, als lechzeten sie nach einern Tropffen Wasser; welches sie aber doch nicht annehmen, wenn es ihnen gebracht wird, um die Enthaltung ihres Heiligen dadurch abzubilden; als von welchem die Legende saget, daß, da ihm ein Engel einen Topff mit Wasser reichen wollen, er solchen von sich gewiesen, und gesagt: Weil es beschlossen ist, daß ich sterben soll, so will ich soches auch thun, sonst dürffte ich nur einen Finger in die Erde stecken, so würde bald ein frischer Quell entspringen: ja einen gantzen Strom Wasser könnte ich mir verschaffen. Eben also weiset ein solcher auch die bewaffneten, so ihm gleichsam zur Hülffe herzu eilen, von sich; wie der Hossein soll gethan haben, als eine Legion Engel, ihm wider seine Feinde beyzustehen, sollen erschienen seyn. Inzwischen ruffen sie den fürübergehenden mit der jämmerlichsten Stimme und Geberden zu: Hossein! Hossein! Andere zühen sich nackend aus, bestreichen sich mit Blut, oder blutrother Farbe, andere auch wohl mit Schwärtze, als über Hossein traurende; oder machen sich auch würcklich Wunden, daß sie bluten; etliche graben oder scharren sich in die Erde und den Staub, daß nichts als der Kopff heraus raget, über welchen sie einen Topff oder dergleichen Gefäß decken lassen, bey solchen sitzt denn einer, der denen fürübergehenden mit Abhebung des Gefässes den gleichsam sterbenden oder todten Hossein zeiget, und das Allmosen sammlet. Andere lauffen mit kläglichen Ruffen und Geberden, andere aber mit gleichsam von Zorn und Rache wütendem Geschrey und Minen die Strassen auf und nieder. Die Vornehmen und Reichen, denen solche öffentliche Buß-Ubungen auf den Strassen nicht anstehen, thun zu Hause mit Fasten, Geisseln und Enthaltung aller Leibes-Pflege, was ihnen ihre Andacht eingiebet, und geben reichlich Allmosen an alle, sonderlich, die auf den Strassen vorbesagte Ubungen treiben; welche sich manchmahl dieses Fest über was ansehnliches sammlen, sonderlich, wenn sie strenge und harte Casteyungen ausgestanden haben. Die wenigsten scheren, Zeit dieser Tage, weder Haupt noch Angesicht, beschneiden keine Nägel, enthaltn sich des Bades, gehen in der tieffsten Trauer, oder liegen zu Hause als im Sack und Asche. Wenn ihnen fremde Juden, Christen etc. begegnen, so ruffen sie ihnen zu: Verflucht sey Omar; und wehe einem, der ihnen alsdenn widersprechen wolte: man thut am besten, daß man ihnen mit einem tieffen Stillschweigen und einer ernsthafften Mine, wo man keine traurige machen kan oder will, antwortet. Ein Türcke, oder der für einen Sunniten bekannt ist, mag sich diese Tage über nur ja nicht viel sehen lassen, wenigstens sich sorgfaltig büten, daß er dem aufgebrachten umschwermenden Pöbel nicht zu Gesichte kommt, oder er muß sich wenigstens stellen, als halte ers mit Haly, und muß dem Omar mit ihnen fluchen; welche Verstellung [659] aber den Türcken nicht wie den Persern zugelassen, oder von ihren Lehrern erlaubt ist; denn das Volck wird zuweilen so aufgebracht, daß, indem immer einer den andern im Ernst und Eifer übertreffen will, manchmahl einige in der Furie einander würcklich anfallen, deren Gefechte zuletzt auf Mord und Tod hinaus laufft; worauf sie es desto eher wagen, weil sie glauben, einer, der in diesen Tagen und auf solche Art um Hossein willen sterbe, fahre von Mund auf ins Paradieß, zum Genuß der Seligkeit. Die gantze Zeit dieses Fests über höret man zu den sonst gewöhnlichen Tags- und Nachts-Zeiten keine Instrumenten blasen, und gar nichts von Music, als in denen Umgängen, welche alle Tage in einem oder andern Theile der Stadt gehalten werden. Des Nachts brennen Lichter, Lampen oder Fackeln auf den Strassen: denn die Feyer des Fests höret des Nachts nicht auf, ob schon einige hingehen und schlaffen, so fehlet es doch nie an Leuten, die den Lermen fortsetzen. Die Prediger wechseln auch ab, und gehen von Strasse zu Strasse, und predigen von Hosseins Leben, exemplarischem Wandel, tapfferm Muth im Streit, grosser Gedult im Leiden, und alles, was ein jeder nur von irgend einer Tugend zu sagen weiß, kan er hier vorbringen und dem Hossein beylegen: sonderlich die letzten Tage, wenn sie von seiner Bereitwilligkeit zu sterben und der Anschickung zu seinem Tode zu reden pflegen, suchen sie alles sehr beweglich zu machen, und wollen erbaulich reden. Wenn sie an einem Orte aufhören, gehen sie weiter, oder werden in ein Haus geruffen, dessen Einwohnern sie ihren Discours auf Begehren vorsagen; wenn sie geendiget haben, so werden sie wohl in den Häusern gespeiset: auf den Strassen aber entstehet beym Beschluß einer Rede unter den Umstehenden ein Schreyen: Hossein! Hassem! als wenn sie rasend wären, so hefftig und so lange, als die Kehle es aushalten kan; alsdann gehet ein jeder heim, oder wo er hin will; nicht selten für die Häuser, da sie in grossen Gefässen Eis und Wasser finden, auch wohl dieß oder das zu essen ausgetheilt bekommen. Der König selbst speiset etliche tausend derer, die den Processionen beygewohnet, und sonst sichs mit der Feyer des Fests recht sauer werden lassen. Auf denen Strassen sind allenthalben Triumphbogen, Siegs- und Ehren-Zeichen aufgerichtet, die mit der oder jener Begebenheit des Hosseins ausgezieret sind; sonderlich wird sein Leben, Thaten, Kämpffen und Sterben, auf grossen theatralisch zugerichteten Wagen, Stückweise fürgestellet, fürnemlich in den grossen und öffentlichen Proceßionen. Doch werden auch ausserdem offt und viele solcher Wagen umgeführet, die allezeit mit gerüsteten Leuten, mit Fahnen, Kriegs- und Sieges-Zeichen begleitet, ein Stück der Thaten Hosseins fürstellen: Z. E. ein Wagen, auf welchem sein Tod fürgestellet wird, hat oben eine ebene Decke, die mit Sand, als ein Schlacht-Feld auf einer dürren Sand-Wüste, bestreuet ist; unter derselben liegen Menschen, deren Köpffe und Hände oder Arme über die durchlöcherte Decke hervor ragen, und gleichsam abgehauen im Sande liegen, der gleichwie die abgehauenen Glieder mit Blut oder blutrother [660] Farbe besprützt ist, die auch mit einer blassen Todten-Farbe überzogen sind, daß also alles sehr natürlich und eigentlich aussiehet. Auf einem andern Wagen lieget der erblassete blutige Hossein, auf dessen Cörper etliche lebendige Tauben sitzen, die sich gleichsam in seinem Blute netzen; und wenn sie nach und nach Paarweise von denen unter der Decke befindlichen Bändern losgelassen werden, davon fliegen, gleichsam seiner Schwester in Medina seinen Tod damit zu verkündigen. Allenthalben, wo dieser Wagen fürüber gehet, treibet das Volck ein solch Wehklagen, und bezeuget seinen Schmertz auf so vielerley Art, aber doch alles so eigentlich und nachmachend und so natürlich abbildend, daß es zu verwundern, wie sie die behörigen Leidenschafften so ähnlich affectiren können; und lässet sich ihr Geist in solchen Nachahmungen sehr wohl sehen, wiewohl sie auch ihres Lebens dabey nicht schonen: sie vergiessen ihr Blut, verwunden ihren Leib im Gefechte gegen andere, oder in dem Eifer, Raserey oder Desperation, so sie abzubilden fürnehmen, gegen sich selbst, daß sie würcklich manchmahl den Tod davon haben; oder sie matten ihn mit so hefftigen Bewegungen, nach Erforderung des Affects, den sie annehmen, dermassen ab, daß entweder würckliche Schwindel und Ohnmachten sie überfallen, oder die sie doch eben so wohl und natürlich nachmachen können, daß man keinen Unterscheid zu bemercken vermag. Und alles dieses leiden sie mit unglaublicher Standhafftigkeit, ehe sie sich rächen oder was thun, wodurch die Aehnlichkeit verletzet oder verlohren würde. Und wie schon gedacht worden, so lassen sichs die eifrigsten und religiösesten Persianer auch in allen andern Stücken ihres Guottesdienstes sehr sauer werden. Aber ein so schwer und hart Joch etliche Mahometaner auch unter den klugen Persern sich aufladen; eben so wissen andere und die meisten sich die Sache leicht zu machen: denn diese erklären das meiste im Alcoran und ihren Symbolischen Sprüchen auf eine mystische Art, und machen damit die Ausübung dem Leibe erträglich, oder schieben solche gar dem geistlichen Theile des Menschen auf den Hals, der dann auch wohl damit auskommt, wenn er nicht allzuviel Gewissen hat, welches den Leib wieder mit anspannet; das aber auch bey ihnen nicht eben so starck ist. Ubrigens wollen sie für andern Mahometanern in Lehr und Leben vieles voraus haben, und sie sind auch nicht ohne Grund unter den Türcken die hauptsächlich prätendiren Muselmanns, Rechtgläubige, das ist, orthodox zu seyn, gleichsam vor diejenigen, die bey den Engländern Puritaner, bey den Holländern die Fyntges, und in Deutschland die Pietisten sind, zu halten. Heutige Historie und Geographie von Persien p. 228 u. ff.