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Zedler:Pestmittel (Medicinische)

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Grosses vollständiges Universal-Lexicon Aller Wissenschafften und Künste
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Pestmittel (Chirurgische)

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Pestmixtur (bewahrende)

Band: 27 (1741), Spalte: 846–854. (Scan)

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Pestmittel (Medicinische). Diejenigen Mittel, welche von den meisten Aerzten einhellig in der Pest angerathen werden, sind unter dem Artickel Pest sattsam angeführet worden; dahero wir vorjetzo nur die betrachten, welche von einigen in der Pest gelobet, von andern aber verachtet werden. Solche sind nun das Erbrechen, Purgiren und Clystiren. Winige Gelehrte halten dafür, [847] daß, wie die Pest bisweilen einen Leib, dessen Magen und Brust voller Unrath stecket, bisweilen aber einen reinen ergreifet, also könne zwar zu Benehmung des besagten Unraths, darinnen sich oftmahls das pestilentzialische Gift aufhielte, und daher leichtlichtlich Fieber erreget werden könnten, ein Erbrechmittel nicht schaden. Bes. Aetius Tetr. II. Serm. I. c. 95. Paul Lib. II. c. 36. de re medica, Tubert c. 17. de Peste u. a. m. Denn es sey viel leichter denselben durch den Hals und Mund, als durch den Stuhlgang auszuführen, Aber es muß nicht durch Artzneyen von Spießglas oder Qvecksilber, oder andere dergleichen giftige starcke Mittel geschehen, sondern durch gelinde. Und obwohl jene an einem und dem andern wohl ausgeschlagen: so ist es doch nur von ohngefehr geschehen, und also keine gewisse Rechnung darauf zu machen. Solche Probe ist eine mit von denjenigen, von welchen Hippocrates in seinem ersten Aphorismo sagt, daß es gefährlich und schwer sey, ein Urtheil davon zu fällen. Diejenigen, welche ein Erbrechen bey Pestpatienten für gut achten, thun solches vornehmlich aus folgenden Ursachen: Weil man fast keine Pest siehet, da nicht ein Eckel oder Erbrechen dabey sey. Nun sey es nichts ungereimtes ein Erbrechen durch ein ander Erbrechen zu curiren, damit die Materie, der sich die Natur ohne dem zu entledigen bemühet, gemindert und aus dem Wege geräumet werde. Ferner, weil durch das Erbrechen die Beulen, Blattern etc. desto eher zur Haut heraus kommen. Weil auch nach Cardanus Lehre, das Gift wieder an dem Orte heraus zu führen sey, da es hinein gekommen. Da nun das Gift gemeiniglich durch den Hals in den Leib gezogen werde: so müßte es auch wieder durch diesen Weg herausgebracht werden. Weil endlich das Erbrechen zu Austreibung vieler andern Gifte mehr ein herrliches Ding sey, wie beym Mercurial de Venen. & morbos. venenos. desgleichen bey andern hin und wieder zu lesen sey. Daher rühmeten auch die Chymisten des Turbit. mineral, oder das niedergeschlagene Qvecksilber, als Alphanus c. 31. L. de peste; den rectificirten Weinstein, welcher oben und unten purgiret, als Angel. Sala Tr. I. c. 9 und 2. s. 1. & de peste curat. Alphanus c. 31. Lib. de Peste und viele andere mehr. Denn Qvercetan Alex. Lib. II. c. 7 schreibt: „Die vom Spießglaß bereiteten erbrechenmachenden Artzneyen seyn wider die pestilentzialischen Fieber und alle graßirende Kranckheiten gut,„ und bekräftiget solches auch mit vielen Experimenten, welche ihn in seiner Hofnung, wie er saget, niemahls betrogen hätten. Matthiolus schreibt, es wären in der Pest, so im Jahre 1592 in Böhmen gewesen, sehr viele erhalten worden, welche vier Gran Spießglas, so mit Hyacinten zubereitet worden und ein Qventgen Antidoti liberancis im Anfange der Schwachheit gebrauchet hätten. Im Gegentheile aber schreibt Mindirer, es sey keiner jemahls durch Erbrechen von der Pest errettet worden, weil das Erbrechen in der Pest-Kranckheit ein Zufall sey und keine Würckung der Natur. Andere berühmte Schriftsteller sind eben der Meynung. Wir wollen aber hier der [848] Meynung, die die die meisten haben, Beyfall geben, wie wir gleich anfangs gedacht haben. Denn auch Massarias Disput. 2. Lib. II. & c. 45 Saxoniae rathet, wenn man befindet, daß das Erbrechen von der Natur errreget wird, könnte man gar wohl ein Erbrechen zuwege bringen, damit die überflüßige schleinige Materie ausgeführet würde. Valesius Lib. VII. c. 4 und Minder c. 14. de Peste beantworten aber diese Meynung und sagen; wo ein Eckel und Erbrechen ist, muß ein Eckel und Erbrechen erreget werden. Und ob schon bisweilen ein Erbrechen durch ein ander Erbrechen, gleichwie ein Durchlauf mit mehrerm Purgiren, gestillet uud curirt wird, so geschiehet solches nicht an und für sich, sondern zufälliger Weise, wegen der vielen bösen Materie, so im Leibe versammlet ist. In der Pest aber findet sich solche nicht in allen Leibern, dennoch aber ist ein Erbrechen da, und alsdenn ist kein Brechmittel vonnöthen, sondern man muß vielmehr auf die Eigenschafft des Gifts sehen. Und indem solche flüchtig ist, und im Hertzen am meisten steckt: so kan sie auch keines weges durch ein Erbrechen ausgeführet werden. Eben so leichte kan der andere Einwurf beantwortet werden, da sie darum ein Erbrechen zu erregen für nöthig achten, damit die Kennzeichen der Pest, als Beulen desto eher und lieber zu der Haut heraus kommen mögen. Denn wer will denn sagen, ob sich denn auch solche Kennzeichen nach dem Erbrechen äusserlich gewiß werden sehen lassen? Wie viel Arten von der Pest sind nicht, da solche niemahls erscheinen, man unterstehe sich auch solche herauszubringen, wie man wolle? Und wenn sie auch zum Vorscheine kommen, so wäre doch das Erbrechen die wenigste Ursache derselben. Ja auch durch Ausleerung des Leibes wird vielmehr verursachet, daß die Materie, welche nunmehro durch die Beulen heraus will, durch die Ableitung wiederum in den Leib zurücke geht und erst rechte lose Händel anhebet. Johann Villa Real Lib. II. c. 3. de morbo suffocante sagt: „Es hat mit dem Pestgifte eine andere Bewandtniß, als mit dem, das dem Menschen im Essen und Trincken beygebracht wird. Denn dieses bestehet in einer leiblichen dicken und materialischen Substantz, welches gelinder ist, im Magen lieget und Verzug leidet, und nicht eher seine Würckung thut, als bis es von der innerlichen Wärme aufgemuntert wird. Dahero kan es gar füglich aus dem Magen gebracht werden. Mit dem Pestgiffte aber verhält es sich anders. Es ist mehr ein Dampff, als eine Materie. Dahero wischet es mit der größten Geschwindigkeit in den Leib, oder in die Luft- und Blutadern hinein, wenn es auch nur das dünneste Lüftgen zum Vehiculo hat. Solches subtile Lüftgen kan nun nicht vom Erbrechen sondern durch den Schweiß wieder heraus gebracht werden.“ Nachdem wir bishero von Brechmitteln geredet haben, wollen wir nun auch anführen, wie sich angesteckte Krancke mit dem Purgiren unter sich zu verhalten haben. Ob man solches aber in der Pest gebrauchen solle, ist unter den Gelehrten noch nicht ausgemacht. Die, so das Purgiren verwerffen, führen folgende [849] Ursachen an: sie sagen, daß fast keine Purgation geschehe, da der Leib nicht etwas Kräfte verliehre; daß auch durch das Purgiren die böse Feuchtigkeit noch mehr beweget, und zum Hertzen getrieben werde, so könnte solches auch gar leichtlich schädlichen Durchlauf, Bauchflüsse, die ohne dem in pestilentzialischen Fiebern, sonderlich in unreinen Leibern gemein seyn, auch grossen Durst, Eckel für Speise, Grimmen etc. verursachen. Das pestilentzische Gift sey ferner so subtil, daß es durch keine Purgation unter sich könne ausgeführet werden. Das Purgiren sey auch der Natur in ihrer Austreibung hinderlich. Ja in den purgirenden Artzneyen selbst liege ein Gift verborgen. Und die gelehrtesten Medici liessen sich das Purgiren nicht gefallen. Hippocrates Aph. 24. sage: „In grossen und heftigen Kranckheiten soll man gar selten purgirende Sachen gebrauchen.“ Und Crato in seiner Ordnung von der Präservation, auch Sennert de Febr. Libr. IV c. 8. schreibe: Es konne das Pestgift durch keine purgirende Artzeneyen ausgetrieben werden; und Pansa cons. III antipest. c. 10. spreche: Es sey gantz gefährlich im Anfange der Ansteckung, die Krancken mit Purgirmitteln anzugreiffen. Es ist solches der diebischen Landbetrüger beste Kunst. Sie wissen nichts mehr, denn Purgiren; und dennoch glaubt man ihnen, da sie mit ihrem Betrug und Morde was anders verdienet hätten. Qvercetan Alex. Libr. II. c. 7. spreche: Man purgire gleich zeitlich oder langsam, gelinde oder starck, so sey doch allewege grosse Gefahr dabey und gemeiniglich der Tod vor der Thüre. Die, so zu dem Purgiren rathen, thun es aus folgenden Ursachen: weil nach Hippocrates Lehre zu den gefährlichsten Kranckheiten auch die äussersten Mittel müssen gebraucht werden. Weil auch unmöglich wäre, daß nicht so viel böse schleimige, gallische Materie und Unrath im Leibe seyn solte, welche nicht ein Purgiren von nöthen hätte. So könte es auch unmöglich seyn, wenn so viel böse Materie aus dem Leibe geführet würde, daß nicht auch ein Theil des Giftes mit ausgeführet werden solte. Uber dieses werde ja auch das Purgiren von so vielen vornehmen Aertzten gebilliget und gut geheissen. Wir wollen es mit denen halten, welche bey Angesteckten das Purgiren nicht eben verachten, sondern es auf gewisse Weise und Maaß verrichten. Allein auch hier finden sich neue Schwürigkeiten, ob man sich nemlich des Purgirens alsbald bedienen solle, oder ob man so lange warten müsse, bis vorher die Materie präpariret ist? Denn wenn man alsbald purgiren wolte: wäre es wider die Regeln der Heilungskunst, welche haben wollen, daß man die böse Materie zuvor koche, oder bereite, und zu der Ausführung geschickt und tüchtig mache. Verfähret man aber also: so hat man zu bedencken, das daß pestilentzische Gift keinen solchen langen Verzug leide, weil es eine giftige Materie, die das Hertz besessen, und nicht viel Zeit zu kochen oder zu bereiten zulässet. Und deswegen will auch Galen Libr. I. de Diff. Morb. daß man purgire, dieweil die Kräfte noch beysammen seyn, und das pestilentzische Gift die [850] Furcht des Hertzens noch nicht übereilet. Denn je mehr die Kranckheit zunehme, oder je länger sie währe, je mehr nähmen die Kräfte ab und würden von dem Gifte überwunden. So könnte auch durch Zuschlagung eines Bauchflusses, oder der Beulen und Blattern etc. die nothwendige Purgation verhindert werden, daß solche hernach die Natur nicht ausstehen könnte. Uber dieses auch, so könne ja die Natur alle von der Pest herrührende Fäulung nicht recht auskochen oder überwinden. Dannenhero sey besser gethan, daß man solche bey Zeiten aus dem Wege schaffe. Besser sey es auch, daß man solches thue, ehe sie sich im Leibe setze, und etwan ein vornehmes Glicd einnehme, und noch mehr faule und böse werde, auch das Fieber darauf wachse. Endlich wozu würde es nützlich seyn, diejenige Ausleerung zu erwarten, welche erst, da die Kräfte noch beysammen seyn, geschehen will? da doch alle Anzeigungen, die die Pest giebt, mehr zum Tode als zum Leben geschehen. Dahero höret auch Menandus Libr. XIII. Epist. I. diejenigen lieber, welche im Anfange der Pest, so bald als es nur immer geschehen kan, alle Ausleerungen vor die Hand nehmen. Jedennoch aber will diese böse Materie nach Hippocrates Meynung zuvor zubereitet und von der Natur zahm gemachet seyn. Hingegen, wenn man gleich vom Anfange purgiren wolte, so würde die regierende Natur zu sehr niedergeworffen. Sintemal ihr ohne das das Pestgift so harte zusetzt. Man solle aber die Natur mehr stärcken, als schwächen. Hierauf folget nun der Schluß; Woferne also der angesteckte Leib voller überflüßiger böser Feuchtigkeit steckt, und solche an der empfangenen Pest Ursache sind: soll man auf die Kochung und Bereitung derselben nicht warten. Im Fall aber keine so grosse Menge besagter Materie vorhanden, das Gift auch anderwärts wo hergekommen, und der Medicus nicht alsobald geruffen worden ist: soll man das Purgiren so lange aufschüben, bis das Gift durch Kraft der gifttreibenden Artzneyen gantz gedämpffet ist, zumalen weil auch das geringste Pestgift durch purgirende Artzneyen aufgerüttelt werden kan, daß der Patiente, welcher zuvor noch hätte können davon kommen, alsdenn allerererst recht erkrancket und den Geist aufgeben wird. Endlich wird auch noch gezweiffelt, ob man gelinde oder starcke purgirende Mittel erwählen soll. Etlichen gefallen diese; andern jene: Denn weil die starcken oftmals nur bewegen, aber nicht ausführen, zuweilen aber auch gar zu viel würcken: so geschiehet es auch, daß durch gelinde die bösen Feuchtigkeiten nur aufgerühret, geschärffet, und neben dem Gifte ärger und böser gemacht werden. Geschiehet aber dieses, so bekommen sie eine giftige Natur und Eigenschaft, und werffen die noch übrig gelassenen wenigen Kräfte vollends nieder, welche, wenn sie in Bauch kommen, böse, gefährliche Durchläufe und dergleichen erregen; wie denn solche Krancke dergleichen Zufällen ohne dieß mehr, als andere, unterworffen seyn. Je stärcker aber die Purgantz ist, je mehr wird das Gift, welches um und an dem äussern Leibe haftet, in den Leib gezogen. Nun sind auch die starckpurgirenden Artzneyen [851] ohne dem nicht sonder Gift, daher nothwendig folget, daß das Gift, so zuvor stille gelegen, durch mehrern Zusatz gestärcket und gefährlich aufgerühret werde. Uber dieses kan auch kein Medicus wissen, ob die Natur auch zum unten aus Purgiren geneigt sey. Daher ist weniger Schade von gelinden Purgirmitteln als von den starcken zu befürchten. Und was werden die aufgerührten bösen Feuchtigkeiten nicht alsdenn thun, weil ohne dem alle starcke Purgantzen dem Hertzen schädlich sind. Unsere Naturen sind auch durch unordentliches Leben also geschwächet, daß uns auch diejenigen Artzneyen viel zu strenge und giftig seyn würden, welcher sich Hippocrates, Galen, Aerius, Avenzoar, zu ihrer Zeit bedienet haben. Wir sehen ja auch, wenn bey etlichen Pestpatienten die giftigen Feuchtigkeiten ohne das in dem Haupte und andern Gliedern in einer solchen Bewegung seyn, daß sich einige selbst ums Leben bringen. Was solte also nicht geschehen können, wenn starcke Purgantzen gebraucht würden? Also ist es besser, daß man durch gelinde Mittel etwas von bösen Feuchtigkeiten noch im Leibe lasse, als daß man durch starcke zwar alles böse ausführe, aber die Natur und Kräfte also ruinire, daß sie sich nicht wiederum erholen können. So hat man ja auch nicht nöthig, dasjenige mit starcken Mitteln zu verrichten, was man mit gelinden ausrichten kan. Diesem allen ohngeachtet aber sind doch etliche, welchen die starckpurgirende Artzneyen mehr als die gelinden gefallen wollen, mit Vorwenden, weil die giftige Feuchtigkeit, so bald immer möglich, auszutreiben wäre, welche sich von einem linden und geringen Mittel, wegen ihrer strengen bösen Eigenschaften nicht werde zwingen lassen. Weil auch die Pest eine grosse heftige Kranckheit ist, dergleichen Kranckheiten aber einen grössern heftigen Widerstand und Artzney erforderten, allwo die geringen nichts verfangen würden. Weil man auch Exempel hat, daß starcke Artzneyen viel, die gelinden aber nichts gefruchtet haben. Uber dieses wären auch nicht wenig berühmte Aertzte, die mehr vom Gebrauche der gelinden Mittel gehalten haben, als Johann Herculan, welcher nach langem Streiten endlich schlüsset: „Die Artzneyen von Scammoneum seyn viel fruchtbarer, als die gelinden, weil diese dem Hertzen nicht so bald zu Hülffe kommen, noch das Böse flüchtig machen.“ Avenzoar III teisir. tr. III. c. 4. der eine Lattwerge vom Euphorbium, und eine Artzney vom Taubermist, Lerchenschwamm, Aloe, Nießwurtz, Schwertel, Coloqvinten und dergleichen verschreibt. Fallop und Heurnius, welche den Gebrauch des Euphorbium gleichfalls rühmen, und für ein gut Giftmittel achten; Martin Heinrich, welcher qu. 13. tom. I. ausdrücklich schreibt: Derjenige, welcher die Pestcur mit gelinden und geringen Mitteln anzugreiffen vermeynet, der thut thörlich. Damit aber dieser Streit beygeleget werde, so bekennen wir, daß beyde Theile starcke Beweiß-Gründe haben, aber bey einem jeden Temperamente, Alter etc. schicken sich weder allezeit die starcken, noch allezeit nur die gelinden; sondern man muß alle Umstände, derer schon oft Meldung geschehen, [852] betrachten, und nach deren Befinden die Sache anstellen. Denn bisweilen thun die gar gelinden, als die Manna, Flores Cassiae, Pulpa Tamarindorum, Mechoacanna, Cremor Tartari, Cristalli Tartari &c. genung; bisweilen hat´man stärckere, als des Rhabarbari, den Agaricum, Fol. Seanae, Rad. Jalappae &c. bisweilen, nach etlicher Meynung, der allerstärckesten, als des Scammonii, Diagrydii, Troch. Alhandal. Antimonii &c. vonnöthen. Doch ist zu bedencken, ob diese letztern an und für sich selbst sicherlich gebraucht werden könnten. Es meldet zwar Pantäus Libr. XXI. Chirurg. daß sie viele aus ihrer selbt eigenen Erfahrung rühmten; weil sie aber von den Aertzten zu Paris einhellig verworffen worden, als wolle er sie gleichfalls übergehen und aussen lassen. Weil es nun überhaupt mit dem Purgiren so eine gefährliche und zweiffelhafte Sache ist: so ist es besser gethan, solches nach Möglichkeit gar zu unterlassen. Und da ja von nöthen wäre, wegen Verstopffung etwas zu thun, so hat man Stuhlzäpfgen und Clystire, welche ihre Würckung bald erreichen, und in einem Tage oftmals wiederholet und angebracht werden können. Von den Clystiren bezeugen die allerältesten und vortreflichsten Aertzte, daß fast keine Kranckheit sey, in welcher das Clystiren, nach Erforderung, nicht nützlich wäre, com. ad aph. 2. Libr. XIIX. daher auch Renodäus in Instit. pharmaceut. Libr. V. c. 5. schreibet: daß das Clystiren dienete in Hauptwehen, im Augentrieffen, und andern Augenmängeln, in kurtzen Athem, in Brustkranckheiten, in Aufblähung des Leibes, in Nierenentzündungen, in Verstopffung der Gekrößadern, in Verhaltung des Urins etc. Und dieses wären noch die wenigsten Kranckheiten, wider welche das Ciystiren helfen könnte. Es ist aber solches mancherley. Denn etliche Clystire erweichen, etliche reinigen, etliche vertreiben die Winde, andere zühen, andere leimen gleichsam zusammen, andere stillen die Schmertzen, andere stärcken und geben Kräfte, andere purgiren, andere stopffen. Dieweil aber selten einer mit der Pest befallen wird, der nicht zugleich etwas in oder an seinem Leibe empfindet, dazu ein oder anderes Clystir nicht nützlich sey: so kan ein jeder leichte erkennen, daß diejenigen die Sache keines weges verstehen, welche das Clystiren verachten und meynen, daß solches den an der Pest liegenden nicht zu statten komme, und läugnen wollen, daß man solche Mittel gar wohl an ihnen brauchen könnte. Noch weniger hat es einen Grund, wenn sie sagen, es erfolge auf manches Clystiren ein Grimmen, Lähme, oder wohl gar der Tod. Denn es kan kein Grimmen oder Lähme erfolgen, es sey denn, daß ein Clystir viel zu kalt angebracht würde, oder aber die böse Materie nur aufgerühret, nicht aber ausgeführet werde. Viel weniger kan es den Tod verursachen, es müste gar wunderlich, seltsam und ungeschickt damit umgegangen werden. Es ist zwar möglich, daß der Tod darauf erfolgen kan, allein daran ist das Clystir so wenig schuld, als die Schlaguhr, welche eilfe oder zwölffe geschlagen, da der Patiente gestorben. Es sind ja die Clystire kein Mittel zum Tode, sondern sie thun öfters [853] so viel Gutes, als andere Mittel, auch in den obersten Gliedern, dessen sich keiner verwundern darf. Nur ist zu bedauren, daß sich ein Patiente solche nicht ohne sonderbare Instrumente selbst setzen kan. Darum verrichten solches gemeiniglich die Apotheckergesellen. Doch finden sich auch Weiber, welche die Clystire den Weibspersonen fein beyzubringen wissen. Dieweil nun solches, wie gesaget, des Apotheckers Amt ist: als sind etliche der Meynung, solche müßten die Clystire auch bey Pestkrancken setzen, dessen sie sich aber öffters aus Furcht weigerten: so soll man keinen dazu nöthigen, der furchtsam ist, sondern, weil die Barbiergesellen doch ohne dem zu den Krancken gehen, kan man solche gar leichte unterweisen, daß sie es verrichten können. Sonst aber, wo man gar niemanden anders finden könnte, ist es derjenige zu thun schuldig, dessen Amt es ist, und der es zu anderer Zeit nicht wohl leiden würde, daß ihm ein anderer hierinne einen Eintrag thue. Die Formuln aber zum Clystir können folgende seyn:

. Ibisch-
Sauerampfer-
Ochsenzungenwurtzel, von jeder Ʒij.
Gartenpappel,
Tag und Nacht,
Pappeln,
Endivien,
Veilgen,
Saurampfer,
Bingelkraut, von jedem .
Damascener Zwetschgen, No. IV.
Sebesten,
rothe Brustbeere, von jeden P. I.

Kochet alles in Gerstenwasser, seiget es durch. Zum Durchgeseigten thut

. Bingelkrauthonig, ℥iß.
Veilgen-
Rosenhonig, von jedem Ʒvj.
Oel von Seeblumen,
weissen Lilien,
Veilgen,
Dille, von jedem ℥ß.
Meyenbutter, Ʒj.
Gelbes von einem Eye,

Mischet alles zu einem Clystire, in rechter Wärme zu geben. Dieses ist darum von so vielen Ingredientien hergesetzt, damit ein jeder, nachdem ihm beliebt, die Wahl daraus alsbald haben kan. Wenn einem schwindelt und es vor dem Augen umherläufft; so mache man folgendes Clystier:

. Frische Milchschotten ℥xij.
Rosen-
Violenöl, von jeden ℥ij
Elect. von der Cassia fistul. ℥j.
Zucker, ℥j.
Gelbes vom Eye No. I.
Saltz, Ʒj.

Vermischet es durch einander, und lasset es eine Stunde vor dem Nachtessen setzen. Ein ander Clystier, wenn ein Bauchfluß kommt:

. Gerstenwasser, ℥xiiij.
Zucker, ℥iß.
Gelbes vom Eye, No. II.

[854] Temperirt es unter einander, und brauchet es als ein Clystier. Noch ein Clystier, so Blähungen vorhanden:

Rec. Decoct. Emoll. Ʒix.
Elect. Diaprun. lenit. ℥j.
Camillenöl,
Süßmandelöl, aa. Ʒvij.
Cremor. Tartari, ℈j.

Will man aber ein Clystier für junge Kinder machen: so gebrauchet folgendes Kinderclystier:

Rec. Gesotten Gerstenwasser, oder Quetschenbrühe, oder Geißschotten, oder Fleischbrühe, davon das Fette abgehoben worden ℥iij. oder wenn sie nur von 1 bis 2 Jahr ℥ij.
Bingelkrauthonig, oder laxirenden Violhonig, ℥j.

Lasset es zusammen zergehen und thut hinein

Rothen Kandelzucker, Ʒij.
Gelbes vom Eye, No. I.
Saltz ein wenig,

Mischet es, so ist es ein Clystier.