Zedler:Towr, Tower, Tour
Towr, Tower, Tour, Turris Londinensis, wird das Castell zu Londen an der Themse genennet, welches am Ende der Stadt an der Nord-Seite liegt, und mit Mauren und Wasser-Graben umgeben ist. Dieses Schloß, welches nach alter Art viereckigt gebauet ist, hat eine Englische Meile im Umfange, und in der Mitte einen hohen Thurm, und an den vier Ecken noch vier andere, die nicht hoch sind, dadurch man sowohl die Stadt einiger massen im Zaum halten, als auch den Fluß bestreichen kan. Dieses Castell hat seine Benennung von dem in der Mitte desselben stehenden hohen weissen viereckigten Thurm. Es ist 1078, von Wilhelm Conquästor erbauet und angelegt worden, um die Stadt dadurch im Zaum zu halten, und sicher zu seyn, wiewohl sich [1774] einige Mühe geben zu beweisen, daß dessen Erbauer Julius Cäsar sey, welches aber wohl nicht mit Grunde behauptet werden kan. Im Eingange dieses Schlosses wird ein Stein gezeigt, auf welchen die Prinzeßin Elisabeth sich ehemahls vor Kummer nieder gesetzet haben soll, als sie auf Befehl ihrer Schwester der Königin Maria in dieses Gefängniß gebracht worden. Vor alten Zeiten war der Towr die Königliche Residentz, jetzo aber ist es ein Staats-Gefängniß. Es wird das Archiv allhier an einem Orte, welcher Wackefield Towr genennet wird, verwahrt, welches in Parlaments-Acten, Friedensschlüssen, Allianzen, Tractaten, Gesetzen, Contracten, Prätensionen der Crone, Fundationen der Bißthümer, und Abteyen, und überhaupt aus denjenigen Schrifften bestehet, so den öffentlichen Zustand des Reichs betreffen. Dahin werde auch alle andern öffentlichen Acten gebracht und verwahret, und in den Wochen-Tagen ist jemand in einem Apartement, welcher denjenigen die gewisse Nachrichten verlangen, dieselben vorlegt. William Prinne hat alle diese Schrifften und Urkunden, die im Staube durch einander gelegen, in Ordnung zu bringen angefangen und sein Nachfolger, der berühmte Antiquatius William Petyt, hat diese rühmliche Bemühung fortgesetzet. In dem Tower ist auch die eintzige Müntze des Reichs, wo Gold und Silber gepräget wird, wiewohl auch 1697 zu Bristol, Yorck und Exeter auf eine Zeitlang gemüntzet worden. Es ist erlaubt, in die Müntze zu gehen, und Geld schlagen zu sehen, wenn man den Leuten, die arbeiten, ein Trinkgeld geben will. Es sind viel grosse und kleine Officiers bestellet, welche das Müntzwesen besorgen, und darauf Acht haben müssen. Diese und vornehmlich die hohen Officiers haben zum Theil bis auf 2000 Pfund Sterlings. Hier wird auch das grobe und kleine Geschütz, und was sonst zur Ausrüstung eines grossen Kriegs-Heers dienet, verwahrt, und man zeigt darunter vier Stücke, welche kaum drey Pfund schiessen, die den Duck of Monmuth abgenommen worden, worinne dieses unglücklichen Herrn gantze Artillerie bestanden. Man siehet auch etliche Sensen, womit ein guter Theil von dieses Hertzogs Armee bewaffnet gewesen, und womit Anfangs ein grosser Schade unter des Königs Völckern verursachet worden, wie sie denn auch noch mit Blut gefärbet sind. Man behält auch allhier die Waffen auf, die man zur Zeit der Königin Elisabeth 1588 auf der unüberwindlichen Flotte der Spanier erbeutet. Unter diesem Spanischen Gewehr findet sich eine sonderbare Art von Schilden, aus welchen man schiessen kan, ingleichen viel Ketten, und Hechlen, in welche sie die Engelländer zu schliessen, und nach Peru gefangen wegzuführen, gedacht haben. Auch sind etliche grosse Schiffe darunter, welche die Spanier in der Americanischen See durch Schiffbruch eingebüsset, die Engelländer aber wieder aus dem Wasser gezogen haben, an welchen gar genau wahrzunehmen ist, wie das Silber in die Ritzen der Canonen, duch eine in der See verborgene Krafft getrieben worden, als wenn es hinein geschmoltzen wäre. Das [1775] Beil, womit man der Anna Bulena den Kopf abgehauen, ist auch in diesem Arsenal auf dem Towr zu sehen, desgleichen eine Canone von Holtz, welche die Aufschrifft hat:
- Marte quid opus est,
- Cui Minerva non deest.
Diese wird zum Gedächtniß aufgehoben, weil die Engelländer einstmahls in Franckreich durch Hülffe zweyer höltzernen Canonen eine Stadt erobert, wodurch sie die Belagerten, die von Schiessen noch nichts gewust, dergestalt erschreckt, daß sie capitulirt. Ausser diesem Arsenal ist noch ein anders, allwo man viel Könige zu Pferde in schwerer Rüstung siehet, auch viel Cürasse, und andere Kriegs-Geräthe antrifft, und wer sich dieses will zeigen lassen, der giebt wie im vorigen Arsenal 2 Pences. Das merckwürdigste, so man im Towr zu sehen bekommt, ist der Königliche Schatz, welcher unschätzbar ist. Die Person muß im Voraus zwey Schillinge demjenigen geben, der diese Sachen zeigt, und darauf werden ihm folgende Merckwürdigkeiten gewiesen: Die Staats-Crone, die der König im Parlamente trägt; die Crone des Heil. Eduards, des Bekennners; desselben Bischoffs.Stab; die Crone, welche die Königin trägt, wenn sie nach Westmünster zur Crönung gehet; die Crone, womit der König gecrönet wird, in welcher ein Schmaragd von ungemeiner Grösse; die Staats-Crone, so die Königin bey Solennitäten trägt; der Reichs-Apffel, welchen der König bey der Crönung in der lincken Hand hat; das Scepter, das er in der rechten Hand hält; das Friedens-Scepter, das sich die Königin bey der Crönung und Ceremonien vortragen lässet; der Reichs-Apffel, und das Scepter, so sie bey Ceremonien trägt; das Friedens-Scepter, das ihr bey der Crönung und andern Ceremonien und Solennitäten vorgetragen wird; ein eilffenbeinern Scepter, das der Maria d' Este, der Gemahlin Jacob II, präsentirt wurde; ein Adler von Gold, in welchen das Oel, so man zur Salbung des Königs und der Königin braucht, aufgehoben, nebst einem goldenen Löffel, mit welchem es heraus genommen wird; ein paar goldene Sporen, und ein paar Arm-Bänder, welche der König und die Königin am Tage ihrer Crönung tragen; ein Schwerd ohne Spitzen, und zwey andere mit Spitzen, so man bey der Crönung und andern Ceremonien dem Könige vorträgt; ein Gefässe von Silber und vergoldet, welches den Tower vorstellet, dessen vier Thürme auf der Ecke zu Saltzfässern dienen, und das man am Tage der Crönung auf des Königes Taffel setzet. Endlich siehet man auch einen Taufstein vor die Kinder der Königlichen Familie und zwey Krüge von Silber und vergoldet, deren man sich bedienet, das Wasser aus einem silbernen Wasserfaß zu schöpffen. Alle diese sehenswürdige Sachen sind von Silber und vergoldet, von vortrefflicher Arbeit. Die Edelgesteine die sich an den Cronen, Sceptern, und andern Sachen befinden, sind in solcher Grösse und Menge daran, daß man solche Sachen vor unschätzbar halten [1776] muß. In einem andern Arsenal wird eine Menge von Artillerie, Canonen und Mörseln bewahret, die gantz neu gegossen, und nach der neuesten Art verfertiget worden. Anhier ist auch eine Campana urinatoria zu sehen, welche verdient betrachtet zu werden. Auf der Seite gehet noch eine Treppe hinan, allwo man erst das vollkommenste Arsenal von Europa antrifft, sowohl was die Ordnung, als auch die Menge des schönen Gewehrs anlanget. Aus diesem Zeug-Hause sollen 100000 Mann können ausgerüstet werden. Jede Person muß dem Zeugwärter hier wieder zwey Pences geben. Alle diese merckwürdigen Sachen kan man um Geld zu sehen bekommen, und derjenige, der einen herum führet, wird Yeoman in der Engelländischen Sprache genennet, und so bald man hinein kömmt den Towr zu besehen, so kommt einer von der Wache und fodert die Degen ab, ist man aber ein Officirer, so wird einem der Degen gelassen. Die Gemächer sind übrigens im Towr fein meublirt, und der Commendant wird Connetable des Towrs genennet, der gemeiniglich Sherif oder Richter der Grafschafft Middelsex ist. Es ziehet täglich eine Compagnie zur Wache auf, im Nothfall aber müssen die Einwohner derjenigen Quartiere der Stadt die vom Tour abhangen, und unter ihm stehen, und welche Hamlets genennet werden, auf die erste Ordre des Connetable mit Gewehr erscheinen, um die Garnison in dem Towr zu verstärcken. Diese Mannschafft macht ein Corps von 3 bis 4000 Mann aus. Auf den Batterien des Towrs stehen ordentlich 60 Canonen, welche bey Freuden-Festen abgefeuert werden. Alle Schiffe so den Towr paßiren, salutiren selbigen, und man antwortet ihnen auf der Festung auf drey Canonen-Schüsse allezeit mit einem. In dem Towr ist eine Kirche ad Vincula Petri, welche der König mit Priestern bestellet, und die von der Gerichtsbarkeit des Ertz-Bischoffs ausgenommen sind. Es liegen darinne unterschiedliche Leichen vornehmer Leute begraben, welche das Unglück gehabt, auf dem nahe gelegenen Towerhill, das Leben durch das Gerichts-Beil zu verlieren. Ehemahls pflegte der König sich des Nachts vorher, ehe er gecrönet ward, in dem Towr aufzuhalten, von dar er in Proceßion nach Whitehall begleitet ward. Ob nun wohl die Unterlassung dieser Gewohnheit Carl dem I. zur bösen Änzeige ausgelegt ward; so haben dennoch dessen Nachfolger dieselbe nicht wieder einführen wollen. Es hat der Connetable unter sich einen Lieutenant, Sous-Lientenant, und einen Officier, welcher Gentleman Porter, oder der Officier des Thors genennet wird. Der Connetable hat jährlich 1000 Pfund, und der Lieutenant 200 Pf. Sterling. Ueber dieses hat der erstere noch ansehnliche Accidentien, z. E. wenn ein Hertzog als Gefangener in den Towr gebracht wird, muß er so gleich 200 Pf. Sterling, ein Pair des Reichs 100 Pf. und eine jedwede andere Person 150 Pf. bezahlen. Der Connetable und sein Lieutenant sind vermöge ihrer Würde, Friede-Richter in der Provintz Middelsex, in Surrey und Kent. Der Gentleman Porter muß des Abends beym Thorschluß seyn, und die Schlüssel dem Connetable [1777] oder seinem Lieutenant, wenn er abwesend ist, überbringen, solche auch des Morgens, wenn das Thor wieder geöffnet werden soll, von ihm abhohlen. Er commandirt die Wache der Gefangenen, und wenn ein Hertzog in Arrest gebracht wird, so kan er von demselben seinen Rock verlangen, oder er muß ihm davor 30 Pfund Sterlings geben, alle andern Gefangenen aber geben ihm davor fünff Pfund. Die Wache der Gefangenen bestehet aus 40 Mann, welche bey den Thüren Wache halten, und wenn ein Gefangener dahin gebracht wird, so thut man ihn zu einen von denselben ins Hauß, und daselbst muß er ihn bewachen, versorgen und Gesellschafft leisten. Sie sind gekleidet, wie die Trabanten bey Hofe, und werden als Diener des Königs angesehen, daher sie auch dem Lord Chamberlain den Eyd leisten. Nach dem Tode des Königs, nimmt dessen Nachfolger gleich von diesen wichtigen Posten Besitz, und bestellet in solchen die Wachen. Wenn wegen einer Victorie oder andern Solennität Freudens-Schüsse geschehen sollen, so werden die Stücke auf dem Towr gelöset. Benthems Engelländischer Kirchen- und Schulen-Staat p. 37. u. ff. Küchelbeckers Beschreibung der Stadt Londen p. 97. u. ff. Chambelains jetziger Staat Engellands p. 947. u. ff.