Zum Inhalt springen

Zedler:Zeitung, Avisen, Courante

aus Wikisource, der freien Quellensammlung


Grosses vollständiges Universal-Lexicon Aller Wissenschafften und Künste
unkorrigiert
<<<Vorheriger

Zeit von undencklichen Jahren

Nächster>>>

Zeitungen, (Gelehrte)

Band: 61 (1749), Spalte: 899–911. (Scan)

Zeitung in Wikisource
Zeitung in der Wikipedia
Dieser Text wurde noch nicht Korrektur gelesen. Allgemeine Hinweise dazu findest du bei den Erklärungen über Bearbeitungsstände.
Linkvorlage für WP  
Literatur
* {{Zedler Online|61|Zeitung, Avisen, Courante|899|911}}
Weblinks
{{Wikisource|Zedler:Zeitung, Avisen, Courante|Zeitung, Avisen, Courante|Artikel in [[Johann Heinrich Zedler|Zedlers’]] [[Grosses vollständiges Universal-Lexicon Aller Wissenschafften und Künste|Universal-Lexicon]] (1749)}}

Zeitung, Avisen, Courante, Lat. Nova, Novellae, Frantz. Gazette, sind gedruckte Blätter, so in grossen, sonderlich Handels-Städten, wöchentlich ein oder mehrmahlen ausgegeben werden, und darinnen zu lesen ist, was merckwürdiges in der Welt vorgefallen. Eine hohe Obrigkeit hat dahin zu sehen, daß in solchen Zeitungen nichts ungeschicktes, noch anstößiges, und entweder dem eigenen oder andern Staaten nachtheiliges ausgestreuet, noch sonst einiger Mißbrauch gestattet werde, wie auf mehr denn einerley Weise geschehen kan, und werden an einigen Orten gescheide Leute mit ansehnlichen Besoldungen bestellet, hierüber die Aufsicht zu führen. Anderswo, als wie in Spanien und Italien, weis man von keinen gemeinen Zeitungen, und wird nach Bewandniß der Zeiten, auch dergleichen Fremde einzuführen bey Strafe verboten Fäschens Ingenieur-Lexicon. Jablonsky allgemeines Lexicon der Künste und Wissenschafften.

Der Inhalt der Zeitungen solte freylich von lauter merckwürdigen Begebenheiten, Veränderungen, und Vorfällen handeln: allein man kriegt [900] täglich Blätter in die Hände, welche mit nichtswürdigen Kleinigkeiten, oder mit Nachrichten angefüllt sind, woraus sich kein Mensch etwas nehmen kan. Wem ist wohl etwas daran gelegen zu erfahren, daß gestern ein Courier durchpaßirt sey, ohne zu wissen, wohin er seinen Lauf richte, oder was er wolle. Wie offt finden wir nicht die allertrockensten Nachrichten von dem Marsche einiger Recrouten, eines Regiments, das aus einer Stadt in die andere zieht; von Staats-Versammlungen, die gehalten worden wären, davon man aber kein Wort jemahls erfährt; von Kranckheiten grosser Herren, die höchstens in einem Schnupfen bestehen; und von tausend solchen Vorfällen, welche nicht einmahl in der Gegend, wo diese Zeitungen herkommen, ein Aufsehen machen können, geschweige daß sie den Auswärtigen solten Lesenswürdig vorkommen. Was haben wohl folgende Nachrichten für einen Einfluß in die öffentlichen Staats-Geschäffte, oder was können sie dem Leser für Nutzen schaffen, wenn sie von diesem Inhalte sind: 1) In dem Haag ist ein [...] angelangt, und Ihro Hochmögenden, die Herren General-Staaten, sind gestern wieder versammlet gewesen. 2) Zu Petersburg päpariret man ein Feuerwerck und der General Reith ist vor zweenen Tagen nach Cronsloot verreiset, heute aber von dannen zurück gekommen. 3) Der Graf von Horn ist auf seinem Land-Gute: Der Staats-Secretair Höpken aber in der Stadt Stockholm. 4) Vorgestern war der König auf der Jagd, und kam des Abends nach Versailles zurück. 5) Gestern fiel die Carosse des Herrn N. um; er blieb aber unbeschädigt. 6) Heute ist ein Dieb gefangen worden, der sehr viel Diebstähle begangen. 7) Ein Soldat hat müssen Gassen lauffen oder durch die Spieß Ruthen passiren. 8) Madame N. will sich lassen von ihrem Manne scheiden, und in ein Kloster gehen. 9) Die Infanten und Infantinnen gehen alle Tage in den Garten zu Buen Retiro spatzieren. 10) Der Kayserliche Ambassadeur hat gestern wieder bey der Königin Audientz gehabt. 11) Die Printzeßin von Modena ist in der Messe, hernach bey einer Proceßion, und des Abends in der Opera gewesen. 12) Die Nonnen des Klosters N. haben eine alte baufällige Wand ihres Klosters repariren lassen.

Mit solchen und noch viel geringeren Vorfällen sind die meisten Zeitungen heutiges Tage angefüllet. Einigen wenigen, die an den Orten, oder in den Gegenden, wo dergleichen Kleinigkeiten geschrieben werden, selber wohnen, ist bisweilen daran gelegen, sie zu wissen. Wenn aber Dinge von so weniger Erheblichkeit heute in den Franckfurtischen, Hanauischen, und Nürnbergischen Zeitungen stehen, und in etlichen Wochen in sechs andern Zeitungs-Blättern nochmahls abgeschmiert und den geneigten Lesern vorgelegt werden: so kan man leicht erachten, wie verdrießlich dieses seyn müsse. Doch die Zeiten sind zuweilen gantz unfruchtbar an grossen Neuigkeiten, und man weis weder von Schlachten, und Scharmützeln, noch von Belagerungen und andern Kriegerischen Begebenheiten [901] zu reden: Aber zu so unfruchtbarer Zeit solte der Zeitungs-Schreiber lieber mit seinem Blättern zu Hause bleiben. Denn wenn nichts vorgefallen ist, das verdiente angemerckt zu werden, warum dringt er denn der Welt seine Blätter auf, in welchen nur merckwürdige Vorfälle sollen aufgezeichnet werden? Denn daß er nichtsbedeutende Begebenheiten erzehlte, wird wohl kein Zeitungs-Schreiber sagen. Das gantze Unheil kommt also daher, daß man alle Tage oder doch wenigstens jede Woche viermahl Zeitungen liefern will, ohne recht zu wissen was man hineinsetzen soll. Wo soll täglich so viel merckwürdiges vorgehen können, als zu Anfüllung so vieler Blätter nöthig ist? Da nun die Zeitungs-Blätter von einem mahl zum andern angefüllet seyn wollen; es mag nun etwas merckwürdiges vorgefallen seyn oder nicht: So müssen die Zeitungs-Schreiber freylich alles zusammen raffen, was ihnen vor die Hände kommt. Das schlimmste aber dabey ist, daß man unter den wenigen merckwürdigen Neuigkeiten immer die besten weglässet, und die elendesten nach der Reyhe abschreibt. Sonderbahre Nationen-Gespräche, Entrev. XIV, p. 1101 u f.

Vielmahls finden wir auch die Zeitungs-Blätter mit den Wercken der Andacht, die grosse Herren ausgeübt haben, erfüllt, welches sonderlich in den Ländern der Römisch-Catholischen geschiehet. Doch sind die Verfasser der Zeitungen unter den Protestanten so gütig, und berauben ihre Leser selten so erbaulicher Erzählungen. Allein unsers Erachtens thun die Catholischen Fürsten sehr übel, wenn sie die Wallfahrten nach Loretto die Geschencke, die Gelübde, die viertzigstündigen Gebete, welche sie eines glücklichen Feldzuges wegen angeordnet haben, in die Zeitungen setzen lassen. Denn so bald der Feind solches erfährt, so kan er ja gleich in seinem Lande eben dergleichen anstellen, oder er verspräche wohl gar den Heiligen beyderley Geschlechts noch reichlichere Geschencke. Doch vielleicht antwortet man uns hierauf: Daß dieses ein Beweis von der Ehrlichkeit dieser Printzen wäre, wenn sie ihre Andachts Uebungen, und Gelübde, in den Zeitungen bekannt machen liessen. Denn sie wolten die Befehle des Himmels nicht erschleichen; sie wolten die Nachrichten von ihren Gebeten, vor ihrer Gegen-Parthey nicht verbergen, noch ihnen die Mittel vorenthalten sich zur Gegenwehr zu rüsten. Man würde sonst verlangen, daß ein Urtheil gesprochen würde, ehe beyde Theile gehört wären. Baylens Historisches und Critisches Lexicon, Th, I. p. 116.

Was die Partheiligkeit betrifft, welche in den öffentlichen Zeitungen fast alle Tage wahrgenommen wird: So kan man dieselbe den Verfassern nicht allezeit so sehr zur Last legen. Zuweilen ist es gut, wenn z. E. der Verlust am Volcke im Lande verringert wird. Es ist gewiß in Ansehung des Landes-Herrn und seiner Rathgeber, auch dem Lande vielmahls selbst, weit besser und nützlicher, wenn man denen Unterthanen einen Theil des Uebels in dem Verluste der Schlachten, und in dergleichen andern wichtigen Widerwärtigkeiten verheelet. Dergleichen Betrug nennet [902] man Staatsstreiche, Arcana imperii: Dieß ist ein ordentliches Verfahren der Politischen Klugheit: Dieß ist eine Lehre aus dem ABC in dieser Art. Niemand darf also die Verstellugen einer Zeitung tadeln, welche den Begebenheiten auf dem Fusse folgen. Das gemeine Beste erfordert rhetorische Figuren, welche den Verlust, den man erlitten hat, und die Vortheile des Feindes verringern. Allein vielleicht wäre es zu wünschen, daß diese Berichte nur für die Ohren seyn möchten, oder daß man sie wenigstens nicht drucken liesse. Denn der Druck verewiget sie, und die Historien-Schreiber legen sie zum Grunde, welches über die Historie ein undurchdringliches Chaos von Ungewißheit ausbreitet, daß den folgenden Jahrhunderten die Wahrheit raubt; ein grosses Gegen-Gewicht nach einigen wider den Nutzen und das Vergnügen, welches das Lesen der alltäglichen gedruckten Schrifften in der Welt verursachet. Die allerwunderlichsten Köpffe müssen erkennen, daß dieses Lesen überall, viel nützlichen und angenehmen Unterricht giebt, ja auch wohl zierlichen Scribenten selbst zu einer Lehre dienen kan. Allein endlich saget man, die Aufrichtigkeit herrschet nicht darinne, es sind vielmehr gerichtliche Reden als Historien. Was ist nun eine gerichtliche Rede? eine Rede, worinne man sich befleißiget, nur die schöne Seite seiner Sache, und die schlimme Seite von der Sache seines Gegners zu zeigen. Wenn diejenigen, welche so reden, ein tüchtiges Mittel darbiethen können, dasjenige nicht zu thun, was sie verdammen: So würden sie die glücklichsten Erfinder unter allen Menschen seyn. Hier sind gewisse Grade zu beobachten. Die verständigen Leser lassen sich dadurch nicht betrügen: sie entscheiden diejenigen wohl, welche der Wahrheit am nächsten kommen: Allein endlich ist es nicht möglich, in dergleichen Schrifften alles bekannt zu machen, was man weiß: man muß dem öffentlichen und auch manchmahl den häuslichen Nutzen etwas aufopffern.

In gewissen Zeitungen aus der Republick der Gelehrten hat man gewünscht, daß man jemanden auftrüge, zu Ende eines jeden Jahres alle falsche Gerüchte anzumercken. Dieses würde nicht in Absehen auf alle Lügen seyn: Denn dergleichen giebt es viele, davor uns die Zeitungs-Blätter selbst warnen: Dieses Amt wäre in der Zeit viel nöthiger gewesen, da man nicht alle Tage Post-Zeitungen gedruckt hat. Wenn es zu Rom eingeführt gewesen wäre, als die Türcken Rhodus eingenommen; So würden wir viel Nachrichten von der Falschheit haben, welche man in Italien ausgesprenget hat. Man hat einige davon aus den Briefen erkannt, welche Ruscelli gesammlet hat. Man weiß daraus, daß die Zeitungs-Schreiber von Rom den 10 des Christ-Monats 1522 vorgegeben, die Belagerung von Rhodus sey aufgehoben worden. Man hält dafür daß die Hülffe künfftighin überflüßig seyn wird, wenn die Belagerung aufgehoben ist, so wie man das Gerüchte davon ausstreuet. Jerome Negro Lettre a Marc Antoine Micheli ecrite de Rome le 10 de Décembre 1522 fol. 86 des Epitres des Princes recueillies par Ruscelli & traduites par Belleforest. Diese Zeitungs-Schreiber [903] haben den 28 des Hornungs 1523 geschrieben, es sey nicht gewiß, daß Solymann diese Stadt eingenommen hätte (ebend. Br. 88 Bl. es ist voller Blendwerck wegen desjenigen, was man wünscht) und nichts destoweniger hatte sie den 22 des Christ-Monats 1522 den Uebergebungs-Vergleich geschlossen. Allein wer wird sich über diese Zeitungen verwundern, wenn er erfahren wird, daß man 1500 in Padua als eine gewisse Sache gesagt und auch so gar von Rom geschrieben hat, daß der Pabst am Peters-Tage von dem Donner erschlagen worden, und alle Bürger die Waffen ergriffen hätten. Wir haben nur durch einen Zufall erfahren, daß eine solche Falschheit ausgestreuet worden. Der Brief, worinne Matthäus Bossus derselben gedenckt, liegt am Tage. Ohne denselben würden wir vermuthlich nichts davon wissen. Hac sub hora Augustine, ad Te dum scribo, ecce rumor aures implet civitatis, solemni Petri Apostoli die, paulo post vigesimam horam, Alexandrum Romanae Ecclesiae magnum Pontificem ictu fulminis interiisse, & de periucundis suis Pileatis unum tactum, pariter suum dominum parentasse, populares in armis esse, vias orbis obliquas parum tutas, Curiales quati timoribus Hispanos infestos & hostes haberi. Part. III. Epist. XXI. Vigneul Marville hat eine gute Anmerckung über die Zeitungs-Blätter gemacht. Hier ist eine von seinen Betrachtungen. „Nur eine Sache thut demjeigen Tort der schreibt, daß er nehmlich nicht völliger Herr über sein Werck und höhern Verordnungen unterworffen sey; er könne die Wahrheit nicht so aufrichtig sagen, als es die Historie erfordert. Wenn man ihm diesen Punct zugestünde, so würden wir keiner andern Historien-Schreiber nöthig haben.“ Mélanges d’Hist. Tom. II. p. 198. Holländ. Ausg. Das Ende dieser Stelle ist ein wenig hyperbolisch: Dem sey aber wie ihm wolle, so geht es doch auf die grosse Quelle des Uebels. Die wöchentlichen oder monatlichen Zeitungs-Schreiber unterstehen sich nicht alles zu sagen, was sie wissen. Es würde ihnen theuer zu stehen kommen. Denn der Straffen zu geschweigen, welche sie von den Obern befürchten könnten; So würden sie den Verkauff ihrer gedruckten Zeitungs-Blätter verringern, und sie würden sich als übelgesinnete Personen, und gewisser maassen als Feinde des gemeinen Besten verhast machen. Man will zwar nicht, daß sie zum Vortheile des Vaterlandes grob lügen sollen: Allein wenn sie mit Verstande, Muthmassungen und Betrachtungen setzen, welche so scharfsinnig und schmeichelhafft als boshafft sind: So lobet man sie, man bewundert sie, man liebet sie, und man reist sich um ihre Wercke. Also ist es nicht umsonst, daß sie dem Beyspiele desjenigen alten comischen Poeten folgen, welcher sich nichts anders vorgesetzt hat, als dem Volcke zu gefallen.

Poeta cum primum animum ad scribendum
appulit,
Id sibi negotii credidit solum dari,
Populo ut placerent quas fecisset fabulas.

Terentius in Prologo Andriae.

Wenn der Gedancke der Catharina von Medicis [904] gegründet ist: Das eine falsche Zeitung, welche drey Tage geglaubt wird, einen Staat retten könne: So wird man unzählige Berichte, die man in den Zeitungen täglich liesset, entschuldigen, und ihren Verfassern nicht zur Last legen dürffen. Aubigne Confession Catholique de Sancy Liv. II. Ch. VI, p. 413. Die Historien wimmeln von der Nutzbarkeit dieser falschen Zeitungen. Die Häupter der Ligue haben sich dadurch lange Zeit in Paris erhalten. Da der Hertzog von Maienne nicht leugnen können, daß er in der Schlacht bey Ivry das Feld verlohren hätte: So hat er ausgestreuet, daß der Bearner dabey geblieben wäre, und das die Ligue an andern Oertern gesieget hätte. Aubigne Hist. Univers. Tom. III. L. III, Ch. VI, p. 322. „Als ihr Kriegsherr so zertrümmert war, haben sie zu ihren gewöhnlichen Kunstgriffen Zuflucht genommen, nehmlich die Pariser mit Lügen zu bezahlen, welche man in vielen Büchern bekannt gemacht, des Innhals: Daß bey dem ersten Sturme zu Dreux, die Einwohner dem Könige mehr als fünfhundert Mann getödtet, und eine viel grössere Anzahl starck verwundet hätten, der Marschall von Biron auch auf den Tod verwundet worden. Daß bey der Schlacht ein langes Gefecht, und der Verlust fast gleich gewesen; und daß, wenn der Bearner nicht todt wäre, er wenigstens nich viel mehr taugte.“ Histoire des choses memorables avenues en France depuis l’ an. 1547 jusques au commencement de l’ an 1597 p. 720. Peter Matthieu erzehlet, daß der Graf von Charolois, da er nöthig gehabt, daß sein Kriegs-Volck durch die Hoffnung einer schleunigen Hülffe aufgemuntert würde, einen Franciscaner bestechen lassen, welcher sich gestellet, als wenn er aus Betragne käme, und gesagt: er habe das Kriegs-Heer so nahe verlassen, daß man es noch denselben Tag sehen würde – und dieser Kunst-Griff hat wohl nicht den Muth, doch wenigstens die Gedult der allerniedergeschlagensten vermehrt, und diese Lüge hat die kurtze Zeit über, da sie geglaubt worden, Nutzen geschafft; das grosse Verlangen das Kriegs-Volck aus Bretagne zu sehen, hat sie glaublich gemacht, ohne sie zu betrachten. Pierre Mathieu Histoire de Louis XI Liv. III p. 144. Diese letzten Worte sind hier nicht unnützlich: Denn sie zeigen die Neigung des Pöbels an, dem Betruge beyzutreten. Er glaubt leichtlich, was ihm schmeichelt, und er machet sich also eine Galgen-Frist. Des Peter Matthieu Randglosse verdient abgeschrieben zu werden. „Wenn ein Kriegsheer oder eine Stadt Hülffe erwartet, so muß man sie beständig versichern, daß sie komme, und wenn auch widrige Zeitung davon einlieffe: So erfordert die Klugheit des Oberhaupts, dießfalls andere Gerüchte auszustreuen. Syphar meldet dem Scipio, daß er ihm nicht beystehen kan, und vielmehr für Carthago ist. Scipio bewirthet und schmeichelt seine Abgesandten, und giebt ihnen Geschencke, um nur seinen Leuten weiß zu machen, daß Syphar käme, um seine Ankunfft zu beschleunigen.“ Ebendaß. Eben in Absicht auf diese Arglist [905] kan man hauptsächlich sagen: nil sub sole novum. Man hat sich niemahls angelegen seyn lassen in den frischen Zeitungen von Unglücks-Fällen aufrichtig zu seyn, und es würde fast allezeit Nachtheil bringen, wenn man sich eine Ehre daraus machte. Livius tadelt den Römischen Consul mit Recht, welcher nach der unglücklichen Schlacht bey Cannes gegen die Abgeordneten der Bundesgenossen seinen gantzen Verlust bekannt hat: auxit rerum suarum suique contemtum Consul, nimis detegendoque cladem nudandoque Lib. XXXIII, p 355. Diese Aufrichtigkeit verursachte, daß die Bundesgenossen urtheilten, es würde sich Rom nimmermehr wieder erholen, und man müsse sich also mit dem Hannibal versöhnen. Plutarch schreibt, daß ein Athenienser grausam gemartert worden, weil er eine böse Zeitung gesagt hätte, welche gleichwohl gantz gewiss gewesen. Δόξας λογοποιὸς εἶναι καὶ ταράττειν τὴν πόλιν, εἰς τὸν τροχὸν καταδεθεὶς ἐστρεβλοῦτο πολὺν χρόνον, ἕως ἐπῆλθον οἱ τὸ πᾶν κακόν, ὡς εἶχεν, ἀπαγγέλλοντες.[1] Pro mendace & civitatis turbatore in rotam deligatus, & diu tortus est, donec advenerunt, qui totam cladem ordine annuntiarunt. In Nicia zu Ende p. 542. Als er von einem Fremden, welcher in den Hafen Piräum ans Land gestiegen war, des Nicias Niederlage zu erfahren: so ist er sporenstreichs gelauffen, dem Rathe dieses grosse Unglück zu melden. Man hat wissen wollen, von wem er es habe, und ihn, da er seinen Urheber nicht angeben können, als einen betrügerischen Störer der öffentlichen Ruhe gestrafft. Man hat nicht eher aufgehöret ihn zu martern, bis man die Wahrheit von seiner Zeitung erhalten hat. Hätte er einen falschen Sieg angekündigt, so wäre er nicht gestrafft worden. Des Stratokles That veranlasset uns so zu urtheilen. Er überredete die Athenienser, den Göttern ein Opffer zu bringen, um ihnen für die Niederlage der Feinde zu dancken: und er wuste gleichwohl, daß die Atheniensische Flotte tüchtig geschlagen worden war. Die Wahrheit von diesem Unglücke ward endlich gewiß und ruchbar. Man ärgerte sich im Ernst über den Betrüger: allein man war mit seiner Antwort zufrieden, und that ihm weiter nichts. „Was habe ich euch denn gethan, sagte er? Ich bin Ursache, daß ihr drey Tage vergnügt gewesen seyd.“ Dieses Vergnügen empfinden noch heutiges Tages unzählige Leser der Zeitungen, wenn zum Exempel, die Zeitungs-Schreiber den Verlust der feindlichen Armeen bey Belagerungen und Schlachten vergrössern, den ihrigen aber verrinern, oder sonst falsche Nachrichten von den glückseligen Zustande ihres Vaterlandes in ihre Blätter setzen. Dieß ist ein Vortheil über den Feind, wird man sagen; die Athenienser haben zween oder drey Tage Freudens-Bezeugungen gewonnen, und haben so viel Verdruß zurück gewiesen, welchen die böse Zeitung verursachen solte. Allein im Grunde ist dieser Vortheil sehr klein und verdrüßlich, eine falsche Einbildung zu hegen, die eine grosse Freude gemacht hat: man empfindet nach diesem die Last der Widerwärtigkeit nur desto mehr. Uebrigens machen die Freudens-Bezeugungen wegen eines eingebildeten Sieges eine gantze Nation verächtlich [906] und ihren Feinden viel zu lachen. Wenn man den Stratokles nach Verdienst lohnen wollen: so hätte man ihn scharff straffen müssen.

Inzwischen ist die Welt dermassen an die Zeitungs-Blätter gewöhnet worden, daß sie die Unterdrükung derselben, als eine Finsterniß ansehen würde. Die Republick der Gelehrten würde dadurch verschiedene Wercke verlieren, welche der Kern und das Marck der Zeitungs-Blätter sind, und uns Regeln geben, sie nutzbar zu lesen. Man sehe, was Michael Herz Biblioth. German. sive notitia Scriptor. Rer. German. P. II. gegen das Ende hiervon schreibt: Cum vero omnes novi quid sciendi mira flagremus cupiditate, certaque juxta ac incerta avidissime arripientes, quisque pro voto interpretamur, itaque NOVELLAS undique conquirimus, ut rerum gestarum, imo & gerendarum, (tanta enim scribentium vel credentium vanitasest) cognitione sitientem animum expleamus. Hinc anxia curiositate legimus aut rimamur quid Novella apportent Nostrates. Jenenses, Lipsienses, Norimbergenses, Hamburgenses, imo & Parisinae, Hafnienses, Amstelodamenses, Bruxellenses aut aliae, nescio unde accersitae: Ut autem varia sint illorum, qui eas legant vel mirantur, ingenia, ita fieri haud potest, quin majorem ex illis fructum alius, alius minorem accipiat, qui igitur cum voluptate, quam novitas sua sponte conciliat, utilitas etiam jungatur, ideo insigni cum commodo adhiberi poterit Nobilissimi & Consultissimi Dn. AHASVERI FRITSCHII Discursus, de novellarum, quas vo ant Neue Zeitungen hodierno usu & abusu etc. Baylens Hist. und Critisches Wörter-Buch, IV Th. p. 593.

Wenn man nun die sogenannten Zeitungen, wie solche jetzo an den meisten Orten eingerichtet sind, in Erwegung ziehet; so wird sich finden, daß unter tausend Lesern kaum einige wenige sind, welche aus denselben einen andern Gebrauch weder suchen noch zu machen wissen, als daß sie davon in Gesellschafften sprechen, und die Zeit vertreiben können. Denn die wenigsten stehen in solchen Verrichtungen, daß sie zu Besorgung des Staats- und der Welt-Händel grosser Herren, und Völcker, womit die Zeitungen fast allein angefüllet sind, etwas beytragen können. Alles dieses bleibt in seiner Maaß und Bewegung, ohne daß die Unterwelt nöthig hat, Sorge davor zu tragen. Da nun jährlich durch Zeitungen drucken und lesen so viel Geld und Zeit ausgegeben und verbracht wird: so läst sich die Rechnung leichtlich machen, daß der übermäßige Gebrauch der gemeinen Zeitungen dem gemeinen Wesen empfindlichen Schaden zuziehen müsse. Denn was kan es doch dem gemeinen Handwercksmann in seinem Beruff für Vortheil bringen, wenn er einem den gantzen Tag zuhörete, der ihm von den heutigen Zeitungs-Fragen etwas vorsagen oder lesen wolte. Als zum Exempel, ob die Oesterreichischen Niederlande befugt einen neuen See-Handel in Ost- und West-Indien anzufangen, oder vielmehr solchen, nachdem er so lange gelegen, wiederum aufzunehmen? Ob die alten See-Händler anderer Königreiche solches für einen widerrechtlichen Eintrag ansehen, und deswegen die Oesterreichischen [907] Niederlande mit Krieg bedrohen, und zurück halten mögen? Ob die Verträge, die Holländer in ihren ehemahligen Spanischen Schiffahrten nicht zu hindern, dahin zu ziehen; auch keine neue Schiffahrten auf der See anzufangen? und was dergleichen rechtliche Streitigkeiten mehr sind, daran sich zwar ein kützelndes Ohr vergnügen, aber ein arbeitsamer Bürger darzu sagen würde, diese Sachen wären ihm gleich viel, und deswegen bey ihm nicht der Zeit werth, weil er von solchen Dingen weder Schaden noch Nutzen zu erwarten, noch davon in seiner Handthierung einigen Gebrauch zu machen wüste. Daher war die Antwort jenes nahrhafften Bürgers gantz vernünftig, die er im Jahr 1683 gab. Denn als man ihm vieles vom Türcken-Kriege vorsagen wolte, ward er ungedultig und versetzte: „Was Türck? Mein Türck ist auf dem Rathshaus, wenn der Bürgermeister sauer aussiehet.“ Es wäre dahero sehr nöthig, daß man dem unnützen Zeitvertreib mit Zeitungen unter gemeinen Leuten steurete, und nicht noch mehr zu befördern suchte. Man sagt zwar, daß durch die Zeitungen die Buchdrucker und Papiermacher etwas zu thun bekämen, auch das Postgeld davon nicht wenig abwürffe: dieses geschiehet aber nur zufälliger Weise, und kan den Schaden nicht heilen, der durch das übermäßige Zeitungslesen unter dem gemeinen Mann verursachet wird.

Den ersten Anfang und Ursprung der Zeitungen kan man so genau nicht finden, ob man gleich allerhand Muthmassungen vorbringt. So viel ist indessen gewiß, daß man im XVI Jahrhundert zu Venedig Gazetten, oder Tage-Bücher, welche die Begebenheiten der Welt vorgestellet, gedruckt habe, die hernach zu Paris von 1631, wie auch in andern Europäischen Provintzen ebenfalls zum Vorschein gekommen. Fabricii Conspectus thesauri Italiae zu Anfange. Daß bei den Sinesern eben auch die Gewohnheit sey, Zeitungen zu machen, wird im XVIII Th. sylloges angemerckt, lettres edifantes des Missions p. 434. u. f. Fabriciana brevis Notitia Alphabetica ephemeridum literariarum vor Morhofs Polyhistor. Herr Bayle hält den Theophrastus Renaudot, einen berühmten Artzt, für den Erfinder der Frantzösischen Zeitungen, im Historischen und Critischen Wörter-Buche, II Theil, p. 628.

Wir müssen endlich noch die Nahmen der Zeitungen, bey verschiedenen Völckern betrachten. Die Römer haben die Anzeige desjenigen, was täglich in der Stadt vorgegangen LIBROS DIURNOS oder schlechterdings DIURNOS auch DIURNA geheissen: wornach die Frantzosen das Wort JOURNAL aufgebracht, womit sie die Tage-Zeitungen benennet haben: endlich haben die Italiener daraus das Wort GIORNO, GIORNALE nachgemacht. Weil nun diese Zeitungen in einem gemeinen Ruffe, Sage, oder Gewäsche des Volckes bestanden: so haben die Italiener dafür das Wort GAZETA angenommen, und die Frantzosen GAZETTA, GAZETTIER gesagt, das ist, eine Zeitung, Zeitungs-Träger oder Zeitungs-Schreiber. Octavius Ferrarius hat nach allen [908] Hin- und Hersinnen nicht gewust, woher er den Ursprung dieses Wortes herleiten solle. Seine Worte sind folgende: Gazetta, Veneta moneta duorum assium. Sed unde appellata sit, mihi nondum compertum est. Quo pretio cum olim Nuntii rerum toto orbe gestarum, qae TACITUS diurna appellat, pararentur; ipsa diurna Gazzette vocitantur. Also meynt Ferrarius die schlechte Müntzen hiessen Gazzetten; welchen die gemeine Zeitungen in dem geringen Werth gleich wären. Allein das Gegentheil ist wohl offenbar: gemeine Zeitungen, Gewäsch, Geschwätze, Gauzereyen; die heissen Gauzetten oder Gazetten. Dahero hat auch das kleine schlechte Geld davon den Nahmen bekommen. Die Deutschen heissen noch jetzo eine fliegende Zeitung Gauzerey, Gazerey, Gewäsche, Plauderey. Er gazet etwas daher, heisset so viel, als er plaudert einem etwas vor; einen Gazer nennen sie einen Wäscher, Plauderer, Zeitungs-Träger. dieses zeiget, daß die Gazetten von den Deutschen Venetianern den Nahmen bekommen und angenommen haben. Weil auch die Italiener eine geschwätzige Aelster gaza nennen: so ist es glaublich, daß diese von dem gemeinen Deutschen Worte Gautzen, Gazzen, oder Schreyen herstamme, und gazetier einen Gauzer, Gazer oder Schwätzer bedeute. Hiermit ist auch dem Menage geholffen, der es jenem ver[.]encket:[2] daß derselbe, als Venetianischer Professor zu Padua den Ursprung dieses Worts nicht gewust, ohngeachtet eigentlich solches gazeta aus Venedig, da es am meisten im Gebrauch sey, sich herschreibe. Menage schreibt also: Du mot Venetien gazetta, qui signifie une Relation, ou un journal de ce, qui se passe en quelque lieu. Ce mot signifiot originaire une forte de petite monnoye. Et comme pour cette monnoye, on avoit le cahier de nouvelles, on a transporte en suite le nom de la monnoye au cahier. Hierauf beziehet er sich auf seine Bücher origines de la langue Francoise & Italienne, und so fährt er fort: Comme Mr. Ferrari etoit Professeur de Padoue, qui est une ville de la domination de la rebublique Venice, & que c’etoit un des plus savans homme de toute l’Italie: il est croire que puisqu ’il n’a pas su l’ origine de ce mot, elle n’est pas connue. Es wird also die Vermuthung eines Deutschen Ursprungs in diesem so gemeinen Worte niemanden unangenehm seyn. Denn weil eben die Venetianer ein Deutsches Wendisches Volck sind: so erhellet die Ursache, warum diese das Wort gauzen, gazen, und gaza, gazeta, oder gauzeta, was gegauzet oder geschwatzet worden, aus ihrer Mutter-Sprache aufgebracht, und sodann andern Italienern ihren Nachbarn, und Frantzosen mitgetheilet haben. Uebrigens haben die Zeitungen nicht eher recht in Schwang gebracht werden können, bis die Posten häufiger angelegt worden, und besser in Ordnung gekommen, welches sonderlich zu Ausgange des vorigen Jahrhunderts geschehen. Gantz Europa hat sich durch die allenthalben angelegten Posten in unzähligen Stücken verändert, und man hat in grossen und vielen kleinen Städten angefangen, Zeitungen zu drucken, welche die vornehmsten Begebenheiten in der Welt enthalten: wo man doch vor Zeiten kaum wuste, was sechs Meilen [909] weit vorfiel. Diejenigen Völcker, von welchen man ehedem in Jahr und Tagen keine Nachricht, als durch besondere Bothen und Reisende haben konnte, wurden und blieben nun alle Wochen durch Brief-Wechsel ihrer Gevollmächtigten und Gesandten bekannt. Denn obwohl die beständigen Gesandschafften auch vor der Zeit üblich gewesen: so haben doch die Abgeordneten ihre Berichte und Relationen nicht anders an ihre Principalen und Herrschafften bringen mögen, als entweder durch eigene Bothen, oder durch die Meß-Leute nach Frackfurt oder Leipzig; worüber Languet in seinen epistolis arcanis an Chur-Sachsen vielfältig Klage führet. Nach Anlegung der Posten aber konnte in Europa nichts mehr vorgehen, das nicht in wenig Tagen oder Wochen auch in und ausser Europa bekant ward, und sich durch Post-Briefe herum zog. Die Zeitungen, die man vor dem nur alle Messen des Jahres zweymahl hatte, wurden nun wöchentlich, und fast täglich gedruckt, und in die Welt vertheilet. Denn sonst waren die Leipziger und Franckfurter Meß-Relationen das einige Mittel, Kundschafft von fremden Orten einzuziehen. Ludewigs gelehrte Anzeigen, p. 534. Daher ist es nach und nach so weit gekommen, daß nicht nur in grossen Städten täglich Zeitungen sind ausgegeben worden: sondern es sitzt jetzo fast in jeder kleinen Stadt ein solcher Zeitungs-Schreiber, der die Leute mit seinen abgeschriebenen Nachrichten, unterhält, und damit sein Brod verdienet. Es würde kein kleines Verzeichniß werden, wenn man alle diese Zeitungs-Blätter, die in Europa in verschiedenen Städten gedruckt werden, aufsetzen wolte. Hier wollen wir nur die bekanntesten und vornemlich die Deutschen anführen, die in diesem Jahrhundert zum Vorschein gekommen sind und theils aufgehöret haben, theils noch fortgesetzet werden. Dergleichen sind, die

Amsterdamischen,
Bayreutischen,
Berlinischen,
Brüsselischen,
Braunschweigischen,
Coburgischen,
Copenhagenschen,
Cöllnischen,
Dreßdnischen,
Erlangischen,
Franckfurtischen,
Göttingischen,
Hallischen,
Hamburgischen,
Hanauischen,
Jenaischen,
Leydenschen,
Leipzigischen,
Mayländischen,
Münchenschen,
Nieder-Sächsischen,
Nürnbergischen,
Parisischen,
Petersburgischen,
Regenspurgische,
Schiffbeckische,
Schweitzerische.

[910] Doch dieses ist kaum ein Anfang von dem Verzeichnisse der unzehligen Zeitugen, womit die Welt heutiges Tages überschwemmt ist. Man muß sich indessen wundern, daß da fast in jeder kleinen Stadt Zeitungen öffentlich geschrieben werden: dennoch in einer so grossen Stadt, wie Rom ist, keine gedruckt werden. Dieses geschiehet aber aus einer Staats-Raison. Dem ohngeachtet kan man zu Rom von alle demjenigen, was in der Welt vorgehet, genugsame Nachricht haben, welches entweder von denen geschiehet, die in Rom zu thun haben; oder von den Geistlichen, welche sonst nicht die Zeit paßiren können, und ihre Correspondentz theils in ihr Vaterland, theils mit andern Geistlichen in der gantzen Welt führen, die etwa einen Zugang bey den Grossen, wie auch Zeit und Gelegenheit darzu haben, sich von allen wohl zu informiren; von welchen sie dann jederzeit weitläufftige Nachrichten empfangen. So gehen auch einige, wenn Post-Tage sind, in die Vorgemächer der Cardinäle, oder zu den Zeitungs-Correspodenten, lesen die angekommenen Briefe, und raisonniren darüber; welches so artig ist, daß man Materie genug finden könnte, eine lustige Comödie daraus zu machen. An bemeldten Post-Tagen sind auch auf den Plätzen di Navona, und di Spagna, ingleichen auf den Caffee Häusern lauter Zeitungs-Schreiber. Missons Italienische Reisen, p. 476. Was endlich die öffentlichen Zeitungen der Chineser anbelangt: so sind sie von den unsrigen gantz unterschieden. Denn man soll aus denselben die Religion der Chineser, ihre Lehren, Gesetze und Sitten erlernen können. Es soll eine Sammlung von lauter Suppliquen an den Kayser, und von Befehlen seyn, die er auf jene ertheilet hat. Und dergleichen Zeitung wird alle Tage auf 60 bis 70 Seiten gedruckt. Das Beste ist, daß keine Unwahrheiten darinne stehen sollen. Denn der Zeitungs-Schreiber muß ohne Barmhertzigkeit das Leben hergeben, wenn er etwas in den Nachrichten verfälschte. In Europa würden wenig Zeitungs-Schreiber das Leben behalten, wenn ein solches Gerichte lüber sie ergehen solte. Lettres edifiantes & curieuses des quelques Missionaires de la Compagnie de Jesus etc. Paris 1729 III Brief. Unschuldige Nachrichten 1730 p. 958.

In denen Chur-Sächsichen Landen stehet, wenn Mobilien von einiger Wichtigkeit, worein die Hülffe ergangen, öffentlich zu verauctioniren sind, dem Schuldner oder auch dem Gläubiger frey, die bevorstehende Auction durch den Druck, auch wohl in öffentlichen Zeitungen, bekannt machen zu lassen. Neu-Erl. Proc. Ordn. ad tit. 39. §. 9 Wie denn ingleichen bey Ritter-Gütern, oder andern ansehnlichen Grund-Stücken, wenn es zumahl verlanget, oder von dem Richter vor gut befinden wird, in denen öffentlichen Zeitungen von sothaner Subhastation und dem angesetzten Licitations-Termin Nachricht gegeben werden kan. Ibid §. 2. So sollen auch die Termine zu denen bey Ritter-Gütern und Handels-Leuten sich ereignenden Concursen zum Ueberfluß, auch wohl zu unterschiedenen mahlen, in denen Zeitungen bekannt gemacht werden. Ibid. ad tit. 41. §. 2. Nicht weniger sollen auch ausgetretener und flüchtig gewordener Schu[.]dner[3] Edictal-Citation, und wie wider dieselben au[.][4] den [911] Fall ungehorsamlichen Aussenbleibens verfahren worden, ebenfalls in denen öffentlichen Zeitungen bekannt gemacht werden. Banqueroutier-Mand. §. 9. und 10. Auf der Post aber sind nur die Zeitungen vor das Königl. Churfürstl. Hauß, die Geheimden und Cabinets-Räthe und Raths-Collegien frey zu paßiren. Post-Ordn. §. 49 Verordn. von 1692. Im übrigen ist hierbey noch anzumercken, daß absonderlich durch den Reichs-Abschied zu Erfurt vom Jahre 1567 §. 61. und 62 alle unter dem Schein neuer Zeitungen publicirte Pasquille nicht nur ernstlich verboten, sondern auch deren Abdrucker, Verkauffer und Herumtrager vor straffbar erkläret worden.

Uebrigens können von denen Zeitungen folgende Schrifften gelesen werden: Ahasveri Fritschens Discursus de Novellarum, quas vocant Neue Zeitungen hodierno usu & abusu, Jena 1676 in 4. Christian Weisens Schediasma curiosum, de Lectione Novellarum quantum scil. illae usum habeant in Geographicis, Historicis & Politicis, imo quovis curiosorum genere, worinnen er zeiget wie weit der studirenden Jugend die Zeitugen nützlich zu lesen Ebendeß. Specimen quasi Nucleus Novellarum ab Anno 1660 ad annum usque 1676 Weißenfels 1676. Johann Peters von Ludewig Tractat vom Gebrauch und Mißbrauch der Zeitungen.

Anmerkungen

[Bearbeiten]
  1. WS: siehe auch el:Νικίας
  2. WS: 4. Buchstabe zerstört
  3. WS: 5. Buchstabe zerstört
  4. WS: 3. Buchstabe zerstört