Zedler:Zeitungen, (Gelehrte)

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Zeitungen, (Hallische)

Band: 61 (1749), Spalte: 911–914. (Scan)

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Zeitungen, (Gelehrte) sind gedruckte Blätter, so in grossen, sonderlich aber in Universitäts-Städten, wöchentlich ein oder etliche mahl ausgegeben werden, und in welchen zu lesen, was merckwürdiges in dem Reiche der Gelehrten von Zeit zu Zeit vorfället.

Schon im Jahr 1692 kamen folgende Blätter zum Vorschein: Nouvellen aus der gelehrten und curiösen Welt, darinnen die Quintessenz mannigfaltiger Gelehrsamkeit abgehandelt wird, Franckfurt und Gotha. Von denen noch anjetzo in Gang seyenden sind die Göttingischen, Hamburgischen, Franckfurter, Regenspurger, Bayreuter, u. a. m. die bekanntesten.

Unter allen aber, annoch in Flor seyenden sind ohnstreitig die Leipziger die ältesten und berühmtesten, als welche bereits im Jahr 1715 unter dem Titel: Neue Zeitungen von gelehrten Sachen, in 8 ihren Anfang genommen, und biß jetzo noch fortgesetzet werden. Es hat selbige der Hochberühmte Herr Johann Burckhard Mencke angegeben, als unter dessen Direction sie von den gelehrtesten Männern sind ausgearbeitet worden: gleichwie nach dessen Tode biß jetzo sein gleichfals Hochberühmter Sohn, Herr Friedrich Otto Mencke, dieselben dirigiret. Siehe von den erstern die Gründliche Nachricht von den Frantzösischen, Lateinischen und Deutschen Journalen, Ephemeridibus etc. p. 105. Der erstere Verfasser derselben war Herr Prof. Johann Gottlieb Krause, dessen weitläufftige Erkenntniß in der gelehrten Historie, besonders neuerer Zeiten, noch jedermann im frischen Gedächtniß ist. Ihm ist Herr M. Friedrich Wilhelm Stübner gefolget, ein so grosser Mathematicus als Philosoph, und der in der Gelehrten Historie gleichfals eine nicht gemeine Stärcke besessen. Nach dieses Tode kam der Hochberühmte noch anjetzo in Franckfurt an der Oder lebende Herr Wolf Balthasar Adolph [912] von Steinwehr an seine Stelle, und da dieser von Leipzig weg und nach Göttingen beruffen ward; so wurde dem geschickten Herrn M. Johann Joachim Schwaben die Ausarbeitung aufgetragen, die er auch einige Jahre besorget, biß es endlich Hochgedachten Herrn Hof Rath Mencken gefallen, solche Ausarbeitung unter verschiedene gelehrte Männer zu vertheilen, welche Einrichtung noch biß diese Stunde beybehalten worden. Von den drey ersten Verfertigern der Leipziger Gelehrten Zeitungen lese man Ludovici ausführlichen Entwurff einer vollständigen Historie der Wolfischen Pilosophie, Th. II, §. 32.

Weil bey anwachsender Materie gelehrter Neuigkeiten die Recensionen derer gelehrten Monats-Schrifften nach und nach theils seltener theils kürtzer in diesen Zeitungen wurden, und aber vielen mehr mit umständlichen Nachrichten von Büchern gedienet war, als mit Neuigkeiten: so geschahe es, daß man im Jahr 1734 anfieng, nebst denen Gelehrten Zeitungen annoch besondere Blätter unter der Aufschrifft: Nöthiger Beytrag zu den wöchentlich herauskommenden Neuen Zeitungen von gelehrten Sachen, wöchentlich ein Stück auszugeben, worinnen nur die gelehrten Monats-Schrifften von Artickel zu Artickel umständlich recensiret wurden. Sowohl über diese Beyträge als die Gelehrten Zeitungen selbst, kam im Jahr 1740 ein Universal-Register in 8 heraus, so den Titel hatte: Universal-Register der Leipziger Gelehrten Zeitungen, von deren Anfang, das ist, vom Jahre 1715, biß zum Beschluß des Jahres 1737, ingleichen der zwey ersten Bände der Beyträge zu diesen Zeitungen etc.

Daß mit denen Leipziger Gelehrten Zeitungen auch so genannte Post-Zeitungen von gelehrten Neuigkeiten zugleich in Leipzig sind ausgegeben worden, ersehen wir aus Siculs Annalibus Lipsiensibus, Band II, Th II, p. 70. wo folgende Nachricht stehet: „Mit diesem Monat Februar 1720 wurden die so genannten Post-Zeitungen von gelehrten Neuigkeiten in 4, welche nebst denen Gelehrten Zeitungen in 8 seither 1715 allhier (in Leipzig) gangbar gewesen, durch einen Vergleich der beyderseitigen Interessenten aufgehoben, und nur die letztgenannten Gelehrten Zeitungen in 8 beybehalten, also, daß diese allein wöchentlich in 2 Stücken, und anbey die Lateinischen Nova litteraria, monatlich in einem Stücke, fortzusetzen, auch, solche in der hiesigen Post-Zeitungs-Expedition Montags und Donnerstags Nachmittage auszugeben, mit dem 1 Februar 1720 der Anfang gemachet wurde.“

Von diesen und andern gelehrten Zeitungen lese man Heumanns Conspect. Reipubl. Literar. p. 24 u. f. der Ausgabe vom Jahr 1735.

Was die gelehrten Nachrichten in dem Reich der Gelehrten für wichtige Vortheile schaffen, ist bekannt genug. Nur angezogener Herr Heumann l. c. hat die Vortheile der gelehrten Zeitungen mit wenig Worten ausgedrucket. Wie weit sie aber von dem ächten Zweck, welchen man sich bei Einführung derselben vorgesetzet, nach und nach abgewichen, scheinet nicht so sehr in die Augen zu fallen, und ist daher einer genauen Betrachtung würdig. Vor allen Dingen müssen wir dieses zum Voraus [913] setzen, daß ein jedes Buch, es mag so vortrefflich oder schlecht seyn, als es immer will, einem guten und schlimmen Urtheil unterworffen ist. Auch der geschickteste Verfasser kan sich nicht leicht rühmen, daß er nicht etwas menschliches in seinem Wercke habe einfliessen lassen, er müste denn mehr seyn als ein Mensch. Und gesetzt: Er ist bey seiner Arbeit noch so sorgfältig gewesen, als nur immer möglich; so ist es dennoch einem offenem Kopffe etwas leichtes, tausend Schlüsse aus dessen Schrifften heraus zu ziehen, welche dieselben verdächtig, ja wohl öffters lächerlich machen. Hierzu kommt noch dieses, daß hauptsächlich in denen Wissenschafften, welche auf freye Urtheile des Verstandes beruhen, unter so unzehlichen Sätzen, gar wenige angetroffen werden, worinnen nicht die Meynungen der Gelehrten getheilet sind. Viele haben ihre Gründe, warum sie von den andern abgehen; Viele aber, ja die meisten, gehen nur ab, jenen Gesellschafft zu leisten.

Da nun dieses alles durch bewährte Erfahrung zur Gnüge bestätiget wird; so kommt es öffters bey einem solchen in der Wage stehenden Richter der gelehrten Welt blos auf äusserliche Umstände an, worunter die Affecten nicht die unterste Stelle einnehmen, was er für ein Urtheil über vorkommende Schrifften sprechen will. Ein Exemplar in feinen Englischen Band, ein beykommendes kleines gütiges Andencken, ein nachdrücklicher Vorspruch eines werthen Freundes und Gönners, und ein höfliches Bittschreiben, (denn; es scheinet heut zu Tage ein höfliches Bezeigen einen halben Gelehrten auszumachen) diese sind vermögend genug, ein günstiges Urtheil auszuwürcken. Hingegen was erfolget alsdenn, wenn obige Stücke ausenbleiben, wenn wohl gar kein Exemplar erfolget, sondern dem Richter sonst unter die Hände kommt, wenn er auf den Verfasser vorher schon einen Haß geworfen, oder wenn er auch nur von dessen Anverwandten beleidigt worden, oder wenn ein Feind des Verfassers, glüende Kohlen auf des Richters Haupt sammlet? Ein jämmerliches Urtheil, welches sich auch öffters auf das Register, und nach Anleitung der Begierden auf den Band und Druck erstrecket. So grosse Macht haben unreine Affecten, die Gelehrsamkeit selbst zu besudeln, und so siehet es auch in den gelehrten Nachrichten aus, wenn man auch nur bey den blosen Affecten stehen bleiben will. Allein es finden sich auch noch andere Gebrechen. Worauf verfält nicht offt ein solcher Kunstrichter, den Schein seines helleuchtenden Verstandes der gelehrten Welt blicken zu lassen? Tausend haben sich, blos die Schärffe ihres Verstandes zu zeigen, durch ungebürliche Beurtheilung anderer Menschen, unglücklich gemacht, welche sich durch andere Affecten niemahls zu einem allzufreyen Urtheil verleiten lassen. Eben dadurch haben auch die gelehrten Zeitungs-Verfasser nicht nur sich selbst, sondern auch der gelehrten Welt nicht geringen Schaden zugezogen. Andere hingegen, bey welchen dieses, was wir vorher gesagt, einen allzutiefen Eindruck gemacht, hüten sich für allen Urtheilen, wie für gifftigen Schlangen, und verfallen dabey auf eine so trockne Schreibart, daß man ihre [914] Blätter mit Fingern zerreiben könte. Beyde verfehlen den Zweck gelehrter Urtheile:

     Wer hier das Mittel trifft,

          Hat auch den Zweck getroffen.

Nun erwege man, was dergleichen Gebrechen für Unordnung und Verwirrung in dem Reich der Gelehrten nothwendig anrichten müssen. Wie viel werden dadurch abgeschreckt, ein Buch zu kauffen, welches in der That eines der nützlichsten und brauchbarsten ist? Wie viele hingegen werden dadurch verführet, nach leren Stroh zu greifen, und mit solchen Schalen Zeit und Geld in williger Zufriedenheit zu verschwenden? Wie viele gute Schrifftsteller werden dadurch zur Kleinmüthigkeit bewogen und wie wenig elende von ihrem Vorhaben abgeschrecket? Wie viele lassen sich auch endlich dahin verleiten, den gelehrten Zeitungs-Blättern völlig Abschied zu geben, und die bereits gesammleten im Hauswesen zu verbrauchen. Siehe Vorrede zu dem Beitrag zu den Erlangischen Gelehrten Anmerckungen etc.