Zieh Dich aus, Petronella
Fassung im Ulk, Januar 1920
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[4] An eine für viele
5 Es atmet klamm das Publikum,es gäb was drum, es gäb was drum – 10 Denn du darfst nicht ennuyant sein, und nur so wirst du bekannt sein – 15 ist der Platz für deine Reize.Je nackter deine Schultern sind, 20 Das Hemd kann sie vergessen – Das sind doch Kunstinteressen … 25 Und es jubelt voller Lust das ganze Haus: Zieh dich aus, Petronella, zieh dich aus –! 30 vom Kopf bis zu den Zehen!Die Orléanssche gibts nicht mehr: 35 Zieh dich aus, Petronella, zieh dich aus! Denn du darfst nicht sündenbar sein, |
Zweitfassung
[Bearbeiten]Zieh Dich aus, Petronella
Für Gussy Holl im "Schall und Rauch"
Musik: Friedrich Hollaender
Spielst du Sudermann oder Maeterlink
oder spielst du Mieze Stuckert
dann denk: es ist ein eigen Ding
das Herz, das unten puckert!
es gäb was drum, es gäb was drum,
erhöre nur sein Flehen:
das Publikum will sehen.
Zieh Dich aus, Petronella, zieh Dich aus!
und nur so wirst du bekannt sein;
und es jubelt voller Lust das ganze Haus
"Zieh Dich aus, Petronella, zieh Dich aus!"
Nicht bei Lulu nur oder Wedekind
denn je nackter Deine Schultern sind,
je mehr sagt man: "Det kleid se!"
Als Iphigenie trägst Du nur
'ne Armbanduhr, 'ne Armbanduhr,
wie schön sind Deine Backen!
Zieh Dich aus Petronella, zieh Dich aus!
Denn du darfst nicht ennuyant sein,
und nur so wirst Du bekannt sein;
"Zieh Dich aus, Petronella, zieh Dich aus!"
Und begleitet Dich nach Dein Souper
Dein Amant in Deine Wohnung,
hüllt er Dich ein bei Eis und Schnee
Stehst Du vor ihm so bloss und blass
Mit ohne was, mit ohne was,
Spricht er zu Dir, Cokettchen,
Vor Deinem weissen Bettchen:
Denn Du wirst ja darin flink sein
Und es kann ja bloß Dein Ring sein!
Und ich klatsch auf Deinem Rücken den Applaus
"Zieh Dich aus, Petronella, zieh Dich aus!"
Erläuterungen (Wikisource)
[Bearbeiten]Der Text ist eines der bekanntesten Dirnenlieder Tucholskys, das er für Gussy Holl schrieb, die es im "Schall und Rauch" zur Musik Friedrich Hollaenders 1920 vortrug. Es macht sich über den "Dirnentrend" und die "platte erotische Darstellung auf der Bühne lustig" (Stein, S. 311).
Dem Abdruck im "Ulk" Januar 1920 ist eine Zeichnung von Stüdemann beigegeben (Lebensdaten nicht ermittelt).