Zimmerische Chronik/Band 2/Kapitel 59

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Autor: Froben Christoph von Zimmern
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Titel: Wie herr Wilhelm Wernher freiherr zu Zimbern sich mit ainem frölin von Lupfen vermehelt, und von etlichen sachen, die zu Oberndorf der zeit fürgangen.
Untertitel:
aus: Zimmerische Chronik Band 2. S. 596–607
Herausgeber: Karl August Barack
Auflage: Zweite Verbesserte Auflage
Entstehungsdatum: 16. Jahrhundert
Erscheinungsdatum: 1881
Verlag: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr (Paul Siebeck)
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Erscheinungsort: Freiburg und Tübingen
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Quelle: Digitalisat der UB Freiburg
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[608] Wie herr Wilhelm Wernher freiherr zu Zimbern sich mit ainem frölin von Lupfen vermehelt, und von
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etlichen sachen, die zu Oberndorf der zeit fürgangen.
Nachdem nun herr Wilhelm Wernher etliche jar in studio gewesen und erwachsen, kam er haim zu baiden seinen gebrüedern. Alda wardt ain tailung zwischen inen gemacht, alles durch underhandlung des alten herrn
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landtcommenturs von Altschausen, herr Wolfgangen von Clingenberg. Dieweil aber der zeit die zimbrischen güetere in ain großen abgang kommen, hat bemelter herr Wilhalm Wernher aigens willens und freiwilligclich, auch damit seine baid gebrüeder iren standt dester statlicher füeren und erhalten
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kinden, sich aller erbschaft verzigen, iedoch ain järlichs leibgeding, sampt der öffnung zu Wildenstain, vorbehalten, dann er des endtlichen vorhabens, in gaistlichen standt sich zu begeben, darzu im dann baide seine gebrüeder getrewlichen und sovil inen müglichen, verholfen zu sein versprochen.
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Es hat herzog Ulrich von Würtemberg, zu erlangen ein domherrenexpectanz uf dem hochen stift zu Costanz, dem bischof Haugen und seinem domcapitel mermals von seinen wegen geschriben und ine, herr Wilhalm Wernhern, von wegen das er etliche jar in seiner jugendt bei im uferzogen
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worden, mit allen gnaden zu befürdern begert. Dergleichen fürdernus hat er gehapt von bischof Friderichen von Augspurg an bischof Gabrieln von Aistett, auch von marggraf Christoffen von Baden an sein brueder, bischof Friderrichen von Utrecht, zu erlangen ain canonicat zu Costanz oder uf
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dem hochen stift zu Straßburg. Nun waren derzeit etlich graven und herren uf dem stift zu Costanz, als nemlich graf Hainrich von Montfort, zwen schenken von Limpurg, schenk Jeronimus und schenk Melchior, herr Wolf von Hewen, graf Hanns von Lupfen und ain herr von
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Hochen-Sax, die im alle meglichs fleis hierzu gern verhülflich gewest. Derhalben die andern tumpfaffen vom adel und den doctorn besorgten, waverr sie herr Wilhalmen Wernhern auch ufnemen, würden der grafen und herren an der anzal die andern übertroffen, dardurch sich leuchtlich[1] begeben,

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[597] das die vom adel und weniger standts außgeschlossen würden, wie dann vor jaren uf baiden hochen stiften Cöln und Straßburg auch beschehen war. Solchs zu fürkommen, zohen dieselben ine jar und tag uf, und sobaldt ain
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tumherrenpfrundt ledig, ob gleichwol die ordnung an ime, so ward ain anderer herfürzogen und zu capitel gelassen. Es [ließen][2] sich auch etlich derselben offenlich merken, es würde des fassels zu vil, vermainten die grafen und herren. Aber ich acht für war, das Gott diesen geitigen, neidigen,
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unnutzen pfaffen den fromen herren nit gunen wellen, das er zu inen kom, und durch ir unchristenlichs, gotlos wesen auch befleckt und verderpt werd. Derhalben, als er spürete, das alle geferde mit im gebraucht wurden, thette er als ain weiser herr, und ob gleichwol er seinem stammen und namen
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zu uffnung und guetem, auch damit seine brüeder iren standt dester ansehenlicher und loblicher füeren megten, sich aller erbschaft und zimbrischen ligenden güetern verzigen, so schickt er sich doch in ain anders wesen, und wie obgehört, das der alt herr Gotfridt freiherr von Zimbern, sein
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vetter, seinem ledigen bastardsone Hainrichen das schloß Herrenzimbern mit seiner zugehörde ingeben, darzu dann seine baide gebrüeder, herr Johanns Wernher und herr Got[609]fridt Wernher, die losung hetten, vermegt er an den selbigen sovil, das sie im außer brüederlichem und
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freuntlichem willen vergunten und zuließen, das bemelt schloß an sich zu lesen, das inzuhaben und damit handlen, als mit anderm seinem aignen guet, iedoch das ohne ir vorwissen oder bewilligen nit zu versetzen und zu verkaufen, sonder das in bewlichen ehren und wesen erhalten, auch inen, den
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brüedern, öffnung in iren fürfallenden gescheften alda zu geben. Also überkame er mit Hainrichen Zimberern und lesete denselben von gedachtem schloß; geschach anno domini 15 . .; welches er anno 1519 hat anfahen zu bawen. Er hat das hoffrichterambt zu Rotweil bei zwainzig jaren
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versehen. Solch ambt ist anfengclich von kaiser Conradten, dem dritten des namens, eim gepornen herzogen von Schwaben, den grafen von Sulz ußer besondern gnaden erblichen verlihen worden. Dieweil aber bemelte grafen, die anfengclichs zu Neckerburg, auch zu und umb Rotweil gesessen,
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hernach andere herrschaften und güeter bekomen, also[3] das

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[598] sie mit iren haushaltungen sich weit von Rotweil hindan gethon, haben sie das hofrichterampt durch andere ir freundt und verwandten versehen müeßen lassen; dann die hofgerichtsordnung, so weilunt kaiser Conrat ufgesetzt und
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geordnet, clarlichen mit sich bringt und vermag, das solch kaiserlich hovegericht iederzeit mit aim hoferichter soll versehen werden, welcher ain graf, id est ain amptman des reichs seie, oder durch ainen, der im an der gepurt gleich seie. Darauß zu erweisen, das die grafen und freiherren
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vor vil jaren ainandern an der gepurt gleich und mehrtails grafengeschlechter nit uf ire grafschaften perpetuirt, sonder allain der römischen kaiser amptleut und verweser gewesen, wie dann ain solchs an denen landtgrafschaften im Clegow, Stüelingen, Hegow und in der Baar warzunemen, auch von
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vilen gelerten nachlengs außgefiert, hieher nit dienstlich. * [1375] Unlangs hernach, als er das hofgericht zu Rotweil ein jar oder drei versehen, begab sich, daz ein burger von Straßburg, genannt . . . Han, vilmals uf die hofgericht gen Rotweil kam, dann er in etlichen processen gepraucht
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und desshalben vil hin und wider raisen muest. Derselbig war neben seinen gescheften ain wunderbarlich man mit der schwarzen kunst und sonst mit sonder wunderbarlichen dingen. Als er nun mit herr Wilhelmen Wernhern, als seinem hofrichter, in gar guete kuntschaft kommen, der
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dann dozumal ein schöner und holtselliger junger, angender herr war, darzu noch unverheirat, do war er ine ermanen, sich in ain heirat, der im erlich wer, zu schicken, zaigt im darbei an, woverr er ime volgen, wolt er im mitel und weg fürgeben, das er grave Johanns Ludwigs von Nassow zu
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Sarbrucken derzeit döchter aine megte erwerben, dann es het diser graf Johann Ludwig ein pfalzgrefin von Veldenz gehapt, die im nur ain ainige dochter, so lebendig bliben, geporen, das war die, von dero iezo meldung beschehen, hieß fröle ...[4]; und nach der pfalzgrefin absterben het er
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im die erbdochter, ein junge grefin von Sarwerden, grafe Hannsen dochter, vermehelt, die im hernach etlich söne und döchtern geporen. Wie es nun domals umb das jung frewlin von Nassaw, graf Johann Ludwigs dochter, ein ge-

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[599] stalt gehapt, ob ir die stiefmuetter, die grevin von Sarwerden, gern abgewesen und derhalben mit aim heirat geeilet, auch ain wissens umb des obgenannten Hanen anbringen gehapt, dann er bei vilen grafen von Nassaw in gueter
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kuntschaft, das ist nit gründlichen bewist. Es war sein, des Hanen, anschlag, herr Wilhelm Wernher sollt nur selbander und verborgenlich zu graf Johann Ludwigen reiten, damit er das frölin besehen und kuntschaft machen künt, so welt er sovil mit seinen künsten ußrichten, das bemelt frölin ain
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willen und liebe zu im bekommen [1376] sollt. Damit aber solchs dester füegclicher beschehen, do mecht er sich ainer walfart zu sant Wendeln annemen und am fürreiten graf Johann Ludwigen ansprechen und in vertrawen zu erkennen geben, und damit mecht er leuchtlichen gelegenhait finden,
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mit dem frölin zu reden oder villeucht den grafen, iren herren vatter, selbs darum anzusprechen. Herr Wilhelm Wernher ließ ime die sach gefallen, verainiget sich mit ime einer zeit, do sie uf dem weg und namlich zu Sarwerden zusamen kommen und ainandern finden wellten. Kam ime
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auch nach; und uf dem weg zu Bugkenhaim stieß zu inen ain nassowischer edelman, genannt Dieterich von Waltenhaim, der villeicht umb dissen anschlag auch mecht ein wissens haben. Derselbig fürt herr Wilhelm Wernher mit sich in ein stettlin, genannt Ottweil, im Westerrich gelegen,
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darin dozumal der graf mit seim gemahl und anderm hofgesündt wonte, gleichwol er kurz darvor von herr Wilhelm Wernhern abschidt und ine selbander fort ließ reuten. Wie er nur geen Ottweil kompt, gibt er sich graf Johann Ludwigen vertrawlichen zu erkennen, der ine sampt seiner
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gemahl ganz freuntlichen empfiengen und, als sie die ursach von ime seiner rais, namlich von seiner walfart, vernamen, ine ganz freuntlich und wol hielten, auch alle ehr emputten. Das frölin war auch stettigs do, aber er hett kein gelegenhait, mit ir zu sprachen, und muest also ungeschafft wider
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herauß raisen, und hetten die carmina magica nichs gewürkt, wie der Han fürgeben und gekreet. Zaig ich allain des orts an, das es mit der losen, nichtigen kunst, so es anderst ain kunst ist zu achten, ein lautere eitelkait ist und darauf nichs zu halten. Das frölin ist hernach grave Emichen von
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Leiningen[5] verheirat worden, bei dem sie sön und döchtern

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[600] bekommen. Ir stiefmuetter, die grefin von Sarwerden, hat graf Johann Ludwigen die ganz grafschaft Sarwerden zugepracht. Sie het ain jungen vettern, iren agnaten, der war der letst seins geschlechts, hieß graf Johann Jacob, den
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überlebt und erbt sie in allem guet. Derselbig ward bei vierzehen jaren alt, do er starb; war ain sollicher dürftiger mentsch, das er ain stum war und nit bei sinnen; verhoffenlich, der allmechtig hab ine in seinem reich höcher begapt. * Ich kann des orts nit unterlassen zu vermelden ain
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lecherlichen schwank, so sich der zeit zu Waldt im closter begeben. Herr Wilhelm Wernher[6] kam im jar 1517 geen Mösskirch zu seinem brueder, herr Gotfridt Wernher. Als er nun etliche tag alda gewesen, fuer er mit seins brueders gemahl, der grefin von Hennenberg, von kurzweil wegen
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geen Waldt ins closter. Wie sie nun alda ankamen, gieng inen der patter oder beichtvatter, so allwegen von Salmenschweil dahin erfordert wurt, entgegen, sie zu empfahen und wilkommen[7] haisen zu sein. Er hett ain newe kutten angelegt, ein groß corallenpatternoster in der handt und
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war seins erachtens nur gar wol außgebutzet. Wie sie nun zusamen kamen, der prior oder patter bot herr Wilhalmen Wernhern die handt dar. Herr Wilhalm Wernher hat sein handt auch außgestreckt, im die zu bieten, aber von wegen das er seins brueders gemahl, die von Hennenberg, underm
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arm füerte, wolte er derselbigen die ehr lassen. Derhalben zuckt er die handt wider, die grefin bott die handt dar. Do war der münch ab der abenteur erschrocken und zuckt die handt auch wider. In dess wolt herr Wilhalm Wernher dem münch die handt überraichen; so zuckt im der münch
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die handt und bot[8] die der grefin. In somma, es war ain sollichs unversehens und geschwinds handtabwechslen, hin- und widerbieten, als ob das ain sonders fassnachtspill oder kurzweil het sein sollen, dardurch herr Wilhalm Wernher, dem dann der münch sonderlichen wol bekannt, zu aim
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sollichen langwirigen und hellen gelechter verursacht wardt, gleichergestalt die grefin sampt allen assistenten, das der münch hievon wie ain schalksnar verderbt wardt, sich schampt, darvon dausset; ließ die andern alle genug lachen und bott

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[601] niemands dem andern die handt. Es war diese abentür menigclichem lecherlich, und so lang die zimbrisch messenie zu Waldt, wolt sich der münch weiter nit sehen lassen und het sein thail. Ich hab auch dergleichen gesehen zu
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Mösskirch, als graf Wilhelm von Eberstain sein dochter, fraw Kunigunda, in anno 1544 seim dochterman, graf Froben Christof, haimfüeret, das domals under andern [610] gesten der alt Hanns von Ow zu Wachendorf, der dann die margreffin von Baden, weilunt graf Franz Wolfen von Zollern
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nachgelassnen witib, erworben, mit graf Josen Niclasen von Zollern ankame. Als aber menigclichen nach dem nachtessen zum danz gieng und die grevin, graf Wilhalms von Eberstain dochter, ufzogen und zu dem alten Hannsen von Ow gebracht, derselbig thett nun den danz mit ir. Wie
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aber der danz sein endtschaft erraicht, versahe sich die grefin nit, das er sie in arm nemen würde, derhalben zuckt sie die arm. Es vermaint aber Hanns von Ow, im gepürte sollichs von wegen seins alters und dann das im die marggrefin verheirat, derhalben er seine arm ußgestreckt het.
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Wie er aber sahe, das die grefin ire arm zuckt, do zohe er auch wider hünder sich. Die grefin gerow übel, das sie in nit in arm genomen, strackt derhalben ire arm wider auß; aber Hanns von Ow thett ain buck, ließ sie steen und gieng darvon. Also zergieng der danz und behielt
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iedertail seine arm. Im jar, als man zallt 1518, ist ain landtsterben gar nahe durch das ganz Deutschlandt inbrochen. Der zeit ist herr Wilhalm Wernher im schloß Zimbern bliben, uf das studieren und historias zu schreiben sich begeben, und wiewol im die
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krankhait domals ins haus komen, auch dero etliche seines gesündts gestorben, so hat doch der allmechtig den frommen herren, wie auch noch teglichs beschicht, behüet und gnedigclichen erhalten. Und demnach er sich also, wie gehört, in ain haushaltung geschickt, hat er sich nach bösserung
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der luft anno 1520 mit frölin Catharina von Lupfen, graf Hainrichs und fraw Anna von Rappolstain dochter, verheirat. Solch frölin war etliche jar in dem fürstlichen gestift zu Buchow am Federsee als ain corfrölin erzogen worden und hett sich, die zeit sie alda gewest, gegen der abtissin,
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war ain freiin von Gundelfingen, auch gegen den andern chorfrölin und menigclichen gehalten, das sie iederman lieb und wert. auch zu allen ehren ward befürdert. Die abtissin

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[602] verhieß herr Wilhalm Wernhern und ir, waverr inen der allmechtig kinder verlihe, wellte sie zwo seiner döchtern uf dem freien gestift annemen und die mit prebenden, wie die dann von ainer alten herzogin[9] von Schwaben vor vil
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hundert jaren gestift und loblichen herkommen, versehen. Aber Gott schickt die sach weit uf ain andern weg; dann als herr Wilhalm Wernher die hochzeit het in dem schloß Zimbern, ungefärlichen umb fassnacht anno 1521, ist sie gleich nach ostern hernach groß schwanger zu irem brueder
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uf weilunt ires herrn vatters selligen dreißigisten geen Engen geritten. Alda ist sie das fieber ankommen, haben sie die brüeder uf Hewen fieren wellen, den luft zu verendern. Wie sie aber an den luft kommen und ufgesessen, ist ir onmechtig worden und vom ross gefallen, in welchem fahl sie
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also verletzet, das sie gleich sich nidergelegt und in wenig zeit ir sachen ie erger worden, also das sie selbs, auch menigclichen wol abnemen megen, die zeit ires absterbens vorhanden. Derhalben sie eilends zu irem herren und gemahl geschickt, mit beger, waverr er sie in diesem zeit ain
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mal noch lebendig sehen, solle er unverzogenlich kommen. Als herr Wilhalm Wernher diese potschaft vernomen, ist er mit großem herzlaidt und traurigen gemüeth den nechsten nach Engen geritten. Ehe und zuvor aber er alda ankomen, ist die guet grefin, wiewol ganz christenlich und mit großem
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andacht mit allen sacramenten vorhin versehen worden, selligclichen verschiden; ist beschehen in obermeltem 1521 jar umb Corporis Christi. Von dannen herr Wilhelm Wernher die leich geen Mösskirch belaitet und in die alt zimbrisch begrebnus zu S. Martin die begraben lassen.
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Derselben Gott der allmechtig gnedig und barmherzig seie! Als sich herr Wilhalm Wernher aber, wie oblaut, mit der greffin von Lupfen verheirat, der dann zum gaistlichen standt war verordnet worden, do war ain prior im Predigercloster zu Rotweil, ein höfflicher, schimpfiger alter man,
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hieß Hanns [613][10] Gulden, der het herr Wilhalm Wernher hievor nur ain observänzerle genannt. Zu dem hett er vernomen, das herr Wilhalm Wernher das Predigercloster zu Rotweil gelopt, het iedoch gesagt, es were ain feins closter,

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[603] wann es nur reformiert were; do nam er das in schimpf zu ainer müeh uf, sprechendt, er überhupfte ine in der mess mit seinem gebett und sonderlich in der memmori, so er der lebendigen und der todten gedechte, so wenke er mit
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der ainen handt und sprech: »Hinweg! hinweg!« da im gleich fürfiele, das er für ine bitten sollt. Wiewol das absterben dieser grefin nun herr Wilhalm Wernhern höchlichen bekömmert, so war im doch darfor ain ander beschwerdt begegnet mit dem, das sein brueder, der elter, herr Johanns
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Wernher, ime zuwider das dorf Herrenzimbern sampt Villingen und Dalhausen der statt Rotweil zu kaufen geben, wie in hievorigen capiteln meldung beschehen, dann mit sollichem verkaufen herr Wilhalm Wernher höchlichen vernachtailt worden, seitmals im die dörfer allernechst gelegen
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und sein brueder vermeg der thailungsbrief im die zuvor anzubieten und vor menigclichen zu geben schuldig gewesen. Item es hat gedachter sein brueder, herr Johanns Wernher, nit allain die flecken und dörfer also, wie gehört, verkauft, sonder die caplonei oder pfrundt, die in das schloß
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Zimbern allain vor jaren gestift worden, die im auch domals nit zugehört oder zu verkaufen gepürt, sonder bei dem schloß bleiben sollen, mit hingeben. Dermaßen sein die von Rotweil hünder die flecken kommen, und ob sie die gleichwol dieser zeit in rüebiger besitzung, sein sie doch
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malae fidei possessores; haben die als ain verfangenschaft Iut der thailungsbrief, so noch vorhanden, so wenig fueg gehapt zu kaufen, so wenig herr Johanns Wernher macht oder gewalt, die zu verkaufen. Ich geschweig, das sie ine vernachtailt und überfüert, indem das im vil weniger, dann der halb wert, darumb gegeben worden, welches dann in allen rechten, wie das allen gelerten bewisst, zum höchsten verbotten. Etliche jar vor dem lupfischen heirat het herr Wilhalm Wernher ein caplon zu Zimbern im schloß, hieße herr Lorenz
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Gressle, war von Rotweil gepürtig und ain seltzamer gesell. Der prediget uf ain zeit im schloß Zimbern under anderm, als er dem volk ein ermanung[11] thon wolte zu der lieb Gottes, kunte er kain andere gleichnus finden, dann er sprach, Christus wer so süeß und so mült, wie ain geschwaizter zübel
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in ainer wassersuppen.

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[604] * [1531] Er hett ain pfarrer zu Zimbern, der wolt ains mals die barmherzigkait, milte und große gnad des allmechtigen Gottes den baurn nur gar verstendtlich und wol herfür streichen und sprach, er wer so süeß und so gütig
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und milt, als ain geschwaizter zübel[12]. Es war ain seltzamer pfaff und der an keinem ort bleiben konte, ein rechter landtfarer. Als er darvor under der Schramberger herschaft zu Sulgaw pfarrer war, kunt er auch nit do pleiben, wust nit, was er clagen oder zu einem fürwort nemen sollte, dann
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er revera kain mangel het. Darum bei nacht do stig er bei regenwetter ufs dach[13] und zerbrach das dach uf dem pfarhof, das es allenthalben ins haus regnete. Solchs nam er ime für ain ursach, stallt hinweg und gab die pfarr widerum uf. Das mußt man beschehen lassen und inne lassen
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hinhawen. Wie er ainsmals sollte in bemeltem schloß uf aim bannen feirtag mess halten, hett er kein fürsehung gethon, ob auch ostien vorhanden oder nit. Derhalben, als er in der mess biß zum offertorio fürgeschritten, sucht er den Hergott, den
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kont er auch nit finden, dann es war kein hostia im ganzen haus. Wie nun derhalben ein große confus entstande, sprücht der alt Hainrich Zopp, ambtman im flecken Herrenzimbern, der ohne geferdt auch bei der mess war: »Gont in mein haus hinauf, do werden ir ain Hergot oder etlich
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uf der thür in meiner stuben finden!« damit maint er hostias oder oblaten. Es gieng ain diener eilends hinauf in flecken und sucht. Da findt er etlich hostien, die waren mertails von meusen zernagen und gefressen. Was er nun fande, das name er mit im ins schloß. Hiezwischen mueßt
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der pfaff ob altar bleiben, auch menigclich warten. Also konte man blößig under denen hostien allen ain taugenliche hostiam finden. Dieselbig war gleichwol auch von den meusen zernagen; aber man holt ein alte, große schafscheren, damit beschnitt man die hostiam, [614] und war fürwar für
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ain solchen ruchlosen, unchristenlichen pfaffen ain gueter Hergott, der ohne zweifel für würdiger gewesen, ein rubschnitz, dann ain solliche hochwürdige und gaistliche seelenspeis, zu niesen. Aber es ward im von seinem herren, herr Wilhalmen Wernhern, ußer gnaden übersehen und
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nachgelassen.

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[605] Dieser herr Lorenz Gressle hat uf ain andere zeit zu Zimbern das evangelium prediget vom Samaritan, der uf der straßen geen Jericho gewandlet. In der außlegung des evangelii hat er den Samaritan genennt, sprechendt, es seie
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ain unerkannter nam, der nit wol außzulegen, aber seie umb die Juden und Samaritanen ein erbliche feindtschaft gewesen, und wisse kain bössere oder deutlichere gleichnus desshalben zu geben, als wie die Schweizer und landtsknecht zu vergleichen. Ein ander mal, als er prediget von dem,
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der den peinigern übergeben ward, legte er das wort carnifici also auß, das derselbig wer den mezgern, den henkern, den leckern und den bueben übergeben worden, zu peinigen und zu martern. Hernach umb das jar 1520 verlihe im wolgedachter herr Wilhalm Wernher, dann er der zeit
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Oberndorf inhett, ain caplanei zu S. Micheln in Oberndorf. Domals war noch ain caplon zu Oberndorf, hieß herr Petter Mayr. Da konten sich die zwen caplön nit lang mit ainandern vergleichen. Sie zertruegen sich; kam so weit, das sie ainandern schalten und ainandern bitter übel rauften
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und schluegen. Solcher excess kam dem dechant zu Rotweil für, hieß herr Blesi Schmit, von dem hieoben auch meldung beschehen. Der het ab solcher unfuer der pfaffen wenig gefallens, strafft die umb ir ungepür, wie sie dann wol beschult. Dieweil er aber anligen halben seins leibs
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dozumal persönlichen geen Oberndorf nit komen kont, do vermogt er herr Wilhalmen Wernhern, das derselbig dem dechant zu ehren und gefallen sich bewilligt, bede pfaffen wider in der güete zu vertragen. Das beschach. Es underzog herr Wilhalm Wernher sich der sach mit allen gnaden,
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und nachdem er allwegen ain schidlicher und geschickter herr gewesen, konte sich diese spennige handlung sein auch nit erweren. Er vertrueg die pfaffen mit irer baider wissen und gueten willen und dessen sie baid eingiengen, auch zusagten, dem ohne alles fellen oder abgang stracks
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nachzukommen. Noch desselbigen tags, als herr Wilhalm Wernher von S. Micheln außer der vesper gieng, so kompt pfaff Lorenz Gressle noch im chorhemmet zu im, sprechendt, er hab im ain vertrag mit herr Petter Maryn gemacht und abgeredt, der ganz vortelhaftig, partheisch und im ganz
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zuwider sei, der teufel sölle im darumb danken. Ab solchen ungepürlichen und frevenlichen reden ward herr Wilhalm Wernher so höchlich zu zorn bewegt, das er eilends nach

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[606] der wer griff, in mainung, den pfaffen zu schlagen. So het er aber, nachdem er von art und aigenschaft ein frommer, güetiger und fridlicher herr ist, ohne alle geferd kein wehr bei sich. Das ersicht maister Ulrich Grop, der glassmaler
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von Riedlingen; der besorgt nun, herr Wilhalm Wernher mecht sich am pfaffen vergehen, und stost, gleichwol gueter wolmainung, den herren an ain zaun so hart, das er solchs hernach in jar und tagen in der ainen axel und arm nit überwinden kinden und vilmals großen schmerzen daran
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erleiden müeßen. Der pfaff macht sich kurz in sein behausung darvon. In wenig zeit darnach jagt herr Wilhalm Wernher den lecker hinweg. Wie baldt er zu Oberndorf urlaub, kam er geen Seedorf; daselbst nam in herr Johanns Wernher zu aim caplon an, und war im gar ain ebner
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caplon. Ob nun das herr Wilhalm Wernhern von seim brueder, herr Johannsen Wernhern, zu ehr oder misfallen beschehen, ist nit wissendt. [615] Aber der pfaff blib auch nit lang zu Seedorf, do verschütt er den haf, dann er het ainer magt im schloß ain kindt, wie man sagt, bevolchen. Derhalben
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muest er kurz weichen. Allererst gefiel er dem dritten under denen gebrüedern, herr Gottfridt Wernhern, darumb, als er bei baiden seinen gebrüedern in höchsten ungnaden, do nam er in zu sich hinauf geen Mösskirch; da verlihe er im ain caplonei zu S. Martin. Daselbst blib er nit gar zwai
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jar (man hieß in gemainlich nur pfaff Bene), do kam er nit in weniger ungnad, dann hievor zu Seedorf und Oberndorf beschehen war. Er het ain maulthier im haus, dess er doch gar nit bedorft; war die gemain sag, er brauchte das zu unzimlichen sachen. Das er aber solcher unchristenlichen
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art gewesen, gibt nit ain claine anzeig und vermuetung, das er so verblent und freffel gewesen, das er seinen herren, herr Gotfridt Wernhern, der dozumal der schönest, ansehenlichist herr, den ich mein tag nie ersehen, angesprochen, im zu vergonnen, das er ine mögt in arm nemen und genug
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küssen, darfür weil er im ain hundert guldin schenken. Was gueten willen er darmit, neben dem das er herr Gottfriden Wernhern entlaufen muest, erlangt, ist guet zu gedenken. Zu dem er etliche trügliche, hochmüetige reden, als herr Adrion Dornfogel, pfaffherr zu Mösskirch, durch das haus
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war geloffen, hett außgestoßen, uf mainung, so im das oder dergleichen begegnet, was er darwider fürnemen wellte. Derhalben wardt im in kürze hernach durchs haus gleicher-

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[607] gestalt geloffen, der wein außgedrunken und zimlich unfletig hausgehalten. Die oberkait nam sich der sach nichs an und sahe durch die finger, und waverr der pfaff nit entloffen, were sein bei der dollen, unsinnigen burst übel
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gewartet worden. Er verließ sein caplonei zu Mösskirch und kam geen Rotweil, dannen er pürtig war. Daselbst understandt er sich herr Gottfridt Wernhern zu verclagen und die von Rotweil wider in zu verhetzen, vermaint ie, die statt würde sich sein von wegen des beschehnen gewalts zu
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Mösskirch wider Zimbern annemen. Aber die von Rotweil erkundigten sich in der sach, und als sie seine hendel und gelegenhait nach notturft erlernt, liesen sie mit im sich weiter nit ein, waren auch fro, das sie sein mit glimpf und mit ehren abkamen. Derhalben, wie er befandt, das seine
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practicen wider Zimbern zu Rotweil nit statt haben wolten, thette er sich daselbs hinweg, kam hinab geen Offenburg. Da erlangt er ain pfrundt und ist daselbs gestorben. Er het ain brueder zu Rotweil, genannt Petter Gressle, war ain kriegsman, aber ain ungotzförchtiger mentsch. Der kam uf
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ain zeit geen Rotweil und in offner zech gab er ain frag uf, was die ursach gewesen, das Christus am palmtag über die statt Jerusalem gewainet het. Als im aber hüerüber niemandts antworten wolt, sprach er, das solch wainen darumb beschehen, seitmals Christus desselbigen dags uf aim
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essel gesessen und aber kein sattel gehapt, hab er ain fel abgeritten, derhalben im dann so machtwee gewesen, das er schmerzen halb wainen müeßen.



  1. sich leuchtlich] hs. sich leuchtlich sich.
  2. ließen] wohl zu ergänzen.
  3. also] hs. als.
  4. ... ] nach Witzleben, Genealogie und Geschichte des gesammten Fürstenhauses Nassau, tafel 9, hatte graf Johann Ludwig von seiner ersten frau, Elisabetha, sechs töchter, die alle zu dieser zeit noch gelebt haben.
  5. Leiningen] nach Witzleben a.a.O. hat die am 11 Nov. 1517 geborene tochter der zweiten frau des grafen Johann Ludwig den grafen Emich von Leiningen geheirathet. WS: Die auf der nächsten Seite fortgesetzte Fußnote Baracks wurde auf dieser Seite vervollständigt.
  6. Wernher] hs. Wernhern.
  7. wilkommen] hs. wolkommen.
  8. bot] hs. bat.
  9. herzogin] d. i. Adelinde, s. oben I, 326, 5 und anmerk.
  10. 613] auf s. 611 und 612 stehen die wappen von Zimmern und Lupfen und die abbildung eines gefässes mit zierblumen.
  11. ermanung] hs. ermaung.
  12. zübel] wiederholung von 603, 36—40.
  13. dach] hs. dachs.