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Zum „Neuen Leben“

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Autor: Albert Ritter
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Titel: Zum „Neuen Leben“
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aus: Die unbekannten Meister – Dantes Werke, S. 249–268
Herausgeber: Albert Ritter
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Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1922
Verlag: Gustav Grosser
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Erscheinungsort: Berlin
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[249]

Anhang
Zum „Neuen Leben“


Die astronomischen Berechnungen im Anfange entsprechen der damals herrschenden ptolemäischen Weltanschauung. Danach bewegen sich (um den Mittelpunkt des Weltalls, die Erde, kreisend) die Planeten von Ost nach West, der Fixsternhimmel von West nach Ost, um je einen Grad in hundert Jahren. Also war Beatrice bei dieser ersten Begegnung acht Jahre vier Monate alt. Der „Himmel des Lichts“ ist der der Sonne.

Auch die Dreiteilung des Lebensgeistes entstammt dem Altertum und ist in der vorliegenden Form nach Carducci der Schrift „De anima“ des Mystikers Hugo von St. Viktor entnommen.

Wie im Vorwort gesagt ist, enthält Dantes „N. L.“ auch seine Erklärungen zum Aufbau der Dichtungen. Sie werden im folgenden mit dem Hinweis (N. L.) in Anführungszeichen gebracht. Dantes Kommentar zu dem ersten Sonett: „Hochherzige Alle usw.“ lautet: „Dieses Sonett zerfällt in zwei Teile. In dem ersten grüße ich und begehre Antwort. In dem zweiten zeige ich an, worauf zu antworten sei. Der zweite beginnt bei den Worten: ‚Des Bogens Drittel usw.‘“ (N. L.)

Das Bild des Herzens, das von der Geliebten gegessen wird, entstammt altfranzösischen, provençalischen Dichtungen auf Grund alter Legenden.

Die drei Antworten auf dies Sonett, die uns übermittelt wurden, stammen von Guido Cavalcanti, Cino da Pistoja und Dante da Majano. Die Antwort Cavalcantis lautet:

 Das Hehrste, dünkt mich, durftest du erschauen,
Und Lieblicheres, Beßres gibt es nicht,
Wenn dir erschien Frau Minne im Gesicht,
Die Herrscherin in aller Ehren Gauen.

Sie lebt leidfern in holder Wonne Auen
Und hält in liebe-frommer Brust Gericht,
Naht dem, den Schlummer süß umflicht,
Und raubt sein Herz – er spürt nicht Schmerz noch Grauen.

So raubte sie dein Herz, da sie erkannt,
Daß deinen Tod die Herrin anbefohlen,
Und gab ihr dieses Herz, das Furcht umwand.

[250]
Als du bemerktest, daß sie trauernd schwand,

Da floh der Schlummer auf beschwingten Sohlen,
Weil itzt sein Widerpart ihn überwand.

Cavalcanti gehörte ebenfalls zu den angesehensten Perönlichkeiten von Florenz und war als Dichter s. Z. vielleicht berühmter als Dante. Sein Vater wird in der Komödie (6. Kreis der Hölle) als zynischer Zweifler erwähnt. Das Sonett von Cino da Pistoja lautet (nach Förster):

 Es muß, wer liebt, den Wunsch im Herzen hegen,
Daß er davon die Fraue unterrichte,
Und in dem gegenwärt’gen Traumgesichte
Wollt’ Minne solches dir vor Augen legen.

Der Fraue bracht’ er drum als Speis’ entgegen
Dein flammend Herz, daß sie sie dir verpflichte,
Die lang mit schmerzlos-ruh’gem Angesichte,
Von Schleiern eingehüllt, im Schlaf gelegen.

Froh schien sie, als sie kam, und voll Behagen
Und ließ der Herzen zwei in eins sich schließen,
Zu geben dir, was du begehrtest innen;

Und weil erkannt sie das verliebte Zagen
In ihrem Herzen, sahst du sie vergießen
Die Tränen, als sie weinend ging von hinnen.

Die Antwort von Dante da Majano ist wegen ihrer zynischen Brutalität oft gescholten worden. Nach Zoozmann soll darin eine Kritik „der ungesunden, weinerlichen Stimmung dieser Anfängerarbeit“ zum Ausdruck kommen. Dies Sonett lautet (Förster):

 Auf deine Frage, die du zu erwägen
Mir gabst, antwort’ ich kurz, mein Freund, und schlichte,
Und gebe dir die Wahrheit vom Gedichte,
Dir, dem Unwissenden, zu überlegen.

Ich spreche so – mög’ es dir sein zum Segen –:
Bist du gesund und scheust dich nicht vorm Lichte,
So wasche reichlich Hals dir und Gesichte,
Bis alle Dünste sich zerstreun und legen,

Die dich und uns mit Ammenmärchen plagen.
Und wärst du schlimm erkrankt, so müßt’ ich schließen,
Es habe Wahnsinn dir betört die Sinnen.

Dies wollt’ ich dir als meine Antwort sagen,
Und bis dein Wasser ich dem Arzt gewiesen,
Steht diese meine Meinung fest mir innen.

Übrigens tragen die anderen uns von diesem Namensvetter Dantes erhaltenen Dichtungen einen ähnlichen, etwas burlesken Charakter, [251] während sich die von Cino da Pistoja durch eine gewisse Anmut und Eleganz der Sprache (Förster) auszeichnen.

Karl Federn macht besonders darauf aufmerksam, daß alle hier geschilderten Visionen als dichterische zu betrachten sind mit Ausnahme der einen späterhin geschilderten, die Dante selbst als ein krankhaftes Phantasiegebilde bezeichnet.

Die Seite 16 erwähnte Serventese auf die sechzig schönsten Frauen von Florenz ist verlorengegangen. Die Bezeichnung entstammt der provençalischen Poesie und bedeutet etwas „Dienstgedicht“. Die Zahl Sechzig wird vielfach als Anspielung auf das Hohelied VI, 7 u. 8 bezogen. Vielleicht deshalb, weil er diese Stelle im „Gastmahl“ (II, 15 gegen Schluß) erwähnt und dazu erklärend sagt: „Alle Wissenschaften nennt er (Salomo) Königinnen und Nebenweiber und Mägde, und diese (die göttliche Wissenschaft) nennt er Taube, weil sie ohne Makel des Streits ist; und diese nennt er vollkommen, weil sie auf vollkommene Weise das Wahre sehen läßt, in welchem unsere Seele sich beschwichtigt.“ Es würde dies der Gleichsetzung Beatricens mit der göttlichen Wissenschaft entsprechen, die sich in der „Komödie“ findet.

Zu dem Sonett „O die ihr wandelt“: „Dieses Sonett hat zwei Hauptteile. In dem ersten will ich Minnes Getreue anrufen mit den Worten des Propheten Jeremias: O vos omnes, qui transitis per viam, attendite et videte, si est dolor sicut meus! (O ihr alle, die ihr des Weges vorübgergehet, schauet und sehet, ob ein Schmerz ist wie mein Schmerz!) und sie bitten, daß sie sich nicht weigern, mich anzuhören. In dem zweiten erzähle ich, wohin mich die Liebe gebracht hat, aber in einem anderen Sinne, als den die letzten Teile des Sonetts aussprechen, und sage zugleich, was ich verloren habe. Der zweite Teil beginnt: ‚Es gab – nicht meiner usw.‘ “ (N. L.)

Zu dem dritten Sonett „Weint Liebende“: „Dieses Sonett hat drei Teile. In dem ersten rufe ich Minnes Getreue und flehe sie an, zu weinen, und sage, daß ihre Herrin weine. Und ich füge hinzu: ‚Höret, warum ihr Antlitz Tränen reich betau’n‘, um sie so geneigter zu machen, mich anzuhören. In dem zweiten erzähle ich diese Veranlassung. In dem dritten spreche ich von einer Ehre, die Minne dieser Fraue angetan. Der zweite Teil beginnt mit den Worten: ‚Minne vernimmt‘ usw., der dritte mit: ‚Vernehmt, was Minne‘ usw.“ (N. L.)

Zu dem vierten Sonett: „Dieses Sonett zerfällt in vier Teile. In dem ersten rufe ich den Tod bei einigen seiner Namen. In dem zweiten, wo ich von ihm spreche, gedenke ich des Grundes, der mich veranlaßt, ihn zu schmähen. In dem dritten schelte ich ihn. In dem vierten wende ich mich an eine unbestimmte Person, obwohl ich eine bestimmte dabei im Sinne habe. Der zweite Teil fängt an: ‚Du hast dem wehen Herzen‘, [252] der dritte: ‚Und daß du nie magst‘, der vierte: ‚Wer fern der Seligkeit‘ usw.“ (N. L.)

Dieses Sonett wird vielfach auch als Ballade bezeichnet, doch handelt es sich um eine jener erweiterten Sonettformen, die wohl die ursprünglichen gewesen sind und erst aus Mangel an Reimen von der im Verhältnis zum Provençalischen in dieser Beziehung ärmeren italienischen Sprache immer mehr vernachlässigt wurden, bis schließlich sich die Folge zweier Vier- und Dreizeiler als die einzige erhielt.

Die im folgenden erwähnte Reise soll (nach Balbo) Dantes Studienreise nach Bologna andeuten. Dante verschweigt sein Ziel ebenso wie den Namen seiner Vaterstadt in diesem Werk. Nach der Ansicht einiger Ausleger handelt es sich um ein kriegerisches Unternehmen, worauf die zahlreiche Begleitung hindeute.

Zum fünften Sonett „Des Weges ritt ich“ usw.: „Dieses Sonett hat drei Teile. In dem ersten Teile sage ich, wie ich Minne gefunden und wie sie mir erschienen. In dem zweiten erzähle ich, was sie mir sagte, obschon nicht vollständig, aus Furcht, mein Geheimnis zu verraten. Im dritten sage ich, wie sie mir aus den Augen entschwunden. Das zweite beginnt: ‚Als sie mich sah‘; der dritte: ‚Darob erfüllte‘.“ (N. L.)

„Laß sie mit lieblichen Harmonien schmücken“ (S. 23): Die italienische Ballade war auf Gesang- und Musikbegleitung berechnet, und Dante unterscheidet sie von der Kanzone als einer höheren Form, indem letztere der Musik entbehren könne. Er sagt in seinen Abhandlungen „Über die Volkssprache“ (II, 3), „daß die in der Volkssprache Dichtenden ihre Gedichte auf viele Weise darstellen, einige in Kanzonen, einige in Balladen, einige in Sonetten, einige in anderen gesetzlosen und regellosen Weisen . . . Von diesen Weisen halten wir die der Kanzone für die trefflichste; daher, wenn das Trefflichste des Trefflichen würdig ist . . . so ist das, was der trefflichsten Volkssprache, auch der trefflichsten Weise würdig und deshalb in Kanzonen zu behandeln, daß aber die Weise der Kanzonen eine solche sei, wie gesagt ist, kann mit mehreren Gründen erwogen werden.

Der erste ist nun, daß, da alle Verse, die gemacht werden, Gesang sind, die Kanzonen allein diese Benennung sich erworben haben, was nie ohne uralte Voraussicht geschah. Ferner, was an sich dasjenige bewirkt, wozu es gemacht ist, scheint edler zu sein, als was des Äußerlichen bedarf; aber die Kanzonen bewirken durch sich alles, was die Balladen nicht tun (denn sie bedürfen der Tonkundigen, für die sie gemacht sind): hieraus folgt, daß die Kanzonen für edler als die Balladen gehalten sind und folglich die Weise der andern an Adel übertreffen, wie denn niemand zweifeln möchte, daß die Balladen an Adel der Weise über den Sonetten stehen. Überdies scheinen die Dinge edler zu sein, [253] welche ihrem Verfertiger mehr Ehre machen; aber die Kanzonen machen ihren Verfertigern mehr Ehre als die Balladen, folglich sind sie edler, und folglich ist ihre Weise die edelste von allen anderen. Überdies werden die Dinge, welche die edelsten sind, am liebsten aufbewahrt; aber unter dem, was gesungen ist, werden die Kanzonen am liebsten aufbewahrt, wie denen bekannt ist, die sich mit Büchern beschäftigen; also sind die Kanzonen die edelsten und folglich ist ihre Weise die edelste . . . . Daß aber die ganze Kunst des poetischen Gesanges in den Kanzonen zusammengefaßt wird, ergibt sich daraus, daß alles, was sich an Kunst findet, in ihnen ist, aber nicht umgekehrt.“

Zur ersten Ballade „Erst finde, Lied“: „Diese Ballade zerfällt in drei Teile. In dem ersten sage ich ihr, wohin sie gehen solle, und ermutige sie, damit sie sicherer gehe; auch sage ich ihr, wen sie zur Begleitung zu nehmen habe, wenn sie sicher und ohne irgendeine Gefahr zu gehen wünsche. In dem zweiten sage ich, was ihr zu tun obliege; im dritten beurlaube ich sie, zu gehen, wann sie wolle, und empfehle ihre Wanderung in die Hände ihres guten Glückes. Der zweite Teil hebt an: ‚Mit süßem Laute‘; der dritte: ‚O, du mein edles Lied‘. Es könnte hier jemand mir einwenden und sagen, daß er nicht wisse, an wen meine Rede in zweiter Person gerichtet sei, da ja eben die Ballade nichts sei als meine eigenen Worte. Und deshalb sage ich, daß ich solchen Zweifel in diesem Büchlein noch zu lösen und zu erklären gedenke an einer dunkleren Stelle. Und sodann sehe, wer noch zweifelt, zu, was es hier in solcher Weise noch einzuwenden finde.“ (N. L.) (Vgl. S. 259 ff.)

Von den im folgenden angeführten vier Axiomen aus der Theorie der Liebesdichtung kennzeichnet besonders das lateinische Zitat die bedenkliche Überschätzung des Wortes als solchem in der Scholastik.

Zum sechsten Sonett „Von Minne sprechen“: „Dieses Sonett kann in vier Abschnitte geteilt werden. In dem ersten sage ich und behaupte, daß alle meine Gedanken nur die Minne zum Gegenstande haben. In dem zweiten sage ich, daß diese Gedanken verschiedener Art sind, und erzähle, worin ihre Verschiedenheit bestehe. In dem dritten sage ich, worin sie sich alle zu vereinigen scheinen; in dem vierten, daß ich, wenn ich von der Liebe sprechen will, nicht weiß, von welcher Seite ich den Stoff nehmen soll, und daß ich, wenn ich ihn von allen nehmen wolle, meine Feindin, die Herrin Mitleid, anrufen müßte. Ich sage aber Herrin in einer gewissermaßen zornigen Redeweise. Der zweite Teil beginnt: ‚Und doch ist so verschieden‘; der dritte: ‚So daß sie nur im Mitleid fleh’n‘; der vierte: ‚Drum weiß ich nicht‘.“ (N. L.)

Die im folgenden geschilderte Begegnung mit Beatrice wird gewöhnlich dahin ausgelegt, daß diese verheiratet gewesen sein müsse, weil unverheiratete Frauen bei solcher Gelegenheit nicht anwesend wären.

[254] Andererseits weist besonders Federn darauf hin, daß Beatrice im Gegenteil sehr wohl als „Brautjungfer“ dabei gewesen sein kann. Damit würden sämtliche Anhaltspunkte für ihre angebliche Ehe fallen, zumal ja ernstliche Zweifel bestehen, ob sie wirklich Beatrice geheißen hat und die mit diesem Namen verknüpften Identifizierungsversuche überhaupt das Richtige treffen.

Zum siebenten Sonett „Wenn ihr mein Aussehn“: „Dieses Sonett teile ich nicht ein; denn eine Einteilung geschieht nur in der Absicht, den Sinn des eingestellten Ganzen ins Licht zu stellen. Nun ist aber der Gedankengang des vorliegenden Sonetts hinreichend klar; folglich bedarf es der Einteilung nicht. Wahr ist es, daß sich unter den Worten, in denen ich mich über die Veranlassung zu dem Sonett erkläre, einige befinden, die Zweifel erregen könnten, – ich meine, wo ich sage, daß Minne alle meine Geister tötet bis auf die des Gesichts, die allein am Leben blieben, obwohl außerhalb ihrer Werkzeuge. Allein dieser Zweifel kann keinem gelöst werden, der nicht in gleichem Maße ein Getreuer Minnes ist; wer es aber ist, dem ist auch, was zur Aufklärung des Zweifelhaften dienen könnte, schon offenbar. Darum würde ich nicht wohl tun, wollte ich solchen Zweifel aufklären, indem meine Rede entweder vergeblich oder überflüssig sein würde.“ (N. L.)

Zum achten Sonett „Was in den Sinn mir komm‘“: „Dieses Sonett hat zwei Teile. In dem ersten gebe ich den Grund an, warum ich nicht zögere, der Fraue mich zu nahen; in dem zweiten sage ich, was mir begegnet, dadurch, daß ich ihr nahe, und derselbe beginnt mit den Worten: ‚Und Minne hör’ ich‘. Dieser zweite Hauptteil zerfällt abermals, nach seinem fünffachen Inhalte, in fünf untergeordnete Abteilungen. In der ersten berichte ich, was Minne, von der Vernunft beraten, mir sagt, wenn ich der Fraue nahe bin; in der zweiten gedenke ich des Zustandes meines Herzens, wie solcher in meinem Angesichte sich abbildet; in der dritten sage ich, wie mir alle Sicherheit verschwunden, in der vierten, wie derjenige sündige, der mit meinem Zustande kein Mitleid habe, da solches mir zu einigem Troste gereichen würde. Und in der letzten, warum andere Mitleid haben sollten, nämlich um des mitleidswerten Anblicks willen, der zu den Augen gelangt. Dieser mitleidswerte Anblick ist vernichtet, d. h. er ist andern unscheinbar geworden durch den Spott jener Fraue, die auch andere, welche vielleicht solchen Jammer sähen, zu einem den ihrigen gleichen Verfahren verleitet. Die zweite Abteilung beginnt: ‚Das Angesicht weist‘; die dritte: ‚Und wankt‘; die vierte: ‚Wer mich zu solcher‘; und die letzte: ‚Erbarmen, daß nur‘.“ (N. L.)

Zum neunten Sonett „Wie oft schon“: „Dieses Sonett zerfällt nach den vier Dingen, die darin erzählt werden, in vier Teile. Und da jene oben bereits genannt sind, begnüge ich mich, die Teile bloß nach ihren [255] Anfangsworten anzugeben. Ich sage daher nur, daß der zweite Teil anhebt mit den Worten: ‚Denn Minne hat so schnell‘; der dritte: ‚Dann zwing’ ich mich‘; der vierte aber mit: ‚Doch komm’ ich eilends‘.“ (N. L.)

Im folgenden tritt immer deutlicher die Umwandlung zu dem „süßen neuen Stil“ der Liebesdichtung in Erscheinung, der die Frau immer mehr ihrer Körperlichkeit entkleidet und sie ins Symbolische erhebt.

Zu der ersten Kanzone „Ihr Frauen, die ihr Kenntnis habt“: „Diese Kanzone will ich, auf daß sie besser verstanden werde, künstlicher als die andern frühern Stücke einteilen. Und so mache ich denn zuvörderst drei Teile. Der erste enthält die Einleitung zu den folgenden Worten; der zweite umfaßt die ganze eigentliche Ausführung; der dritte bildet gewissermaßen den begleitenden Diener zu den vorhergehenden Worten. Der zweite hebt an: ‚Ein Engel ruft‘; der dritte: ‚Mein Lied ich weiß‘.

Der erste Teil zerfällt in vier Unterabteilungen. In der ersten derselben sage ich, zu wem ich von meiner Fraue und was ich von ihr sprechen will; in der zweiten sage ich, was mir über mich selbst bedünkt, wann ich ihres Wertes gedenke und wie ich von ihr sprechen würde, wenn ich den Mut dazu nicht verlöre; in der dritten gebe ich an, wie ich von ihr zu sprechen gemeint bin, damit mich nicht Feigheit überkomme und hindere; in der vierten wiederhole ich, zu wem ich zu sprechen beabsichtige, und sage den Grund, warum ich zu ihnen spreche. Die zweite fängt an: ‚Ja, wenn ich‘; die dritte: ‚Doch will ich auf‘; die vierte: ‚Euch minniglichen Mägdelein‘ usw.

Darauf beginne ich mit den Worten ‚Ein Engel ruft‘ von jener Fraue zu handeln, und dieser Teil zerfällt in zwei Abteilungen. In der ersten sage ich, wie man im Himmel von ihr denkt, in der zweiten, was auf Erden von ihr wahrgenommen wird. Diese zweite Abteilung, die mit den Worten beginnt ‚Im Himmel hoch‘ usw. zerfällt abermals in zwei Abschnitte, in deren erstem ich von ihr spreche in betreff des Adels ihrer Seele, indem ich einige jener Tugenden aufzähle, die aus ihrer Seele hervorgegangen. In dem zweiten dagegen rede ich von ihr in Beziehung auf den Adel ihres Körpers, indem ich ihrer schönen Schönheiten einige nenne, da, wo es heißt: ‚Von ihr sagt Minne‘. Dieser zweite Abschnitt teilt sich wieder in zwei, von deren erstem ich von einigen Schönheiten spreche, die in betreff bestimmter Teile ihres Körpers an ihr sich finden, dort in den Worten: ‚Aus ihren Augen‘. Der aber wird von neuem eingeteilt; denn zuerst rede ich von den Augen, die der Anfangspunkt der Liebe sind, und dann von dem Munde als dem Zielpunkte der Minne, sofern durch ihn jeder sündhafte Gedanke verscheucht wird. Wer dies liest, erinnere sich, daß oben geschrieben steht, wie der Gruß dieser Fraue, der die Wirkung ihres Mundes war, das Ziel meiner Sehnsucht gewesen, so lange es mir gewährt war, ihn zu erhalten.

[256] Wenn ich dann sage: ,Mein Lied, ich weiß‘, so füge ich, gleichsam als eine Magd der übrigen, eine Stanze hinzu, in welcher ich ausspreche, was ich von meiner Kanzone begehre. Und weil dieser letzte Teil kurz und leicht zu verstehen ist, so will ich mich nicht mit weiteren Einteilungen abmühen. Wohl aber bemerke ich noch, daß, um den Sinn des Ganzen deutlicher ins Licht zu stellen, noch mehr ins einzelne gehende Einteilungen nötig gewesen sein würden. Wer indessen nicht mit so viel Scharfsinn begabt ist, um mit Hilfe des bereits Gegebenen die Kanzonen zu verstehen, von dem soll es mir nicht mißfallen, wenn er mir dieselbe ganz ruhen läßt; denn fürwahr ich befürchte, durch die voranstehenden Einteilungen, die für den Fall gemacht sind, daß viele meine Kanzone hören könnten, schon Allzuvielen das Verständnis derselben eröffnet zu haben.“ (N. L.)

Die in obiger Auslegung behauptete Erwähnung des Mundes fehlt im Text des Liedes. Diese Kanzone scheint seinen Dichterruhm begründet zu haben. Er erwähnt sie, sich gleichsam selbst beglückwünschend, im 24. Gesang des Purgatoriums.

Zum zehnten Sonett „Minne und adlig Herz“: „Dieses Sonett zerfällt in zwei Teile. In dem ersten spreche ich von ihr (der Minne) nach ihrem Vermögen, in dem zweiten, sofern sie vom Vermögen zur Tätigkeit übergeht. Der zweite beginnt: ,Die Schönheit drauf‘. Der erste Teil zerfällt wiederum in zwei. Zuerst sage ich, in welchem Subjekt jenes Vermögen vorhanden sei, zum zweiten weise ich nach, wie beide, das Subjekt und sein Vermögen, zu gleicher Zeit ins Dasein treten, und zeige, daß sich das eine zu dem andern so verhält wie die Form zur Materie. Diese zweite Unterabteilung hebt mit den Worten an: ,Natur macht Minne‘. Wenn ich dann weiter sage: ,Die Schönheit drauf ... verlockt‘ usw., so deute ich an, wie jenes Vermögen zur Tätigkeit übergeht u. zw. zuvörderst, wie solches im Manne, und sodann, wie solches im Weibe geschieht, – letzteres mit den Worten: ,Und gleiches tut‘ usw.“ (N. L.)

Zu dem Sonett „Ja, Minne wohnt“: „Dieses Sonett hat drei Teile. In dem ersten sage ich, wie die Herrin dieses Vermögen zur Tat werden läßt durch die herrliche Wirkung ihrer Augen, sowie ich dann im dritten dasselbe in der herrlichen Wirkung ihres Mundes nachweise. Zwischen diese beiden Teile aber ist ein kleinerer eingeschoben, der gleichsam als hilfeflehender in Beziehung auf den vorausgehenden wie auf den nachfolgenden mit den Worten anhebt: ,Helft mir sie preisen’. Der dritte beginnt: ,Demut und jede süße Lust’. Der erste Teil zerfällt wieder in drei Abteilungen. In der ersten sage ich, wie sie durch die ihr innewohnende Kraft alles, was von ihr gesehen wird, veredelt, was soviel ist als: die Liebe komme da, wo sie noch nicht ist, als Vermögen zum Dasein. In der zweiten sage ich, wie sie in den Herzen aller derer, die [257] sie ansieht, die Liebe zur Tat werden läßt. In der dritten endlich gebe ich an, was sie alsdann in den Herzen solcher bewirkt. Die zweite beginnt: ,Sich jeder, wo sie hingeht’; der dritte: ,Und grüßt sie’. – Wenn ich hierauf sage: ,Helft mir sie preisen, Frau’n’, so gebe ich zu verstehen, zu wem ich zu sprechen beabsichtige, indem ich die Frauen anrufe, daß sie mir helfen, sie zu ehren. – Endlich, wenn ich sage: ,Demut und jede süße Lust’, so wiederhole ich, was in dem ersten Teile gesagt ist, aber in bezug auf zwei Tätigkeiten ihres Mundes, von denen die eine ihr süßestes Reden und die andere ihr bewundernswürdiges Lächeln ist, nur daß ich von diesem letzteren nichts sage, wie es in den Herzen anderer wirke, weil das Gedächtnis weder dieses Lächeln selbst noch seine Wirkungen behalten kann.“ (N. L.)

Das „Schlummern“ der Minne deckt sich nicht mit unserem heutigen Begriff, sondern mit der aristotelischen Auffassung, die, von den Minnesängern aufgegriffen, das „potentielle“ Vorhandensein dieses Gefühles annimmt. Der Grundgedanke der beiden letzten Sonetten und des Textes stellt eine scholastische Betrachtung über das Wesen der Minne dar und repräsentiert damit den „süßen neuen Stil“.

In den folgenden Schilderungen sehen diejenigen, die bei ihren Forschungen von dem Namen Beatrice ausgehen, wesentliche Hinweise für ihre Annahme, sie sei die Tochter des angesehenen, 1289 verstorbenen Messer Folco di Portinari, die sich mit Simone de’ Bardi vermählt hat.

Zu dem folgenden Sonett „Die ihr so demutvoll“: „Dieses Sonett zerfällt in zwei Teile. In dem ersten rufe ich die Frauen an und frage sie, ob sie von ihr kommen, indem ich hinzufüge, daß ich dies glaube, weil sie gleichsam geadelt zurückkehren. In dem zweiten bitte ich sie, mir von ihr zu erzählen. Der zweite Teil beginnt: ,Herrscht, wo sie herkommt‘.“ (N.L.)

Zu dem folgenden Sonett, der ,Antwort’, „Bist du’s, der oft“: „Dieses Sonett hat vier Teile, sintemalen die Frauen, für die ich antworte, in viererlei Weise redeten. Und da diese Teile im obigen deutlich genug vorliegen, so kann ich mich der Mühe überheben, den Inhalt derselben zu nennen, und begnüge mich, sie bloß anzudeuten. Der zweite beginnt ,Ach, warum weinst du’; der dritte: ,Laß weinen uns’; der vierte: ,Ihr Blick schien’.“ (N. L.)

Die im Zusammenhang mit der folgenden Vision erwähnte Frau an Dantes Bett soll seine Stiefschwester gewesen sein. Federn verweist auf die realistische Schilderung des ganzen Vorganges als Widerlegung der Unterstellung, das „Neue Leben“ bilde nur eine symbolische Fiktion.

Zu der folgenden Kanzone: „Diese Kanzone hat zwei Teile. In dem ersten sage ich, an eine bestimmte Person mich wendend, wie ich von einigen Frauen bei einer trügerischen Erscheinung aufgerichtet worden [258] und wie ich ihnen solche zu erzählen versprochen; in dem zweiten dann sage ich, wie ich selbige ihnen erzählt habe. Der zweite hebt mit den Worten an: ,Derweil ich dachte’. Der erste Teil zerfällt in zwei Abteilungen. In der ersten sage ich, was einige Frauen, und insbesondere eine, redeten und taten während meines Traumgesichts, bevor ich zur wahren Erkenntnis zurückgekehrt war. In der zweiten sage ich, was diese Frauen zu mir sprachen, als ich aus meinen Phantasien erwacht war, und dieser Teil fängt mit den Worten an: ‚Die Stimme war vom Weinen so zerrüttet’. Mit den Worten ,Derweil ich dachte’ usw. sage ich alsdann, wie ich ihnen meine Einbildungen erzählte. Und hier mache ich zwei Teile. In dem ersten bespreche ich der Reihenfolge nach die Einbildungen, die ich gehabt; in dem zweiten sage ich, wie jene Frauen mich berufen und danke ihnen schließlich, beides mit den Worten: ,Da eben rieft ihr mich’.“ (N. L.)

Zu dem folgenden Sonett vgl. das erste Sonett unter den lyrischen Gedichten: „Du, Guido, Lappo auch und ich“. Über den Aufbau sagt Dante: „Dieses Sonett hat vier Teile; der erste erzählt, wie ich das gewohnte Zittern in meinem Herzen erwachen gefühlt, und wie es mir vorgekommen, als ob mir Minne freudig von fernher in meinem Herzen erschiene. In dem zweiten sage ich, wie mir geschienen, als spräche Minne zu mir in meinem Herzen, und wie sie selbst mir vorgekommen. Der dritte sagt, wie ich, nachdem dieselbe eine Zeitlang in mir gewesen, in solchem Zustande gewisse Dinge gesehen und vernommen. Der zweite beginnt: ,Die Ehre mein’; der dritte: ,Indem ich so’. Der dritte Teil zerfällt wieder in zwei, indem ich zuerst sage, was ich gesehen, und sodann, was ich gehört habe – letzteres von den Worten an: ,Und ich entsinne’.“ (N. L.)

Seine auch in diesem Sonett und seiner Einleitung angedeutete Auffassung über das, was Minne sei, hat er im „Gastmahl“ (III, 2) folgendermaßen ausgeführt: „Wenn wir die Minne in ihrem wahren Sinne nehmen und mit Scharfsinn betrachten, so ist sie nichts anderes als die spirituelle Vereinigung der Seele und des geliebten Gegenstandes, welcher Vereinigung die Seele nach ihrem eigentümlichen Wesen rascher oder langsamer zustrebt, je nachdem sie mehr oder weniger frei ist. Der Grund davon ist dieser: jede substanzielle Form geht aus ihrer ersten Ursache hervor, das ist, aus Gott; ihre Verschiedenheiten aber erhält sie nicht von dieser, die höchst einfach ist, sondern von sekundären Ursachen und von der Materie, in die sie hinabsteigt. Da nun aber jede Wirkung etwas von dem Wesen ihrer Ursache in sich aufnimmt, so hat jede Form in dieser Hinsicht etwas von dem göttlichen Wesen. Nicht als ob die göttliche Natur in sich geteilt und auf solche Art ihnen mitgeteilt wäre; sondern diese haben teil an jener, wie die Sterne an der Natur der Sonne. Und je edler die Form ist, [259] desto mehr hat sie von jener Natur. Darum empfängt die menschliche Natur, die von allen Dingen unter dem Himmel die edelste Form ist, mehr von der göttlichen Natur als eine andere. Und weil in Gott das Naturgemäßeste ist, das er sein will, so ist das Sein das erste, und vor ihm ist nichts. Auch die menschliche Seele verlangt ihrer Natur nach vor allem, zu sein. Und da nun ihr Sein von Gott abhängt und durch ihn besteht, so vereinigt sich die menschliche Seele mit jenen auf spirituellem Wege um so schneller und fester, je vollkommener dieselben ihr erscheinen. Solches Erscheinen aber hängt von der mehr oder minder klaren Einsicht der Seele ab. Und diese Vereinigung ist das, was wir Minne nennen.“

Im Text des „Neuen Lebens“ folgt nunmehr ein Abschnitt, der zu dem bisher berichteten Vorgange nicht gehört und eher zu den Ausführungen in der „Volksprache“ passen würde. Ich habe ihn, wohl dem heutigen Empfinden entsprechend, gleich den „Divisionen“ mit in den Anhang genommen. (Vgl. auch S. 255.) Er lautet:

Es könnte hier jemand, der es verdient, daß ihm jeder Zweifel gelöst werde, zweifeln und Anstoß daran nehmen, daß ich von Minne spreche, als wäre sie ein Wesen für sich und nicht bloß eine denkende Substanz, sondern zugleich eine körperliche, was freilich, der Wahrheit nach, falsch ist, da die Minne nicht für sich als Substanz besteht, sondern lediglich eine Akzidenz in der Substanz ist. Und daß ich von ihr spreche, als wäre sie etwas Körperliches, ja, als wäre sie ein menschliches Wesen, erhellt aus drei Dingen, die ich von ihr sage. Ich sage zum ersten, daß ich sie kommen gesehen. Da nun alles Kommen eine Bewegung im Raume, im Raume beweglich aber, nach des Weltweisen Ausspruche, an sich nur der Körper ist, so erhellt, daß ich die Minne als ein körperliches Wesen setzte. Auch sage ich von ihr, daß sie gelacht, nicht minder, daß sie geredet habe, – Dinge, die dem Menschen eigentümlich zu sein scheinen, insbesondere das Lachen, woraus dann weiter erhellt, daß ich die Minne auch als ein menschliches Wesen setzte. Um sich nun dieses, soweit es für jetzt nötig, deutlich zu machen, muß man vor allen Dingen wissen, daß vor alters die Dichter nicht in gemeiner Mundart, sondern vielmehr in lateinischer Sprache von Minne gesungen – ich meine, bei uns, obwohl es sein kann, daß gleiches auch bei andern Völkern geschehen und vielleicht noch geschieht, wie auch in Griechenland nicht ungelehrte, sondern gelehrte Dichter dergleichen Dinge behandelten. Und es ist nicht gar viele Jahre her und nach Verhältnis nur eine kleine Zeit, daß jene Dichter in gemeiner Landessprache – denn in Reimen sprechen ist für die gemeine Volkssprache eben das, was das Sprechen in Versen für die lateinische Sprache – aufgetreten sind, und wenn wir die [260] Sprachen des Oc und des Si betrachten, so finden wir unter dem, was in ihnen bis auf diese Zeit gesungen worden, nichts, was älter wäre, als hundertundfünfzig Jahre. Und die Ursache, warum einige Ungebildete früherer Zeit sich Ruhm erworben, ist, daß sie ziemlich die ersten waren, die in der Sprache des Si gesungen. Der erste aber, der in gemeiner Landessprache dichtete, entschloß sich dazu, um sich seiner Dame verständlich zu machen, der es schwer gewesen wäre, lateinische Verse zu verstehen. Und dies ist gegen diejenigen gesagt, die über anderes als Minnedinge reimen, da doch diese Art zu sprechen ursprünglich bloß für Minnegedichte erfunden worden. Weil nun aber den Poeten von jeher eine größere Redefreiheit verstattet gewesen als denen, die in ungebundener Rede sprechen, und auch diese Reimspender nichts anderes sind als Poeten, nur in gemeiner Landessprache, so ist es billig und vernünftig, ihnen eine größere Freiheit des Ausdrucks zuzugestehen als denen, die zu anderm Behufe der gewöhnlichen Sprache sich bedienen. Ist daher eine Figur oder rhetorische Färbung den Poeten erlaubt, so muß dasselbe auch den Dichtern in Reimen vergönnt sein. Wenn wir demnach sehen, daß die Poeten unbeseelte Dinge anreden, gleich als hätten sie Sinn und Vernunft, oder sie miteinander selbst reden lassen, und nicht bloß wirkliche Dinge, sondern auch nichtwirkliche, indem sie von den Dingen, die nicht sind, und von den bloßen Eigenschaften der Dinge sagen, daß sie reden, als wären sie Substanzen und Menschen, so darf wohl auch der Reimsprecher ein Gleiches tun, obschon nicht nach Willkür, sondern immer aus Gründen, die er dann auch in ungebundener Rede darzulegen imstande sein muß. Daß die Poeten also getan, wie eben gesagt worden, erhellt aus Virgil, der dort im ersten Buche der Äneide die Juno, folglich eine Göttin, als Feindin der Trojaner, also zum Äolus, dem Herrn der Winde, sprechen läßt:

      Aeole, namque tibi etc. (Äolus, denn dir usw.),

worauf denn dieser Herr ihr antwortet:

            Tuus, o regina, quid optes

      Explorare, labor; mihi iussa capessere fas est.

           (Was da begehren du mögst, zu erforschen,

      Dein, o Königin, ist es; mir ziemt’s, den Befehl zu empfangen.)


Bei demselben Dichter im dritten Buche der Äneide spricht das Seelenlose zu beseelten Gegenständen in der Stelle:

      Dardanidae duri etc. (Harte Dardaner usw.)


Bei Lucan spricht das Beseelte zum Unbeseelten in dem Verse:

      Multus, Roma, tamen debes civilibus armis.

      (Vieles verdankst du jedoch, o Rom, den Waffen der Bürger.)


[261] Bei Horaz redet der Mensch zu seiner Kunst selbst, wie zu einem andern vernünftigen Wesen, und es sind nicht bloß des Horatius, sondern des guten Homers Worte, wenn jener in seiner Poeterei sagt:

      Dic mihi, Musa, virum etc.

      (Singe mir, Muse, den Mann usw.)


Bei Ovid zu Anfang des Buches, welches den Titel führt: ,Von den Mitteln gegen die Liebe’, spricht Amor, als wäre er ein menschliches Wesen:

      Bella mihi, video, bella parantur, ait.

      (Kriege, da sprach er, ich seh’s, Kriege bereitet man uns.)


Und hierdurch wird dem, der da und dort in diesem meinen Büchlein ein Bedenken gefunden, alles deutlich werden. Damit aber kein Unverständiger durch das Gesagte verleitet werde, sich mehr zu erdreisten, als ziemt, so sage ich noch, daß weder die Poeten ohne hinreichenden Grund so zu sprechen pflegen, noch auch die, so reimen, ohne sorgfältige Überlegung dessen, was sie sagen, also reden dürfen; wie es denn eine große Schande sein würde, wenn jemand unter der Hülle von Figuren oder anderm Redeschmucke reimen wollte und, über die wahre Bedeutung befragt, seine Worte solcher Hülle nicht zu entkleiden verstünde. Und jener mein erster Freund sowohl als ich, wir kennen deren wohl manche, die also aberwitzig reimen.“

Was Dante hier über die Volkssprache in der Minnedichtung sagt, hat er späterhin für die Dichtung überhaupt verallgemeinert. Es enthält in kurzen Zügen das Wesentliche, was er breiter in der Volkssprache ausgeführt hat. Dort nennt er drei Gegenstände als die höchsten des Lebens und als solche, die der Behandlung in seiner geliebten Volkssprache vor allem wert seien: das Nützliche, das Angenehme und das Gute, oder Wohlfahrt, Liebesfreude und Tugend – gemäß der dreifachen Natur des menschlichen Geistes, der vegetabilen, der animalen und der rationalen.

Der „Weltweise“ ist wie immer Aristoteles. Die Einteilung der Sprache entspricht der heutigen in die Gebiete der Langue d’Oc und Langue d’Oui. – Tatsächlich ist die provenzalische Kunstpoesie älter als 150 Jahre gewesen, da sie bis in die Zeiten Wilhelms IX. von Poitiers um 1100 zurückreicht.

Zu dem folgenden Sonett: „So edel weiß“, sagt Dante: „Dieses Sonett ist durch selbst hinlänglich klar und bedarf somit keiner Einteilung.“ (N. L.)

Zu dem nächsten „Den Inbegriff sieht“: „Dieses Sonett hat drei Teile. In dem ersten sage ich, daß die Herrin unter anderen Leuten [262] zwiefach bewundernswürdig geschienen habe. In dem zweiten sage ich, wie freudebringend ihre Genossenschaft war. In dem dritten nenne ich die Wirkungen, die sie in andern hervorbrachte. Der zweite Teil hebt an: ,Und Pflicht ist’s jedem’; der dritte: ‚So kraftvoll ist ihr Reiz’. Der letzte Teil zerfällt wiederum in drei. Zuerst sage ich, was in den Frauen wirke, nämlich in bezug auf diese selbst; dann, was sie in ihnen in bezug auf andere wirkte; endlich, wie sie nicht allein in den Frauen, sondern in allen Menschen, und nicht bloß da, wo sie gegenwärtig war, sondern auch noch in der Erinnerung wunderbarlich wirkte. Die zweite Unterabteilung hebt an: ,Ihr Anblick läßt’; der dritte: ,So licht ist’.“ (N. L.)

Die folgende Kanzone ist ein Fragment geblieben. Das besagt auch der darauffolgende Text und deshalb fehlt natürlich die „Division“.

Der Grund zu dieser Unterbrechung, Beatricens Tod, würde, wenn die von ihm gegebene Berechnung zuverlässig ist, am 9. Juni 1290 anzunehmen sein. Auch nach der Andeutung in der „Komödie" ergäbe sich das Jahr 1290, wenn man die von ihm geschilderte Vision, wie allgemein, in das Jahr 1300 verlegt. Die vollkommene Zahl ist 10.

Der Brief an die Ersten des Landes wird als Beweis für die rein symbolische Deutung der gesamten Dichtung vielfach angeführt, da Dante einen solchen Brief nach dem Tode Clemens’ V. an die Kardinäle geschrieben haben soll, worin er sie aufforderte, einen Italiener als Papst zu wählen, und von derselben Stelle des Jeremias ausgeht. Aber die Echtheit dieses Briefes wird sehr angefochten, und er kann möglicherweise erst auf Grund einer diesbezüglichen Bemerkung des ersten Dante-Biographen, Villani, nachträglich verfaßt worden sein. Aber auch dann würde er zeitlich nichts mit dem „Neuen Leben“ zu tun haben. Vielleicht ist die „Erde“ als die Heimat, Heimatstadt, zu betrachten, vielleicht wurde ein solcher Brief, wie Scartazzini annimmt, nur niedergeschrieben, aber nicht abgeschickt.

Die weiteren Ausführungen zeigen den Einfluß Guido Cavalcantis auf das vorliegende Werk und seine italienische Abfassung.

Zu der folgenden Kanzone „Mein Auge hat“ schreibt er abweichend von seinem vorher verwendeten Brauche: „Damit diese Kanzone nach ihrem Schlusse mehr als verlassene Witwe erscheine, will ich sie einteilen, bevor ich sie niederschreibe, und werde dieses Verfahren von jetzt an auch ferner beibehalten. So sage ich denn, daß die arme, schlechte Kanzone drei Teile hat. Der erste ist Einleitung; in dem zweiten spreche ich von ihr; in dem dritten rede ich bemitleidend zur Kanzone selbst. Der zweite beginnt: ,Ja, Beatrice ward’; der dritte: ,Mein Klagelied, geh weinen denn’. Der erste Teil zerfällt in drei Abteilungen. Zuerst sage ich, was mich zu sprechen bewegt, dann, zu wem ich sprechen will, endlich, von wem ich sprechen will. Die zweite Abteilung beginnt: [263] ,Und denk’ ich dann‘; die dritte: ,Und künden jetzt‘. Dann, wo ich sage: ,Ja, Beatrice ward‘, rede ich von ihr, und zwar in zwei Teilen. Zuerst sage ich die Ursache, weshalb sie uns genommen ward; dann sage ich, wie andere über ihren Hingang weinen, und es hebt dieser letzte Teil an mit den Worten: ,Aus ihrem schönen Leib‘. Dieser Teil zerfällt abermals in drei Abteilungen. In der ersten sage ich, wer sie nicht beweint; in der zweiten, wer sie beweint, in der dritten beschreibe ich meinen Zustand. Die zweite hebt an: ,Doch Trauer, Sehnsucht regen‘; die dritte: ,Die Seufzer machen mir so Angst‘. – Wenn ich zuletzt sage: ,Mein Klagelied, geh weinen denn‘, so spreche ich zu dieser Kanzone selbst, indem ich ihr die Frauen bezeichne, an die sie sich zu wenden und bei denen sie zu verweilen habe.“ (N.L.)

Zu dem folgenden Sonett „O kommt, wie Huld“: „Dieses Sonett hat zwei Teile. In dem ersten rufe ich Minnes Getreue an, daß sie mich vernehmen. In dem zweiten erzähle ich von meinem elenden Zustande. Der zweite beginnt: ,Wie, um Trost verlegen, die Seufzer‘.“ (N.L.)

Zu der folgenden Kanzone „Gedenk’ ich, ach!“: „In der ersten Stanze klagt dieser mein teurer und ihr nahe verwandter Freund; in der zweiten, die anhebt: ,Durch meine Seufzer‘, klage ich selber. So erhellt denn, daß in dieser Kanzone zwei ihren Kummer aussprechen, von denen der eine als ihr Bruder klagt, der andere als ihr Diener.“ (N. L.)

Zu dem Folgenden wissen wir von Leonardo Aretinos Biographie, daß Dante viel und gut gezeichnet, wenn auch nicht gemalt habe.

Zu dem Sonett „Der Fraue Bild“: „Dieses Sonett hat zwei Anfänge; deshalb wird es nach dem einen und nach dem andern eingeteilt werden müssen. Mit dem ersten Anfange hat es drei Teile. In dem ersten derselben sage ich, daß die Herrin in meinem Gedächtnisse war; in dem zweiten sage ich, was Minne mir um deswillen tat; im dritten spreche ich von den Wirkungen der Liebe. Der zweite beginnt: ‚Minne fühlt’ sie‘; der dritte: ,Entwichen meiner Brust‘. Dieser Teil zerfällt wieder in zwei Abteilungen. In der ersten sage ich, daß alle meine Seufzer redeten, indem sie hervorgingen; in der zweiten sage ich, daß einige derselben Worte sprachen, verschieden von denen der anderen. Die zweite hebt an: ,Doch ein’ge schrie’n‘. Ganz in derselben Weise teilt sich das Sonett auch mit dem anderen Anfange ab, nur daß ich in dem ersten Teile die Zeit bestimme, wann die Herrin also in mein Gedächtnis gekommen war, was bei dem ersten Anfange nie geschah.“ (N. L.)

Meine hier vorliegende Übertragung hat um der Erhaltung des Sinnes willen darauf verzichtet, den ersten Anfang den Reimen des zweiten als Anschluß an das Folgende anzupassen. Ich glaubte aus [264] diesem Grunde die zweite Fassung als einen im wesentlichen ganz neuen Anfang behandeln zu können.

Die im folgenden geschilderte Begegnung mit der edlen Frau im Fenster wird im „Gastmahl“ symbolisch und allegorisch ausgedeutet. Es heißt dort (II, 2): „Zu Anfange sage ich demnach, daß der Stern der Venus sich zweimal umgewälzt hatte in jenem seinem Kreise, der ihn als Abendstern und als Morgenstern erscheinen läßt zufolge der beiden verschiedenen Zeiten seit dem Heimgange jener seligen Beatrice, die im Himmel mit den Engeln lebt und auf Erden mit meiner Seele, als die edle Frau, deren ich gegen Ende des ,Neuen Lebens‘ Erwähnung tat, zum erstenmal, von Minne geleitet, meinen Augen erschien und einigen Platz in meinem Geiste nahm. Und so wie von mir erzählt ist in dem genannten Buche, geschah es mehr durch ihre Holdseligkeit als durch meine Wahl, daß ich zustimmte, der ihre zu sein; denn ergriffen von so großem Mitleid zeigte sie sich angesichts meines verwaisten Lebens, so daß die Geister meiner Augen sich vornehmlich mit ihr befreundeten und so in ihr waltend es dahin brachten, daß mein Wohlgefallen zufrieden war, sich jenem Bilde zu widmen. Aber weil eine Liebe nicht plötzlich entsteht und groß und vollkommen wird, sondern einige Zeit verlangt und Nahrung der Gedanken, besonders da, wo widerstrebende Gedanken sind, die sie verhindern, so ereignete sich, bevor diese neue Liebe vollkommen wurde, mancher Kampf zwischen dem Gedanken, der zur Nahrung diente, und dem, der ihm entgegen war, da er noch durch jene hochherrliche Beatrice die Burg meines Geistes einnahm. Nun fand der eine Unterstützung von seiten des Anblicks von vorn her ohne Unterbrechung, der andere von seiten des Gedächtnisses von hinten her; und die Unterstützung von vorn wuchs mit jedem Tage, was bei der andern nicht der Fall war, insofern der erstere einigermaßen hinderlich war, den Blick zurückzuwenden. Darum erschien mir dieser Zustand so wunderbar und auch so hart zu ertragen, daß ich ihn nicht aushalten konnte und gleichsam ausrufend (um mich wegen des Mißgeschickes zu entschuldigen, in dem ich mir einen Mangel an Kraft zu haben schien) richtete ich meine Stimme dorthin, von wo der Sieg des neuen Gedankens ausging, der der mächtigste war, gleichsam eine himmlische Macht, und ich begann zu sagen: ,Die ihr im Geist den dritten Himmel leitet‘.“ (Vgl. auch das elfte Sonett in den lyrischen Gedichten: ,Ihr, meine Lieder‘, und ebendort die zweite Kanzone mit dem genannten Anfang).

Und weiter zur Ausdeutung der Kanzone (II, 8): „Nun ist zu wissen, daß in dieser ganzen Kanzone nach dem einen und dem andern Sinn das Herz genommen wird für das geheime Innere und nicht für einen besonderen Teil der Seele und des Körpers . . . Die Seele ist nichts anderes als ein anderer Gedanke . . . der das Andenken an die [265] hochherrliche Beatrice preist und verschönt.“ (II, 13): „Jedoch nach einiger Zeit war mein Geist, der sich bemühte, zu genesen, bedacht (weil weder ich noch ein anderer mich zu trösten vermochte), denselben Weg einzuschlagen, den irgendein anderer Trostloser genommen hatte, um sich zu trösten. Und ich fing an, jenes vielen unbenannte Buch des Boethius zu lesen, in dem ein Gefangener und Verbannter sich getröstet hatte. Und da ich überdies hörte, daß Tullius ein anderes geschrieben, ein Buch, in dem er, von der Freundschaft handelnd, Worte des Trostes habe einfließen lassen . . . machte ich mich daran, dies zu lesen . . . Und obgleich es mir zuerst hart ankam, in ihren Sinn einzudringen, gelang es mir zuletzt doch . . . durch die Fähigkeit, gleichsam wie im Traume vieles zu sehen, wie man dies in dem ,Neuen Leben‘ sehen kann . . . Und . . . so fand ich, der ich mich zu trösten suchte, nicht bloß ein Heilmittel für meine Tränen, sondern auch Worte der Verfasser und der Wissenschaften und Bücher, bei deren Betrachtung ich leicht das Urteil fällte, daß die Philosophie, die Herrin dieser Verfasser, Wissenschaften und Bücher, etwas höchst Wichtiges sei. Und ich dachte sie mir als eine edle Frau und konnte sie mir nicht in einer anderen Verfassung denken als in der des Mitleids, weshalb der Sinn für Wahrheit sie so gern anschaute, daß ich ihn kaum von ihr abwenden konnte. Und in dieser Vorstellung fing ich an, dahin zu gehen, wo sie sich mir wahrhaft zeigte, das heißt in die Schule der Religiösen, zu den Disputationen der Philosophierenden, so daß ich in einer geringen Zeit von vielleicht dreißig Monaten anfing, so sehr ihre Süßigkeit zu empfinden, daß die Liebe zu ihr jeden anderen Gedanken verjagte und zerstörte . . .“ (II,16): „Man muß wissen, daß dies Weib, auf das ich die Augen richte, die Philosophie ist . . . Die Augen dieses Weibes sind ihre Beweisführungen . . . und man muß wissen, daß unter Minne in dieser Allegorie immer der Eifer verstanden wird, der eine Hinneigung ist der für die Sache entflammten Seele zu dieser Sache . . . und so . . . sage und beteure ich, daß die Herrin, für welche ich Liebe fühlte nach der ersten Liebe, die schönste und preislichste Tochter des Kaisers des Weltalls war, der Pythagoras den Namen Philosophie beilegte.“ Die erste Liebe wäre, nach dem „Gastmahl“, die Frömmigkeit gewesen, in Beatrice symbolisiert. – Aber die schmähenden Worte, die er gegen den zweiten Liebesgedanken ausstößt, drücken an sich schon ziemlich deutlich aus, daß seine Gedanken zur Zeit des „Gastmahls“ andere waren als die zur Zeit der realen Erlebnisse früherer Jahre.

Scartazzini vermutet mit anderen, jene edle Frau vom Fenster sei seine spätere Gemahlin, Gemma Donati, gewesen. Von hier aus wäre der Schritt nicht weit bis zu der Annahme, er habe die Realität dieses Erlebnisses später als Symbol verhüllen wollen, weil seine Ehe mit ihr angeblich unglücklich gewesen ist. Es wären dann die der edlen Frau [266] im Fenster gewidmeten Dichtungen die einzigen Hinweise auf diese seine Gattin. Aber die Schilderung im N. L. selbst scheint dem zu widersprechen (s. w. u.). – Förster sieht in dem Satze der Einleitung zum „Gastmahl“: „In jenem (dem ,Neuen Leben‘) redete ich noch vor dem Eintritte in das erste männliche Alter, in diesem (dem ,Gastmahl‘) aber später, als jenes bereits hinter mir lag“, eine unverkennbare Bestätigung dafür, daß er die Vorgänge seines Lebens als Jüngling einfach in ihrer Realität naiv aufgefaßt, sie aber später dann ins Geistige umgedeutet habe.

Zu dem Sonett „Es sah mein Auge“ gibt Dante keine Einteilung. Zu dem folgenden, „Der Minne Farbe“, sagt er: „Dieses Sonett ist deutlich und bedarf keiner Einteilung.“ (N. L.)

Zu dem nächsten Sonett „Die bittren Tränen“: „Dieses Sonett hat zwei Teile. In dem ersten spreche ich zu meinen Augen, wie in mir selbst das Herz sprach. In dem zweiten hege ich einen Zweifel, indem ich offenbare, wer es sei, der also spricht. Und dieser Teil fängt an: ,So spricht mein Herz‘. Es könnte derselbe noch weitere Einteilungen erhalten; aber diese würden überflüssig sein, da der Inhalt des vorhergehenden ihn deutlich genug macht.“ (N. L.)

Zu dem Sonett „Ein adliger Gedanke“: „Ich nenne den Gedanken adlig, weil er eine adlige Frau zum Gegenstande hatte, während er sonst gar nichtswürdig war. In diesem Sonett spreche ich von mir als von zwei streitenden Teilen, sofern meine Gedanken sich in zwei feindliche Hälften sonderten. Den einen Teil nenne ich Herz, das heißt Begierde; den andern nenne ich Seele, das heißt Vernunft, und berichte, wie eins zu dem andern gesprochen. Und daß es erlaubt sei, die Begierde Herz und die Vernunft Seele zu nennen, ist hinlänglich offenbar denen, von denen ich wünsche, daß ihnen dies verständlich sei. Es ist wahr, daß ich in dem vorangehenden Sonett das Herz wider die Augen streiten lasse, und dies scheint dem entgegen, was ich in dem Gegenwärtigen sage. Ich bemerke aber, daß ich auch dort unter Herz die Begierde verstehe, inmaßen mein Verlangen, mich meiner adligsten Herrin zu erinnern, noch größer war als mein Wunsch, die andere zu sehen, und wenn ich nach den letzteren auch einiges Verlangen trug, dies doch nur ein kleineres und schwächeres schien. Und so erhellt, daß die eine Rede der andern nicht widerstreitet. – Dieses Sonett hat drei Teile. In dem ersten beginne ich damit, der Frau zu sagen, wie mein ganzes Verlangen ihr zugewandt sei. In dem zweiten sage ich, wie die Seele – d. h. die Vernunft – zum Herzen – d. h. zur Begierde – spricht, in dem dritten, wie dieses antwortet. Der zweite Teil beginnt mit: ,Die Seele spricht‘; der dritte beginnt mit den Worten: ,Das Herz versetzt‘.“ (N. L.)

Aus dem folgenden Text scheint im Widerspruch zu der oben [267] erwähnten Annahme Scartazzinis, die edle Frau im Fenster sei Dantes spätere Gemahlin gewesen, ziemlich deutlich hervorzugehen, daß diese Episode ihr Ende gefunden hat, noch ehe die weiteren Vorgänge des „Neuen Lebens“ abgeschlossen waren.

Zu dem Sonett „Weh mir, die Seufzer“: „Dieses Sonett teile ich nicht ein, weil sein Zusammenhang hinlänglich klar ist.“ (N. L.)

Im folgenden scheint Dante mit den Pilgerscharen nach Ansicht von Witte und anderen auf die Wallfahrten nach Rom gelegentlich des Jubeljahres 1300 hingewiesen zu haben. Danach wäre auch die Abfassung des „Neuen Lebens“ zu bestimmen: es müßte nach dem genannten Jahre entstanden sein. Die gutbelegte Lesart „gingen“ deutet jedenfalls nicht auf einen regelmäßigen Vorgang, der mit „gehen“ ausgedrückt wäre, sondern auf einen einmaligen Vorgang. Doch Scartazzini meint, daß Dante das Jubeljahr noch deutlicher gekennzeichnet hätte, und daß somit eine frühere Abfassung des Werkes sehr wohl möglich sei.

Zu dem Sonett „Ihr Pilger“: „Ich brauchte das Wort Pilger in der weiteren Bedeutung des Wortes; denn dasselbe kann auf zweierlei Art, in einem weiteren und in einem engeren Sinne verstanden werden. In dem weiteren aber ist ein Pilgrim jeder, der außerhalb seines Vaterlandes ist; in der engeren Bedeutung versteht man darunter nur diejenigen, die nach dem Hause von Sankt Jakob ziehen oder von da zurückkehren. Man muß nämlich wissen, daß die, so im Dienste des Allerhöchsten wandern, auf dreierlei Weise benannt werden. Sie heißen Palmenleute (Palmieri), sofern sie über das Meer gehen, von wannen sie häufig Palmen mit sich bringen; sie heißen Pilgrime, sofern sie nach dem Hause von Galizien wandeln, dieweil das Grab des heiligen Jakobus von seinem Vaterlande weiter entfernt war als dasjenige irgendeines andern Apostels; sie heißen Romfahrer (Romei), wenn ihre Fahrt nach Rom geht, wohin auch diese, die ich Pilger nenne, ihren Weg nahmen.

„Dieses Sonett kann der Einteilung entbehren, weil sein Zusammenhang hinlänglich deutlich ist.“ (N. L.)

Zu dem letzten Sonett „Jenseits der Sphäre“: „Dieses Sonett enthält fünf Teile in sich. In dem ersten sage ich, wohin mein Gedanke, den ich nach einer seiner Wirkungen benenne, geht. In dem zweiten sage ich, weil er nach oben geht, wer ihn in dieser Richtung gehen läßt. In dem dritten sage ich, was er sieht, nämlich eine dort oben gefeierte Fraue, und ich nenne ihn dann einen Pilgergeist, weil er geistigerweise da hinaufgeht und insofern ein Pilger ist, der sein Vaterland aus den Augen verloren. In dem vierten sage ich, wie er sie sieht, nämlich in solcher Wesenheit, daß ich selbige nicht begreifen kann; d. h., mein Gedanke erhebt sich in dem Anschauen ihrer Wesenheit so hoch, daß mein Verstand es nicht zu fassen vermag, indem unser Verstand sich [268] zu jenen gebenedeiten Seelen wie unser schwaches Auge zur Sonne verhält nach dem Ausspruche des Weltweisen in dem zweiten Buche seiner Metaphysik. In dem fünften Teile sage ich, daß – wiewohl ich da, wohin der Gedanke mich zieht (nämlich zu ihrem bewundernswürdigen Wesen), nichts sehen kann – ich mindest dieses verstehe, daß solches Denken ganz und gar von meiner Fraue erfüllt ist, weil ich ihren Namen so oft in meinem Gedanken vernehme. Und am Schlusse dieses fünften Teils sage ich: ,Ihr lieben Frauen!‘ um zu verstehen zu geben, daß es Frauen sind, zu denen ich rede. Der zweite Teil beginnt: ,Ihn zwingen Erleuchtungswunder‘; der dritte: ,Ist er am Ziel‘; der vierte: ,Er sieht sie so‘; der fünfte: ,Daß er die Holde meint‘. – Die Einteilung könnte noch schärfer durchgeführt und alles noch verständlicher gemacht werden; aber es mag an diesem genügen, und ich will mich auf eine weitere Einteilung nicht einlassen.“ (N. L.)

In dem Schlußabschnitt läßt Dante vor den Augen des Lesers andeutend die Vision seines großen Epos auftauchen, das er schon im Geiste vorausahnt. Wie Förster sagt: „Die Periode seiner ersten Liebe liegt hinter ihm; auch die der kurzen zweiten. Mit dieser war die Hinneigung zu philosophischen Bestrebungen so in der Zeit zusammengefallen, daß beide ihm in der Erinnerung zur Vorstellung einer Liebe zusammenflossen. Diese feiert das ,Gastmahl‘ durch die hintereinander fortlaufende zwiefache Auslegung der ihr gewidmeten Kanzonen. Beide Neigungen der letzten Zeit sind überwunden (denn es unterliegt keinem Zweifel, daß die letzten Abschnitte des ,Neuen Lebens‘ auch die Periode des ,Gastmahles‘ in sich schließen, und er steht an der Schwelle der dritten Lebensperiode, der der ,Göttlichen Komödie‘. Die Erscheinung der verklärten Beatrice gibt ihm dazu die Weihe, nachdem ihm die Idee dazu, wie wir weiter oben gesehen haben, wahrscheinlich schon um 1289 gekommen war.“ Auf den keineswegs fiktiven Charakter scheint sich seiner Ansicht nach die Ausdeutung der ersten Kanzone im ,Gastmahl‘ (II, 8) zu beziehen: „Ich war überzeugt – und bin es noch – durch ihre gnadenvolle Offenbarung, daß sie im Himmel war.“

Von der hier vorliegenden Übertragung, auch der Diversionen, stammt der Prosateil von Karl Förster und wurde, als stilistisch recht gut passend, kaum von mir geändert. Von den Dichtungen stammen die Kanzone II: „Ein Mädchen“ usw. und das Sonett „Ihr Pilger“ von A. W. Schlegel. Das erste und dritte Sonett sowie Cavalcantis Antwortsonett lehnen sich an Kannegießer[1] an, das zweite, zwölfte, dreizehnte und die beiden anderen Antwortsonette an Förster. Die übrigen Dichtungen sind unter gelegentlicher Benutzung der erwähnten älteren Fassungen von mir neu übertragen.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: Kannengießer