Zum Humboldtfest in der alten und neuen Welt

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Autor: Emil Rittershaus
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Titel: Zum Humboldtfest in der alten und neuen Welt
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aus: Die Gartenlaube, Heft 37, S. 577–578
Herausgeber: Ernst Keil
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Erscheinungsdatum: 1869
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
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Zum Humboldtfest in der alten und neuen Welt.[1]

Von Emil Rittershaus.

Zehn Jahr zurück, da jauchzten wir im Herbst bei einem hohen Fest.
Vereint die Deutschen dort und hier, in Nord und Süd, in Ost und West,
In einem Geist, so weit gepocht des deutschen Herzens frischer Schlag!
Wo deutscher Laut erklingen möcht’, war Alles Eins am Schillertag.
„Hoch Schiller!“ Dieser eine Ruf bei Alt und Jung, bei Groß und Klein!
Der uns den „Tell“ und „Posa“ schuf, die „Räuber“ und den „Wallenstein“,
Er lebte auf in jeder Brust, im Bürgerhaus, am Fürstenthron!
Wir fühlten uns, o Himmelsluft, als Kinder einer Nation!
Das war nicht um des Dichters Kunst, so sehr sie aller Kränze werth;
Das war nicht, weil der Musen Gunst den Sänger singen hat gelehrt;
Das Eine war’s, daß der Poet ein Priester an des Lichts Altar,
Daß er des freien Geists Prophet und seines Volks Johannes war!
O, darum sang sein lautes Lob im freien Land der freie Mann,
Und zornig seine Faust erhob der Sclave, der in Zwing und Bann!
Der Farmer tief im Waldesgrund im rohen, holzgefugten Haus,
Er suchte in der Abendstund’ das abgegrissne Buch heraus
Und warf in’s Feuer dürres Holz und las und las beim Flammenschein
Und fühlte einmal noch mit Stolz ein Sproß von deutschem Stamm zu sein.
Er strich vergnügt den strupp’gen Bart – wie war ihm Herz und Sinn entflammt! –
Durch Schiller neu geeinigt ward, was aus dem deutschen Mark entstammt.

Und wieder jetzt ein Jubelfest und wieder einem Deutschen gilt’s!
In Nord und Süd, in Ost und West sein Lob, von allen Lippen quillt’s!
Wo üppig Farrn und Palme sprießt, wo flüchtig die Gazelle springt,
Wo schon das Eis in Nadeln schießt, der Name Humboldt jauchzend klingt!
Im Sand der Marken, wo die Gruft des großen Todten Leib umfängt,
Am Rhein, wo in der Sommerluft am Rebenstock die Traube hängt,
Und drüben in der neuen Welt – o seht der Frohen bunte Reih’n!
Der eine Name Humboldt fällt in jede Brust wie Sonnenschein!

Wohl ist von deutschem Stamm der Mann und wir sind stolz auf seinen Ruhm,
Doch, was sein Geist erforscht, ersann, das ist der Menschheit Eigenthum,
Und wie der Name Schiller hat geeinigt, was von deutschem Schlag,
So schreib’ auf der Geschichte Blatt mit Flammen ein der heut’ge Tag:
„Vereint durch eines Geistes Kraft war Nord und Süd und Ost und West!

Es war ein Tag der Brüderschaft der Völker, dieses Humboldtfest!“

Ein edler Mann die Worte schrieb: „Die meines Stammes und verwandt,
Hab’ mehr sie als mich selber lieb, und mehr als sie mein Vaterland,
Und lieber als mein Vaterland soll mir die ganze Menschheit sein!“ –
O, grabt es heut’ mit fester Hand, Ihr All’, in Eure Seelen ein!
Ob ihn auch deutsches Land gebar, der große Mann, des Wissens Held,
Errungen hat er sich, fürwahr, das Bürgerrecht der ganzen Welt!
Er war in jedem Reich zu Haus, im Bergesschacht, im Sonnenraum,
Er zog durch Sturm und Fluthgebraus’ und nicht um eitlen, leeren Traum!
Mit klarem Azg’ hat er geschaut, gehoben manchen Schleiers Flor
Und eine Welt uns aufgebaut, wie nie ein Forscher noch zuvor! – – –
Doch sieh’, die Neunmalweisen nah’n, das frost’ge Lächeln im Gesicht,
(Auch Pfaffentrug und Thorenwahn, doch von den Narren spricht man nicht!)
Die Weisen, die, im Kleinen groß, doch nie erspäh’n der Dinge Kern,
Sie lassen ihre Weisheit los: „Für Humboldt! Ei, den alten Herrn!
Den Forscher lobt die Wissenschaft, doch wißt, wenn’s Euch auch unbequem,
Schon hat ihn andrer Geister Kraft doch überholt in dem und dem!“
Sie rechnen’s an den Fingern her die kalten Klugen tiefgelehrt,
Und Jeder denkt bei sich, er wär’ wohl eines Humbotdt’s Ehren werth! –
Wir kennen’s längst, daß keck und dreist die Kleinheit solche Trumpfe spielt!
Was wüßte sie von Humboldt’s Geist, der eine Welt im Spiegel hielt!
Und dieser Geist, derselbe nur, er zeugte des Gedankens Keim,
Der aus dem Schädel Schiller’s fuhr in Lied und Bild, in Wort und Reim
Hinein in Nacht und Nebeldunst! Es war Erguß von gleicher Kraft!
Des Einen Werkzeug hieß: die Kunst; des Andern Schwert: die Wissenschaft.
Der Forscher zog durch manch’ Gefild’, von Land zu Land, von Stamm zu Stamm
Und wob zu einem Riesenbild die tausend Bilder wundersam,

[578]

Und schrieb, die Mappe auf dem Knie, was er in weiter Welt gesehn;
Der Dichter ließ die Phantasie für sich hinaus auf Reisen gehn.
Der Dichter schritt zum Volke hin, sein Herzblut durch die Lieder rauscht;
Der Forscher hat mit weisem Sinn den Herzschlag der Natur belauscht.
Die alten Zeiten wunderbar, wie sie des Dichters Ruf erweckt!
Was war, bevor die Menschheit war, der Forscher hat es aufgedeckt.
Wenn jener auf dem Flügelpferd sich aufwärts hob zum Sonnenland,
Der Forscher tief im Grund der Erd’ vor Schutt und Moder sinnend stand.
Zur Höhe der, zur Tiefe der! – Aus Jovis Hand die Blitze reißt
Der Dichter, holt sie muthig her! Im Lichte der Erkenntniß weist
Der Andre uns, was falsch und leer, was Trug, ob’s hoch und heilig heißt –
Und beide würdig gleicher Ehr’ und beide Kind von einem Geist!

Um dieses Geistes willen heut’ ein Humboldtfest und drum allein!
O, mög’ das frohe Glasgeläut’ des Geistes Osterläuten sein!
Dem Pred’ger dieses Geistes flocht den Kranz die Welt am Schillertag,
Und als sein „Marschall Vorwärts“ focht ein Humboldt kühn, mit wucht’gem Schlag!
Drum heut’ ein Fest für Humboldt’s Geist! – Beim Bild des Großen könnt’ ihr’s seh’n,
Da steht’s: „Es ärgert sie zumeist, am meisten, wenn wir vorwärts geh’n!“
Ja, vorwärts denn! Die Schranken fort, die Menschen trennen dort und hier!
Die Brüderschaft sei Losungswort, die Freiheit sei das Siegspanier !
Im freien Geist die Völker eins! Wir rufen’s in die Welt hinaus:
Nur in dem Glanz des Sonnenscheins gedeiht des Glückes Blumenstrauß!
Du alte Welt, die Ketten brich und sei den Freien zugesellt!
Du alte Welt, erneue dich und werde eine neue Welt!
Du neue Welt, wir rufen’s zu dir aus der meerumwogten Stadt:
O, werde frei im Geiste du, daß deine Freiheit Dauer hat!
Dann wird des Friedens Palme weh’n in Nord und Süd, in Ost und West! –
O, laß, Geschick, uns bald ersteh’n den Segen aus dem Humboldtfest!

  1. Obiges Festgedicht ist vom Dichter zufolge einer Aufforderung des Humboldt Festcomité in New York verfaßt und kommt somit gleichzeitig in einer englischen Uebersetzung von Freiligrath’s Tochter Käthchen Kroeker und in der Gartenlaube im deutschen Original vor das Publicum. Wenn wir das Humboldtfest nicht durch Artikel und Illustration besonders auszeichnen, so genügt zur Erklärung wohl die Notiz, daß von der Gartenlaube das Leben und Wirken Alexanders von Humboldt seit 1853 zehn Mal behandelt und seine persönliche Erscheinung sieben Mal durch Illustrationen dargestellt worden ist.
    Die Redaction.