Zum Schutz der Waldschnepfe

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Textdaten
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Autor: Dr. Karl Ruß
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Titel: Zum Schutz der Waldschnepfe
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 14, S. 239
Herausgeber: Adolf Kröner
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1894
Verlag: Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig
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Erscheinungsort: Leipzig
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Originalherkunft:
Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
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[239] Zum Schutz der Waldschnepfe. Die Weidmannspoesie findet ihre schönste Blüte keineswegs in der Erlegung von Hirsch, Reh und Hase, im Kampf mit Bär und Sau, ja nicht einmal in der Ueberlistung Reinekes, sondern zweifellos in der Schnepfenjagd. Im Frühling, wenn die Natur ihre Festfeier begeht, wenn das frischgrüne Land sich zu entfalten beginnt und die bunten Blüten von Tag zu Tag mannigfaltiger und reicher sich erschließen, dann eilt der Jäger hinaus, um des köstlichsten Genusses teilhaftig zu werden, den sein Beruf mit sich bringt. Und für viele, ja für die meisten Grünröcke steht jetzt der Naturgenuß höher als die Jagd an sich.

Der Naturfreund und mit ihm der „edle“ Jäger, der seine Tiere liebt und hegt, der nicht bloß ein Töter, ein Schlächter, sondern ein Beschützer und gleichsam Züchter der Jagdtiere ist - muß er nun aber nicht unwillkürlich an das harte Los gerade des Vogels denken, dem er die schönste Jagd verdankt, der Waldschnepfe? Als Gast, als Wanderer auf dem Durchzuge erliegt sie einer rücksichtslosen Verfolgung!

An verschiedenen Stellen hat man es längst mit schmerzlichem Bedauern wahrgenommen, daß die Anzahl der durchwandernden Schnepfen sowohl auf dem Frühjahrs- wie auf dem Herbstzuge von Jahrzehnt zu Jahrzehnt sich erheblich verringert hat. Bei derartigen Feststellungen läßt sich allerdings nur schwierig eine gewisse Sicherheit erreichen, da ja der Zug infolge wechselnder Witterung außerordentlich unregelmäßig ist. Da aber die Stimmen der Sachverständigen, welche die Abnahme behaupten, immer zahlreicher werden, so läßt sich an der leidigen Thatsache wohl keinesfalls mehr zweifeln.

Doch ganz abgesehen davon – welche unmenschliche Härte liegt doch gerade darin, daß die Waldschnepfe allenthalben dann massenhaft abgeschossen wird, wenn sie unmittelbar vor der Brut steht! Dem harmlosen und überaus wertvollen Vogel gegenüber übt man ein Verfahren, das man sonst nur den schädlichsten Tieren gegenüber anzuwenden pflegt! Und es ist nicht bloß hart, es ist auch unwirtschaftlich, so und so viele dieser kostbaren Vögel unmittelbar vor der beginnenden Brut, überaus häufig sogar mit Eiern im Leibe, zu töten. Die Stimmen der Sachverständigen weisen darauf hin, daß dieser Zugvogel bei entsprechender Schonung bald in vielen Strichen unseres weiten deutschen Vaterlandes ein zahlreich nistender Brutvogel sein würde, da er ja bereits jetzt, trotz der Verfolgung, nicht selten bei uns nistet. Darum ist es ein berechtigtes Verlangen, es möchte der Waldschnepfe und zugleich auch unsern anderen Schnepfen eine Schonzeit vom Beginn ihres Nistens an gewährt werden. Möge man immerhin der Schnepfenjagd den Herbst hindurch freien Spielraum gönnen und meinethalben auch im Frühjahr, hier jedoch nur so lange, bis in jeder einzelnen Gegend festgestellt werden kann, daß die Schnepfen zu nisten oder zu legen beginnen. Dies müßte jedesmal, in ähnlicher Weise wie der Anfang der Hasen- und Rebhühnerjagd, durch eine Kommission von Sachverständigen geschehen, und der Zeitpunkt würde natürtich je nach der Lage eines Landstrichs verschieden sein.

Hätte ich einen bedeutenden Einfluß auf die maßgebenden weiteren Kreise unserer deutschen Jägerschaft, so würde ich sie noch um etwas Größeres bitten, nämlich darum, dem herrlichen Jagdvogel im Frühling einen vollen [240] Schutz zu gönnen, wenigstens bis auf weiteres, während die Herbstjagd gänzlich unbehindert und frei bleiben könnte. Erst dann, wenn wir keine Schnepfen zur Brutzeit erlegen, keine Kibitzeier aus den Nestern rauben, keine Lerchen und keine Drosseln (Krammetsvögel) mehr verspeisen, erst dann können wir mit vollem Recht verlangen, daß in den Ländern am Mittelmeer auch nicht mehr unsere Nachtigallen, Rotkehlchen, Schwalben u. a. zu Hunderttausenden alljährlich im Frühjahr und Herbst weggefangen und verzehrt werden. Dr. Karl Ruß.