Zum deutschen Bundesschießen in Frankfurt a. M.

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Titel: Zum deutschen Bundesschießen in Frankfurt a. M.
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aus: Die Gartenlaube, Heft 25, S. 398–399
Herausgeber: Ernst Keil
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Erscheinungsdatum: 1862
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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[398] Zum deutschen Bundesschießen in Frankfurt a. M. Immer näher und näher rücken die Tage des vom 13–18. Juli in Frankfurt abzuhaltenden ersten deutschen Bundesschießens heran. Während Frankfurt selbst im großartigsten Maßstabe rüstet, um seine Gäste würdig zu empfangen, beschäftigt sich die ganze deutsche Presse schon seit längerer Zeit mit dem nationalen Feste, freilich in sehr verschiedener Tendenz, theils um es zu unterstützen und auf seine Bedeutung hinzuweisen, theils um es zu verkleinern oder gar zu verdächtigen. Die Einen wollen eine geschickt in Scene gesetzte große Demonstration des Nationalvereins, die Andern gar einen Zusammenfluß der revolutionären Elemente Europa’s darin erblicken und befürchten bei dieser Gelegenheit nichts Geringeres, als einen unglücklichen Putsch mit Barrikaden, Bürgerblut, rothen Blousen u. s. w. Leider hat eben im Augenblicke, wo wir dies schreiben (zu Ende Mai), ein unliebsamer Zwischenfall diesen Hetzereien von verschiedener Seite neue Nahrung gegeben. Obgleich nämlich das Fest kein internationales, sondern ein rein deutsches ist, so können doch nach § 40 der Bundessatzungen nichtdeutsche Schützen als Gäste theilnehmen. Dieser Bestimmung gemäß hatte das Centralcomité auf eine Anfrage mailändischer Schützen wegen Betheiligung am Feste dieselben in einem Schreiben willkommen geheißen. Kaum war dieser Umstand bekannt geworden, als ihn sofort eine Anzahl süddeutscher Zeitungen zu erwünschten Hetzereien und Verdächtigungen ausbeutete und die bairischen und österreichischen Schützen von dem Besuch des „Garibaldianer-Festes in Frankfurt“ abzuhalten suchte. Ein dahin abzielender Beschluß von Seiten der Haupt-Schützengesellschaft in München stand wirklich in Aussicht, als man noch rechtzeitig von Seiten des Gesammtcomité’s in Frankfurt eine Vermittelung anbahnte, die zu gutem Resultate geführt und es verhütet hat, daß das Fest der Eintracht zu einem Zankapfel erneuerter Zwietracht werde.

Bei diesem Stande der Dinge und den ängstlichen Gemüthern und Schwarzsehern oder absichtlichen Entstellern des Festes gegenüber dürfte ein Rückblick auf die Entstehung und den Zweck des deutschen Schützenbundes am Platze und für die Leser der Gartenlaube von Interesse sein.

Die erste Anregung zur Gründung einen deutschen Schützenbundes ging auf dem Coburger Turnfeste im Jahre 1860 von Dr. J. B. v. Schweitzer aus Frankfurt a. M. aus, welcher auch gegenwärtig als überaus thätiges Mitglied des Centralcomité’s und als Chef des seit einigen Wochen eröffneten ständigen Bureau’s für die laufenden Arbeiten bei der Organisation und Leitung des Festes eine wesentliche Rolle spielt. Schon dieser Umstand dürfte die Behauptung, daß das Fest ein nationalvereinslerisches und kein nationales aller Parteien werde, zur Genüge widerlegen, denn Schweitzer, eine in der letzten Zeit viel genannte und als Vorsteher eines Turnvereins und des Arbeiterbildungsvereins, sowie als Verfasser mehrerer politischer Broschüren (deren letzte „Zur deutschen Frage“ in Berlin confiscirt wurde) und des social-philosophischen Werkes „Der Zeitgeist und das Christenthum“ vielfach angefeindete Persönlichkeit, steht ganz entschieden nicht auf dem Boden des Nationalvereins, sondern er ist [399] übrigens sehr befähigter und geistvoller Vertreter der streng-demokratischen Partei. Daß aber auch sein Einfluß nicht der maßgebende werde, dafür bürgt außer der Organisation der Geschäfte selber der weitere Umstand, daß in demselben Centralcomité, dessen Vorsitzender, Dr. S. Müller, ein Mitglied des Nationalvereins ist, sowie weiter in dem Gesammtcomité alle politischen Parteistellungen vertreten sind, ohne daß sich eine derselben bisher über Gebühr und zum Schaden der nationalen Sache hervorgedrängt hätte. Nach der ersten Anregung in Coburg nun ward die Idee des Schützenbundes im Jahre 1861 aus dem Schützenfeste in Gotha wieder aufgenommen. Hier wurden die Schützenvereine von Gotha, Frankfurt a. M. und Bremen mit der Gründung eines allgemeinen deutschen Schützenbundes beauftragt. Drei Abgeordnete aus jeder dieser drei Städte constituirten sich zuerst in Bremen als Ausschuß und vereinbarten die Grundzüge des Bundes, woraus sie später in Braunschweig die Satzungen desselben und die Fest- und Schießordnung feststellten und den schweizer Ordonnanzstutzen für die gemeinsame deutsche Schützenwaffe erklärten. Aus diesen in Braunschweig vereinbarten Satzungen heben wir die Hauptparagraphen nachstehend heraus.

§. 1. Der Zweck des deutschen Schützenbundes ist die Verbrüderung aller deutschen Schützen, Vervollkommnung in der Kunst des Büchsenschießens und Hebung der Wehrfähigkeit des deutschen Volkes. §. 2. Zur Förderung des Bundeszweckes findet alle zwei Jahre während der Monate Juli oder August ein allgemeines deutsches Schützenfest statt. §. 3. Mitglied des deutschen Schützenbundes kann sein jeder Deutsche, welcher im Vollgenuß der staatsbürgerlichen und Ehrenrechte seines Heimathlandes und Mitglied eines deutschen Schützen- oder Wehrvereins ist. §. 5. Jedes Mitglied zahlt einen jährlichen Beitrag von 10 Silbergroschen an die Bundescasse. §. 8. Die Organe des Bundes sind a) der Gesammtausschuß, b) der Vorort. §. 9. Dem Gesammtausschuß steht die gesetzgebende, dem Vorort die ausführende Gewalt im Bunde zu. §. 10. Der Gesammtausschuß wird von den Bundesmitgliedern gewählt. Je 100 Bundesmitglieder wählen ein Bundesmitglied zum Mitglied des Gesammtausschusses. §. 13. Der Vorort wird von dem Gesammtausschuß gewählt, §. 14. Wählbar zum Vorort ist jede deutsche Stadt, welche sich zur Abhaltung des nächsten deutschen Schützenfestes erbietet und genügende Sicherheit für dessen Abhaltung gewährt, §. 15. Die Mitglieder des deutschen Schützenbundes, welche am Vorort wohnen, wählen einen Vorstand, der aus neun Bundesmitgliedern besteht.

Dies sind die wesentlichsten allgemeineren Punkte der Satzungen. Die Gründer des Bundes hoffen durch diese Organisation den mit dem Schützenwesen zusammenhängenden Bestrebungen überhaupt einen Mittelpunkt zu schaffen, sodann auch die einzelnen Vereine zu heben und manchen alten Schlendrian auf den Schießplätzen derselben abzuschaffen und die Einheit der Waffe und des Kalibers zu erzielen. Der moralische Einfluß, den alle diese Bestrebungen auf den Einheitsdrang der Nation auszuüben berufen sind, ist unverkennbar. Wir können darum nur wiederholt den Wunsch äußern, daß die junge Schöpfung der Eintracht nicht durch kleinlichen Hader schon im Keime erstickt werden möge, uns zum Verderben und den Fremden, die auf unsere Einheitsbestrebungen geringschätzig herabsehen, zum Nutzen.

Wir fügen diesen Mittheilungen noch einige Notizen über den gegenwärtigen Stand des Unternehmens bei. Während vor den Thoren Frankfurts auf einem dazu sehr geeigneten großen Feld- und Wiesenraume, der sogen. Bornheimer Haide, sich eine kleine Stadt aus Backsteinen und Bretern erhebt, welche die Schießhalle, die Festhalle, den Gabentempel, die verschiedenen Bureaux, Küche, Keller, zahlreiche Verkaufsbuden und Wirthschaftsstände in sich schließen wird, sind in der Stadt selber nicht weniger als 200 Personen mit den directen Vorbereitungen zum Feste beschäftigt. Diese 200 Personen vertheilen sich in 10 Comités, deren jedes eine bestimmte Function hat und die von Zeit zu Zeit sich zu einer Gesammtcomitésitzung vereinigen, um sich gegenseitig Bericht über den Fortgang der Arbeiten zu erstatten und Fragen von allgemeinem Interesse zu besprechen. Die oberste Leitung des Ganzen hat das aus 8 Personen bestehende Centralcomité, dem sich ein Schießcomité, ein Festcomité, ein Wohnungscomité, ein Ordnungscomité, ein Preßcomité, ein Baucomité, ein Wirthschaftscomité, ein Empfangscomité und ein Finanzcomité anschließen. So complicirt diese Einrichtung auf den ersten Blick erscheinen möchte, so erweist sie sich doch in Anbetracht der großen Dimensionen, in denen das Fest angelegt ist, als praktisch und nöthig, denn jedes der einzelnen Comités hat mit der Lösung der ihm anvertrauten Ausgabe hinreichend zu thun.

Der eigentliche, 480,000 ◻' große Festplatz – außer diesem wird noch ein zweiter, Jedermann zugänglicher, größerer für die Volksbelustigungen hergerichtet – wird mit einer Holzwand eingefaßt und ist außer den Schützen dem Publicum und gegen ein Eintrittsgeld geöffnet, das theils zur Deckung der ganz außerordentlichen Kosten, theils zur Vermeidung eines das Schießen selbst erschwerenden übermäßigen Andranges Schaulustiger erhoben wird. Dieser innere Festplatz enthält: die Schießhalle mit hundert Ständen (1170’ lang, 50’ breit), den Gabentempel (64’ hoch), dessen Spitze die Figur der Germania ziert, die Festhalle (400’ lang, 100’ breit), welche wie ein Garten mit Grün, Fontainen u. s. w. angelegt wird und eine freie Aussicht über den ganzen Festplatz gewährt, ferner ein Post- und Telegraphenbureau, eine Badeanstalt, eine Bierhalle, – kurzum, alle diejenigen Einrichtungen, welche es dem Festtheilnehmer ermöglichen, den ganzen Tag auf den Festplätzen zu verweilen und daselbst für alle seine Bedürfnisse bequem sorgen zu können. Außer der Zeit der gemeinschaftlichen Mittagstafel wird in der Festhalle den ganzen Tag Restauration gehalten, und ein Jeder findet daselbst das, was er sucht, – vom billigen Tischwein oder „Schützenwein“, von dem 60,000 Flaschen vorräthig sind, bis zum feinsten Rheinwein oder Champagner. Die Leitung der Wirthschaft liegt in den Händen der in Massenbewirthung durch mehrjährige Leitung der Restaurationen bei den eidgenössischen Bundesschießen geübten schweizerischen Festwirthe Hafner und Guggenbühl. Jeden Abend nach beendigtem Schießen werden mehrere Musikcorps auf beiden Festplätzen spielen, Gesangvereine Lieder vortragen, Feuerwerke abgebrannt werden, ein Reitercircus seine Vorstellungen geben u. s. w., mit einem Worte Alles geschehen, was zur Erheiterung und Unterhaltung der Schützen und der in großer Masse zu erwartenden Gäste von nah und fern beitragen kann.

Einen Begriff von den enormen Summen, welche die Stadt Frankfurt für dieses Fest aufwendet, kann man sich machen, wenn man erfährt, daß für die Bauten allein nicht weniger als 130,000 fl. verausgabt werden. Rechnet man hierzu die Kosten für Festpreise von Seiten des Comité’s mit 10,000 fl., die Entschädigungen für Quartiere derjenigen Schützen, die nicht bei den Bürgern untergebracht werden, die Ausgaben für den Festzug, die Decorationen, Musik, Feuerwerk und die andern auf das Fest Bezug habenden Angelegenheiten, so beläuft sich die Gesammtsumme der nur von Seiten des Comité’s für das Fest zu verausgabenden Gelder auf fast 200,000 fl., wovon 102,000 fl. durch freiwillige Zeichnungen von Seiten der Bürgerschaft gedeckt sind.

Was die Ehrengaben betrifft, so giebt das Festcomité 300 silberne Becher à 30 fl.; die Stadt Frankfurt einen silbernen Pokal mit eigens hierzu geprägten Münzen, 1000 Festthalern, sowie 5000 fl. als Beitrag zu den Unkosten; der Nationalverein 1000 fl.; der Schützenverein zu Frankfurt 1000 fl.; der „Liederkranz“ von Frankfurt einen Pokal im Werth von 600 fl.; die verbündeten Frankfurter Männergesangvereine einen Preis von 600 fl.; die Bierbrauerinnung einen Preis von 500 fl.; die Frankfurter Schützengesellschaft eine Gabe im Werth von 300 fl.; eine Anzahl ungenannter Frankfurter einen Preis von 2000 fl. Die von Frankfurt allein ausgesetzten Preise beliefen sich bis Ende Mai auf 15,000 fl. Aber auch von außerhalb werden täglich mehr oder minder bedeutende Preise angemeldet, so von den in Rotterdam und Amsterdam lebenden Deutschen zwei Gaben, jede im Werthe von 600–800 fl., eine gleiche von München, aus der Schweiz prachtvolle Büchsen mit Zubehör, meist 300–500 fl. werth, der vielen silbernen Gefäße, der Fässer voll edlen Rheinweins u. s. w. nicht zu gedenken. Man darf als gewiß annehmen, daß ungefähr 500 Ehrenpreise eingesandt und zwischen 3000–4000 Schützen an dem Feste theilnehmen werden.