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Zum vierzigjährigen Regierungsjubiläum des Kaiser von Oesterreich

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Titel: Zum vierzigjährigen Regierungsjubiläum des Kaiser von Oesterreich
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 47, S. 806–807
Herausgeber: Adolf Kröner
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Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1888
Verlag: Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
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Zum vierzigjährigen Regierungsjubiläum des Kaisers von Oesterreich.

Vierzig Jahre sind verflossen, seitdem Kaiser Franz Joseph I., den österreichischen Thron bestiegen, vierzig Jahre so ereignißreich, so reich an wechselvollen Geschicken, daß manches Jahrhundert in der Geschichte einzelner Reiche nicht solchen Wandel und Wechsel aufweisen kann. Doch mitten in der Brandung, in den hochgehenden Wogen des Aufstandes und drohender Kriegsgefahr lag das Steuer des Reichs fest in des Kaisers Hand, der mit unermüdlicher Kraft und Treue für das Wohl seiner Völker sorgte und, wenn ein Unglück die Waffen seines tapferen Heeres traf oder des Reiches Umfang verminderte, um so mehr den innern Ausbau förderte und über seine weiten Gebiete die Segnungen der Civilisation und wachsende Wohlfahrt zu verbreiten suchte.

Als am 2. Dezember 1848 nach der Thronentsagung seines Oheims, des damaligen Kaisers Ferdinand, und der Verzichtleistung seines Vaters Franz Karl auf die Nachfolge der achtzehnjährige Kaiser die Zügel der Regierung ergriff, da drohte das alte, an Ehren und Siegen reiche Oesterreich aus den Fugen zu gehen; der magyarische Aufstand war noch unbezwungen, und Italien suchte das Joch der Fremdherrschaft abzuschütteln. Doch siegte Oesterreichs guter Stern.

Um des Reiches Zusammenhalt zu sichern, wurden alle Zugeständnisse der Verfassung vom 4. März 1849 wieder zurückgenommen: an die Stelle der Verfassung trat das frühere uneingeschränkte Regiment. In den nächsten Jahren bereiste der Kaiser alle seine Kronlande, Böhmen, Steiermark, Italien, Galizien, Ungarn, Kroatien, um sich mit der Eigenthümlichkeit der Völkerschaften, mit den Bedürfnissen der Länder durch persönliche Anschauung und Kenntniß vertraut zu machen. So ernst erfaßte der junge Monarch seine Aufgabe; denn wenn irgend ein Reich nicht bloß aus dem Kabinet des Fürsten heraus regiert werden kann, so ist es das vielsprachige Oesterreich, welches eine genaue Kenntniß seiner Völkerstämme, ihrer Sitten und Sprachen seitens des Monarchen verlangt.

Schmerzliche Erfahrungen blieben indeß dem Herrscher dieses großen Reiches nicht erspart; die Napoleonische Politik, welche Frankreichs gebietende Weltstellung durch die Schutzherrschaft über andere Völker wahren wollte, unterstützte Italien im Kampfe gegen Oesterreich; die Schlachten bei Magenta und Solferino gingen verloren, so tapfer auch das Heer focht, an dessen Spitze sich in der letzten Schlacht der Kaiser selbst gestellt hatte.

Franz Joseph kam dann mit Napoleon bei Villafranca zusammen, unterzeichnete dort am 11. Juli 1859 die Präliminarien, denen im November der Züricher Frieden folgte. Oesterreich verlor die Lombardei. Um so mehr galt es, im Innern des Reiches Kraft zu stärken; hochherzig beschloß der Kaiser, den einzelnen Ländern sowohl wie auch dem ganzen Reiche eine Verfassung zu geben, welche des Volkes Antheil an der Reichsgesetzgebung sichern sollte. Angekündigt durch das Diplom vom 20. Oktober 1860, wurde die neue Verfassung des österreichischen Kaiserstaats am 26. Februar 1861 publicirt. Die Landtage traten bald darauf zusammen und am 1. Mai wurde der Reichsrath eröffnet.

In der Thronrede sagte der Kaiser: „Ich halte fest an der Ueberzeugung, daß freie Institutionen unter gewissenhafter Wahrung und Durchführung der Grundgesetze der Gleichberechtigung aller Völker des Reichs, der Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetze und der Theilnahme der Volksvertreter an der Gesetzgebung zu einer heilbringenden Umgestaltung der Gesammtmonarchie führen werden.“ Und weiterhin heißt es: „Ich will dieses Werk, den Grundsätzen einer offenen und freisinnigen Politik gemäß, in allen Theilen des Reichs einer gleichmäßigen Entwicklung entgegenführen, und zwar nach Recht und Billigkeit und mit Rücksicht auf die Vergangenheit der einzelnen Königreiche und Länder sowie mit gleicher Liebe und Sorgfalt für jede der vielen edeln Nationen, welche unter dem Scepter meines Hauses brüderlich vereinigt sind.“

Dieser schönen Worte mag man am Jubeltage des Kaisers freudig gedenken; es sind strahlende Perlen seiner Krone.

Die Schwierigkeiten der großen Aufgabe verhehlte sich der Kaiser nicht, und in der That regte sich bald in Ungarn und Kroatien der Widerspruch; der ungarische Landtag protestirte in einer Adresse an den Kaiser; er wurde aufgelöst und eine Art von Militärdiktatur in Ungarn eingeführt. Mehrere Jahre dauerte die Spannung zwischen den beiden Ländern; der ungelöste Zwiespalt fand erst ein Ende, als der Kaiser im Juli 1865 die Reichsverfassung sistirt, im Februar 1867 das ungarische Staatsrecht anerkannt hatte and am 8. Juni 1867 als König von Ungarn feierlich gekrönt worden war. Die Ausgleichsgesetze, die der ungarische Reichstag ausgearbeitet, waren von dem auf Grund der Februarverfassung wieder zusammenberufenen österreichischen Reichsrath angenommen worden, und so stand jetzt Ungarn neben Oesterreich. Zwei Ministerien, zwei Parlamente, über ihnen aber ein gemeinsames Reichsministerium, welches den Delegationen der beiden Reichstage verantwortlich war – so bestimmten es die Staatsgrundgesetze vom 2. Dezember 1867.

Das Bestreben des Kaisers, eine Reform des Deutschen Bundes durch freie Vereinigung der Fürsten durchzuführen (Aug. 1863), scheiterte daran, daß der wichtigste Bundesstaat, Preußen, sich von demselben fernhielt. Der Kaiser selbst hatte die Verhandlungen des Fürstenkongresses in Frankfurt mit parlamentarischer Gewandtheit geleitet. Der Widerspruch Preußens gegen die von Oesterreich geplante Bundesreform hinderte nicht, daß beide Staaten zusammen ihre Heere in den Krieg gegen Dänemark schickten zur Befreiung des meerumschlungenen, stammverwandten Schleswig-Holstein; doch nach erfochtenem Siege traten Irrungen hervor, die durch die Begegnung des Kaisers Franz Joseph mit König Wilhelm I. in Salzburg im August 1865 ausgeglichen zu sein schienen, aber doch zu heftigerem Ausbruche des innern Zwiespaltes zwischen den beiden Staaten und zuletzt zum Kriege von 1866 führten. Die Niederlage bei Königgrätz hatte den Austritt Oesterreichs aus Deutschland und außerdem den Verlust Venetiens zur Folge, trotz der Siege, welche die österreichische Landmacht bei Custozza, die Seemacht bei Lissa über die Italiener erfochten. Um so erfreulicher war es, daß Kaiser Franz Joseph, nach den freundlichen Begegnungen mit Kaiser Wilhelm I. in Gastein und Salzburg, die sich seit 1871 alljährlich wiederholten, zu dem engen Bündniß zwischen Deutschland und Oesterreich 1879 in staatsmännischer Würdigung der großen Bedeutung desselben seine Hand bot. Daß dieses Bündniß noch fest und unerschüttert dasteht, das haben noch jüngst die Kaisertage in Wien bewiesen, der ebenso glänzende wie herzliche Empfang, welcher dem jungen Kaiser Deutschlands, Wilhelm II., bei seinem Besuche in der Donaustadt seitens des Hofs und der Bevölkerung zu theil geworden. Wir verweisen auf die Schilderung dieser bedeutungsvollen Festtage, die wir in dem Artikel „Kaiser Wilhelm II. in Wien“ (Nr. 45) brachten. Nach den Bestimmungen des Berliner Kongresses von 1878 war Oesterreich die Verwaltung von Bosnien und der Herzegowina zugefallen; es hatte auf der Balkanhalbinsel festen Fuß gefaßt und so seinen Machtbereich nach Süden wesentlich erweitert. Die deutsche Politik ist hier fördernd den großen Intentionen des Kaisers entgegen gekommen.

Dieser kurze geschichtliche Ueberblick, der nur Hervorragendes streifen konnte, zeigt uns, wie ereigniß- und thatenreich das Leben des Herrschers war, der jetzt das 58. Lebensjahr vollendet. Er hat durch eine weise Politik der österreichisch-ungarischen Monarchie zu einer imponirenden Machtstellung im Herzen Europas verholfen, sie zu einer starken Bürgschaft des europäischen Friedens und des siegreichen Kulturfortschrittes gemacht. Jedoch der rastlose Fleiß des pflichtgetreuen Regenten wurde, noch mehr als durch die oft drangvollen politischen Ereignisse, durch die Fürsorge für die innern Angelegenheiten, für die Wohlfahrt seiner Völker in Anspruch genommen. Welche gewaltigen Fortschritte Oesterreich unter seiner Regierung gemacht, das wird die Kulturgeschichte in ihren Jahrbüchern verzeichnen: zahlreiche Schulen und Bildungsanstalten jeder Art, Institute für Hebung des Verkehrs und des landwirthschaftlichen Betriebs, ein immer weiter ausgebautes, immer größere Länderstrecken umfassendes Eisenbahnnetz, die außerordentliche Vermehrung der wirthschaftlichen Erzeugnisse, die Blüthe von Handel und Gewerbe, das alles legt, wieviel auch der schöpferischen Volkskraft zugerechnet werden muß, Zeugniß ab für eine weise und fürsorgliche Regierung, welche die freie Entfaltung derselben gefördert und in die rechten Bahnen gelenkt hat.

Vermählt ist Kaiser Franz Joseph I. seit dem 24. April 1854 mit der Prinzessin Elisabeth, der Tochter des Herzogs Maximilian von Bayern, die am 24. Dezember 1837 geboren wurde. Die [807] anmuthige, schöne, ritterliche Kaiserin von Oesterreich ist bekanntlich eine leidenschaftliche Reiterin, welche vor den Gefahren einer englischen Fuchsjagd nicht zurückschreckt, muthig und kühn, vorleuchtend den glänzenden Reitervölkern, die des Kaisers Scepter beherrscht. Aus dieser Ehe stammen drei Kinder: Gisela, geboren den 12. Juli 1856, seit 1873 mit dem Prinzen Leopold von Bayern vermählt, der Kronprinz Rudolf, geboren am 22. August 1858 und die 1868 geborene Erzherzogin Marie Valerie. Bekannt ist die Liebe zu den Naturwissenschaften, die den österreichischen Thronfolger auszeichnet. Zeugniß dafür legt das große, unter seiner Leitung herausgegebene Werk ab: „Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild“, zu dem er selbst die schwunghafte Einleitung geschrieben. Als gewandter Schriftsteller hat er sich bewährt in seinen Reiseschriften „Eine Orientreise“, „Fünfzehn Tage auf der Donau“, „Jagdreisen in Ungarn“. Der mit der belgischen Prinzessin Stephanie seit 1881 vermählte Kronprinz ist eine glänzende Hoffnung für Oesterreichs Zukunft; seine Ehe ist mit einer Tochter gesegnet, der anmuthigen jetzt fünfjährigen Erzherzogin Elisabeth.

Am vierzigjährigen Jubeltage der kaiserlichen Regierung aber verewigen sich alle Völker Oesterreichs, wie verschieden auch sonst ihre Sprachen sein mögen, in der einen Sprache, die das Herz diktirt, in den heißen Segenswünschen für ihren geliebten Kaiser, dessen ganzes Leben voll unablässiger Sorge für seines Reiches Wohl war und der noch lange walten möge als die Vorsehung seiner Völker zu ihrem Heil.