Zur Karte der Cyrenaica

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Autor: Gerhard Rohlfs
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Titel: Zur Karte der Cyrenaica.
Untertitel:
aus: Zeitschrift der Gesellschaft für Erdkunde zu Berlin. Fünfter Band. S. 370–371
Herausgeber: Wilhelm David Koner
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Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1870
Verlag: Verlag von Dietrich Reimer
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Erscheinungsort: Berlin
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Quelle: Scans auf Commons Google
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[370]
Miscellen.
Zur Karte der Cyrenaica.
Von Gerhard Rohlfs.
(Hierzu eine Karte, Taf. V.)

Die Zeit ist, fast möchten wir sagen, neuesten Datums, wo die Cyrenaica noch eine vollkommene Insel, d. h. von allen Seiten vom Meere umspült war. Seit wir Kunde von der heutigen Halbinsel haben, seit circa 26 hundert Jahren, ist die Cyrenaica nur noch im Südwesten, Nordwesten und Nordosten vom Mittelmeere, im Südosten hingegen von der Sahara begrenzt. Die Cyrenaica, welche die große Syrte abschließt, hat im Süden jene langgedehnte afrikanische Depression, welche sich bis zur Oase des Jupiter Ammon, dem heutigen Siuah hinzieht.

Kein Land am ganzen Mittelmeerbecken kann, was Fruchtbarkeit des Bodens und Ueppigkeit des Pflanzenwuchses anbetrifft, sich irgendwie mit der Cyrenaica messen; aber nur die Pracht der Ruinen, die dichtgedrängten zerstörten Ortschaften und Städte, die heute noch wohlerhaltenen Heerstraßen der Griechen und Römer deuten auf die ehemalige starke Bevölkerung. Auffallend ist die jetzige dürftige Vertretung der Thierwelt, verglichen mit der anderer Regionen Afrika’s nördlich von der Sahara, dann die mangelhafte Bevölkerung. In den übrigen Ländern von Nord-Afrika, sowohl im äußersten Westen im Rharb, wie im Osten in Siuah, finden wir überall noch Nachkommen der ehemaligen einheimischen libyschen Bevölkerung; im heutigen Barka oder Djebel-achdar sehen wir nur noch Ruinen der alten Libyer, das Volk selbst ist verschwunden, wenigstens derart von den nomadisirenden Arabern absorbirt, daß wir die gegenwärtigen Bewohner als reine Araber bezeichnen können. So redet und versteht denn auch kein einziger der Stämme, welche zur Zeit im Djebel-achdar ihre Zelte aufschlagen, tamasicht, während gleich südlich in Audjila schon wieder ein Idiom des Targischen gesprochen wird.

Neben den Ruinen aus griechischer und römischer Zeit existiren aber auch zahlreiche Bauüberreste der alten Libyer. Jene Sitte der jetzt in Nord-Afrika nomadisirenden Stämme, einerlei ob sie Berber oder Araber sind, feste Wohnsitze, Thürme und Burgen als Zufluchtsstätten für ihre Habseligkeiten, für ihre Getreidevorräthe, für ihre Heerden zu haben, existirte auch schon bei den Lybiern zur Zeit als Griechen und Römer Herren vom heutigen Barka waren. Diodor sagt uns, daß derartige libysche Bauten in der Regel in der Nähe von Quellen errichtet lagen. Zahlreiche massive Bauüberreste oft aus lebendigem Fels herausgearbeitet, die offenbar weder von Griechen noch Römern errichtet worden sind, zeigen uns denn auch jene alten libyschen Zufluchtsstätten an.

Sehen wir nun aber, daß von den einst blühenden Städten jetzt nichts mehr als Prachtruinen vorhanden sind, daß von den ehemaligen intelligenten Bewohnern, den Griechen und Römern, keine Spur mehr existirt, selbst von den Libyern nur vielleicht Blut in den Adern der heutigen verkommenen arabischen [371] Nomaden circulirt; ist es sogar höchst zweifelhaft, ob die heutigen Juden von Bengasi oder Derna Abkommen jener Juden sind, welche einst so mächtig waren, daß sie alle anders Gläubigen zur Ehre Gottes niedermetzelten; sehen wir auf der Halbinsel des Letheflusses, in diesem Reiche der Todten, wo jeder Schritt vorwärts daran zu erinnern scheint, daß man nicht mehr unter den Lebenden weilt, sogar in der dürftigen Fauna den Gedanken ausgesprochen, daß es den Thieren unheimlich ist, zwischen den letzten Ruhestätten der Menschen hier auf der Erde zu weilen – so erblicken wir andererseits die Pflanzenwelt im heutigen Barka (Djebel-achdar, d. i. das grüne Gebirge) so reich, so jungfräulich, daß, wenn auch Verwüstungen und Abholzungen durch Menschenhand stattgefunden haben, dies keineswegs zu merken ist. Die entzückende Schilderung des Landes von den Alten, das Preisen der Naturschönheiten der Cyrenaica sind nicht im Mindesten übertrieben, und auch hier können wir wieder ausrufen, der Vater der Lügen hat vollkommene Wahrheit berichtet. Kallimachos, der in Cyrene geborene Dichter, andererseits Pindar, sie wissen nicht genug von den Reizen der Gegend zu singen. Alle aber übertrifft Synesios, der Bischof von Ptolemais, der mit glühender Begeisterung die Vorzüge seines Vaterlandes hervorhebt.

Barka bietet heute noch dieselben Producte wie einige Jahrhunderte vor und nach Christi Geburt. Aber die dichten Olivenwälder zeigen jetzt nur verwilderte Bäume, die Feigen sind nicht mehr fruchttragend, die Johannisbrotbäume werfen ihre Schoten unbenutzt zur Erde, und das wohlduftende Holz des Thyia-Baumes wird nicht mehr verarbeitet zu den zierlichen Weintischchen, an denen der Philosoph Aristippos seinen Schülern die Lehren ertheilte: sich weder um die Vergangenheit noch Zukunft zu bekümmern, sich nur mit den Reizen zu beschäftigen, die der Augenblick bietet: das Leben mit Rosen zu umwinden und von diesen nur den Duft einsaugen, ohne je die Dornen zu berühren. Nur eine Pflanze, und gerade die, welche zur Zeit des Unterganges von Pentapolitanien ausgerottet wurde, das Silphium, jetzt von den Bewohnern Drias genannt, blüht wieder überall auf den Stellen, wo es in der Glanzperiode der Römerherrschaft heimisch war, und wenn heute Drias denselben Preis hätte bei uns, wie früher, würde allein deswegen Barka ein reiches Land sein.

Das heutige Barka, ehemals Cyrenaica oder Pentapolitanien genannt, ist[WS 1] türkische Provinz, die zum Baschalik von Tripolitanien zählt. Wie in der Türkei ebenfalls fortwährend organisirt und reorganisirt wird, so wurde Barka im vorletzten Jahre zum Mutasarefia erhoben. Eigentlich aber ist es nur Kaimakamlik und die hier folgenden Kaimakamlikate sind ihrem Wesen nach Mudirate. Sie heißen: Bengasi, Gaigab, Derna, Merdj, Anergehr-District, Mytarba oder Adjedabia und Djalo und Audjila.

Die Gesammtbevölkerung von Barka, welches die Eingeborenen in Barka-el-hamra (das rothe Barka) und Barka-el-beida (das weiße Barka) theilen, beläuft sich auf circa 300,000 Einwohner. Die Grenze vom rothen Barka im Süden bildet die tiefste Bucht der großen Syrte.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: is