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Zur Naturgeschichte des Adlers

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Textdaten
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Autor: unbekannt
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Titel: Zur Naturgeschichte des Adlers
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 13, S. 153–154
Herausgeber: Ferdinand Stolle
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Erscheinungsdatum: 1854
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
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[153] Zur Naturgeschichte des Adlers. Ein englischer Reisender, C. Lloyd, der zwanzig Jahre in Norwegen und Schweden zugebracht hat, theilt in der Schilderung seiner Jagdabenteuer einige interessante Züge zur Naturgeschichte dieses Königs der Lüfte mit.

Der Gold-Adler oder Königs-Adler hält sich während der Sommerzeit häufig in den nördlichen Theilen von Scandinavien, im Herbst und Winter dagegen im Süden von Schweden auf. Obgleich er meistentheils auf steilen Felsen horstet und seine Brut aufzieht, so findet man sein Nest auch zuweilen auf hohen Fichten oder andern Bäumen. Das Nest dient ihm nicht nur für ein Jahr, sondern auf Lebenszeit. Es hat beinahe sechs Fuß im Durchmesser, ist flach und aus Reisig und Schilf gebaut. Das Weibchen legt zwei, höchstens drei Eier. Das Landvolk in Scandinavien ist sehr froh, wenn es einen Adler zum Nachbar hat. Die Leute passen auf, wenn die Adler das Nest verlassen haben und holen sich dann aus demselben das Wiltpret, das sie ihren Jungen gebracht haben. Mitunter binden sie die Jungen sogar fest, um diese Beute recht lange genießen zu können. Der Adler greift nicht nur Hasen und kleines Wildpret, sondern auch Rothwild und selbst Pferde an. Zu dieser Jagd bedient er sich folgender Kriegslist. Er taucht seine Schwingen in’s Wasser und schlägt sie darauf in den Sand. Damit fliegt er dem Thiere, das er angreift in’s Gesicht und blendet dessen Augen. Vor Angst und Verzweiflung rennt es dann gewöhnlich gegen einen Felsen oder stürzt und wird die sichere Beute des Adlers. 1737 entführte ein Adler in der Gemeinde Nordeshong einen zwei Jahre alten Knaben, den man nicht retten konnte und erst vor zwei Jahren wurde in Lexolksstrand in Norwegen ein fünf Jahr altes, aber noch sehr kleines Mädchen vom Felde entführt und die Eltern desselben fanden nur noch die Ueberreste des armen Kindes in dem Neste. – In der Provinz Siania wurde vor einiger Zeit ein Adler auf folgende sonderbare Weise gefangen. Ein Bauer bemerkte einen Adler über sich, der nach Beute suchte und beschloß, ihn herunterzulocken. Er kehrte die Rauhseite seines Schafpelzes nach außen und kroch damit auf allen Vieren umher. Der Adler ließ sich täuschen, stieß hernieder und der Bauer faßte ihn bei den Fängen und trug ihn im Triumph nach Hause. Dabei hatte er jedoch nicht Geringes auszustehen, denn in der Angst schlug der Adler die Krallen durch den Pelz in sein Fleisch. Der Adler wurde darauf in einen Käfig gesetzt und Lloyd hatte Gelegenheit, denselben nach einiger Zeit zu beobachten. Er wurde mit den Eingeweiden der geschlachteten Thiere, krepirten Schweine, Ratten oder Krähen und Elstern gefüttert, die zu diesem Zweck geschossen wurden. Das Schweinefleisch liebte er am meisten. War er sehr hungrig, so verschlang er die Ratten ganz. Einmal, als er sich an den Kaldaunen eines Kalbes satt gegessen hatte, schlich sich eine große Katze in seinen Käfig um den Rest derselben zu verzehren. Der Adler saß ganz ruhig mit niedergebeugtem Kopfe da, folgte aber den Bewegungen des Eindringlings scharf, und als die Katze sich zurückziehen wollte und ihren halben Leib schon durch den Käfig gebracht hatte, ergriff der Adler sie plötzlich und zog sie zurück, indem er einen Fang in ihre Weichen schlug. Die Katze machte eine verzweifelte Anstrengung, sich zu befreien und biß nach dem Fang ihren Feindes, da packte der Adler mit dem andern Fang ihren Kopf, so daß er durch beide Augen drang und so hielt sie der Vogel, bis das arme Graumieschen todt war. Dann schleppte er sie in die Mitte des Käfigs an seinen Aesungsplatz, indem er den Fang aus dem Kopfe zurückzog und sie mit dem andern wegführte. Sein erstes Verfahren war hierauf, daß er ihre Zunge herauszog und sogleich verschlang. Dann machte er mit dem Schnabel eine Oeffnung unter dem Brustknochen und fraß einen Theil der Lungen. Den Rest ließ er jedoch für den folgenden Tag liegen. Auch bei andern todten Katzen machte Lloyd die Bemerkung, daß der Adler die Zunge stets zuerst fraß. Dies beweist, daß er, trotz seiner Gefräßigkeit, doch ebenso gut wie der Mensch den Sinn für den feineren Geschmack hat.

Von dem grauen oder weißschwänzigen Seeadler wurde Lloyd Folgendes erzählt: Er stößt auf Wasservögel und auf Fische, wird aber dabei nicht selten von den Letzteren selbst überwunden. So sah man unlängst nicht weit von Bergen einen Adler einen Lachs angreifen, dieser war aber zu stark für ihn und er konnte ihn nur halb aus dem Wasser heben. So kämpfte der Lachs muthig gegen ihn, indem er seine ganze Kraft gebrauchte, sein Element wieder zu gewinnen und da der Adler sich nicht wieder von ihm losmachen konnte, so gelang es ihm, diesen zu ertränken. – In ähnlicher Weise besiegte einmal eine Ferse einen Adler. Auch diese war zu stark, als daß er sie emporheben konnte, sie rann daher mit ihm fort. Als sie sich einem Pfosten näherte, ergriff der Adler diesen mit einem Fange, um sie zum Stillstand zu bringen. Die Ferse stürmte jedoch mit solcher Kraft weiter, daß der Adler, der den Fang nicht losbekommen konnte, zerrissen wurde. – Der Fischadler läßt sich zähmen. Einem solchen wurde, nachdem er gezähmt, volle Freiheit gelassen und er kehrte stets von seinen Brüdern nach seiner Heimath zurück. Um ihn unterscheiden zu können, hatte man eine Glocke um seinen Hals gehängt. Wenn er nahte, hörte [154] man diese weit her und es versammelte sich stets ein Schwarm von Möven um ihn, welche der Schall anlockte. – Man schießt die Adler in Norwegen von Hütten aus, in deren Nähe man Aas hinlegt. Wenn sie durch dieses angelockt sind, kann man sie in Menge erlegen.