Zur Naturgeschichte des Hamsters

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Autor: Dr. Gergens
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Titel: Zur Naturgeschichte des Hamsters
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aus: Die Gartenlaube, Heft 52, S. 831
Herausgeber: Ferdinand Stolle
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1861
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
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[831] Zur Naturgeschichte des Hamsters. Als im verflossenen Sommer in den getreidereichen Gegenden des Herzogthums Nassau, wie in vielen anderen Theilen von Deutschland, nicht nur die Feldmäuse, sondern auch die Hamster sich ungewöhnlich vermehrt hatten und an den Feldfrüchten großen Schaden anrichteten, bezahlten die meisten Gemeindeverwaltungen für die eingelieferten Mäuse und Hamster eine bestimmte Summe, und die Knaben betrieben die niedere Jagd auf Mäuse mit lobenswerthem Eifer. Die bekannte Streitbarkeit der alten Hamster dagegen machte diese mehr zum Gegenstande der Verfolgung für Erwachsene, die außer dem Jagdvergnügen noch durch den höheren Preis angelockt wurden, den man für diese bissigen Unholde bezahlte.

Unter den Hamsterfängern in der Gegend von Wiesbaden zeichnete sich besonders der Hirt von Bierstadt durch seltenes Jagdglück aus, in Folge dessen er seine Mußestunden auf eine sehr lucrative Weise zu verwenden wußte. Geübt im Beobachten der Thiere und ihrer Eigenthümlichkeiten, hatte er wahrgenommen, daß der Hamster wie ein grämlicher Geizhals von seinen gesammelten Schätzen jedes Thier fern hält und, wenn zufällig eine Maus sich in seinen Bau verirrt, diese wüthend anfällt und auffrißt; denn der Hamster verschmäht keineswegs das Fleisch kleiner Thiere. Er hatte ferner wahrgenommen, daß in Folge dieser schlechten Nachbarschaft keine gewitzigte Maus es wagt, einen Hamsterbau zu betreten, so lange dessen Bewohner noch zu Haus ist. – Um nun nicht in den Fall zu kommen, verlassene Hamsterbaue aufzugraben und dadurch Zeit und Mühe zu vergeuden, fing der kluge Hirt, ehe er auf die Hamsterjagd ging, jedesmal zuerst eine alte Maus, band sie an einen Bindfaden und ließ sie in der Nähe eines Hamsterbaues laufen. Die Maus beeilte sich natürlich, sich dort zu verkriechen, kehrte aber eilends um, wenn sie den Hauseigenthümer witterte, wo dann der Hirt seine Nachgrabung begann und immer auf günstigen Erfolg rechnen konnte. Er soll einmal an einem Sonntage über hundert Hamster erlegt und gegen die ausgesetzte Prämie abgeliefert haben.

Die Hamstergräberei gab mir auch Gelegenheit, mich davon zu überzeugen, welche außerordentliche Menge von Getreide oft ein alter Hamster als sorgsamer Hausvater für die Tage des Mangels aufspeichert; da aber die Art, wie er dabei zu verfahren pflegt, hinreichend bekannt ist, übergehe ich ihre Beschreibung und beschränke mich auf die Mittheilung einer weniger bekannten Methode, deren sich der Hamster in unseren Weingegenden bedient, um wahrscheinlich bei festlichen Gelegenheiten seine gewöhnliche Getreidekost durch einen besonderen Leckerbissen würzen zu können. Der Hamster liebt es nämlich sehr, zur Abwechselung Trauben zu fressen, was seiner Gesundheit nur zuträglich sein kann. Vielleicht ist dies der Grund, daß er in Rheinhessen seinen Bau gerne in der Nähe von Weinbergen anlegt. Dort holt er sich nun auch Trauben für den Winter, die er auf eine Weise behandelt, welche uns als Muster bei der Aufbewahrung aller Obstarten dienen kann. In seinen Backentaschen trägt er nur völlig gesunde Beeren nach Haus, die er so abgebissen hat, daß immer noch der halbe Stiel daran sitzt. – In seiner Vorrathskammer bedeckt er den Boden der Abtheilung, welche die Traubenbeeren aufzunehmen bestimmt ist, zuerst etwa ein halb Zoll hoch mit völlig trockener Spreu, und legt darauf die Beeren, die er ganz rein abzulecken scheint, damit durchaus kein Saft daran hänge, so neben einander, daß jede von der daneben liegenden durch einige Spreublättchen getrennt ist und keine die andere unmittelbar berühren kann. Nun folgt wieder eine dicke Lage von Spreu, dann wieder Trauben und sofort. Noch mitten im Winter findet man in solchen Hamsterbauen vollkommen frische Trauben, die vielleicht zur Feier des Osterfestes aufgespart wurden.

Wer hat den Hamster gelehrt, seine Trauben so äußerst zweckmäßig aufzubewahren? Ist das auch angeborener Naturtrieb, Instinct? Was wird aus diesem Instinct, wo es keine Trauben giebt? – Es gehört doch eine eigenthümliche Verstocktheit dazu, wenn man so beharrlich den Thieren die Fähigkeit absprechen will, Erfahrungen zu machen und durch Erfahrungen klüger zu werden. – Unstreitig haben die Thiere Vernunft und benutzen sie, ob der Mensch in seinem Dünkel diese Eigenschaft anerkenne oder nicht.

Dr. Gergens.