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Zwei merkwürdige religiöse Sekten

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Textdaten
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Autor: unbekannt
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Titel: Zwei merkwürdige religiöse Sekten
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 11, S. 152
Herausgeber: Ferdinand Stolle
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1856
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
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[152] Zwei merkwürdige religiöse Sekten. Wie in der Türkei überhaupt, so herrscht in der Moldau und Walachei ein buntes Sektenwesen. Die merkwürdigsten unter den in diesen Ländern vorhandenen Sekten sind unstreitig die sogenannten Starowierczi (Altglauber) und Skopitzi (Hämmlinge). Die Starowierczi, d. h. Altgläubge oder Roskolniki, stammen aus Rußland. Sie schieden in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts aus der orthodoxen griechischen Kirche, weil sie sich mit der von dem moskauer Patriarchen Nikon vorgenommenen Revision der alten Gebetbücher nicht einverstanden erklärten, die neuverbesserte Bibelübersetzung verwarfen, und nur die Schriften der älteren Patriarchen anerkannten. Sie scheiden sich in zwei Sekten: die Philipponen und Lippowaner. Erstere erkennen keinerlei geistliches Oberhaupt der Kirche an und haben keine ordinirten Priester. Die Taufe verrichtet der Vater des Kindes. Die Ehe wird durch eine vor Zeugen abgegebene Erklärung geschlossen. Die übrigen gottesdienstlichen Handlungen verrichtet der sogenannte Starik, eine Art von Presbyter. Ihren Namen haben die Philipponen von einem ihrer Alten, Philipp Postoswiat, um welchen sie sich schaarten, als sie aus Rußland vertrieben wurden. Die Lippowaner, welche übrigens in ihren Religionsgrundsätzen mit den Philipponen übereinstimmen, haben ihre eigenen Priester, daher sie auch in Rußland geduldet werden. Die Ableitung ihres Namens ist nicht bekannt. Die in Ibraila ansässigen Altgläubigen sind sämmtlich Lippowaner. Sie haben eine Kirche, eigene Geistliche, und ihr Ritus ist fast ganz jener der orthodoxen griechischen Kirche. Sie stimmen auch mit dieser Kirche in Betreff der Fasten und der Feiertage überein. Als besondere Eigenthümlichkeiten treten bei ihnen hervor: das Verbot der Ehescheidung und der Nichtgebrauch der Aerzte. In Bezug auf letztere Vorschrift antwortet ein Daskal (Lehrer) auf die an ihn deshalb gerichtete Frage: „Domnezer a dat, domnezer a hrat“ (der Herr hat´s gegeben, der Herr hat´s genommen). Von den Philipponen und Lippowanern verschieden sind die sogenannten Skopitzi. Diese sondern sich von Andersglaubenden besonders streng ab. Es herrscht bei dieser Sekte, die nur aus männlichen Mitgliedern besteht, der sonderbare Gebrauch der Entmannung. Sie meiden die Gesellschaft der Weiber und leben immer zu 4 bis 6 Personen in einem Hause zusammen. Die Bewohner eines Hauses nennen sich Brüder und scheinen in einer Art von Gütergemeinschaft zu leben. Stirbt einer von ihnen, so bleibt das Vermögen desselben den übrigen Bewohnern des Hauses, die sich durch Proselyten wieder ergänzen. Durch Versprechungen und selbst durch Gewalt suchen sie Proselyten zu machen. Unrichtig scheint die häufig gehörte Behauptung, daß sie eine Zeit lang in der Ehe leben und sich erst nach einer bestimmten Zeit oder nach Erzeugung von zwei Kindern entmannen. So viel man hat ermitteln können, tritt die Entmannung sofort nach der Aufnahme in die Sekte ein und die Skopitzen als solche kennen die Ehe nicht. Ueber ihre gottesdienstlichen Gebräuche hört man, daß sie bei ihren Zusammenkünften sich mit langen weißen Hemden bekleiden und ähnlich wie die tanzenden Derwische so lange herumspringen, bis das Hemd von Schweiß trieft. Stirbt ein Skopitz, so wird er in aller Heimlichkeit begraben, ohne daß die Andersglaubenden erfahren, wo der Leichnam bleibt. Die Skopitzen schlafen nicht auf Polstern, rauchen nicht, genießen weder geistige Getränke noch Fleisch und leben nur von Thee, Eiern, Milch u. s. w.• Eigentliche Feste halten sie nicht. In Jassy und Bukarest kommen sie in größerer Zahl vor.