Zweihundert deutsche Männer in Bildnissen und Lebensbeschreibungen/Albrecht Wenzel Eusebius von Wallenstein
Dieser berühmteste Feldherr des dreißigjährigen Krieges
entstammte einem alten freiherrlichen Geschlechte Böhmens,
und wurde zu Hermanic, einem der väterlichen Schlösser,
geboren. Sein ganzes reiches Leben umwob von der
Jugend an einestheils die Poesie und die Dichtung mit
manchem märchenhaften Zauber, anderntheils die Lüge
und der Haß mit den entstellenden Schleiern boshafter
Verläumdung, so daß zwei Jahrhunderte haben vergehen
müssen, ehe das Heldenbild des Mannes zwar
nicht völlig rein und makellos, aber doch im gediegenen
Spiegel der Wahrheit vor das Auge der Nachwelt
trat. Wallensteins freiherrliche Aeltern gehörten nach
ihrer Glaubensrichtung zu den böhmischen Brüdern,
und der Sohn besuchte eine Zeit lang die Schule der
Brüdergemeinde in Koschumberg; im sechszehnten Lebensjahre
nahm ihn aber zu fernerer Ausbildung das Jesuitenconvictorium
zu Olmütz auf, dort wurde er katholisch.
An diesen in der Natur der Sache liegenden
ganz natürlichen Uebertritt knüpft die Sage den Sturz
von einem Thurme herab, von dem er sich unversehrt
erhoben – dann soll Wallenstein die Universitäten
Bologna und Padua in Gesellschaft des jungen Edelmanns
Liezec von Riesenburg besucht haben. Ebenso
wird auch noch ein Studienaufenthalt zu Goldberg, zu
Altdorf und zu Innsbruck genannt. Die gelehrte Forschung
hat letzteren zu beseitigen versucht, Altdorf aber
läßt sich nicht hinweg behaupten, denn in der noch vorhandenen
Matrikel jener Hochschule steht sein Name
eingetragen und es liegen Akten über seinerseits verübte
Ruhestörung vor. Nur die Geschichte mit dem
neuen Carzer und Wallensteins in dasselbe voranlaufendem
Hund gehört der Sage an. Da Wallenstein
später als gefürchteter Feldherr nach Altdorf kam, beriefen
sich Magistrat und Hochschule auf seine frühere
Anwesenheit in ihren Mauern und erbaten seinen
Schutz. Wallensteins Lieblingsstudien waren Mathematik
und Kriegswissenschaft, Astrognosie und Astrologie.
Nach mehreren Reisen durch Italien, Frankreich,
die Niederlande und Deutschland kehrte der junge Freiherr
in seine Heimath zurück und widmete sich dem
Kriegsdienste im Heere Kaiser Rudolfs gegen Ungarn
und Türken. Als der Friede geschlossen war, vermählte
[Ξ] er sich mit einer alten reichen Wittwe, die er
nach kurzer kinderloser Ehe verlor; dadurch und durch
anderweite Erbschaften gelangte Wallenstein zum reichen
Besitze vieler Güter und vermochte eine bedeutende und
hervortretende Rolle zu spielen. In dem Kampfe des
Erzherzogs Ferdinand von Steiermark gegen den Freistaat
Venedig (1616) führte er dem Erzherzog 200
auf eigene Kosten ausgerüstete Reiter zu, und zeichnete
sich durch persönliche Tapferkeit aus. Nach dem Friedensschluß
gab ihm Kaiser Matthias ein Reiterregiment,
und ernannte ihn zugleich zum Kämmerer, erhob ihn
auch in den Grafenstand. Jetzt schloß Wallenstein ein
neues Band der Ehe mit der Tochter des begüterten
kaiserlichen Rathes und Kämmerers, Grafen von Harrach.
Es war nun natürlich, daß er beim Ausbruche
des dreißigjährigen Krieges allen Versprechungen der
Aufständigen, die ihn auf ihre Seite zu ziehen versuchten,
widerstand und zu seinem Kaiser hielt; und
nun begann seine Heldenlaufbahn, die er mit Siegen
zeichnete. Der Erfolg war der Ankauf zahlreicher
Herrschaften, deren Besitzer als Rebellen erschlagen oder
vertrieben waren, und die Erhebung in den Reichsfürstenstand,
an die sich die kaiserliche Belehnung mit
der Herrschaft Friedland reihte. Bald ernannte der
Kaiser Wallenstein zum Herzog von Friedland,
und es umgab den letztern nun Glanz und Fülle des
Ansehens und Reichthums. Das Herzogthum des
weltberühmten Feldherrn und späteren Generalissimus
der kaiserlichen Heere umfaßte nicht weniger als 66
Städte, Flecken und Dörfer, ohne die denselben nicht
einverleibten Herrschaften. Des Kaisers Dank und
Liebe war so groß, daß er sich nicht mit der schlichten
Ernennung seines Günstlings zum Fürsten begnügte,
sondern ausdrücklich ihm das Prädicat „Oheim auch
Unserm und des Reichs Fürsten und lieben Getreuen“
besiegte und verlieh. Dieß geschah 1623 und 1624.
Wallensteins Dank und Anhänglichkeit war nicht minder
groß, wie seines Kaisers Gunst, und er rüstete
Truppen auf Truppen aus, erfocht Siege auf Siege.
Der Sieg über die dänisch-weimarischen Truppen in
Schlesien machte Wallenstein zum Herzog von Sagan,
der Zug gegen Dänemark zum Herzog von Mecklenburg,
später verlieh ihm der Kaiser das Herzogthum
von Groß-Glogau, und es fehlte wenig, so wäre
er König von Dänemark geworden. Wallenstein übte
seine Rechte als Reichsfürst in vollem Maaße aus, er
ließ vollwichtige Münzen Prägen, allein an Dukaten
jährlich 12000, mit seinem Bilde, Wappen und
Titel. Sein Haus- und Hofhalt war streng geregelt,
ein Musterbild von Zucht und Ordnung, aber so sehr
er ein guter Wirth war, so wenig kargte er, und wo
er zu belohnen Anlaß fand, belohnte er eher königlich
als herzoglich, was indeß bisweilen trotz allen Reichthums
auch Geldverlegenheiten herbeiführte. Der Wallensteinische
Hofstaat bestand aus 9 Personen des höheren
Dienstes, 20 Leuten für den Leib- und Tafeldienst,
deren Gesammtbedienung mit ihnen selbst ein äußerst
zahlreiches Personal mit der entsprechenden Menge von
Pferden erforderte. Dazu die Kriegskanzlei, die Küche,
die Silberkammer, der Stall – zusammen ein Leib-
und Hofdienerpersonal von 900 Menschen und 1072
Pferden. Wallenstein, zu dessen Fahnen alles fahrende
und herrenlose Kriegsvolk freudig strömte, hatte dem
Kaiser im Jahre 1625 ein Heer von 20,000 Mann
ausgerüstet, dadurch kaiserliche Truppen noch um
10,000 Mann vermehrt von ihm dem Heere Tillys
zugeführt wurde, später, auf 50,000 Mann gebracht,
gegen den heldenmüthigen Mansfelder kämpfte, und so
erfüllte der Kriegslärm der wallensteinischen Heeresmacht
und des Feldherrn gefürchteter Name Deutschland
von einem Ende zum andern. Nach der mißlungenen
Belagerung Stralsunds aber und dem Frieden
mit Dänemark begann sein Stern sich zu trüben, es
liefen dringende Klagen über die grausamen Bedrückungen
aller Lande beim Kaiser ein, und dieser enthob Wallenstein
der Würde des Generalissimus, 1630. Wallenstein
fügte sich ohne Murren, zog sich auf sein Residenzschloß
Gitschin zurück, und lebte dort, wie auch
abwechselnd zu Prag mit fürstlicher Pracht, und blieb
mit dem erhabenen Freunde auf dem Throne, dem
Kaiser, in ununterbrochenem Briefwechsel. Bald genug
ließ König Gustav Adolfs Landung und Vordringen
die Unentbehrlichkeit eines Feldherrn wie Wallenstein
empfinden; er wurde wieder als Generalissimus mit
größerer und ausgedehnterer Vollmacht als früher und
mit den glänzendsten Versprechungen an die Spitze
eines Heeres von 40,000 Mann gestellt, und begann
nun seine erneuten Feldzüge 1632. Wallenstein eroberte
Prag, vertrieb die Feinde aus Böhmen und wandte sich
gegen Gustav Adolf, der den Sieg bei Lützen mit
dem Opfer seines Heldenlebens erkämpfte. Nach streng
vollzogenem rächenden Richterspruch über flüchtig gewordene
Führer seiner Truppen und kurzer Winterrast
begann er 1633 den Krieg in Schlesien, und bald begannen
nun auch gegen ihn die heimlichen Ränkeschmiedungen
seiner Feinde, und der Kaiser zitterte vor
der übergroßen Macht, die er selbst in die Hände dieses einen,
kühnen Mannes gelegt hatte. Noch einmal war
Wallenstein bereit, den Oberbefehl abzugeben, aber
seine Feldherren waren dagegen, denn in ihm, nicht
im Kaiser, sahen sie ihren Halt und ihre Stütze. Ein
Bündniß derselben mit ihm, treu zusammen zu halten,
wurde als Aufruhr und Hochverrath gegen den Kaiser
gedeutet, und dadurch die unglückliche Katastrophe herbeigeführt,
die dem Leben des bedeutenden Mannes zu
Eger durch den schnödesten Meuchelmord ein Ende machte.
Die gründlichen Forschungen der Neuzeit habm überwiegend
dargethan, daß Wallenstein kein Hochverräther
war; daß nur ein Lug- und Truggewebe von Verrath
und Hinterlist durch seine Feinde ihn fällte, und
daß sein Charakter in dieser Beziehung gerechtfertigt
da steht, wenn auch die Weise seiner Kriegführung
und manche Grausamkeit tiefe Schatten auf sein Leben
wirft.