Zweihundert deutsche Männer in Bildnissen und Lebensbeschreibungen/Andreas Hofer
Der gefeierte Patriot und Held Tirols, den sein Opfertod
für das Vaterland mit der Märtyrerkrone schmückte,
und der deshalb im Andenken der Nation unsterblich
fortebt. Hofer wurde bei St. Leonhard im Passeyr-Thale
geboren, und erhielt die Erziehung eines der
wohlhabenderen Bauernsöhne. Der Vater, Joseph Hofer,
war »der Wirth am Sand«, und zog den kräftigen
Sohn zu seinem Geschäft heran, das aus Gast- und
Schänkwirthschaft, Pferde- und Weinhandel bestand,
und sich lebhaften Betriebes erfreute, da der Verkehr
durch den Gebirgspaß ein stets reger war. Daher
mußte Andreas nothdürftig lesen und schreiben und
auch etwas italienisch radebrechen lernen, außerdem aber
folgte er mit Vorliebe dem Zuge der Gebirgsbewohner,
sich durch körperliche Uebungen, durch Jagd und Ringkämpfe
zu kräftigen, und wurde einer der geübtesten
Schützen. Später wurde er selbst »Sandwirth« und
galt als einer der angesehensten unter den Landleuten,
daher er auch 1790 in den Tiroler Landtag gewählt
wurde. Im Jahre 1796 trat Andreas Hofer an die
Spitze einer Compagnie Gebirgsschützen, die er herab
zum Gardasee gegen die Franzosen führte, ohne jedoch
Gelegenheit zu finden, sich auf diesem Zuge besonders
hervorzuthun. Er kehrte zu seinem Sandwirthshaus
zurück, und führte als wackrer Familienvater und redlicher
Wirth das Leben eines geachteten Mannes, der
seinen Geschäften und seinem Haushalt treulich vorsteht;
das Schicksal vergönnte ihm aber nicht die friedliche
Ruhe des Privatmannes, sondern hatte ihn erkoren,
als politischer Held eine Rolle zu spielen. Bei der
dauernden Gefahr, die das Land Tirol bedrohte, widmete
auch Hofer, von der treuesten Vaterlandsliebe
erfüllt, dem Lande seinen Antheil und seine kräftige
Wirksamkeit; er half im Jahre 1803 die Landmiliz
ordnen und einrichten, ging 1805 mit einer Deputation
zum Erzherzog Johann, um diesem im Namen
des Landes ein schmerzliches Lebewohl zu sagen, und
gesellte sich zu Anfang des Jahres 1809 jenen geheimen
Abgeordneten zu, die von mehreren tiroler Landgemeinden
nach Wien entsandt wurden, um dort die
Stimmung des Kaiserhofes zu erforschen, dem Kaiser
vorzutragen, was das Tiroler-Land leide, was es hoffe,
[Ξ] und wie es bereit sei, alles einzusetzen, und mit Gut
und Blut die alte Treue an das angestammte Kaiserhaus
zu besiegeln. Diese heimlichen Werbungen blieben
nicht ohne Gehör und Erfolg; durch den Erzherzog
Johann ging dem Freiherrn von Hormayr, einem Eingeborenen
des Landes, der Befehl zu, einen Aufstand
des gesammten Tirols gegen den Feind einzuleiten, und
heimlich ganz Tirol und Vorarlberg unter die Waffen
zu rufen, während der Erzherzog als Oberfeldherr der
nach Tirol und Oberitalien bestimmten Armee jede
Unterstützung zusagte. Freiherr von Hormayr, bestimmt,
an der Spitze der Bewegung, der außerordentlichen
Landesbewaffnung und Landesverwaltung zu stehen,
entwarf den Plan, und bediente sich Andreas Hofer’s
zu dessen Ausführung, die einen so glücklichen Erfolg
hatte, daß binnen 48 Stunden das Land von Franzosen
gesäubert, und 8000 Feinde vernichtet, entwaffnet
oder gefangen waren. Ebenso hob Hofer bei Sterzing
das bayrische Bataillon Bärenklau auf. Gleich nach
der Befreiung Nordtirols drang Hofer in Südtirol ein,
und vertrieb daraus den französischen General Baraguay
d’Hilliers. Da wurde Andreas Hofer schnell der berühmte
Mann des Volkes, der Name des Sandwirths
im Passayr schwebte aus allen Lippen. Bald aber
wälzte Frankreich sein Heer gegen die Kaiserstadt, Bayern
das seine ins Tirol, und es entbrannten die wüthendsten
Kämpfe. Wien wurde übergeben, Tirol wurde behauptet,
und abermals befreit. Hofer konnte an der
Spitze seiner Passeyrer Scharfschützen siegreichen Einzug
in Innspruck halten. Freiherr von Hormayr stellte
nun Hofer an die Spitze der gesammten Streitmacht
Tirols, welche 5000 Mann zählte, Klagenfurt sollte
genommen werden, das neunte Armeekorps Zuzug und
Hülfe leisten, und damit die Befreiung ganz Innerösterreichs
mit einem Schlage bewirkt werden. Allein
der Plan scheiterte, zum Theil mit vereitelt durch den
Waffenstillstand von Znaim (12. Juli 1809), und
mit Schmerz sahen die treuen Tiroler sich mitten auf
ihrer Siegesbahn gehemmt, und durch den Stillstand
der Waffen sich die Hände gebunden. Das Heer zerstreute
sich, und sein heldenherziger Führer mußte sich,
vor Verrath nicht sicher, in einer einsamen Hütte des
Gebirges verborgen halten; doch blieb er sorgsam und
wach und wartete seiner Zeit. Jetzt rückte das französische
Heer gegen Tirol; leider mit vielen Truppen
verbündeter deutscher Staaten, und plötzlich stand Hofer
wieder selbständig an der Spitze seiner Landsleute,
führte sie mit Unerschrockenheit gegen den an Zahl weit
überlegenen Feind, und gewann nach zwei heißen Schlachttagen
(13. und 14. August) abermals den Sieg, warf
die Feinde, zog abermals, vom Volke umzingelt, als
Sieger in Innspruck ein. Unter dem angenommenen
Titel eines Oberkommandanten von Tirol nahm Hofer
jetzt seinen Wohnsitz in der kaiserlichen Burg, und übte
eine Art Regentschaft aus. Die bürgerliche, wie die
militärische Verwaltung leitete er jetzt ausschließlich und
allein; er stellte an und setzte ab, saß zu Gericht und
entschied Processe, ja er ging noch einen Schritt weiter,
er übte ein ausschließliches Vorrecht der höchsten Gewalt
aus, er ließ Landesmünzen prägen, nicht mit dem
kaiserlichen Doppelaar, sondern mit dem einköpfigen
Adler Tirols, um die Krone des Adlers einen Lorbeerkranz
– Gulden, Zwanziger, Zehner, Fünfer in Silber,
Kreuzer und halbe Kreuzer in Kupfer. Es war ein
kurzer Traum von Glück, Größe und Macht, obschon
Hofer’s redlicher Sinn sich der letzteren nie überhob.
Der Wiener Friedensschluß vom 14. Oktober zerstörte
alle Hoffnungen und alles Glück Tirols, auch Hofer’s
Stern erblich. Noch einmal zum Aufstand gereizt, und
zwar jetzt zum unrechtmäßigen, gegen den Willen seines
Herrn und Kaisers, sammelte Hofer sich neue Truppen
im Oberinnthal und im Vintschgau, um sie gegen die
Franzosen zu führen, die das Land zu besetzen kamen – und
diesesmal siegte er nicht wieder. Ein geächteter
Flüchtling mußte er sich in die Klüfte eisbedeckter Alpen
bergen, und keine Macht vermochte ihn zu beschützen.
Der schändlichste Verrath beschlich ihn, der 20. Januar
1810 gab ihn in die Hände seiner Feinde, und mit
Frau und Sohn und Töchtern, mit seinem Adjutanten
und Schreiber wurde er über Meran und Botzek nach
Mantua geschleppt, nachdem in Botzen, wo er mehrere
Tage in Haft gehalten wurde, die Seinen freigegeben
worden waren. Am 10. Februar wurde Hofer zum
Tode verurtheilt, am 20. desselben Monats wurde das
Urtheil vollstreckt. Er wurde erschossen und sein Vermögen
eingezogen. Später wurde die Familie des hingerichteten
Patrioten entschädigt, wenn Geld und Rang
eine Entschädigung heißen kann für einen gemordeten
treuen Gatten und Vater. Die Wittwe behielt ihr
Haus am Passeyrer Sand, später wurde Hofer’s Geburtshaus
in ein Hospital für 16 alte Tiroler verwandelt,
die Kinder des Mannes, der einst vogelfrei
gewesen, durften sich fortan Hofer, Edle von Passeyr
nennen, und es ward reichlich gesorgt für ihre Zukunft.