Zweihundert deutsche Männer in Bildnissen und Lebensbeschreibungen/Friedrich von Matthisson

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Textdaten
<<< >>>
Autor: Ludwig Bechstein
Illustrator: {{{ILLUSTRATOR}}}
Titel: Friedrich von Matthisson
Untertitel:
aus: Zweihundert deutsche Männer in Bildnissen und Lebensbeschreibungen, S. 251–252
Herausgeber:
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1854
Verlag: Georg Wigand's Verlag
Drucker: {{{DRUCKER}}}
Erscheinungsort: Leipzig
Übersetzer:
Originaltitel:
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: Google und Commons
Kurzbeschreibung:
Eintrag in der GND: [1]
Bild
[[Bild:|250px]]
Bearbeitungsstand
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Um eine Seite zu bearbeiten, brauchst du nur auf die entsprechende [Seitenzahl] zu klicken. Weitere Informationen findest du hier: Hilfe
Indexseite


[Ξ]


Friedrich von Matthisson.
Geb. d. 23. Jan. 1761, gest. d. 12. März 1831.


Matthisson war ein wahrhaft liebenswürdiger Dichter und blieb lange Zeit Liebling seiner Nation, der sich ebenso musterhaft als anmuthig in lyrischen Formen bewegte und anregend und fördernd durch Sammlung und Auswahl vaterländischer Dichter wirkte. Er genoß als Sohn eines Predigers, zu Hohendodeleben bei Magdeburg geboren und früh verwaist, die Erziehung eines ihm verwandten Pfarrers in Krakau, ebenfalls in Magdeburgs Nähe, und so mag schon frühzeitig das Stillleben ländlichen Friedens tiefen Eindruck in seine Seele geprägt haben, das er mit den lieblichsten Farben in seiner Kindheitidylle: »Die Pappelweide zittert« geschildert hat. Im 14. Lebensjahre schied Matthisson aus dem Jugendparadiese, vom »Magnetenberg« der Sagen – und kam auf die Schule zu Klosterbergen, von wo er die Universität Halle bezog und der Theologie sich widmete. Als jungen Erzieher berief man ihn an das Philanthropin zu Dessau, doch blieb er dort nicht lange, sondern nahm eine sich darbietende Hofmeisterstelle bei einer Gräfin Sievers aus Liefland an, deren Söhne er in Dessau mit unterrichtet hatte, und mit denen er später reiste. Matthisson lernte in Hamburg Klopstock, in Wandsbeck Claudius kennen, Goethe’s und der übrigen berühmten Weimarer persönliche Bekanntschaft, so wie die v. Dalberg’s hatte er schon früher gemacht. Das Jahr 1785 führte ihn in Heidelberg zu Bonstetten, 1786 war er in Mannheim und im darauf folgenden Jahre in Nyon, wo der Freundschaftsbund mit dem dort heimischen Bonstetten sich erneute und wo der fleißige und geistvolle Naturforscher und Naturphilosoph Charles Bonnet ihn in die Kreise seiner Neigungen zog. Heiter angeregt verlor sich die trübe krankhafte Stimmung, von welcher sich Matthisson eine Zeitlang ergriffen gefühlt hatte; er fand sich heimisch außerhalb der deutschen Heimath, in dem milden Klima südlicher Gelände, ging 1789 als Hauslehrer nach Lyon und lernte die dort lebenden durch und durch poetischen Menschen v. Salis und Friederike Brun kennen, welche letztere mit ihrem Gatten auf einer Reise durch Frankreich in die Schweiz begriffen war. Matthisson lebte in dem schönen Kreise gebildeter und zartfühlender Geistesverwandten theils in [Ξ] Lyon, theils auf dem am Genfer See reizend gelegenen Landsitze Grandelos ein glückliches Leben, welches sein gefeiertes Gedicht: »der Genfer-See« mit zauberhafter Anmuth wiederspiegelt. Aus allen diesen irdischen Himmeln, aus dem traulichen Asyl schöner Natur und edler Freundschaft trieb diese deutschen Dichter der Ausbruch der französischen Revolution. Matthisson ging nach seiner Heimath zurück und fand bald bei der regierenden Fürstin Luise Henriette Wilhelme zu Anhalt-Dessau eine ihm willkommene Stellung als Reisebegleiter und Vorleser, und es fügte sich erwünscht, daß auch Friederike Brun sich der hohen Herrin als Reisegefährtin nach Italien anschloß, um unter südlichem Himmel ihre schwankend gewordene Gesundheit wieder zu kräftigen. Jahre des Aufenthaltes im südlichen und nördlichen Italien, in Rom und Neapel, in Südtyrol und in der Schweiz gingen vorüber, und Matthisson war es vergönnt wie wenigen, ein reines, von anderen Berufsgeschäften unbeengtes Poetenleben zu führen, während er sich dem Vaterlande in würdigster Weise als Dichter offenbarte. Nach der Rückkehr aus dem Süden 1794 wohnte Matthisson in Wörlitz bei Dessau.

Seine Gedichte waren schon 1786 zuerst in Mannheim erschienen und entzückten durch ihre tiefempfundene Wahrheit, durch rührende oder kindliche Naivität, durch die Wärme des Kolorits in der poetischen Natur- und Landschaftmalerei, in der ihm von vielen gleichzeitig strebendes vielleicht nur Otto Graf v. Haugwitz am nächsten kam. Mit Leichtigkeit schmiegte des Dichters Muse sich auch antiken Metren an, und seine Prosa namentlich in den »Briefen« und der »Alpenreise« war voll Stylglätte. Schiller erkannte öffentlich und freudig den poetischen Genius Matthisson an, der König von Württemberg verlieh dem Dichter den Adel und setzte ihm den Pegasus als Zier auf den Helm, die Sängerharfe in das himmelblaue Feld des neuen Wappens. Derselbe König nahm nach dem Tode von des Dichters erhabener Freundin, der Fürstin von Anhalt-Dessau, diesen in seinen Dienst, ernannte ihn zum Legationsrath, zum Ritter des Civilverdienstordens und zum Oberbibliothekar, worauf Matthisson in angenehmster und gleichster Stellung und Thätigkeit bis 1819 in Stuttgart lebte. Sein Gedicht »Adelaide« mit Beethoven’s ewig schöner Musik klang über den ganzen civilisirten Erdkreis; durch seine »lyrische Anthologie«, Zürich 1803-1807, 20 Theile, erwarb er sich das Verdienst, seine Landsleute, seine zahlreichen Leser wiederholt darauf hinzuweisen, daß das deutsche Vaterland eine reiche poetische Nationalliteratur habe, daran von Zeit zu Zeit zu erinnern, sehr wohlgethan erscheint. Dieses Werk, das der hohen Gönnerin gewidmet war, gab Proben, Lebensnachrichten und Charakteristiken von 200 deutschen Dichtern.

Noch einmal reiste Matthisson im Jahre 1819 als Begleiter des Herzogs Wilhelm von Württemberg nach Italien, weilte ziemlich lange in Florenz, und erhielt dann 1835 das Ritterkreuz der Württembergischen Krone. Im letzten Jahrzehent seines Lebens verstummte die Sängerharfe, die viele Tausende erfreut, und der Dichter selbst ging 1831 zur irdischen Ruhe ein.