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Zweihundert deutsche Männer in Bildnissen und Lebensbeschreibungen/Joh. Chrysost. Wolfgang Amadeus Mozart

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Textdaten
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Autor: Ludwig Bechstein
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Titel: Joh. Chrysost. Wolfgang Amadeus Mozart
Untertitel:
aus: Zweihundert deutsche Männer in Bildnissen und Lebensbeschreibungen, S. 267–268
Herausgeber:
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1854
Verlag: Georg Wigand's Verlag
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Google und Commons
Kurzbeschreibung:
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Joh. Chrysost. Wolfgang Amadeus Mozart.
Geb. d. 27. Jan. 1756, gest. d. 5. Dec. 1791.


Die Beweise, welche Mozart seit seinem dritten Jahr von dem feinsten Gehör und einer außerordentlichen Geschicklichkeit musikalische Ideen aufzufassen und zu produciren gab, würden unglaublich scheinen, würden sie nicht durch glaubwürdige Berichte bezeugt und durch die spätern Erfolge gerechtfertigt. Schon in seinem sechsten Jahre konnte der Vater, der bei nicht gemeinen Anlagen und durch große Anstrengungen es bis zum Vicekapellmeister des Erzbischofs von Salzburg gekracht hatte, ihn mit seiner fünf Jahr ältern Tochter, die ebenfalls hervorragendes Talent besaß, auf einer Reise nach München und Wien zum allgemeinen Erstaunen als einen ausgezeichneten Klavierspieler produciren. Auf einer kleinen ihm dort geschenkten Geige fing er tändelnd an zu spielen und brachte es auch auf diesem Instrument bald zur Virtuosität. Bei stets gesteigerten Fortschritten – denn der lebhafte, bewegliche Knabe hatte nun für gar nichts mehr Sinn als für Musik – unternahm der Vater 1763 mit beiden Kindern eine längere Reise und kehrte mit ihnen, die nun einen europäischen Ruhm erlangt hatten, 1766 nach Salzburg zurück. Bereits unterwegs hatte Wolfgang seine ersten Compositionen drucken lassen, und als er 1768 mit dem Vater nach Wien reiste, mußte er im Auftrag des Kaisers Joseph eine Oper la finita semplice componiren, und dirigirte eine zur Einweihung des Waisenhauses von ihm componirte geistliche Musik. Schon im folgenden Jahr wurde er Concertmeister in Salzburg und reiste 1769 nach Italien, wo damals noch der Musiker seine Weihe und die Bestätigung eines sonst erworbenen Ruhms erlangen mußte. Der enthusiastische Beifall der entzückten Italiener empfing seine Leistungen und er erhielt den Auftrag für Mailand die Oper Mitridate zu componiren. In den folgenden Jahren schrieb er ebenfalls für Mailand die Opern Ascanio in Alba und Lucio Silla, la finta giardiniera und die beiden Gelegenheitsopern il sogno di Scipione und il re pastore. Uebrigens waren dieses Jahre ernsten und unablässigen Studiums, durch welches er sich vollständig in den Besitz aller Mittel seiner Kunst setzte. Der größte Theil seiner Kirchencompositionen und Instrumentalwerke ist in diesen Jahren entstanden. Aber bei allem Beifall blieb er doch in einer unwürdigen Lage, kleinlichen und erniedrigenden Anforderungen [Ξ] fortwährend ausgesetzt. Einer solchen Behandlung müde, nahm er im J. 1777 seinen Abschied und trat eine Kunstreise an, um, wenn es ihm in Deutschland nicht glücken sollte, in Paris sich Ruhm und Geld und von da aus eine Stellung zu erwerben. Da der Vater seinen Posten nicht verlassen konnte, ließ er die Mutter mit dem Sohn reisen, den er allein nicht in die Welt zu senden wagte. Froh seiner Freiheit lies der Jüngling in die Welt, der er in argloser Gutmüthigkeit vertraute, wie sehr ihn auch der erfahrene Vater warnte, seiner Stellung in der Kunst und seiner Erfolge ohne alle Ueberhebung sich bewußt, jugendlich heiter bis zur Ausgelassenheit, nur ernst und entschieden wo es die Kunst galt, offen und zugänglich, lebhaft und zum Spott geneigt, aber ohne alle Anlage für Wirklichkeit – da konnten harte Erfahrungen nicht ausbleiben. Nachdem er in München durch Versprechungen lange hingehalten war, ging er nach Mannheim, um dort dasselbe zu erfahren. Hier fesselte ihn eine lebhafte Neigung für eine junge Sängerin Aloysia Weber; der Wunsch sie zu besitzen rief Pläne hervor, wie sie ein leidenschaftlicher Jüngling macht. Es bedurfte der ernsten Aufforderung des Vaters ihn zur Reise nach Paris zu bewegen. Allein auch hier schlugen seine Erwartungen fehl. Das Interesse, das man für das Kind gehabt, wollte sich jetzt nicht erneuern; sich Gunst zu erschmeicheln verstand er nicht, und durch Unterricht sich seinen Unterhalt zu sichern, widerstrebte seiner Natur. Um seine Lage vollends unerträglich zu machen starb seine Mutter, die zwar keinen nachhaltigen Einfluß auf ihn geübt hatte, aber herzlich von ihm geliebt war. Als daher von Salzburg, wo man ihn doch sehr ernstlich vermißte, die Berufung zum Hof- und Dom-Organisten mit freierer Stellung und erhöhtem Gehalt an ihn erging, entschloß er sich, da sein Vater sehnlich wünschte ihn in einer gesicherten Stellung und in seiner Nähe zu sehen, dieselbe anzunehmen und er reiste, ungern und langsam, nach Salzburg zurück. In München sah er seine Aloysia wieder, fand aber ihre Neigung für ihn erkaltet, und so mußte er auch diese Wunde mit nach Hause bringen (1780). Noch im selben Jahr bekam er den Auftrag für München die Oper Idomeneo zu schreiben, welche er dort im Januar 1781 mit außerordentlichem Beifall auf die Bühne brächte. Mit diesem Werk war der große Künstler vollendet. Im Genuß wohlverdienten Ruhmes, unter treuen Freunden verlebte Mozart in dem lebenslustigen München frohe Tage, als ihn der Erzbischof zu sich nach Wien berief. Hier wurde er nicht als Künstler sondern als Diener angesehen, und sah sich einer unwürdigen Behandlung, ja gemeinen Beleidigungen ausgesetzt, so daß Mozart um seine Ehre zu wahren seinen Abschied nehmen mußte. Er blieb in Wien, wo er zunächst als Klaviervirtuose sich geltend machte und durch Concerte und Unterricht seinen Unterhalt sicherte. Kaiser Joseph aber, der auf ihn aufmerksam war, übertrug ihm für die unlängst von ihm begründete deutsche Oper die Composition der „Entführung aus dem Serail“ (1781). Glücklich sich in seine Sphäre versetzt zu sehen vollendete er mit einem wahren Feuereifer diese Oper, welche von vortrefflichen Sängern ausgeführt das Publicum entzückte. Dennoch erhielt Mozart keine neuen Aufträge; man ließ die deutsche Oper verfallen, bis sie endlich der italienischen wieder Platz machen mußte. Neid, Mißgunst und Verläumdung, welche Mozart, der freilich nicht das Muster eines ordentlichen Haushälters war, als einen ausschweifenden Lüstling schilderte, fand besonders durch Salieri Eingang beim Kaiser Joseph und selbst Glauben und Verbreitung bis über Mozarts Grab hinaus. Um dieselbe Zeit verheiratete er sich mit Constanze Weber, einer jüngern Schwester der Aloysia, mit welcher er eine glückliche Ehe führte, wie er denn in allen Verhältnissen ein zartes, liebevolles Herz bewährte. Wie groß auch Mozarts Ansehen bei Künstlern und Kennern war, so hat er doch in Wien bei Lebzeiten keine allgemeine Anerkennung gefunden. „Die Hochzeit des Figaro“, durch den unerschöpflichen Strom heiterer Laune, feine und geistreiche Charakteristik und meisterhafte technische Behandlung die erste komische Oper der Welt, gefiel 1786 so wenig als 1790 Cosi fan tutte, Der Beifall, welchen Figaro in Prag erhielt, veranlaßte ihn für Prag 1787 den Don Juan zu schreiben, der als die Oper der Opern anerkannt ist, in Prag mit Enthusiasmus aufgenommen, in Wien nach der dritten Aufführung bei Seite gelegt wurde. Unglaublich ist die Fruchtbarkeit, mit welcher Mozart in 10 Jahren seines Aufenthalts in Wien eine Fülle von Compositionen aller Gattungen, für Gesang, Orchester und Soloinstrumente hervorbrachte, die fast alle nicht nur selbständigen Werth als Kunstwerke haben, sondern einen wesentlichen Fortschritt der Kunst bezeichnen. Auch als Virtuos auf dem Klavier behauptete er den ersten Rang, wie er noch in den Jahren 1789 und 1790 auf mehreren Kunstreisen bewährte, die hauptsächlich unternommen waren um seine äußere Stellung zu verbessern. Eine sorgenfreie Existenz hat er nie erreicht, oft sogar mit Sorgen zu kämpfen gehabt, und doch konnte er sich nicht entschließen, Wien und seinen Kaiser zu verlassen, als ihm in Berlin ein glänzendes Anerbieten gemacht wurde. Erst auf dem Todbett wurde ihm die Organistenstelle am Dom in Wien übertragen, die ihm ein sicheres und genügendes Auskommen gegeben hätte. Die größte Kraft und Fülle seiner Produktion aber ist in das letzte Jahr seines Lebens zusammengedrängt. In diesem schrieb er zur Krönung des Kaisers Leopold für Prag den Titus, eine glänzende Gelegenheitsoper, die Zauberflöte, welche seinen Ruhm auch unter den Unmündigen und Kindern verbreitete und von außerordentlicher Bedeutung als die erste große deutsche Oper ist, und das Requiem, vom Grafen Walsegg bestellt unter Umständen, die eine Zeitlang einen mystischen Schleier über dasselbe gebreitet haben, und über dessen Vollendung ihn der Tod am 5. Dec. 1791 ereilte.