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Zweihundert deutsche Männer in Bildnissen und Lebensbeschreibungen/Johann Georg Sulzer

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Textdaten
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Autor: Ludwig Bechstein
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Titel: Johann Georg Sulzer
Untertitel:
aus: Zweihundert deutsche Männer in Bildnissen und Lebensbeschreibungen, S. 363–364
Herausgeber:
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1854
Verlag: Georg Wigand's Verlag
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Google und Commons
Kurzbeschreibung:
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Bearbeitungsstand
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Johann Georg Sulzer.
Geb. d. 16. Oct. 1720, gest. d. 25. Febr. 1779.


Ein Freund der Natur, des Schönen und der Tugend, ging dieser klare Denker seine Lebensbahn, und zeichnete sie mit lichtvollen Werken.

Sulzer wurde zu Winterthur in der Schweiz geboren und war der jüngste Sohn von fünfundzwanzig Geschwistern. Der Vater, welcher Mitglied des Rathes war und den der junge Sulzer früh verlor, bestimmte diesen letzten Sohn für den geistlichen Stand, aber die Natur und das frische Leben der Welt zogen den Knaben schon mehr an, als das todte Wort, obgleich er auf dem Gymnasium zu Zürich den theologischen Vorstudien oblag. Eine andere Geistesrichtung lag in Sulzer’s Seele; Wolfs deutsche Metaphysik regte ihn mächtig zum Denken an, Scheuchzer’s Naturgeschichte der Schweiz hatte ihn mit Liebe zur Natur erfüllt und Geßner, sein Lehrer, pflegte diese Liebe; Bodmer’s und Breitinger’s Bestrebungen bildeten in ihm den höheren Sinn für guten Geschmack aus. Indeß vollendete er dennoch sein theologisches Studium zu Zürich unter dem philosophischen Theologen Zimmermann, und wurde 1739 Pfarrvicar im Dorfe Waschwanden. Als solcher schrieb er, erfüllt von dem ewigen Reiz der Natur, sein erstes Buch: »Moralische Betrachtungen über die Natur« und suchte darin aus der Natur die Allmacht und Güte Gottes zu beweisen, sowie aus derselben die Sitten- und Pflichtenlehre zu entwickeln. Mehrere Alpenreisen und die erworbene genaue Kenntniß der Schweiz veranlaßten ihn, Scheuchzer’s Naturgeschichte mit reichhaltigen Zusätzen und Anmerkungen versehen neu herauszugeben und zu erweitern.

In Folge einer Krankheit legte Sulzer sein pfarramtliches Dicariat nieder und entsagte damit zugleich der Theologie; er nahm eine Erzieherstelle zu Wieden an der Thur an, begab sich später 1743 in gleicher Eigenschaft nach Magdeburg und verfaßte eine Schrift: »Gedanken über die Bildung der Jugend.« – In seiner neuen Stellung befreundete sich Sulzer mit Gleim, Lange, Meier u. A.; jetzt mehr noch als früher lenkte sich seine Neigung den schönen Wissenschaften zu, und indem er durch den Hofprediger Sack in Berlin, der auch Sulzer’s moralische Betrachtungen herausgegeben [Ξ] hatte, ausgezeichnet und empfohlen wurde, empfing er im Jahr 1747 einen Ruf als Professor an das Joachimsthal’sche Gymnasium. Dort wurde Sulzer nach 15jähriger, mit Segen gekrönter Wirksamkeit Mitglied der königlichen Akademie der Wissenschaften, verheirathete sich mit einem vortrefflichen Mädchen, sah aber leider schon 1760 seine glückliche Verbindung durch den Tod gelöst, was ihn mit der tiefsten Trauer erfüllte. Er reiste 1762 in sein Vaterland, wo er begann, seine so berühmt gewordene »Theorie der schönen Künste« zu schreiben, durch welche er Vater der neueren Aesthetik wurde, und viele taufende, die der Theorie bedurften, für Bahnen gewann, die früher verschlossen waren. Sulzer erschloß und eroberte gleichsam mit diesem Werke einem Zweige der Philosophie eine neue Welt, die Welt des Schönen in wissenschaftlich gedachter Gestaltung. Die Schweizer Heimath mit ihren unsäglichen Reizen heilte in etwas den Schmerz um die Gattin in Sulzer’s Herzen; er kehrte 1765 wieder nach Berlin zurück, doch eigentlich blos um das Band zu lösen, das ihn an Preußens Hauptstadt fesselte, und bat um Entlassung von seinem Lehramte. Diese gab ihm zwar der ihm huldvoll gesinnte König, aber ziehen ließ er Sulzer nicht; er ernannte ihn zum Professor der Ritterakademie mit ansehnlichem Gehalt, und zugleich neben Sack und Spalding zum Mitglied einer reformirenden Schulcommission, und schenkte ihm ein Stück Land in Moabit, wo Sulzer sich ein Landhaus baute und einen schönen Garten anlegte, den der Abbate Michalossi sogar des Besingens in einem lateinischen Gedichte werth fand. Der König, der sich der geistigen Kräfte des begabten Mannes in Angelegenheiten der Schulen mit Erfolg bedient hatte, ernannte Sulzer, wahrend dieser zur Wiederherstellung seiner Gesundheit eine Reise durch seine Heimath nach Frankreich und Italien unternahm, zum Direktor der philosophischen Classe der königlichen Akademie der Wissenschaften zu Berlin, und zeichnete ihn nach der Rückkehr öfters persönlich aus; doch widerstand der durch Krankheit angegriffene Körper Sulzer’s nicht allzu lange mehr dem sinken der Lebenskräfte. – Sulzer hat für Deutschland als Begründer der neueren Aesthetik klassische Bedeutung; seine »Allgemeine Theorie der schönen Künste« war die Frucht zwanzigjähriger Studien und Forschungen; er erfaßte das Kunstschöne mit lebenvollem Sinne, nahm es als lebendigen, grünenden Baum, nicht im Geist der vor ihm herrschenden philosophischen Schule als rohen Stamm, an dem man allerlei Schnitzelei versuchte. Daß die rastlos vorwärts schreitende neuere Zeit ihn überflügelt hat, benimmt ihm nichts an seinem Werth. Er wob in vieles Moral ein, dieß war die Richtung seiner Zeit, die einen Gellert beseelte, die große Naturforscher, wie selbst Linnée und Haller lehrte, das endliche mit dem Glanze des unendlichen zu verklären, und die jedenfalls der Menschheit mehr zum Helle war, als die Verneinung und Abläugnung Gottes, mit der so mancher eingebildete Philosoph und Naturphilosoph der Gegenwart sich vor seiner letzten Stunde brüstet. Sulzer’s Hauptwerk erlebte auch noch nach des Verfassers Tode neue Auflagen, und wurde von anderen mit Zusätzen und Nachträgen bereichert.