Zweihundert deutsche Männer in Bildnissen und Lebensbeschreibungen/Ludwig Wilhelm, Markgraf von Baden-Baden
Der große Feldherr, der berühmte Freund und Kampfgefährte Prinz Eugen’s, des edlen Ritters; der in sechsundzwanzig
Feldzügen dem Tod in das Antlitz sah, dreizehn
Schlachten lieferte und in keiner gänzlich unterlag.
Markgraf Ludwig, insgemein Prinz Ludwig genannt, wie ihn auch das Volkslied auf Prinz Eugen nennt und feiert, war der Sohn des Markgrafen Ferdinand Maximilian zu Baden-Baden und der Prinzessin Luise Christine von Carignan, welche diesen ihren einzigen Sohn zu Paris gebar. Sie hatte die Absicht, ihn auch dort erziehen zu lassen, doch gaben sein Vater wie der Großvater, Markgraf Wilhelm, dieß nicht zu, weil sie nicht wollten, daß der Prinz im Herzen und in Art und Sitte französisch werden sollte; es scheint ihm auch keine Vorliebe für die Sprache seiner Feinde eigen geblieben zu sein, außer daß er sich stets Louis und nicht Ludwig unterschrieb. Die meisten seiner zahlreichen Briefe und Armeebefehle faßte er in deutscher Sprache ab. Der 1669 in Frankreich erfolgte Tod des Vaters berief den jungen markgräflichen Prinzen zur Erbfolge und zur Regierung seines kleinen Landes; allein die politischen Verhältnisse sowohl als die eigene Neigung wiesen ihn bald auf eine Laufbahn, für die er geboren war und die er mit hohem Ruhm zurücklegte. Das siegreiche Vordringen der Franzosen im Kriege gegen Oesterreich vertrieb ihn, und er trat zu den Fahnen Oesterreichs, wo er sich unter dem berühmten hocherfahrenen Montecuculi im Elsaß die Sporen verdiente. Gut geschult und unter solcher Leitung schon erfahrungenreich geworden, befehligte er darauf im Kriege Oesterreichs gegen die Türken, half zunächst Wien entsetzen und kämpfte in den Feldzügen von 1686 und 1687 unter dem Oberkommando des Herzog Carl von Lothringen und des Kurfürsten Maximilian Emanuel’s I. von Bayern mit einem Heere, zu dem sich überdieß Freiwillige aus allen Landen Europa’s drängten. Das ungeheure Heer rückte gegen Ofen vor, dessen Belagerung und furchtbare Bestürmung volle Gelegenheit zu Thaten der Tapferkeit bot. Bei dem Sturm am 27. Juli, welcher sehr nachtheilig für die Belagerer ausfiel, verhütete nur die persönliche Tapferkeit des Markgrafen und die des Prinzen Eugen eine allgemeine Flucht. Vereint nahmen sie eins der bedeutendsten Bollwerke und behaupteten dasselbe. Die Belagerung dauerte unter heißen Kämpfen fort, bis der welthistorische Sieg vom 2. Sept. 1686 den Christen mit Ofen den Schlüssel zum Türkenreiche wieder in die Hände gab, nachdem die Türken 4 Jahre lang diese wichtige Stadt behauptet hatten. Nach kurzer Ruhe wurde dem Prinzen Ludwig der Auftrag, Fünfkirchen zu erobern; er erhielt zwölf Regimenter und Prinz Eugen wurde ihm zugesellt.
Er nahm Simontornya und nach kurzer, obschon tapferer Gegenwehr die Festung von Fünfkirchen, die Stadt lag in Asche. Darauf verbrannte er die berühmte Brücke über die [Ξ] Dran bei Essel und eroberte die Feste Capusvar. Nach angenehmem Winteraufenthalt in Venedig, Wien und Ofen und nach neuen Kriegsrüstungen gegen die Türkei begann die Fortsetzung des Feldzugs; Prinz Ludwig kämpfte in der Schlacht bei Mohacs an der Spitze von 14 Reiterregimentern und half einen abermaligen großen Sieg durch seine ausdauernde Tapferkeit, unterstützt von seinen heldenmüthigen Mitstreitern, dem Kurfürsten von Bayern, dem Herzog von Lothringen und dem Prinzen Eugen, erringen, obschon zwischen ihm und dem Herzog eine gewisse Spannung herrschte; große Eintracht war überhaupt nicht unter den hohen Führern des christlichen Heeres, das nun zur Eroberung Belgrads ausersehen war und 63,000 Streiter zählte. Der Markgraf erhielt den Befehl, mit 6000 Mann in Slavonien einzurücken und die türkische Streitkraft dort zu beschäftigen. Bald mußte Prinz Eugen ihm 4000 Mann Verstärkung zuführen, welcher aber alsbald wieder nach dem Lager vor Belgrad ging, dessen Eroberung nun erfolgte. So entging dem Markgrafen die Gelegenheit, des tapfern Freundes Lorbeeren zu theilen, er aber auch der Kugel, die das Volkslied ihm zuertheilt. Er nahm indeß Costanowicz in Bosnien, schlug den Pascha dieser Provinz und erlegte 6 Türken mit eigner Hand, worauf er vom Kriegsschauplatze hinweg nach Wien zum Kaiser eilte. Dieser ertheilte ihm 1689 den Oberbefehl über das kaiserliche Heer in Ungarn. In dieser Zeit trat der Markgraf selbst als militärischer Schriftsteller auf, indem er »Verhaftungen vor, während und nach der Schlacht« erscheinen ließ, die nicht wenig treffliche Winke für Heerführer und Krieger enthielten.
Oesterreichs Siege über die Türken weckten Frankreichs Neid und Eifersucht, und es erfolgte ein feindseliger Einfall des französischen Heeres in die Pfalz noch vor der Uebergabe einer Kriegserklärung. Der Krieg entbrannte, und die französischen Truppen ließen alle Barbarei der Türken weit hinter sich, es schien nöthig, wegen des neuen Feindes im Westen mit dem im Osten Frieden zu schließen; indeß drang während der diplomatischen Verhandlungen darüber zu Wien Markgraf Ludwig in Serbien bis zur Morawa vor, nahm Szigethwar, brächte mit seinen Verbündeten dem Seraskier Redscheb Pascha einige blutige Niederlagen bei und half Niffa erobern.
Eugen wurde zum Feldzuge gegen Frankreich berufen und kämpfte gegen Catinat, während der Markgraf von seinen Waffenthaten ausruhte und sich 1690 mit Francisca Sibylla Augusta, Prinzessin zu Sachsen-Lauenburg vermählte, die ihm neun Kinder schenkte, von denen jedoch die ersten sechs alle in zarter Kindheit starben.
Der spanische Erbfolgekrieg rief den Markgrafen aufs neue zum Waffengefährten des gefeierten Prinzen Eugen, der jetzt gegen Vendôme kämpfte, auf den Kriegsschauplatz. Der Markgraf befehligte ein Heer von 38,000 Mann, mit dem er zunächst Landau belagerte und gegen den Kurfürsten von Bayern zog, der sich von Oesterreich ab- und Frankreich zugewendet hatte. Ludwig vereitelte die Vereinigung der unter Villars befehligten Heeresabtheilung mit den Bayern, wobei er zwar durch Villars eine Niederlage erlitt, aber seinen nächsten strategischen Zweck dennoch erreicht sah. Er verfolgte diesen Zweck auch ferner, besetzte Freiburg, Kehl, Breisach, und wenn es ihm auch nicht vollkommen gelang, Villars in seinen Bewegungen zu hemmen, so behauptete er doch fortwährend eine drohende Stellung. Gleichwohl vermochte er so wenig, wie die Generale Gtyrum und Thüngen im Jahre 1704, Deutschlands Westgrenze zu schirmen, bis Eugen und Marlborough sich zur Rettung vereinten und letzterer dem Markgrafen von den Generalstaaten eine Hülfe von 200,000 Kronen auswirkte, um mit seinen Truppen seine Stellungen behaupten zu können, da die Geldhülfe von Oesterreich ganz zu versiegen drohte. In dieser Zeit ließ sich der Markgraf einen Fehler der Unentschlossenheit zu Schulden kommen, indem er unterließ, den Marsch des Kurfürsten von Bayern im Rheinthale anzugreifen und zu unterbrechen, und erst auf Verstärkung wartete, welche der Dragoner-General von Dibra ihm zuführte, den er sehr hoch schätzte und mit dem er durch eine Reihe von Jahren einen wichtigen Briefwechsel, der noch ungedruckt ist, unterhielt. Am 7. Juni langte Prinz Eugen, von Wien auf Umwegen durch Tyrol kommend, im Lager Ludwig’s an, besprach sich mit diesem über weitere Kriegsoperationen und eilte zur persönlichen Zusammenkunft mit Marlborough im Hauptquartier zu Groß-Heppach, wohin ihm der Markgraf am 12. folgte. Hier verteilte das größte Feldherrenkleeblatt seiner Zeit die Rollen der nächsten Kriegsactionen, doch nicht ohne Zwist, da der Markgraf, kurz vorher zum k. k. Feldmarschall und Reichs-Generallieutenant, Stellvertreter des Generalissimus von Kaiser Joseph I. ernannt, als Aelterer im Range auf gewissen Vorrechten bestand, obschon man sich gegenseitig in Höflichkeitsbezeugungen zu übertreffen suchte. Bald darauf vereinte der Herzog sein Heer mit dem des Markgrafen, während Eugen an den Rhein geeilt war; vereint wurde die Schlacht von Donauwörth und der feindliche Feldherr Arco geschlagen, und hierauf Sieg auf Sieg erkämpft. Dann schloß der Markgraf Ingolstadt ein, während der Sieg von Höchstädt[WS 1] errungen war; später belagerte und eroberte er Landau. Während der Herzog von Marlborough in den Niederlanden und Prinz Eugen in Italien ihre Siegesbahnen verfolgten, stand Markgraf Ludwig am Oberrhein dem Marschall Villars gegenüber und ward von Seiten des Reichs fast ganz ohne die nöthige Unterstützung gelassen. Dieß verbitterte ihn und nährte eine Krankheit, die in seinem Innern nagte, so daß seine Stelle beim Heere zuletzt der kaiserliche Feldmarschall von Thüngen ersetzen mußte. Der gefeierte Held starb zu Rastadt und sein Tod wurde tief und schmerzlich empfunden. Als Prinz Eugen in Mailand die Todesnachricht seines Freundes und Kampfgefährten erfuhr, setzte er ihm das schönste Ehrendenkmal. indem er an einen Freund, den Grafen Strattmann, schrieb und sich zugleich auf das anerkennendste über Ludwig aussprach: »Die Monarchie hat ihren besten und, ich getraue mir ’es zu behaupten, ihren größten Feldherrn verloren. – Sein Zeitalter ist nicht reich genug, seine Verdienste zu lohnen, weil man zu oft es verfehlte, sie zu kennen und zu schätzen.« Eugen wurde an Ludwig’s Stelle zum k. k. Generallieutenant und Reichsfeldmarschall ernannt, nahm aber das Reichskommando nicht an.
Anmerkungen (Wikisource)
- ↑ Vorlage: Hochstädt