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Robert Southey’s Tod

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Titel: Robert Southey’s Tod
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aus: Illustrirte Zeitung, Nr. 6 vom 5. August 1843, S. 95–96
Herausgeber: Johann Jacob Weber
Auflage:
Entstehungsdatum: 1843
Erscheinungsdatum: 1843
Verlag: J. J. Weber
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Erscheinungsort: Leipzig
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Originalherkunft:
Quelle: MDZ München, Commons
Kurzbeschreibung: Kurzbiographie von Robert Southey
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Robert Southey’s Tod.

Der englische Dichter und Geschichtschreiber Robert Southey hat sich durch eine ungemein große Anzahl poetischer und historischer Werke nicht minder, als durch seine republikanischen und kirchenfeindlichen Gesinnungen in der Jugend und sein Eifern für Hochkirche und Torypartei im Mannesalter bekannt gemacht.

Mit dem Stolz dieser Ansichten und der Genauigkeit eines Biographen pflegte er von seiner Genealogie zu sprechen. Sein Vater war ein Leinwandhändler in Bristol und er selbst wurde dort am 12. August 1774 geboren. Nach seiner eignen Angabe kam er als sechsjähriger Knabe in die Erziehungsanstalt eines Anabaptistenpredigers, Namens Foote, genoß dann den Unterricht eines Herrn Flower zu Corston und eines Herrn William Williams, „eines Wallisers, bei dem nicht viel Gelehrsamkeit zu holen war“, und wurde im Jahr 1788 von einem Onkel, Namens Hill, der Gesandtschaftsprediger in Lissabon war, in die Westminsterschule und im Jahre 1792 auf die Universität Oxford gebracht, wo er sich dem geistlichen Stande widmen sollte. Allein er neigte sich damals so sehr zu den Lehren der Antitrinitarier und hegte auch solche revolutionaire Gesinnungen, daß er sich bewogen fand, im Jahre 1794 vor Vollendung seines Studiums die Universität zu verlassen. In demselben Jahre erschienen seine ersten Gedichte in einer Sammlung, die er in Gemeinschaft mit seinem Freunde Lovell unter den Namen Moschus und Bion herausgab. Mit mehren jungen Leuten, unter denen auch Lovell und Coleridge, kam er auf den Einfall, an den Ufern des Susquehannah in Nordamerika eine Musterrepublik zu begründen. Da aber alle Theilnehmer mehr Theorien, als Mittel zur Ausführung besaßen, so mußte dieses Utopien aufgegeben werden. Im Novbr. 1795 verheirathete Southey sich mit Miß Edith Fricker aus Bristol, deren Schwester Coleridge heirathete. Im folgenden Winter machte er eine Reise zu seinem Onkel nach Lissabon, während sein episches Gedicht Joan of Arc oder die Jungfrau von Orleans, das er großentheils schon in Oxford vollendet hatte, bei einem Buchhändler in Bristol erschien. Schon im folgenden Sommer kehrte er dahin zurück, ging dann nach London, reiste 1800–1 auf der pyrenäischen Halbinsel, nahm hierauf eine Stelle als Privatsecretair in Irland an und zog endlich im Jahr 1803 nach Keswick in Cumberland, wo er bis zu seinem Tode in Gretahof wohnte. Als im Jahre 1813 der Hofpoet Pye starb, ward Southey zu dessen Nachfolger ernannt und im Jahre 1821 zum Doctor promovirt. Sir R. Peel bot ihm schon im Jahre 1835 die Baronetswürde an und da Southey diese, wie auch einen ihm mehrmals angetragenen Sitz im Unterhause ablehnte, erhielt er außer seinem Gehalte als Hofpoet noch eine lebenslängliche Pension von 300 Pfd. Strl. Nach dem Tode seiner ersten Frau im Jahre 1837 vermählte Southey sich zum zweiten Mal mit Miß Caroline Bowles, einer der gefühlvollsten und natürlichsten Schriftstellerinnen der Gegenwart. Das Glück ihrer Ehe dauerte jedoch nicht lange. Southey’s Geisteskraft war durch übermäßige Anstrengung erschöpft; eine Wolke umhüllte seinen Verstand und die letzten Jahre vor seinem Tode verbrachte er völlig bewußtlos. Er starb am 21. März 1843 in Gretahof und ward am 24. März neben seiner ersten Frau auf dem schönen, romantischen Kirchhof von Keswick beerdigt.

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Robert Southey.

Southey’s literarische Thätigkeit war sehr groß und dennoch zeigen seine Werke eine Gewandtheit, eine Sorgfalt und eine Vollendung, die in unsern eilfertigen und oberflächlichen Zeiten immer seltener wird. Seine Hauptdichtungen sind: das Schauspiel Wat Tyler, in dem er die Grundsätze der Freiheit und Gleichheit aufs Entschiedenste geltend macht; das Epos Joan of Arc; Thalaba, the Destroyer (2 Bde. 1803); Metrical Tales; Madoc (1805); The Curse of Kehama (2 Bde. 1813); Carmen Triumphale (Oden auf den Prinzregenten, den Kaiser von Rußland und den König von Frankreich, nach dem Siege der Verbündeten im Jahre 1814); Roderick, the last of the Goths (1814); The Vision of Judgement (1821). Außerdem hat er eine große Anzahl von kleineren Gedichten herausgegeben, wozu auch das früher dem Professor Porson zugeschriebene und vielbelobte: Devil’s Walk zu zählen ist, was er eines Morgens beim Frühstück mit Coleridge gemeinschaftlich schuf. Viele von diesen Gedichten leben im Munde des Volks. Ihre bloße Aufzählung beweist schon die umfassenden Kenntnisse und den Fleiß ihres Urhebers, denn sie reichen von dem fernliegendsten Aberglauben in der Götterlehre der Hindus und der ältesten Geschichte von England, von Frankreich und von der pyrenäischen Halbinsel bis auf die politischen Veränderungen und Umgestaltungen der neuesten Zeit, an denen auch Southey Theil nehmen sollte. Zwischen dem Erscheinen von Wat Tyler und der Herausgabe seiner Apotheose Georgs III. war der Dichter von „Freiheit und Gleichheit“ zum „angestammten Recht“ übergegangen und vertheidigte jetzt dieses Extrem als Dichter, als Geschichtschreiber und als Kritiker mit demselben Eifer, gleicher Entschiedenheit und nicht minderer Rücksichtslosigkeit, als er früher für das entgegengesetzte Extrem bewiesen hatte.

Zu seinen Hauptwerken in Prosa gehören die Uebersetzungen: Chronicle of the Cid (1808. 4.); Amadis of Gaul (4 Bde. 1803); Palmerin of England (1807); die Aufsätze, wie Letters of Don Manuel Espriella from England to Spain (3 Bde. 12.); Letters from Spain and Portugal, and Travels in those Countries (eine Schilderung seines Aufenthalts auf der pyrenäischen Halbinsel); An Account of the Madras System of Education, founded by Dr. Andrew Bell; Sir Thomas More’s Cooloquies upon the Progress and Prospects of Society (2 Bde.) und die kleineren Omniana (2 Bde. 12.); die geschichtlichen Darstellungen: Book of the Church (eine polemische Schrift zur Vertheidigung der Hochkirche in 2 Bdn.); History of the Peninsular War (6 Bde. 1822–28); History of the Brazils (3 Bde. 1810 etc. 4.); die Kritiken, wozu besonders seine Beiträge zum Quarterly Review und früher zu dem Edinburgh Annual Register gehören, von denen er unter dem Titel Essays Moral and Political eine Auswahl herausgab; endlich seine biographischen Schriften, unter denen Life of Nelson (2 Bde. 1813 und in einer abgekürzten Bearbeitung in der Family Library 1831) eine der populärsten und besten Lebensbeschreibungen in englischer Sprache ist, voll hochherziger Gesinnungen und in einem tadellosen Styl; ferner Life of John Wesley (2 Bde. 1820), Life of Cowper, Life of Chatterton, Life of Kirke White of Nottingham, in dem sich Southey von einer seiner liebenswürdigsten Seiten zeigt.

Seine Pflichten als Hofpoet erfüllte Southey wie ein Mann von selbstständigem Charakter und unabhängiger Gesinnung. Die knechtische Sitte, ein Jahr wie das andere die Mitglieder des Königshauses zum Ueberdruß mit Geburtstagsschmeichelreimen zu überschütten, weshalb noch Sir Walter Scott die ihm ebenfalls angebotene Stelle nicht annahm, schaffte Southey ab. Er beschränkte sich darauf, solcher Vorfälle, die seiner Feder würdig schienen, in der ihm gelegenen Zeit und Art zu gedenken. Die Vermählung der Prinzessin Charlotte bot einem Hofpoeten die vortrefflichste Gelegenheit zum Schmeicheln; Southey aber trat in seiner Festrede mahnend auf und erinnerte daran, welche Pflichten einem Fürsten obliegen und was das Volk von ihm zu erwarten berechtigt sei.

Southey’s Haus, Gretahof.

Obwohl der Parteiwechsel und besonders der Uebergang von liberalen zu conservativen Ansichten in England nicht selten ist, so waren doch Southey’s Grundsätze früher zu grell hervorgetreten und seine Bekämpfung der ehemaligen Meinungsgenossen trug später einen allzu feindseligen Charakter, um ihm Ansprüche auf Schonung zu geben. Auch hatte die Veränderung seines politischen Glaubensbekenntnisses so viele äußere Vortheile zur Folge, daß ein Zweifel, ob sie wirklich blos das Ergebniß größerer Einsicht und genauerer Kenntniß sei, allerdings nicht ohne Grund war. Southey selbst erklärt indeß in der neuesten Auflage seines Wat Tyler, den er dabei als eine „Jugenddichtung“ bezeichnet, er schäme sich ebensowenig, in seinen ersten Lebensjahren Republikaner gewesen zu sein, als er sich schäme, einst ein Knabe gewesen zu sein. Die Kritik ertrug er überhaupt mit großer Gemüthsruhe, obwohl sie nicht selten durchaus persönlich und höchst verletzend gegen ihn war. Auch Lord Byron, den er in seinem seltsamen Gedicht The Vision of Judgment das Haupt der satanischen Schule genannt hatte, griff ihn heftig an. Er nahm aber kaum Notiz von diesen Anstrengungen seiner Gegner und die bedeutendste Aeußerung, welche von ihm darüber bekannt ist, findet sich in der Vorrede zum vierten Bande der Sammlung seiner Gedichte, wo er über sein Verhältniß zu Wordsworth und Coleridge sich näher erklärt.

Southey, Wordsworth und Coleridge waren vertraute Freunde, und obwol sie alle auf demselben Felde dem Ruhme nachstrebten, wurde ihr gegenseitiges Verhältniß doch nie durch Neid oder Eifersucht auch nur vorübergehend getrübt. Als Gatte, als Vater und als Freund war Southey ein Muster von Liebenswürdigkeit und Pflichttreue. Abgesehen von den Ansichten, die er zuweilen so leidenschaftlich verfocht, bewies er sich wohlwollend, großmüthig, nachsichtig und namentlich pünktlich, was bei einem Schriftsteller, den ununterbrochene Anstrengung vor der Zeit alt machte, sehr viel sagt. Seine politischen Gesinnungen mögen in Frage zu stellen sein, seine Werke sich weniger durch Originalität, als durch Reinheit der Sprache, Eleganz des Styls, Reichthum an Bilderschmuck und metrische Gewandtheit auszeichnen: als Mensch wird Robert Southey stets hochachtungswerth dastehen. 15.