Topographia Austriacarum: Enß

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Topographia Germaniae
Enß (heute: Enns)
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aus: Matthäus Merian (Herausgeber und Illustrator) und Martin Zeiller (Textautor):
Merian, Frankfurt am Main 1679, S. 7–8.
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Enß / Anasum, Anassum, Anassianum, Ensium Civitas.

Ist ein schöne wolerbaute und veste Lands-Fürstliche / und Ober-Oesterreichische 3. Meilen unter Lintz / an dem Wasser Anasso, oder der Enß / gelegene Statt / bey welcher / so bald man über jetzt besagtes Wasser / und dessen Brucken / kompt / auff selbiger Seiten der Thonau / Unter Oesterreich sich anfanget. Es ist Enß ein Stuck von der alten weyland grossen / und berühmten Statt Lorch / welche beym Antonino, und in der Notitia Imperii Lauriacum genant wird. Andere heissen sie Laureacum, und Coloniam Aurelianam Laureacensem; und vermeint Wolff. Lazius (der die Antiquitäten allhie / und zu S. Florian / setzet) lib. 12. Reip. Rom. sect. 7. cap. 5. daß diese Hauptstatt in Norico Ripensi, vom Käiser Marco Aurelio Antonino, als er wider die Marcomanner gezogen / erbauet worden seye / weil das Noricum biß an die Thonau den Römern gehörte; und habe solche Colonia ihren Nahmen à literis laureatis bekommen / darauß die Norici hierumb / sonders Zweiffels / Laurich / und Lorich / und endlich Lorch / werden gemacht haben; wie dann noch das Dörfflein Lorch / oder Lor / etwas von der Statt Enß / auff der Seiten / bey der Thonau gelegen / daher den Nahmen behält. Es solle erwehnte Statt in der Länge über die zweytausend Schritt / und wie obgedachter Lazius will / nicht allein biß an die Thonau / und biß zum Schloß Spielberg / sich erstreckt haben; sondern auch S. Florians Closter / so jetzt weit davon / gleich an der Stattmauer gestanden seyn. S. Lorentzen war damalen die Hauptkirchen allhie / so aber nachmals einen zimlichen Weg ausser Enß / oder dieser neuen Statt / gelassen worden; nach deme die Hunnen umbs Jahr Christi 903. diese vorhin gewaltige Statt Lorch / so etwann eine Wohnung der Römischen Käiser / zerstöret haben. Man findet noch bißweilen in den Aeckern alte Römische Müntzen / und Sachen. Aber diejenige Römische Antiquiäten, deren Pighius in Hercule prodicio gedenckt / und die ausser Enß an der Kirchen zu sehen vor diesem gewest seyn / sollen im nechsten Böhmischen Krieg / durch Auffwerffung einer Schantz / hinweg kommen seyn. Gaspar Bruschius hat zwey Bücher von dieser alten Statt Lorich / etc. geschrieben / in welchen aber Christophorus Gewoldus, in addit. ad tom. I. Metrop. Salisburg. ihm etliche Irrthum weiset. Was aber die jetzige Statt Enß betrifft / so meldet obgedachter Lazius, daß solche vor Zeiten den Herren von Enß / und Spielberg / gehört / von deren letztem / nemlich Eberhardo, Kaiser Rudolph der Erste / welcher seinen Sohn den Oesterreichern zum Hertzog gegeben / diese Statt und Schloß / umb 600. Pfund Silbers erkaufft / auch dem Probst zu S. Florian Wigando, der eine Gerechtigkeit allhie praetendirte, ein Begnügen gethan habe. Und solle gemeldter Käiser damals also erwiesen haben / daß besagter Probst / für sich / und seine Nachfolger / sich verbunden / jährlich dem ältisten Hertzog von Oesterreich einen guldenen Ring / auff fünff Ducaten werth / pro jure Patronatus zu geben. Aber die Geistliche Jurisdiction seye nichts destoweniger / von solcher Zeit an / den Bischoffen zu Passau verblieben / welche zu Enß jederzeit einen Archidiaconum; die Oesterreichische Fürsten aber einen Burggrafen in dem Weltlichen allhie gehabt haben. Andreas Brunner schreibet lib. 15. Annal. Boicorum pag. 873. daß sich Enß dem gedachten Keyser Rudolpho I. Anno 1275. als Er wider König Ottakarn gezogen / ergeben habe. Aber die Ländlische / oder Ober-Enserische Bauren haben vor wenig Jahren / in vorgehabtem Auffstand / vor diesem Ort / allda die Ober-Oesterreichische Herren Stände ein Zeughauß haben / Anfangs nichts außrichten können / biß sie solchen Anno 1626. mit List wie man bericht / einbekommen. Es hat allhie mitten auff dem Marckt einen schönen hohen Thurn / daran diese Verß gelesen werden.

Aspicis exiguam nec magni nominis urbem,
Quam tamen aeternus curat, amatque Deus.
Haec de Laureaco reliqua est: his Marcus in oris
Cum Luca Christi dogma professus erat.

Unter dem Wasserthor / bey der Enß / ist eine Tafel / so die Herren von Grünthal dahin verordnet haben / weilen sie mit ihrer Frau Mutter / als die Roß scheu worden / sampt dem Wagen / über die Brucken / in den Fluß / so allhie zimlich breit / und tieff ist / gefallen / aber wunderbarlich von Gott beym Leben erhalten worden seyn.

Was das Ertzbistum / so vor Zeiten zu Lorch gewesen / anbelangt / so vermeynt man / daß entweder S. Peter der Apostel / oder S. Marcus der Evangelist / oder Hermagoras, der Bischoff zu Auquileja, deß Marci discipulus, einen / Nahmens Lorentz / nach Lorch geschickt / der am ersten daselbst / und bey den Noricis, den rechten Grund der Christlichen Religion / gelegt habe / der ein anderer / als S. Laurentius, so gebraten worden / gewesen / und hat von gedachtem Laurentio die obbesagte vorhin allhie geweste Hauptkirch den Nahmen bekommen. Folgends solle Lucius, der Britannische König / in diesem Lande gelehrt / und zu besagtem Lorch etliche Bischöff einander succedirt haben / [8] deren Nahmen aber / in so langer Zeit / ausser deß Jerardi, und Eutherii, fast verlohren worden seyn. Zun Zeiten deß Käisers Cari, Item Numeriani, und Carini, sagt man / habe Silla Maximilianus diesem Bistum vorgestanden / so vom Eulasio dem Lands Hauptmann in Kärndten / enthauptet worden / welchen Eulasium hernach der Donner zu Cecemmuro, oder Zeiselmaur / vom Sebast. Schrötero in historica totius Terrar. Orbis descript. tom. I. lib. I. pag. 78. Cetro Castellum genannt / in Oesterreich / (allda vor Zeiten Cecia gestanden / so jetzt nur ein Dorff / gleichsam Ceciae Murus genannt / auff der andern Seiten deß Calenbergs / und zu dessen Ende / gegen Abendwerts / und ein wenig oberhalb Tuln gelegen) erschlagen hat. Er ist erstlich zu Lorich / in seiner Kirchen / begraben / hernach gen Passau geführt worden; daselbst Er noch / sampt dem H. Valentiniano, verwahret werden solle. Ihme hat S. Quirinus gefolgt / den theils / aber unrecht / dem H. Maximiliano, vorsetzen / als welche die Märtyrer dieses Nahmen vermischen. Philippus Ferrarius Alexandrinus, in dem Catalogo der Heiligen in Italia, erzehlet vier Heilige Quirinos, so Märtyrer Christi gewesen / darunter einer zu Rom umkommen / und zu Tegernsee in Bayern ruhet; zu welchen Raderus, von den Heiligen in Bayern / den fünfften / nemlich besagten H. Quirinum, erstlich Patriarchen zu Aglar / oder Aquileja, hernach Ertzbischoffen zu Lorch / oder Enß / thut / welchen ihr viel vor deß Käisers Philippi Sohn halten / der in Illyrico ertränckt / und endlich zu Meyland begraben ist / dessen Prudentius gedencket / und welcher eigentlich der Illyrische und Norische Quirinus zu nennen ist. Nach ihme findet man in vielen Jahren nichts mehr von den Bischöffen allhie / biß auff Constantium, der zun Zeiten S. Severini gelebt / deme Theodorus succedirt hat / so Anno 524. gestorben ist. Ferners hat man abermals keine Nachrichtung von ihnen; aber umbs Jahr Christi 616. hat Ertzbischoff Philo allhie gelebt: Nach welcher Zeit / wegen der Hunnen öfftern Uberfalls / dieses Bistum auff Passau verlegt worden; wiewol Vivilo, oder Vivilus, der Ertz-Bischoff / zun Zeiten deß H. Bonifacii, allererst das Heiligthum / und die Priester / von Lorch auff Passau gebracht / deme ferners der Bischoff Sidonius, und andere / zu Passau gefolgt / und wegen deß Ertzbischofflichen Tituls / sich mit Saltzburg gezanckt haben / biß solcher dem Stifft Saltzburg blieben; wie wir in unserer Topographia Bavariae, bey Saltzburg / und sonderlich Passau / angezeigt / auch von deme / was obgesagt / Marcus Velserus lib. 3. Rerum Boicarum pag. 174. seq. und Wiguleus Hund tom. I. Metrop. Salisbur. zu lesen seyn.