Topographia Braunschweig Lüneburg: Jerxheimb

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Topographia Germaniae
Jerxheimb (heute: Jerxheim)
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aus: Matthäus Merian (Herausgeber und Illustrator) und Martin Zeiller (Textautor):
Merian, Frankfurt am Main 1654, S. 124–126.
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Jerxheimb.

Das Fürstliche Braunschweigische Wolffenbüttelsche Ampt-Hauß Jerxheimb / ist vor Jahren eine Graffschafft gewesen / vnd Grafen darauff Hoff gehalten / die man genennet die Grafen von Jerxheimb / vnd soll das Hauß Jerxheimb den Nahmen davon / vnd das Dorff Jerxheimb den Nahmen von dem Hause oder Burg haben. Dieses Hauß oder Burg ist ins gevierdte gebawet im Ansehen / an Gebäwden sehr alt / vnd drey Stöcke daran / in der Dachung mit Schiefern beschlagen.

Als das angrentzende Bruch / so von Hornburg biß an Oschersleben streichet / für Alters nur mit Rohr bewachsen / vnd dahero wenig Weide oder Wiesen vorhanden gewesen / haben der Cardinal vnd Bischoff [125] zu Halberstatt / Albertus, vnd Hertzog Heinrich der Jünger / zu Braunschweig vnd Lüneburg / hochlöblicher Gedächtnuß / Anno 1540. durch gemachte Vergleichung Heinrichen von Hoym vnd Achatzen von Veltheimb / zu Commissarien verordnet / bey Winterszeit das Bruch abzumessen / vnd in der mitte / wie das Bruch hinab streicht / durch erfahrne Teichgräber zwey newe Graben / nach Anleitung der alten Bruchgraben / jeden Graben Ruhten breit gegen einander zu machen / vnd der Wall / dahin die Erde von beyden seiten auffgeworffen / anderthalb Ruhte breit / vnd dasselbe die Landscheidung zwischen dem Stiffte Halberstatt / vnd Fürstenthumb Braunschweig seyn / vnd die Nutzung deß Walles beyden Theilen zur helffte / jedem Theile bleiben / auch in dem newen Graben / jeden an seinem Orte zu fischen berechtiget / vnd sich deß andern enthalten soll. Durch diesen Graben ist das Bruch trucken gemacht / darinne so wol für das Hauß Jerxheim / als Unterthanen / sonderlich der Gerichts-Dörffer Sölling / Jerxheimb / Beyerstaden vnd Gevensleben / Hegewiesen angeordnet / gute Weyde vor das Viehe gemacht / vnd also das Hauß Jerxheimb damit an der Viehezucht stattlich gebessert worden.

Anno 1558. ist das Vorwerck für der Burg erbawet / vom Grund biß vnter das Dach gemawert / oben vnd vnten steinern Giebel außgeführet / vnd mit einem Ziegeltache beleget worden.

Anno 1571. hat weyland die Durchleuchtigste / Hochgeborne Fürstin vnd Fraw / Fraw Sophia / Geborne auß Königlichem Stamm Polen / Hertzogin zu Braunschweig vnd Lüneburg / Gemahlin / hochlöblichen Andenckens / Wittbe / als Ihr Fürstl. Gn. das Hauß Jerxheimb zum Leibgedinge possidiret / ein Gebäwde in der Burg / ins Norden / vom Grund auß / vier Gemächer hoch / new bawen / vnd dieses Gebäwde mit Ziegeln belegen / auch sonsten in dem Stocke ins Süden werts / die Gemächer renoviren / auch die Stuben vnd Kammern anrichten lassen / wie es noch der Augenschein gibt / vnd an das newe jetztgedachtes Gebäwde oben im Platze / an das Hauptholtz / diesen Vers anhawen lassen:

Hanc Sophia Henrici Junioris Regia conjux
Struxit, adhuc deflens tristia fata, domum.

Anno 1601. haben Ihr Fürstl. Gn. Hertzog Heinrich Julius zu Braunschweig vnd Lüneburg / eine Schifffahrt von Hornburg an / biß nach Oscherschleben vnd Grüningen / anrichten lassen wollen / vnd hat zur Erweiterung der Graben im Bruche / nicht allein deß Gerichts Jerxheimb / sondern auch anderer benachbarten Aempter Unterthanen / so wol von Halberstättischen / als Braunschweigischen / in dem Landgraben arbeiten müssen / ist aber das mahl zu keiner Perfection kommen.

Dieses Fürstl. Hauß ist in der Burg in vier Ecken vmbher bebawet / vnd ausserhalb darumb das Mawrwerck biß vnter das Dach / mit einer dicken Mawre auffgeführet / hat einen trucken Graben vmb sich / vnd der Grabe ins Norden mit Schweinställen / vnd ins Osten vnd Süden mit Scheuren bebawet. Dieses Hauß vnd Burg hat von Osten vnd Norden werts / von welchen Orten das Schloß etwas am Berge liget / auch wegen der hohen gebawten Vorwercken vnd Scheunen / ein stattliches Ansehen.

Ist sonsten wol gelegen / hat wegen der höhe gesunde Lufft / vnd befinden sich vier Brunnen darauff / da man auß kochen / brawen / vnd das Viehe nottürfftig davon vnterhalten kan. Grentzet nach dem Osten vnd Süden mit dem Ertzstifft Magdeburg / vnd Fürstenthumb Halberstatt / nach dem Norden vnd Westen mit dem Ampte Schöningen / Voigtsdahlumb / vnd Wolfenbüttel. Es liget ein Berg für Jerxheim ins Westen / der Hiese genant / ist ein Hasenbusch vnd Reißholtz / von selbigem Hieseberge / welcher hoch ist / hat man einen sehr luftigen Prospect / vnd kan man sehr weit vmb sich sehen / nach Osten ins Ertzstifft Magdeburg / nach Süden ins Fürstenthumb [126] Halberstatt / dem Brockenberg vnd Hartze / von Osten biß ins Westen / nach dem Westen vnd Norden / ins Fürstenthumb Braunschweig / nacher Wolffenbüttel / Braunschweig / vnd an dem Elme hindurch / biß Voigtsdahlumb vnd Schöningen / daß wann eine lustige Landschafft oder Gegend solte abgezeichnet werden / man sonderlich diesen Hieseberg wol erwöhlen könte.

Anno 1641. als im Majo, kurtz für Pfingsten / der Schwedischer Feld-Marschall Johann Bannier / von Merseburg mit der Armee den March ins Stifft Halberstatt gerichtet / hat sich solche Armee jenseit dem Paß Kiteitzthamb / an das Dorff Dedeleben ins Feld gesetzet / vnd daselbst ein Lager formiret / Als aber die Keyserl. Armee gefolget / vnd Mittwochens in den Pfingsten in vollem Marche vnd Schlachtordnung / Morgens frühe vmb drey Vhr Schöningen vorbey / vnd nacher Wolffenbüttel marchiret / ist die Schwedische Armee bey Dedeleben auch auffgebrochen / vnd sich hinter Wolffenbüttel / bey dem Closter Stederburg vnd Thiede wieder gesetzet. Als nun sothane Armeen bey Wolffenbüttel ein hartes Treffen mit einander gethan / ist seine Hochfürstl. Durchl. Ertzhertzog Leopold Wilhelm / Keyserl. General / mit der Keyserlichen vnd Chur-Beyerschen Armee von Wolffenbüttel wieder auffgebrochen / vnd den March auff das Hauß Jerxheimb gerichtet / seynd auch die Quartiere allbereit gemachet / vnd die Armeen anmarchiret / Seine Hochfürstl. Durchl. der Ertzhertzog vor Jerxheimb vnter einer Windmühlen Morgens Taffel gehalten / vnd gegen Mittg mit etzlichen hundert Pferden nach Schöningen geritten / der Fürstl. Fraw Wittiben zugesprochen / bald aber nach wenig Stunden wieder zurücke kommen / das in Jerxheimb gemachte Quartier verlassen / vnd die gantze Armee über den Kivitzthamb nacher Dedeleben marchiret / vnd an den Ort / da die Schwedische Armee vorhero ihr Feldlager gehabt / sich wieder gesetzet / denen die Schwedische Armee gefolget / wobey die Frantzösischen / Lüneburgische vnd Hessische Armeen sich mit gefunden / ihren March vff Jerxheimb genommen / das Hauptquartier darin gemachet / ein Feldlager formiret / vnd sich gesetzet / welches Feldlager dann hinter Beyerstett / bey deß Ampts Saltaw Mühlen sich angefangen / vnd vnter vnd im Weinberge durch den Heyneman / biß hinter die Ampts-Teiche / vnd also auff eine halbe Meil weges sich erstrecket / haben sich die Regimenter in das Winterkorn / da sehr herrlicher Weitzen vnd Roggen im reiffen gestanden / gesetzet / alles Korn im Winter- vnd Sommerfelde abgeschnitten / abgemeihet / vnd zu nichtet / daß so wol beym Ampte / als Gerichts Vnterthanen / an Korn im Felde nichts blieben / vnd seynd solche vier Armeen an Pagage-Pferden / Reuttern / Soldaten vnd gäntzlichen Troß / vff ein hundert tausent Menschen / vnd auch auff so viel Pferde geschätzet / haben die Armeen zwölff Tage stille in diesem Feldlager gelegen / wodurch das Hauß Jerxheimb vnd GerichtsDörffer totaliter ruiniret. In deß Ampts Weinberge / das Weinhauß / sampt der Weinpressen / neben noch einem kleinen Hause / alle mit Ziegeln bedecket / vmbgerissen / den Zaun / so den Weinberg verwahrlich vmbgeben / verbrant / vnd alles verderbet / auch die Ampts-Teiche / so viel die Armeen an Wasser entrahten können / abgelassen vnd verwüstet. Es seynd von beyden kriegenden Theilen Salvaguardien auffs Hauß Jerxheimb geleget / welche mit sehr schweren Kosten vnterhalten / vnd das Hauß Jerxheimb in solcher grossen Noht / für Einfall vnd gäntzlicher Plünderung behütet / aber der höltzerne Haußgeraht an Tischen / Taffeln / Bäncken vnd Schemeln / vom Hause herunter genommen / vnd im Abzuge mit weggeführet / vnd verbrant worden.

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