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Überlinger Sagen (1888)

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Textdaten
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Autor: Theodor Lachmann
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Titel: Ueberlinger Sagen
Untertitel:
aus: Alemannia, Band XVI, S. 248–251
Herausgeber: Anton Birlinger
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1888
Verlag: Peter Hanstein
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Erscheinungsort: Bonn
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Quelle: Google-USA*, Commons
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[248]
UEBERLINGER SAGEN[1]

1 DER GEIST DER GUNZOBURG

In der Oberstadt Überlingens, dem sog. Dorf, stet ein altes Haus, welches die „Burg“ heißt; denn der Alamannenherzog Gunzo soll hier gewont haben. Überlingen war nemlich ursprünglich der Siz der Herzoge von Alamannien. Über dem Tor des Hauses ist noch jezt das Bild eines geharnischten Ritters zu sehen mit der Inschrift: „In dieser burg residierte im Jahre 641 Gunzo Herzog von Schwaben und Allemanien.“ Jezt gehört das Haus einem Landwirt. In frühern Zeiten erschin den Hausbewonern bißweilen ein großer über sechs Fuß hoher schwarzer Ritter mit geschloßenem Visier; er kam plözlich und verschwand ebenso. Auch manchen Leuten, welche hinter dem Haus des sog. „Burggäßchen“ hinaufgiengen, begegnete er, verfolgte sie und warf sie in den Stadtgraben hinab. Als aber unter die Dachtraufe an der untern Hausecke gegen das Gäßchen ein Kreuz unter Ziegelsteinen vergraben worden war, konnte der Geist nicht mer herunterkommen. Im Hause jedoch zeigte er sich noch von Zeit zu Zeit. Vor etwa 5 Jaren kam er Abends in das Zimmer, wo die hochschwangere Frau des Hausherrn bereits zu Bette lag: die Türe öffnete sich geräuschlos, ein schwarzer, gewaltig großer Ritter mit unkenntlichem Gesichte trat herein, in der Hand ein Kolengefäß, aus welchem Feuerfunken sprühten. Nachdem er im Zimmer umhergegangen, beugte er sich über das Bett der Frau und schüttete das Flammengefäß aus, so [249] daß sich das Feuer über das Bett ergoß, one jedoch den geringsten Schaden anzurichten. Die Frau aber brachte bald darauf ein Kind mit schwarzen Brandmälern zur Welt.

Mündlich


2 DER MINKREITER BEI BAMBERGEN

Die alte Straße von Überlingen über Lippertsreute ins Salemertal fürt in der Nähe von Bambergen, oberhalb des Hefhäusle’s in bedeutender Steigung durch den Wald gegen den Schönbucherhof, und wird hier von einem Waldweg gekreuzt. Diser Waldweg heißt der „Minkweg;“ der Name soll von einem ehemal. Abtei Salem’schen Förster herrüren, welcher auf einem Schimmel-Wallachen („Mink“) und begleitet von einem schwarzen Hund seine Forsten von Salem über Owingen biß nach Münchhof bei Stockach durchritten; er war ein Tyrann seiner Untergebenen, plagte die Waldarbeiter, namentlich die Bannwarte und Holzhauer, aufs Schändlichste, fluchte gräulich und fürte gottlose Reden. Deshalb muste er nach seinem Tode umgehen. Manchmal in der Nacht hört man den Minkreiter im Walde fluchen und krakeelen; noch jezt verwirrt er oft die Leute, die die Steige hinauf gehen, so daß sie den Weg nicht mer finden und schließlich da aus dem Wald herauskommen wo sie hineingegangen; oder er macht die Pferde scheu, daß sie den Wagen umwerfen; mitunter hemmt er auch das Furwerk derart, daß es nicht mer weiter gebracht werden kann und umkeren muß. Gar Mancher fürchtet sich, Nachts allein durch den Wald zu gehen; Frauen holen häufig aus dem Hefhäusle einen Mann, der sie biß zum Ausgang des Waldes begleiten muß. Ein Bauer fur einmal Nachts mit zwei Pferden den Berg hinan; da hörte er aus dem Wald Rossegewiher und hielt an, um das Tier herankommen zu laßen; allein es kam Nichts, trozdem das Gewiher fortdauerte. Nun fürchtete er, „es sei der Mink“ und fur rasch von dannen. Einstens gieng ein Knecht aus einem benachbarten Hof schimpfend und fluchend mit seinem Meister durch den Wald; beim Minkweg angekommen rief er: „Mink! Jezt komm einmal!“ Da stand plözlich ein großer Mann neben im und gab im eine solch kräftige Orfeige, daß er zu Boden stürzte. Dann war der Mann wider verschwunden. Alles diß ward auch vom Meister wargenommen. Der Knecht aber gieng seitdem nie mer, weder bei Tag noch bei Nacht, durch den Wald. Vor merern Jaren marschierte ein beurlaubter Soldat bei Mondschein heimwärts durch den Wald und bemerkte auf einmal hinter sich einen großen schwarzen Hund, der im folgte, der stehen blib wenn er stand, und der weiter gieng, wenn er gieng. Der Soldat hielt seinen Säbel bereit; aber der Hund tat im Nichts zu leid, ja er murrte gar nicht, sondern folgte im biß auf die Höhe, wo der Minkweg die Landstraße schneidet. Hier verschwand der Hund plözlich.

Mündlich


[250] 3 DER SCHWARZE PUDEL IM WALDE HASLEN

Im Walde Haslen bei Hödingen, in welchem eine Reihe Alamannengräber sich befinden, get ein Geist um, welcher in Gestalt eines schwarzen Pudels erscheint und die Leute irrefürt. Wer Abends den Wald betritt, kommt die ganze Nacht nicht mer aus demselben, denn er folgt immer dem Pudel, der vor im hin und herspringt. Erst wenn der Tag anbricht, findet der Wandrer den Weg aus dem Walde heraus. Vile meiden deshalb zur Nachtzeit den Weg durch den Wald und gehen lieber die längere Landstraße.

Mündlich


4 DAS GOLDENE KEGELSPIL IM ABTSBERG

Zwischen Sissenmülen und Sipplingen zieht sich längs der Straße ein steiler zimlich hoher Bergrücken hin, welcher Abtsberg heißt. Eine Felsspalte dises Berges soll in eine Höle füren, in der sich ein goldenes Kegelspil befindet, das durch ein großes eisernes Gitter verwart ist. Schon mermals wurde versucht, das Kegelspil zu holen, aber es ist noch Niemanden gelungen. Nachts aber hört man manchmal, wie im Berg Kegel gespilt wird; das Rollen der Kugel und das Fallen der Kegel wird mitunter ganz deutlich wargenommen.

Mündlich


5 DER SCHAZ IN DER BURGHALDE

In der Nähe von Sipplingen ligt auf schroffem Felskegel die Ruine der Haldenburg, vom Volke die „Burghalde“ genannt. Niemand weiß, wie die Burg dereinst erbaut; auch sonst ist von ir und deren Besizer wenig bekannt. Sovil aber erzälen die Leute, daß von diser Burg nach dem benachbarten Hohenfels ein unterirdischer Gang füre, und daß sowol dise zwei Burgen unter sich wie auch den am jenseitigen Ufer gelegenen Burgen Kargegg und Bodmann durch Sprachrore sich in Zeiten der Not Zeichen gegeben und Hilfe verlangt haben. Daß die Ritterburg auf Burghalde einst ein mächtiger stattlicher Bau gewesen, deuten schon die gewaltigen Gewelbe, Gänge, und Verließe an, die sich unter der Ruine befinden. Jeder Schrit und Trit, der auf dem Berg gemacht wird, tönt dumpf und hol; wenn man ein Steinchen durch eine Kelleröffnung in die Tiefe fallen läßt, dann hat man lange zu warten, biß man dasselbe aufschlagen hört. In disen ausgedenten unterirdischen Gewelben, welche mit einer eisernen Türe verschloßen sind, ist ein reicher Schaz verborgen, den zu heben sich jedoch Niemand getraut; denn er wird von Basilisken bewacht, und wer ein solches Tier siht, ist sofort des Todes.

Mündlich


[251] 6 HILDEGARD VON HOHENFELS

Hinter dem am See gelegenen Dorfe Sipplingen erhebt sich ein hoher Berg, dessen Gipfel in der Vorzeit eine stolze Burg gekrönt. Hier war der Siz des berümten Rittergeschlechts von Hohenfels. Längst ist die Burg zerstört, ire Trümmer blicken traurig von der Höhe herab; das einst weithin herrschende Rittergeschlecht ist seit Jarhunderten ausgestorben. Der lezte Sprößling desselben war Fräule Hildegard, welche einen misgestalteten Kopf mit einem Schweinsrüssel hatte und deshalb aus einem goldenen Tröglein aß. Was aber die Natur ir an körperlichen Vorzügen versagte, gab sie ir um so reichlicher an Edelsinn und Tugend. Das Burgfräule Hildegard war die Woltäterin der ganzen Gegend und unterstüzte namentlich die unten am See wonenden Ansidler auf jede Weise, gab inen täglich ire Suppe oder ir „Süpple,“ woher auch der Name Sipplingen stammt; denn es hieß ursprünglich „Süpplingen,“ wie es noch in Stumpfs Kronik von 1586 geschriben ist. So tat Hildegard den Sipplingern nicht bloß wärend ires ganzen Lebens alles Gute, sondern vermachte inen auch noch durch lezte Verfügung den größten Teil irer Besizungen als Gemeindeeigentum; ja es erhielten sogar die benachbarten Überlinger von irem Reichtum ein schönes Stück. Das gieng folgendermaßen zu. Noch zu Lebzeiten Hildegards hatten die Überlinger mit den Sipplingern verabredet, daß sie gemeinsam nach Hohenfels gen und das Fräule Hildegard bitten wollten, beiden Orten Etwas zu verschreiben. Als nun die Stunde gekommen, warteten die Sipplinger vergebens auf die Überlinger; denn dise waren bereits auf der obern Straße, über Nesselwangen und Bondorf, nach Hohenfels gegangen und so den Sipplingern zuvorgekommen; sie hatten deshalb auch bereits die 2 herlichsten Wälder von Hildegard erhalten, nemlich die Gewanne Eisenholz und Schnorrenberg. Als die Sipplinger nun eingetroffen, schenkte inen das Burgfräulein sämmtliche Hohenfels’sche Güter um Sipplingen und Hohenfels. Dise Verschreibung erfolgte im Jare 1450. Noch jezt halten die Sipplinger das Andenken Hildegards in hohen Eren: alljärlich wird in der Kirche am 14. August ir Gedächtnis durch eine hl. Messe gefeiert. Bei der Austeilung des Gabholzes Ende Dezember oder Anfangs Januar wird derselben ebenfalls öffentlich gedacht, indem der Bürgermeister von Sipplingen im Rathaussal die versammelten Bürger jeweils auffordert: „Laßet uns noch unsrer Woltäterin, der Gräfin Hildegard von Hohenfels im Gebet gedenken!“ worauf fünf Vaterunser von allen Anwesenden laut gebetet werden.

Größtentheils mündlich; Einiges nach Steiger: Die Stadt Überlingen, und Dr. Magg: Grundrisse zu Holzschnitten.

ÜBERLINGEN THEODOR LACHMANN     

  1. d. h. Sagen aus Ueberlingen und Umgegend

Anmerkungen (Wikisource)

Die Sagen finden sich auch als Einzeltexte unter:

  1. Der Geist der Gunzoburg
  2. Der Minkreiter bei Bambergen
  3. Der schwarze Pudel im Walde Haslen
  4. Das goldene Kegelspil im Abtsberg
  5. Der Schaz in der Burghalde
  6. Hildegard von Hohenfels