Zum Inhalt springen

ADB:Liszt, Franz Ritter von

aus Wikisource, der freien Quellensammlung

Empfohlene Zitierweise:

Artikel „Lißzt, Franz“ von Hermann Kretzschmar in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 52 (1906), S. 28–49, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Liszt,_Franz_Ritter_von&oldid=- (Version vom 18. Dezember 2024, 04:09 Uhr UTC)
Allgemeine Deutsche Biographie
>>>enthalten in<<<
[[ADB:{{{VERWEIS}}}|{{{VERWEIS}}}]]
Band 52 (1906), S. 28–49 (Quelle).
Franz Liszt bei Wikisource
Franz Liszt in der Wikipedia
Franz Liszt in Wikidata
GND-Nummer 118573527
Rohdaten, Werke, Deutsche Biographie, weitere Angebote
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Kopiervorlage  
* {{ADB|52|28|49|Lißzt, Franz|Hermann Kretzschmar|ADB:Liszt, Franz Ritter von}}    

{{Normdaten|TYP=p|GND=118573527}}    

Lißzt:[1] Franz L., der, nicht durch Geburt, aber durch sein Wirken der deutschen Kunst als einer der einflußreichsten Musiker des neunzehnten Jahrhunderts angehört, bietet der Biographie eine ebenso lohnende wie schwierige Aufgabe. In innerer Anlage, in Thaten und Schicksalen immer eigen und außerordentlich reizt diese Künstlergestalt zum Dichten und Philosophiren, den Geschichtschreiber stellt sie vor psychologische und historische Probleme, zu deren Lösung die vorhandenen Mittel nicht überall ausreichen. Trotzdem sind bereits sehr viele vorwiegend apologetisch gehaltene Lißzt[1]-Biographien vorhanden; alle überragt durch Umfang und Fülle authentischer Mittheilungen die von Lina Ramann (2 Bde., Leipzig 1880–94). Auch die hier folgende Darstellung muß sich im Thatsächlichen wesentlich auf diese Arbeit stützen, zur Ergänzung sind die von L. geschriebenen und empfangenen Briefe, soweit sie (in der Ausgabe La Mara’s) zugänglich sind, und ältere Zeitungsberichte herbeigezogen. Selbständig zu urtheilen wird dadurch erleichtert, daß die Compositionen und Schriften Lißzt’s[1] fast vollständig gedruckt vorliegen.

Franz L. wurde am 22. October 1811 in dem ungarischen, zum Oedenburger Komitat gehörenden Dorfe Raiding als einziges Kind des fürstlich Esterhazy’schen Güterverwalters Adam L. geboren. Die Mutter, Anna geb. Lager, eine Deutsch-Oesterreicherin, stammte aus einer bescheidenen Bürgerfamilie in Krems bei Wien, der Vater aus einem ungarischen, der Sage nach ursprünglich adeligen, später verarmten Geschlecht. L. selbst war, nach einem [29] im J. 1851 an seinen Vetter Eduard gerichteten Briefe (Franz Lißzts[1] Briefe, Leipzig 1893, I, S. 95) auf die väterlichen Vorfahren nichts weniger als stolz, dagegen hat er auf seine Zugehörigkeit zu der „urwüchsigen, ungebändigten Nation der Magyaren“, obwol er ihre Sprache nicht sprach, stets großen Werth gelegt und diesem besondern Heimathsgefühl auch in seiner Kunst einen beherrschenden Platz eingeräumt. Nicht minder wichtig tritt aber in seiner Entwicklung die internationale Mischung des Blutes hervor.

In dem Testament, das L. am 14. September 1860 in Weimar niederschrieb, heißt es: „Ich danke mit Verehrung und zärtlicher Liebe meiner Mutter ihre beständigen Beweise von Güte und Liebe. In meiner Jugend nannte man mich einen guten Sohn; es war gewiß kein besonderes Verdienst meinerseits, denn wie wäre es möglich gewesen, kein guter Sohn mit einer so treu aufopfernden Mutter zu sein“. Zu anderen Zeiten hat der Sohn in den Briefen ihre Frömmigkeit und ihren praktischen Sinn hervorgehoben. Die tiefe Religiosität, die treue, schwärmerische, glühende Anhänglichkeit an die Kirche dürfen als mütterliches Erbe angesehen werden. Aber auffällig ist es, daß er an jener Stelle den Vater nicht einmal erwähnt. Und doch war er durch ihn zu seinem Lebensberuf, zur Musik gekommen. Denn der (1780 geborene) Vater, der bis 1810 in seinem Geburtsort Eisenstadt gelebt, dort noch mit J. Haydn Karten gespielt, von den Mitgliedern der Capelle ein Instrument nach dem andern gelernt hatte, war selbst ein halber Musiker. Der Umgang mit Hummel hatte ihn dann dem Clavier zugeführt, auf dem er es bald zu Ries’schen Concerten brachte. Als er eines Tages im J. 1817 gerade an dem in Cis-moll übte, „lehnte sich“ – so erzählt Adam L. – „der kleine Franz ans Clavier, lauschte, war ganz Ohr. Am Abend kam er aus dem Garten zurück, wo er spazieren gegangen war und sang das Thema des Concerts. Wir ließen’s ihn wiederholen; er wußte nicht, was er sang: das war das erste Anzeichen seines Genies“. Obwol nun beide Eltern auf das einzige, im Kometenjahr geborene Kind von Anfang an so große Hoffnungen gesetzt hatten, daß über seine Entwicklung ein „Tagebuch“ – der citirte Satz ist ihm entnommen – geführt wurde, obwol dem Vater naheliegen mußte die eignen Künstlerträume auf seinen Franz zu übertragen, wurde der erbetene Clavierunterricht nur mit vielen Bedenken begonnen. Denn der Kleine kränkelte oft an Fieberanfällen und wurde bei einer solchen Krisis sogar einmal in der Gemeinde todtgesagt. Mit der Wiederkehr der Gesundheit wuchs regelmäßig der Eifer im Beten und Musiciren. Ueber den Gang des väterlichen Unterrichts fehlen die Nachrichten, doch scheint zuweilen der wenig harmonisch gestimmte Lehrer unliebsam hart und streng gewesen zu sein. Die Fortschritte sind dadurch bezeugt, daß der junge L. schon als neunjähriger Knabe mit dem Es-dur-Concert von Ries und mit einer freien Fantasie öffentlich auftreten konnte und zwar in der Oedenburger Akademie eines blinden Musikers, dem das Talent des kleinen Virtuosen durch die Proben bekannt geworden war, die er gegeben hatte, wenn er den Vater auf Dienstreisen in die Umgegend von Haiding begleitete. Gleich dieser erste Schritt entschied über die Zukunft Lißzt’s[1]. Das Concert wurde anderen Tags wiederholt, führte ihn dem Fürsten Esterhazy und dem Preßburger Adel zu und hatte die Folge, daß eine Reihe ungarischer Magnaten, die Grafen Erdödy, Szapary und Amadée an der Spitze, für die weitere Ausbildung Lißzt’s[1] auf sechs Jahre eine Subvention von 600 Gulden jährlich auswarfen. Auf sie gestützt siedelte im J. 1821 die Familie Lißzt[1] nach Wien über und Karl Czerny übernahm den Unterricht des Knaben. Vorher war Hummel in Weimar befragt, aber mit einem Louisd’or für die Stunde zu theuer befunden worden; Czerny wies, nachdem er den neuen [30] Schüler näher kennen gelernt hatte, jegliches Honorar zurück und gab ihm sein Bestes. Die Gegenwart kennt Czerny nur als unermüdlichen Componisten methodisch guter, aber etwas seichter Clavieretuden. Daß ihn L. höher stellte, zeigt ein Brief aus dem Jahre 1856 (F. L.s Br. I, 219), in dem er seinem eigenen Schüler Dionys Pruckner empfiehlt, Czerny aufzusuchen: „Von allen jetzt lebenden Componisten“ – schreibt L. – welche sich speciell mit dem Clavierspiel und Claviersatz befaßt haben, kenne ich keinen, dessen Ansichten und Beurtheilungen einen so richtigen Maßstab des Geleisteten darbieten. In den zwanziger Jahren, wo ein großer Theil der Beethoven’schen Schöpfungen für die meisten Musiker eine Art von Sphinx war, spielte Czerny ausschließlich Beethoven mit ebenso vortrefflichem Verständniß als ausreichender, wirksamer Technik und späterhin hat er sich auch nicht gegen einige gethane Fortschritte in der Technik verschlossen, sondern wesentlich durch seine Lehre und seine Werke dazu beigetragen. Schade nur, daß er sich durch eine zu übermäßige Productivität hat schwächen müssen und nicht auf dem Wege seiner ersten Sonate (op. 6 As-dur) und einiger andrer Werke dieser Periode, welche ich als bedeutsame, der edelsten Richtung angehörige und schön geformte Compositionen hochschätze, weiter fortgeschritten ist. Leider aber waren damals die Wiener gesellschaftlichen und verlegerischen Einflüsse schädlicher Art und Czerny besaß nicht die nothwendige Dosis von Schroffheit, um sich ihnen zu entziehen und sein bessres Ich zu wahren“.

Im gleichen Ton der Verehrung sind die zahlreichen Briefe gehalten, die L. an Czerny gerichtet hat, auch öffentlich hat er seine Dankbarkeit durch den Vortrag Czerny’scher Compositionen und dadurch bewiesen, daß er dem ehemaligen Lehrer die sogenannten „Großen Etuden“ („Etudes d’exécution transcendante“) widmete. Die ersten Stunden scheinen dem heißspornigen Schüler nicht gefallen zu haben. Wie Ortigue, der erste Lißzt[1]-Biograph, wahrscheinlich aus sicherster Quelle, berichtet, erschien es ihm als Kränkung, an Clementi’sche Sonaten gewiesen zu werden, auch die Revision und Umbildung der Technik war nicht nach seinem Sinn. Als dann aber Hummel und Beethoven vorgelegt wurden, war alsbald die Freundschaft geschlossen. Für die Einführung in Beethoven war Czerny, den der Meister selbst hin und wieder instruirt hatte, der rechte Mann; er gehörte aber auch zu der in jenen Zeiten noch kleinen Anzahl Wiener Musiker, die Seb. Bach zu schätzen wußten. Ihm war er in früher Jugend zugeführt worden und seine Ausgabe des „Wohltemperirten Claviers“ beweist, daß er ihn nicht bloß als den „Fugenmeister“ auffaßte. Wenn L. sich später unter den mitlebenden Virtuosen außer durch andere Vorzüge, auch durch sein eifriges Eintreten für Beethoven und Bach auszeichnete, so war das ein Vermächtniß Czerny’s. Die musikalische Welt hat davon bemerkbaren Nutzen gezogen, noch größeren aber L. selbst, der von diesen beiden Meistern aus die Richtung auf das Hohe und Große in der Musik fand, die ihn hinderte, sich mit den Triumphen des Virtuosen, so wunderbar sie auch sein mochten, zu begnügen. Ohne den tieferen Sinn zu ahnen, nannten die Wiener, die privatim Gelegenheit hatten, sein Clavierspiel zu hören, den Knaben „den kleinen Herkules“. Bei seinen fleißigen Streifereien nach Novitäten in den sogenannten „Gewölben“ der verschiedenen Musikalienhändler spielte er Alles vom Blatt, was ihm vorkam. Diese Fertigkeit im Lesen und Uebersehen hatte er vermuthlich durch regelmäßiges Transponiren erworben. Wenigstens wissen wir aus den ersten Pariser Jahren, daß ihn der Vater anhielt, täglich zwölf Bach’sche Fugen in andere Tonarten zu übertragen. Als er eines Tages auch das eben frisch angekommene H-moll-Concert Hummel’s, von dem es hieß: daß es dem Componisten selbst zu schwer [31] sei, auf den ersten Blick ohne Anstoß bewältigt hatte, ließ sich ein öffentliches Auftreten nicht mehr verhindern. Am 1. December 1822 gab Franz Lißzt[1] „der zehnjährige Knabe aus Ungarn“ sein erstes Wiener Concert im landständischen Saale. Das für die damalige Anlage der Virtuosenconcerte typische Programm lautete (nach der „Allgemeinen Musikalischen Zeitung“): 1) Ouverture von Clement; 2) Hummel’s Pianoforteconcert in A-moll; 3) Variationen (E-dur) von Rode, gespielt von Herrn Léon de Lubin[WS 1]; 4) Arie aus „Demetrio e Polybio“ von Rossini, gesungen von Dem. Ungher; 5) Freye Fantasie auf dem Piano. Der Berichterstatter des Blattes meldet: „Wieder ein junger Virtuose, gleichsam aus den Wolken herunter gefallen, der zur höchsten Bewunderung hinreißt. Es gränzt ans Unglaubliche, was dieser Knabe für sein Alter leistet und man wird in Versuchung geführt die physische Möglichkeit zu bezweifeln, wenn man den jugendlichen Riesen Hummels schwere und besonders im letzten Satze sehr ermüdende Composition herabdonnern hört. Aber auch Gefühl, Ausdruck, Schattirung und alle feineren Nüancen sind vorhanden, so wie überhaupt dieses musikalische Wunderkind Alles a vista lesen und jetzt schon im Partiturspiel seines Gleichen suchen soll. Polyhymnia möge die zarte Pflanze schützen … Est Deus in nobis!

Die freie Fantasie war nach demselben Correspondenten, in dem wir Ignaz v. Seyfried vermuthen dürfen, nur häufige, wörtliche, durch Zwischenspiele getrennte Wiederholung zweier Themen. Doch interessirte die Wahl dieser Themen: a) das Hauptthema aus dem Allegretto (damals nannte man es stets „Andante“ von Beethoven’s A-dur-Sinfonie und b) ein Motiv aus Rossini’s „Zelmira“. Die beiden Antipoden, zwischen denen die Neigung der Zeit und auch die Lißzt’s[1] so lange schwankte, waren also hier zusammengebracht. Mit einem zweiten Concert im April 1823, bei dem Beethoven den jungen Virtuosen umarmte und küßte, schloß die Wiener Lehrzeit. Sie war auch zu Studien in Theorie und Composition benutzt worden, die Anton Salieri, der Lehrer so vieler großer Musiker, leitete. Auf diesem Gebiete scheint das Talent des Knaben gleichfalls eine gute Meinung erweckt zu haben. Denn als Diabelli die fünfzig bekanntesten österreichischen Componisten einlud zu seinem durch Beethoven’s „33 Variationen“ berühmt gebliebenen Walzer je eine Umschreibung zu liefern, wurde mit Franz Schubert, Hummel, Kalkbrenner, Moscheles, Hüttenbrenner u. A. auch der junge L. aufgefordert. Seine Variation, die erste gedruckte Composition des Künstler, sticht in der Sammlung durch Eigensinn hervor: Moll und 2/4-Tact.

Im Herbst 1823 wurde das an Wunderkindern reiche Wien mit Paris vertauscht, wo die Familie nach einer langsamen, durch mehrere Concerte unterbrochenen Reise über München und Straßburg vor Weihnachten eintraf.

Den Vater hatte zu diesem wichtigen, in die Entwicklung des Sohnes tief und nicht unbedingt vortheilhaft eingreifenden Schritt die Thatsache bestimmt, daß Paris durch die Schule Gluck’s die musikalische Hauptstadt Europas geworden, daß an sie die ehemalige Vorherrschaft Italiens übergegangen war. Tonkünstler von Weltbedeutung bedurften des französischen Lehrbriefs. Wie Cherubini, Rossini, Spontini, so beugten sich die Musiker aller Länder, Engländer, Spanier, Russen eingeschlossen, diesem Gesetze und auch Deutsche wie Meyerbeer und Fr. v. Flotow wurden künstlerisch Franzosen. Erst seit R. Wagner, der ebenfalls noch die französische Straße zog, ist die innere Ueberlegenheit der deutschen Musik zu allgemeiner Geltung gekommen. Im J. 1823 war sie trotz Beethoven und C. M. v. Weber noch so latent, daß die Entscheidung eines mit der Wirklichkeit rechnenden Ungarn zu Gunsten der französischen ausfallen mußte.

[32] Eins hätte Wien dem Künstler auch nicht annähernd in der Weise bieten können, wie er es in Paris fand. Das war die geistige Anregung und der gesellschaftliche Schliff. Durch den frühzeitig, ja allzufrüh sich bietenden Verkehr in den „Salons“ der Weltstadt, die bekanntlich unter Karl X. und unter Louis Philippe eine neue, den Tagen der Encyklopädisten wenig nachgebende Glanzzeit erlebten, wurde L. der allen Lagen gewachsene Weltmann, durch sie kam er zu dem gewaltigen Bildungstrieb und zu der Freiheit der Weltanschauung, die fast mehr noch als die angeborene Begabung seine Stellung in der Kunst markiren. Musikalisch begann Lißzt’s[1] französische Zeit mit einer Enttäuschung. Der Vater hatte, gestützt auf eine Empfehlung des allmächtigen Fürsten Metternich, die Aufnahme in das weltberühmte Conservatoire de musique für sicher gehalten. Cherubini der Director, der „Wunderkindern“ abhold war, wies den Knaben als Ausländer zurück und blieb dabei. Im Clavier, wo, so wie so, kaum ein dem Schüler gewachsener Lehrer zu finden gewesen wäre, unterblieb infolge dessen weiterer Unterricht. L. bildete sich durch Hören, Vergleichen und Nachdenken allein weiter. In der Theorie wurde er eine Zeitlang Ferdinand Paër[WS 2], der zu jener Zeit unter Rossini die italienische Oper dirigirte, übergeben, von 1826 ab kam er zu Anton Reicha. Die Bedeutung dieses heute wol nur noch wegen seiner Beziehungen zu Beethoven genannten Lehrers muß für die Entwicklung Lißzt’s[1] sehr hoch angeschlagen werden. Sie liegt weniger in der ziemlich schnell erfolgten Absolvirung eines vollständigen Cursus des Contrapunkts, sondern darin, daß Reicha über die Ausnutzungsfähigkeit der rhythmischen und melodischen Elementarformen Ansichten hatte, die sich bei keinem zweiten Theoretiker jener Zeit finden. Sein „Traité de composition“ spricht sie am originellsten in dem Capitel über „Deklamation“ aus. Von der Mehrheit unbeachtet gelassen, sind sie für L. eine Quelle wesentlicher Stileigenthümlichkeiten geworden.

Während die Wiener Empfehlungen Cherubini nicht erweicht hatten, verschafften sie dem jungen Virtuosen sehr bald Zutritt bei der Herzogin von Berry, beim Herzog von Orléans und in den hohen Kreisen des Faubourg St. Germain. Von dort aus, wo der Maestro Rossini die musikalischen Arrangements zu dirigiren pflegte, verbreitete sich der Ruf des „petit Litz“ so schnell, daß die „Allgemeine Musikalische Zeitung“ schon Anfang 1824 darüber nach Deutschland berichtete. Das war in diesem Fall eine ungewöhnliche Ehre, weil der Pariser Correspondent des Blattes den kleinen Schilling, die kleine Schauroth[WS 3] und andere vor seine Kritik gerathene, concertirende Kinder sichtlich unglimpflich behandelt. Wir erfahren aus seiner Mittheilung, daß L. für elfjährig galt und daß er namentlich durch sein Improvisiren „unendliches Aufsehen erregte“. Schon am 8. Februar trat er zum ersten Male öffentlich in einem bei den Gebrüdern Erard veranstalteten Concert auf und führte bei dieser Gelegenheit das neueste Meisterstück der Erard’schen Firma vor, einen Flügel von 7 Octaven. Ein solcher Umfang war damals noch ungewohnt, folglich, könnte man sagen, trat L. dafür ein. Mitten im Vortrag – Hummel’s H-moll-Concert – mußte er abbrechen, weil sich die Saiten zu arg verstimmt hatten. Im übrigen wird sein Spiel als „fertig, naiv und gefühlvoll“ gerühmt. Als er kurze Zeit darauf (17. März 1824) zum ersten Mal im italienischen Opernhaus vor der Aufführung von Paisiello’s „Nina, la pazza per l’amore“ sich hören ließ, passirte es, daß das begleitende Orchester nach einem Solo einzusetzen vergaß, weil die Musiker ganz in sein Spiel versunken waren. Dieser kleine Zwischenfall exaltirte die ganze Stadt. Orpheus, lautete eines der hierdurch veranlaßten Bonmots, hat nur Thiere und Steine bezaubert, der kleine Litz aber die ersten Meister der Welt. Die Lehre von [33] der Seelenwanderung wurde hervorgezogen um wahrscheinlich zu machen, daß in dem jungen L. Mozart wieder zur Welt gekommen sei. Die Schwärmer fanden auch eine äußere Aehnlichkeit heraus! Wenn er im Theater spielte oder sich nur zeigte, wurde er in alle herrschaftlichen Logen gerufen. Alles, auch das Unmögliche traute man ihm zu: Als er eines Abends sein Lieblingsstück, das Hummel’sche H-moll-Concert, ungewöhnlicher Weise auswendig gespielt hatte, schrieb ein Journalist, daß er „mit Begleitung des Orchesters phantasirt“ habe. In den Zeitungen erschienen Gedichte, in den Schaufenstern hing sein Bild; auch die Wissenschaft begann sich für das Phänomen zu interessiren: Gall nahm einen Abdruck vom Schädel des Knaben. Alle diese Ovationen verdarben nichts an L., sie drückten sich nicht einmal tiefer ein. Einzig eine in diese Zeit zu setzende Kritik N. Hummel’s blieb ihm unvergeßlich. Auf sie kommt er noch in späten Jahren brieflich wiederholt zurück, hauptsächlich wegen ihrer drastischen Fassung: „Der Bursch ist ein Eisenfresser!“ Der Vater jedoch sah dem gefährlichen Cultus mit Sorgen zu und benutzte gern eine Einladung Erard’s zu einem Abstecher nach London. Ehe die Reise angetreten wurde, mußte von der Mutter, die nach Oesterreich zurückging, Abschied genommen werden. Es war die erste längere Trennung von Mutter und Kind! In London gefiel „Master Lißzt[1] dem Hof, der Nobility und den Musikern, von denen er bei Gelegenheit des ersten Concerts (21. Juni 1824) Cramer, Clementi, Ries, Kalkbrenner, Potter und G. Smart kennen lernte, so, wie es die Erfolge in Wien und Paris erwarten ließen. Den Fachgenossen imponirte er besonders durch eine Fuge, mit der er eine Improvisation über ein Thema aus dem „Barbier“ schloß. Schon im nächsten Jahre kehrte er nach England zurück. Sein größtes musikalisches Erlebniß war diesmal eine Aufführung in St. Paul, bei der über 7000 Kinder sangen. In London kam er zum zweiten Mal unter die Hände eines namhaften Phrenologen, diesmal Devilles. Ihm hatten einige Schäcker L., den er nicht kannte, als einen faulen, wenig begabten Knaben vorgeführt. Dem Gelehrten schien der Kopf indeß nicht so werthlos, doch möge er sich nicht mit alten Sprachen befassen! „Aber“, rief er, als er an die Stirnwinkel kam, „das ist ja ein geborener Musiker!“ „Ja“, sagten die Begleiter, „das ist L.!“ Mit einer Umarmung schloß die Scene. In den Neigungen zu solchen kleinen Streichen des Uebermuthes meldete sich bei L. die Jünglingszeit. In Paris warf er gelegentlich Geldstücke unter die Straßenjungen, vertrat, da auch durch Herzensgüte getrieben, mit dem Besen in der Hand interimistisch einen Gassenkehrer. Besonders war er zu musikalischen Foppereien aufgelegt, die an bekannte Beethoven-Anekdoten erinnern. Beim ersten Londoner Aufenthalt hatte er in einer Soirée mit einem Collegen zu concurriren, der seine Sache ziemlich schlecht machte. Da spielte L., als er ans Auftreten kam, das gleiche Stück aber auswendig und so schön, daß es Niemand erkannte. Auf der Rückreise von der zweiten englischen Reise mystificirte er in Bordeaux eine Gesellschaft von Musikfreunden, unter denen sich auch ein berühmter Geiger befand, dadurch, daß er ihnen eine eigne Composition als Beethoven’sche Sonate vortrug und damit entzückte. Die Geschichte ist in verschiedene Schullesebücher übergegangen. Nur das wird nicht erwähnt, daß der Geiger: Rode[WS 4] war. Bei der erwähnten zweiten Reise nach England wurden auch die größeren Provinzstädte besucht. In Manchester kam dabei zum ersten Mal eine Compositton Lißzt’s[1] in breiter classischer Form zur Aufführung, eine „Große Ouverture für Orchester“. Auch in Paris präsentirte er sich im J. 1825 zum ersten Male ernstlich von der schöpferischen Seite. Die Große Oper führte am 17. October seine einactige Oper: „Don Sanche ou la Chateau d’Amour“ [34] auf. Das Werk, zu dem der angesehene Librettist Théaulon den Text geschrieben hatte, war unter Paer’s Augen entstanden und von der Direction des berühmten Instituts nicht bloß aus Speculation auf Lißzt’s[1] Namen, sondern auch deshalb angenommen worden, weil man alle Ursache hatte, nach neuen Talenten zu suchen. Mit Rossini, Boieldieu, Kreutzer, Auber allein war das Repertoire nicht zu halten, die Dugazon, Aumer, Dausvigne, Schneitzhoeffer u. s. w. aber hatten sich nicht bewährt. Auch Lißzt’s[1] Einacter hielt sich, obgleich Nourrit sang und bei der Première viel Rührung herrschte, nur bis zur dritten oder vierten Vorstellung. Da der „Don Sanche“ verbrannt ist, erübrigen sich Controversen über seinen Werth noch mehr als über den der in Manchester aufgeführten, vielleicht zum „Don Sanche“ gehörenden Ouvertüre und anderer gleichfalls abhanden gekommener, aber noch nicht hoffnungslos verlorener Jugendcompositionen. Der Mißerfolg steht fest und hat auf die nächsten Jahre in Lißzt’s[1] Leben einen ersichtlichen Schatten geworfen. Den Vater, der die Composition der kleinen Oper eifrig betrieben hatte und mit der Aufführung das höchste Ziel einer musikalischen Laufbahn erreicht glaubte, mußte die Ablehnung in ein Wirrsal von Kummer, Hoffnungslosigkeit und Erregung stürzen. Sie richtete sich auch gegen den Sohn und hinterließ in dessen Seele die tiefe Verstimmung, deren Spuren noch in dem historischen Weimarschen Testament von 1860 zum Vorschein kommen. Ortigue berichtet als classischer Zeuge von einer schweren Krisis Lißzt’s[1]. „Die Musik war er überdrüssig“, beichtete oft, wollte Priester werden, las leidenschaftlich im Neuen Testament, im Thomas a Kempis und vertiefte sich in Mystik und Legende.

Nach allen vorliegenden Erfahrungen mußte der Vater auf Fortsetzung der dramatischen Versuche drängen, an Reicha, dem alten Freunde Czerny’s, sollte ihnen wahrscheinlich ein besserer Mentor gesichert werden. Umsonst! Erst nach zwei und drei Jahrzehnten hat sich L. wieder Opernplänen zugewendet. Seine Compositionsthätigkeit, zu der er bald mit gesteigertem Fleiß zurückkehrte, beschränkte sich von jetzt ab für lange Zeit auf Aufgaben, die seinem Alter, die seinem menschlichen und musikalischen Gesichtskreis entsprachen, nämlich auf kleine und mittelgroße Clavierstücke. Der Grundsatz: streng ohne alle Beachtung von Brauch und äußerem Vortheil der klargewordenen Einsicht zu folgen, war der dauernde Gewinn aus der Geschichte des „Don Sanche“.

Das Verhältniß zwischen Vater und Sohn und das innere Gleichgewicht Beider einigermaßen wieder herzustellen, boten neue Concertreisen gute Gelegenheit: eine zweite durch die französischen Departements, eine dritte nach England, eine erste in die Schweiz. Während des längeren ins Jahr 1826 fallenden Aufenthalts in Marseille wurden dort die „Etudes pour le Piano en douze Exercices“ gedruckt. Sie erschienen 1835 in einer deutschen Ausgabe als „opus 1“, obgleich ihnen L. vorausgeschickt hatte: ein „Impromptu“ (1824) und ein „Allegri di Bravura“ (1825). In Cramer’scher Art, aber stimmungsvoll und mit Temperament sind in diesen Etuden für technische Zwecke erfundene Motive durchgeführt. Nachdem aus ihnen die erstaunlichen „Etudes d’exécution transcendante“ (Breitkopf & Härtel, 1852) hervorgegangen waren, zog sie L. aus dem Verlag zurück. Ueber das diesmalige Auftreten in London berichtet das „Tagebuch“ von Moscheles, daß „Lißzt’s[1] Spiel an Kraft und Ueberwindung von Schwierigkeiten alles früher Gehörte“ übertreffe, es gedenkt zweitens der „chaotischen Schönheiten“ eines Lißzt’schen[1] A-moll–Concertes. Dieses Concert würde den Rahmen der dem „Don Sanche“ folgenden Compositionen so durchbrechen, daß man seine Entstehung in eine frühere Zeit setzen müßte. L. selbst war, als er 1872 die [35] Notiz des „Tagebuchs“ las, darüber unklar, ob er jemals ein A-moll–Concert geschrieben habe oder nicht.

Von London wandten sich die Reisenden, beide geistig und physisch erschöpft, nach Boulogne sur mer. Dem Sohne thaten die Seebäder sehr wohl, den Vater raffte (am 27. August 1827) ein gastrisches Fieber weg. Aus der tiefen Erschütterung, die der plötzliche Verlust nach sich zog, ging L. als ein neuer Mensch hervor, fest gewillt, das Leben planvoll und, wie er in seinem Nachruf an Paganini sagt, „hochsinnig“ zu führen. Um das zu können, legte er noch einmal Hand an seine Erziehung und erweiterte Mittel und Unterlagen seines Künstlerthums von Grund aus. Mit der von Wien herbeigerufenen Mutter richtete er in Paris eine bescheidene Häuslichkeit ein und trat von der Oeffentlichkeit für die nächsten sieben Jahre so gut wie ganz zurück. Nur ausnahmsweise war er zu hören, eine solche Ausnahme bildete 1828 eine Extraaufführung des Conservatoriums, bei der L. Beethoven’s Es-dur-Concert in Paris einführte. Der berühmte Virtuos verschaffte sich den nöthigen Lebensunterhalt als einfacher Clavierlehrer. Selbstverständlich war er einer der gesuchtesten. Seine Hauptsorge war, die Lücke der allgemeinen Bildung, für die seit der Raidinger Dorfschule nichts methodisches hatte gethan werden können, auszufüllen. Mit stürmischer Naivetät hatte er eines Abends den Advocaten Crémieux gebeten: „Herr, entwickeln Sie mir die ganze französische Litteratur!“ Jetzt ging er Schritt für Schritt vor. Das Französische beherrschte er bereits wie eine Muttersprache, mit der ihm eigenen Raschheit machte er sich nun auch Englisch, Italienisch, im ganzen sieben neue Cultursprachen zu eigen und las Alles, was ihm an bedeutenden Werken über Geschichte, Philosophie, Litteratur und Kunst erreichbar war. Für einen Theil dieser Studien übernahm eine Schülerin, die junge Gräfin Saint Cricg[WS 5] die Führung. Zu ihr faßte er eine tiefe Liebe, die erwidert, aber vom gräflichen Vater nicht gebilligt wurde. L. widmete noch im J. 1844 bei einer Wiederbegegnung der ehemaligen Schülerin das schöne Lied „Ich möchte hingehn“ etc., und sie gehört (als Madame d’Artigaux in Pau) unter die wenigen Personen, die das Weimarsche Testament durch Geschenke auszeichnet. Der frische Schmerz der Entsagung trieb ihn wieder zu dem alten Priesterplan. Nur der Mutter zu Liebe ließ er ihn nochmals fallen. Zu seiner weiteren Aufrichtung trug Christian Urban[WS 6], der als Virtuos der Viola d’Amour bekannte Organist an St. Paul de Vincent bei. Diesem idealen Sonderling, der Jahre lang bei Balletaufführungen mitgeigte, ohne jemals einen Blick auf die Bühne zu werfen, verdankte L. neue Ideen über Kirchenmusik, indeß auch eine Steigerung seiner krankhaften Mystik. Er wurde immer weltflüchtiger, sah kaum noch seine Mutter, erkrankte, ward zum zweiten Male todt gesagt und erhielt bei dieser Gelegenheit, wie seiner Zeit C. M. v. Weber, einen ehrenvollen Zeitungsnekrolog (im Pariser „Etoile“, November 1828, abgedruckt bei L. Ramann). Mit eingetretener Reconvalescenz nahm L. die Aufgabe der geistigen Klärung an dem Punkte wieder auf, wo sie die Episode St. Cricg unterbrochen hatte und vertiefte sich zunächst in Chateaubriand’s Werke, insbesondere in dessen René und seine Manfred-Stimmung. Die Julirevolution rief ihn von den Büchern hinweg unter die Menschen, führte ihn zur Bekanntschaft mit den St. Simonisten und bald zu der mit dem Abbé Lamennais[WS 7]. Ueber die Freundschaft, mit welcher er diesem vielseitigen Idealisten verbunden blieb, geben die Briefe, die er an ihn richtete, die beste Auskunft, auch die Widmung der „Pensées des Morts“ zeugt davon; unter den unausgeführten Compositionen, die Lamennais zugedacht waren, interessirt eine Epopoe für Chor über Dichtungen des Freundes: les Matelots, les laboureurs, les soldats etc. Auch [36] Lißzt’s[1] Begeisterung für die Männer des Aufstands sollte durch eine der Beethoven’schen „Schlacht bei Vittoria“ nachgebildeten „Revolutionssinfonie“ musikalischen Ausdruck finden. Die Verbrüderung der Völker Europas zu symbolisiren, waren ihr das Ziska’sche Hussitenlied, Luther’s „Ein’ feste Burg“, die „Marseillaise“ und „Malbourough s’en va t’en guerre“ als Themen zugedacht. Sie blieb ebenfalls ungeschrieben und ähnlich wich sein anfänglich feuriges Interesse für den Simonismus bald der kühlen Kritik. Als ihn Heine als Anhänger Enfantin’s verspottete, protestirte er öffentlich aufs entschiedenste gegen diese Verleumdung. L. stand allen diesen Bewegungen ohne eigentliche politische und philosophische Anlage gegenüber und erwärmte sich für sie nur, weil sie ihn als Christen, Philanthropen und Künstler berührten. Eine überall und jederzeit von der Menschenliebe geleitete, in allen Gliedern und Ständen von freier Kunst veredelte Gesellschaft – das war sein Ideal.

Die Theilnahme an den Bestrebungen und Ideen der Zeit hat L. zu der großen Auffassung der Tonkunst und ihrer Zusammenhänge geführt, die seine Schriften und seine praktische Thätigkeit in der Musik auszeichnet, der persönliche Verkehr mit führenden und bedeutenden Geistern war jedoch auch mit Gefahren verbunden. L. wurde im Salon der George Sand ein Opfer der kecken Theorie von der schrankenlosen Freiheit der Liebe und ging im J. 1834 eine wilde Ehe mit der sechs Jahre älteren Gattin[WS 8] des Grafen d’Agoult ein. Für die inneren Kämpfe, die dem strengen Katholiken dieser Schritt gekostet hat, sind die erwähnten „Pensées des Morts“, die der Componist in einem Brief an Lamennais ein instrumentales „De profundis“ nennt, ein ergreifendes Zeugniß. Nicht zufällig bricht in ihnen zuerst die starke Originalität des Lißzt’schen[1] Stils voll ausgebildet durch. L. ist den drei, diesem Bunde entsprossenen Kindern – nur Frau Cosima Wagner lebt von ihnen noch, die Lieblingstochter Claudine, eines der ersten Kinder, die Schumann’s „Kinderscenen“ kennen lernte, starb nach kurzer Ehe mit dem nachmaligen Minister Ollivier, auch der hoffnungsvolle Daniel wurde nicht alt – ein musterhafter Vater gewesen, aber das Glück der zehn Jahre an der Seite der interessanten Circe, die später als Daniel Stern eine geistvolle Schriftstellerin ward, war die Opfer nicht werth. In den Jahren, wo um Lißzt’s[1] künstlerische Bedeutung gestritten wurde, ist das peinliche Verhältniß erfolgreich als Beweis des angeborenen Anarchismus ausgebeutet worden und gesellschaftlich hat es ihn vieler Orten und immer wieder unmöglich gemacht. So gleich in Genf, wo sich das Paar im Frühling 1835 zunächst niederließ. Die zahlreichen Wohlthätigkeitsconcerte Lißzt’s[1] waren stark besucht, auch ließ man es sich gerne gefallen, daß er an dem neueröffneten Conservatorium gratis unterrichtete, ein eignes Concert des Virtuosen aber fand bei leerem Saal statt „wegen meiner vie scandaleuse“. Auch in Genf betrachtete sich L. noch als Schüler, hörte an der Universität und suchte im Verkehr mit freier gesinnten Naturforschern, Philologen und Politikern nach wie vor seine allgemeine Bildung zu erweitern. Mit dem Linguisten Adolphe Pictet[WS 9] und der Fürstin Belgioso[2][WS 10] verknüpfte ihn bald dauernde Freundschaft. Aber auch der Musiker in L. hatte inzwischen seine Rechte wieder geltend gemacht. In Berlioz und Chopin waren ihm im J. 1828 ziemlich zu gleicher Zeit zwei Künstler begegnet, die sein ganzes Innere aufwühlten und von entgegengesetzten Seiten aus die Entwicklung seines Fachtalents sogut wie zum Abschluß brachten. Der Chopin’sche Einfluß ging auf Vertiefung und Verfeinerung alter Kunstmittel hinaus, der Berlioz’ auf eine neue, der erregten Zeit entsprechende, im wesentlichen französische Rhetorik, scheinbar auch auf die Entdeckung neuer musikalischer [37] Ideengebiete; jener wirkte klärend, dieser aufreizend und nur eine so wunderbare Organisation, wie sie L. besaß, vermochte diesen Gegensätzen Stand zu halten. Wenn L. sofort und am stärksten von Berlioz angezogen wurde, so sprach da wieder seine ritterliche und hülfsbereite Natur mit. Die „Sinfonie fantastique“ war mit den Worten empfangen worden: „Ein gewisser Hector Berlioz … Schade, daß er nichts gelernt hat“ (Allg. Mus. Ztg. 1829, S. 863). Das genügte für L., um ohne Besinnen von diesem Werke einen Clavierauszug herzustellen, wie ihn noch keine Partitur gefunden hatte. Aber Berlioz wirkte auch schnell auf L. als Componisten. Wiederum müssen da als Beleg die „Pensées des Morts“ citirt werden. Die Anregungen Chopin’s fruchteten langsamer, wie alles Edle, und traten lange Zeit nur in den Claviercompositionen und zwar durch Abrundung der Form, durch Bereicherung des Kleinlebens, durch Vergeistigung der Ornamentik zu Tage. Das wichtigste, was L. von Chopin empfing, war der nationale Musiksinn. Erst der Pole hat in L. den Ungarn aufgeweckt. Auch dem Spiele Lißzt’s[1] hat Chopin genützt, er gab ihm ein Muster der Delicatesse. Hier trat nun im J. 1831 mächtig ergänzend die Bekanntschaft mit dem dämonischen Geiger Paganini hinzu. Durch ihn ging dem bereits concurrenzlosen Pianisten eine neue Welt über den „Vortrag“ auf, mit Fiebereifer arbeitete er an der weiteren Vervollkommnung seiner Technik, die bis dahin ungefähr der Höhepunkt des Hummel’schen Niveaus gewesen war. Aber L. begnügte sich nicht damit, die Paganini’schen akustischen Neuerungen, die Sprünge, die weiten Lagen, die prickelnden Klänge, die sausenden Gänge nachzubilden, sondern radical machte er sich zum Herrn des ganzen, dem Instrumente möglichen Spielvermögens. Wie weit er dessen allgemeinen Durchschnitt gesteigert hat, ergibt sich schon aus seinen bekannten Paganinietüden, noch klarer zeigt es der Vergleich eines Lißzt’schen[1] Concerts mit einem Mendelssohn’schen, Beethovenschen, Mozart’schen, und am allereinfachsten das zwischen den Etudes des opus 1 und den Etudes d’exécution transcendante bestehende Verhältniß.

Die Genfer Zeit war musikalisch hauptsächlich dieser letztgenannten Aufgabe, der Vollendung der Virtuosität gewidmet. Erst im J. 1836 überraschte er die Welt damit: durch die übermäßige Bewunderung, die der neue Stern Sig. Thalberg in Paris als Spieler und Componist fand, aufgestachelt, eilte er dorthin zum Wettkampf und siegte. Bei dieser Gelegenheit erfuhren die Musiker, daß sie auch mit dem Schriftsteller L. zu rechnen hatten. Frühere Beiträge zur „Gazette musicale“ waren unbemerkt geblieben, eine 1837 veröffentlichte Kritik über Thalberg’sche Compositionen und die sich daran knüpfende Polemik mit Fétis[WS 11] wurden zum Ereigniß. L. erzählt (in einem Brief an J. v. Wasielewsky vom 9. Juli 1857) sehr hübsch, wie er, um den etwas gehässigen Eindruck dieser Angriffe zu verwischen, nach Stoff zu einem irgend Jemand lobenden Artikel gesucht habe und dabei endlich auf R. Schumann gerathen sei, zu dem er hierdurch in persönliche, freundliche Beziehungen kam.

Nach jener Begegnung mit Thalberg bestritt Niemand mehr das Primat Lißzt’s[1]. „Erste Pianisten“ gab es im Plural, er aber war „der Einzige“. Das Lißzt’sche[1] Jahrzehnt von 1836 bis 1846 ist in der Gesammtgeschichte musikalischer Virtuosität eines der glänzendsten Capitel, die orpheische Macht des Berufs erwies sich durch ihn in der politisch stillen Zeit wieder mit einer Sicherheit, Ausdehnung und Stärke, wie es seit den Tagen Farinelli’s nicht mehr vorgekommen war. Diesen Triumphzug im einzelnen zu verfolgen, ist hier nicht der Ort. L. selbst hat über die ihm innerlich dabei theuer gewordenen Momente eine musikalische Chronik hinterlassen: die drei Hefte seiner „Années de Pélerinage“ (für Clavier). Demgegenüber genügt es, die Hauptdaten, [38] namentlich die künstlerisch wichtigen, kurz zu berühren. Da macht sich zuerst der Aufenthalt in Lyon dadurch bemerklich, daß L. Nourrit in die Schubert’schen Lieder einführt; der berühmte Sänger hat sie von da ab in Frankreich, voran den „Erlkönig“, zur Geltung zu bringen gesucht. Von Lyon aus reiste L. nach Italien. Für den Ruf und die Erwartungen, die sich überall an seinen Namen knüpften, spricht die erste Begegnung mit dem bekannten Verleger Ricordi. Dieser hört in seinem Claviermagazin einen unangemeldeten Fremden spielen und eilt auf ihn mit den Worten zu: „Sie sind L. oder der T … !“ Es war Lißzt[1]. Die Bewunderung der Italiener wurde auch durch die freimüthigen Urtheile, die er über italienische Musik in der „Gazette musicale“ veröffentlichte, nur vorübergehend herabgestimmt. Ihm selbst blieb die Rückständigkeit, die nur so „ungefähr wußte, daß es einen Beethoven und Weber gegeben“, entsetzlich und hat vielleicht mit dazu beigetragen, daß der alte Widerwille am Virtuosenberuf schon 1837 wieder einmal stark ausbrach. „Suis je condamné … à ce métier de baladin d’amuseur des salons“, schreibt er an Lamennais. Auch kleine Componistentriumphe, wie die Auszeichnung seines Antheils an den von Chopin, Pixis, Thalberg, Herz und L. über ein Puritanerthema componirten Bravourvariationen bei dem Mailänder Concert zum Besten der italienischen Flüchtlinge – es schloß mit dem 12händigen Vortrag des „Götterwerks“, der Ouvertüre zur „Zauberflöte“ durch L., Hiller, Pixis, Schoberlechner, Origgi und Pedroni – konnten ihn von seiner musikalischen Depression nicht befreien. Da hielt er sich eifrig an die bildende Kunst des Landes; die „Années de Pélerinages“ verewigen einige der tiefsten Eindrücke. Besonders bedeutend wurde in dieser Beziehung der Besuch der römischen Museen und Galerien, bei dem der Historienmaler Ingres die Führung übernahm. Vielleicht in Anknüpfung an die Pariser „Musikbilderconcerte“ Porro’s (s. Neue Ztschr. f. Mus. V, 190) ging ihm hier ein neuer Begriff von der engen Verwandtschaft zwischen Musik und Malerei auf, die Ueberzeugung von der Möglichkeit ihres Zusammenwirkens ist ein unentbehrlicher Schlüssel für eine Anzahl seiner späteren Compositionen. Musikalisch ward Rom dadurch merkwürdig, daß er hier zum ersten Male wagte, ganze Concerte allein mit Claviervorträgen auszufüllen. Diese sogenannten „Soliloques musicaux“, die nur in den Unternehmungen älterer Orgelvirtuosen Vorläufer haben, verpflanzte L. 1839 auch als „Piano-Recitals“ nach England, durch seine Schüler sind sie mittlerweile eine allgemeine internationale Einrichtung geworden. Der „Curiosität wegen“ theilt er der Fürstin Belgioso[2] (4. Juni 1839) das Programm eines solchen Soliloque mit. Es beginnt mit seinem Lieblingsstück, der für Clavier übertragenen „Tellouvertüre“, Nummer 2 sind Reminiscenzen aus den „Puritanern“, 3. Etuden und Bruchstücke aus Lißzt’s[1] Compositionen, 4. Improvisationen über gegebene Motive.

Von Pisa aus meldete sich L. zum ersten Mal wieder bei der deutschen Musik und erbot sich dem Comité für das Beethovendenkmal in Bonn, das mit seinen Sammlungen nur in dem üblichen tempo molto moderato von der Stelle kam, die fehlende Summe allein zu beschaffen unter der einzigen Bedingung, daß sein Bildhauer (Bartolini in Florenz) beauftragt würde. Während des Sommeraufenthalts zu Bellaggio entstand die als erste Frucht von Lißzt’s[1] Dantestudien beachtenswerthe „Sonata quasi Fantasia“ (f. Clavier). Auch sie steht in den „Années de P.“ In Venedig erfuhr L. im Frühjahr 1838 von den fürchterlichen Ueberschwemmungen der Theiß. Sofort war er in Wien und spielte zum Besten der Calamitosen der ungarischen Hauptstadt. Mit diesem Intermezzo beginnt das Ende seiner französischen und romanischen Periode; seine musikalische Seele wußte von jetzt ab, wo ihre eigentliche Lebensluft [39] wehte. Ein Publicum, das Weber’s Concertstück und die Aufforderung zum Tanz, das Beethoven’sche Sonaten, Berlioz’sche Sinfoniesätze, das Chopin und noch dazu Händel und Scarlatti so verstand und aufnahm, hatte Paris, hatte Italien nicht zu bieten. Am stärksten aber hatte er seine Hörer mit Uebertragungen Schubert’scher Lieder erfreut. Sie waren das Hauptthema in den Hymnen der Zeitungen und sie wurden von da ab bekanntlich eine Mission, die ihm besonders am Herzen lag. Man darf behaupten, daß L. mit seinen mehr als fünfzig Transscriptionen dem Schubert’schen Lied und einer Schubert’schen Schule erfolgreicher Bahn gebrochen hat, als sämmtliche deutschen Sänger es bis dahin vermocht hatten. Zunächst kehrte er nach Italien zurück. Aber schon im November 1839 war er wieder in Wien; seinem Freund, dem Grafen Festetics, meldete er sich mit der Bemerkung an: er werde ihn „gealtert, aber reifer und als Künstler ausgearbeitet“ wiedersehen. Jetzt fand er auch die Zeit, die vor achtzehn Jahren verlassene Heimath aufzusuchen. Man empfing ihn wie ein höheres Wesen und verabschiedete ihn mit der stolzesten Auszeichnung, die die ungarische Nation kannte: eine Adelsdeputation überreichte ihm den Ehrensäbel. Er gehörte bis an Lißzt’s[1] Ende mit dem preußischen Orden pour le mérite und dem Königsberger Doctordiplom zu den Decorationen, über die der Künstler Niemanden zu witzeln erlaubte. Bei einem Besuch in Raiding trat er zum ersten Male mit dem doppelten Interesse des Patrioten und des Fachmanns der Zigeunermusik näher, die ihn von nun ab fester und fester in ihren Bann zog. Als Vorbereitung war in Wien die Uebertragung von Franz Schubert’s vierhändigen Ungarischen Melodien und Märschen in zweihändigen Claviersatz vorausgegangen.

Die nächsten sieben Jahre bilden nun eine Summe von Virtuosentriumphen, bei deren Studium sich das Staunen mit einem Gefühl des Einerlei mischt. In alten und neuen Ländern, in mittleren und großen Städten, mit wenig Ausnahmen: überall derselbe Enthusiasmus, in England, Schottland, in Spanien, Portugal, in Rußland, Polen, ja in der Türkei dieselbe, kaum noch Rand und Band einhaltende, verzückte Menschheit. Einnahmen von 12 000 Frcs. auf ein einziges Concert kamen wiederholt vor. Die größten Steigerungen des Jubels fallen auf den ersten Berliner Aufenthalt, auf Kopenhagen und Warschau. Lißzt’s[1] Natur zeigte sich diesen Ovationen gleich gut gewachsen wie den physischen Anstrengungen, die mit einer Reiseart, bei der gelegentlich in zwölf Tagen an neun verschiedenen Orten gespielt werden mußte, verbunden waren. Auch bei ihm hatten die vermehrten Anforderungen die Lebenskraft gesteigert. Nur so erklärt sich’s, daß L. jetzt auch mit der Notenfeder thätiger war als je. Mit der berühmten „Don-Juan-Fantasie“ und andern Abrissen beliebter Opern, mit einer Handvoll kleiner Clavierstücke fallen in jene Zeit die Anfänge der Ungarischen Rhapsodien, die Uebertragungen einiger weiterer Dutzend Schubert’scher Lieder, dazu solcher von Beethoven, Mendelssohn, Dessauer und das Arrangement der sechs großen Bach’schen Präludien und Fugen für Orgel. Nicht genug damit, betrat L. in dieser Periode noch neue Compositionsgebiete. Die erste Beethovencantate erstand, ihr folgten acht Männerchöre und eine Reihe von Sololiedern, von denen man nur die „Loreley“ zu nennen braucht um klar zu machen, daß es sich um mehr als gewöhnliche Arbeiten handelt.

Aus Lißzt’s[1] damaligem äußeren Leben sind als bemerkenswerthe Daten der Eintritt in den Freimaurerorden und die mit dem Fürsten Felix Lichnowsky und mit Adolf Henselt geschlossenen Freundschaften hervorzuheben. So viel er als Künstler gab, so wenig empfing er. Einen nachhaltigen, außerordentlichen Eindruck hinterließ ihm nur die von Musik begleitete Vorführung der Dioramen [40] von Gropius, der er in Berlin beiwohnte, und das dritte Norddeutsche Musikfest in Hamburg (4.–8. Juli 1841), bei dem er in Beethoven’s „Chorphantasie“ mitwirkte. Dieses Ereigniß hat zu Lißzt’s[1] weiterer, in seinen musikalischen Neigungen von Natur begründeten, durch frühe persönliche Beziehungen zu Mendelssohn, Hiller, durch das Concertiren in Wien und in deutschen Städten nachdrücklich geförderten Germanisirung sehr viel beigetragen. Nach Paris zurückgekehrt, spielt er zum Besten nothleidender deutscher Choristen, läßt provocirende deutsche Vaterlandschöre singen. Bald darauf steuert er zum Kölner Dombau bei, siedelt sich auf der Rheininsel Nonnenwerth an und trägt sich mit dem Plan, dieses romantische Stückchen Erde anzukaufen. Von hier aus erschien er 1845 in Bonn zur Einweihung des Beethovendenkmals, das schließlich doch zu einem Viertel das Geschenk Lißzt’s[1] geblieben war. Der für die Einreihung unter die deutschen Musiker entscheidende Schritt war jedoch schon im J. 1842 gethan worden: am 2. November dieses Jahres unterzeichnete der Großherzog Carl Friedrich das Decret, welches „den Virtuosen Dr. Franz Lißzt[1]“ zum Capellmeister in Weimar ernannte. Aber erst nach sechs Jahren trat L. die Stellung wirklich an. Mit dem Jahre 1848 beginnt der deutsche Abschnitt in Lißzt’s[1] Leben.

Für die endliche Uebersiedlung in die kleine Residenz hat allem Anschein nach die polnische Fürstin Caroline von Sayn-Wittgenstein den Ausschlag gegeben. Sie, der L. 1847 in Kiew zuerst begegnete, bildet fortan nicht bloß den Mittelpunkt in Lißzt’s[1] Herzensleben, sie hat auch der weiteren Verschwendung seiner Componistenbegabung mit Bagatellen gesteuert, ihn auf große Aufgaben, namentlich religiöse, hingelenkt und sich damit um das Bleibende an L. und um die neue Kunst wesentlich verdient gemacht. Lißzt’s[1] beim Gottesdienst ohne Componistenangabe aufgeführtes Pater noster hatte ihr den Künstler vollständig erschlossen, bald erschloß ihm die in unglücklicher Ehe lebende Frau ihr Herz, er ward ihr Ritter und führte sie dem Schutz der Weimarschen Großherzogin Maria Paulowna zu, um sich nach erhoffter Scheidung mit ihr zu vermählen. Daß die Ausführung dieser Absicht immer auf neue Schwierigkeiten stieß und im Augenblick, wo sie gesichert schien, endgültig aufgegeben werden mußte, ist der eine Theil der Tragik, die über der zweiten Lebenshälfte Lißzt’s[1] liegt. Der andere floß aus dem weiteren Verlauf seiner künstlerischen Thätigkeit. In deren Vordergrund tritt von jetzt ab die Composition: in Weimar entstehen die sinfonischen Dichtungen, die Sinfonien, die Concerte und einige von Lißzt’s[1] bedeutendsten Chorwerken: die Graner Messe, der 13. Psalm, die Chöre zu Herder’s Prometheus. L. der Virtuos gibt nur noch vereinzelte Gastrollen bei Concerten zu wohlthätigen und gemeinnützigen Zwecken. Dagegen wirkte er als Dirigent durch die Förderung neuer Kunst bald ins Weite. Von Weimar aus wurde Schumann’s „Manfred“, Schubert’s „Alfons und Estrella“ bekannt, mit besonderem Eifer trat L. für Berlioz und R. Wagner ein. Erst von Weimar und der dortigen Uraufführung des „Lohengrin“ aus wurden Wagner’s Dresdener Opern zum Gemeingut der deutschen Bühnen. Für seine Kunst war Lißzt’s[1] Eintreten eine Rettung, für L. selbst wurde es von dem Augenblick an verhängnißvoll, wo Wagner’s agitatorische Schriften erschienen und einzelne der um L. gescharten jungen Musiker die Ausfälle des Züricher Einsiedlers fortsetzten. Von der Mitte der fünfziger Jahre ab stand der Weimarsche Capellmeister vor einer zahlreichen, nach dem Aachener Musikfest von 1857 vor einer geschlossen vorgehenden Gegnerschaft, welche die nicht zu leugnende Einseitigkeit der Dirigentenbestrebungen Lißzt’s[1], aber noch viel heftiger seine Compositionen bekämpfte.

[41] Als Componist war L. in seiner Virtuosenzeit jedenfalls nicht unfreundlich behandelt worden, einzelne Kritiker, der Verfasser des Aufsatzes: „Einige Worte über Lißzt[1]“ (Allg. Mus. Ztg. 1835, S. 645) z. B., sahen in seinen Jugendarbeiten ein Genie, das auch in Philosophie und Poesie, das auf jedem Gebiete sich auszeichnen müßte. Jetzt wurde L. die melodische Erfindung, die contrapunktische Fertigkeit, es wurde ihm kurzweg das musikalische Talent abgesprochen, in Dilettantenkreisen erzählte man sich, wie aus Th. von Bernhardi’s Memoiren zu ersehen, allen Ernstes: der wirkliche Autor der Compositionen Lißzt’s[1] sei Joachim Raff. Dabei ist es bis zu seinem Ende im wesentlichen geblieben. Die „Seligkeiten“ sind das einzige Stück, das neben kleineren Clavierdichtungen ziemlich allgemeine Zustimmung fand. Alle großen Werke, instrumentale und vocale, wurden, vereinzelte locale Ausnahmen abgerechnet, abgelehnt; außer Johann Herbeck in Wien, Karl Riedel und Hans v. Bronsart in Leipzig, Hans v. Bülow in Berlin, Eduard Stein und Max Erdmannsdörfer in Sondershausen, Max Seifriz in Löwenberg, Leopold Damrosch in Breslau stand bis in die 1880er Jahre kein namhafter deutscher Musikdirector auf Lißzt’s[1] Seite. Ihm blieben nur einige schriftstellerische Freunde, Stahr, Weitzmann, Graf Laurencin, L. Köhler, H. Pohl[WS 12], vor allem H. Brendel und seine lieben „Murls“, die in der Weimarschen „Altenburg“ aus und eingehenden jungen Schüler und Mitarbeiter. In dem wiederholt schon angeführten „Testament“ von 1860 hat er von diesen Vertretern der „Neu deutschen Schule“ hervorgehoben: Bronsart, Cornelius, Lassen, Pohl, A. Ritter, Draeseke, Tausig. H. v. Bülow war mittlerweile sein Schwiegersohn geworden. L. litt unter der Verfehmung seiner Compositionen schwer, aber er ertrug sie mit frommer Resignation und mit Ironie. Ingrimm bricht in seinen Briefen nur dann hervor, wenn ihn Jemand mit Berührung der ehemaligen „Glanzzeiten“ zu Spiel oder Direction einladen will. Außer den musikalischen fielen noch weitere Schatten auf sein damaliges Leben. Daß sie mitunter dem eignen unruhigen Herzen entsprangen, zeigt der erste Theil der „Briefe an eine Freundin“. Auch die Enge der Weimarschen Verhältnisse machte sich in Reibungen und Nichtachtung seiner großen, der Goethestiftung, der Zukunft Wagner’s geltenden Organisationspläne fühlbar. Ein Denkmal aller dieser inneren und äußeren Bedrängnisse ist die 1855 entstandene Composition des 13. Psalms. Ein um dieselbe Zeit an den Vetter Eduard gerichteter Brief bekundet die Sehnsucht nach einem neuen Schauplatz; bei der Ablehnung des „Barbier“ von Cornelius (1858) wird sie acuter: L. legte den Tactstock nieder. Doch war das mehr eine Demonstration, als, wie allgemein angenommen wird, ein definitiver Bruch. Denn nach kurz darauf folgenden Briefen beabsichtigt er wieder Dräseke’s „Sigurd“ und Wagner’s „Tristan“ zu dirigiren. Erst wichtige Wendungen in den Angelegenheiten der Fürstin führten ihn im J. 1861 von Weimar weg. Kurz zuvor zum großherzoglichen Kammerherrn ernannt – geadelt hatte ihn zwei Jahre vorher der Kaiser von Oesterreich – traf L. am 20. October in Rom ein, um an seinem Geburtstag die Freundin zu ehelichen. Am Abend vorher wird die ertheilte päpstliche Einwilligung wieder zurückgezogen!

Mit diesem Datum beginnt Lißzt’s[1] Römische Periode. Rom, wo er eine Zeitlang im Vatican selbst, dann abwechselnd auf Monte-Mario, in der Villa d’Este und in anderen, immer still und aussichtsreich gelegenen Quartieren hauste, blieb sein Hauptquartier, obwol er seit 1869 wieder jährlich einige Monate in Weimar (Hofgärtnerei) verweilte, seit 1874 auch einen weiteren Theil des Jahres in Budapest verbrachte, hier auf dem ihm schon 1862 zugedachten Posten eines Präsidenten der Ungarischen Landesmusikakademie. [42] Diese letzten Jahrzehnte Lißzt’s[1] wurden ihm immer mehr zu einer Zeit der Abklärung und des Gottesfriedens. Ihr bedeutendster künstlerischer Ertrag sind die drei Oratorien: Heilige Elisabeth, Christus und der unvollendete Stanislaus; die Glocken des Straßburger Münster, die Cäcilienlegende, die Ungarische Krönungsmesse, das Requiem und eine Reihe kleinerer Kirchenstücke. Selbst die instrumentalen Arbeiten, von denen die beiden Franciscuslegenden (für Clavier) am bekanntesten sind, tragen zur guten Hälfte den religiösen Stempel. 1865 nahm L., der schon ein Jahrzehnt früher dem Franciscanerorden beigetreten war, die niederen Priesterweihen, wie L. Ramann andeutet, in der stillen Hoffnung, durch diesen Schritt bestimmenden Einfluß auf die Reform der katholischen Kirchenmusik zu gewinnen. Von nun an sah man ihn bei den Festen des von ihm (und Brendel) gegründeten „Allgemeinen Deutschen Musikvereins“ im Kleide des Abbaten. Bei einer solchen Gelegenheit, 1877 in Hannover, spielte er wol das letzte Mal öffentlich. In unablässiger Arbeit floß ihm das Alter dahin, zuletzt durch nahenden körperlichen Verfall (Augenleiden und Wassersucht) getrübt, zugleich aber durch Anzeichen endlichen allgemeineren Verständnisses freundlich beleuchtet. Kurz vor seinem Tode unternahm er noch einmal eine Triumphreise alten Stils, die über Deutschland, die Niederlande, Frankreich nach England führte – diesmal als Componist! Am 31. Juli 1886 starb er zu Bayreuth an Lungenentzündung. Auf dem dortigen Friedhof wurde er begraben.

Von den verschiedenen Arbeitsfeldern Lißzt’s[1] empfiehlt es sich, zuerst das schriftstellerische in Betracht zu ziehen, weil hier die Grundlage seiner Bedeutung, die gewaltige Gedankenarbeit, am offensten liegt. Außer den beiden Büchern über Chopin und über „Die Musik der Zigeuner“ bestehen Lißzt’s[1] (in einer sechtsbändigen Leipziger Gesammtausgabe von 1881 vorliegenden) Schriften aus Essays, die in einzelne Werke und Künstler einführen oder musikalische Grund- und Tagesfragen erörtern. Im Gegensatz zu Lißzt’s[1] knappem und schlagendem mündlichen Ausdruck sind sie, besonders die der späteren Zeit, sehr breit stilisirt. Das Hauptstück enthalten die aus der Jugendzeit stammenden „Reisebriefe eines Baccalaureus der Tonkunst“. Durch sie gelangte L. zur vollständigen Klarheit über die Kunst seiner Zeit und ihrer Aufgaben, sie enthalten die Richtschnur für jede Art seiner musikalischen Thätigkeit.

Davon, was L. als Virtuos gewesen, läßt sich, da auch die besten Berichte den lebendigen Klang nicht ersetzen können, kaum ein genügendes Bild geben. Nur, soweit der Zauber seines Spiels auf dessen technischem Theil beruhte, bieten die Claviercompositionen, voran die „Etudes d’exécution transcendante“ einigen Anhalt. Sie bilden einen Superlativ von Vielseitigkeit und Schwierigkeit, dem immer nur wenige Pianisten gewachsen sein werden. L. rang der Spielmechanik dieses Aeußerste ab, obgleich seine Hand mit ihren zwar ungewöhnlich gleichmäßigen, aber nur mittellangen Fingern von Natur nicht zu den begünstigtsten gehörte. Sein ganzes Können enthüllen aber auch die Lißzt’schen[1] Noten noch nicht. Ihm genügten gelegentlich für Beethoven’s Es-dur-Concert nur vier Finger der Rechten, das Publicum erfuhr von dem zwingenden Unfall gar nichts. So sehr stand seine Technik unter der Herrschaft des Willens. Noch entschiedener war das Musikalische in Lißzt’s[1] Spiel die Frucht seiner Persönlichkeit: durch Accente und Klangfarben warf er auf die bekanntesten Compositionen neue Lichter, sie bekamen, wie die Neue Zeitschrift f. Musik schreibt, dramatisches Leben, durch Baßbehandlung und Pedalgebrauch Orchesterklang. Bis zur Genfer Zeit, gestand er nachmals die Componisten zuweilen etwas willkürlich behandelt und von dem alten Virtuosenrecht des Variirens zu starken Gebrauch gemacht zu haben. Später beschränkte er seine [43] Virtuosenlust auf die Improvisation und Phantasien, den Meisterwerken gegenüber war er die Pietät selbst. Nach competenten Ohrenzeugen gipfelten seine Leistungen im Beethovenspiel, im Vortrag der Clavier- und Orchesterwerke Beethoven’s. Durch seine Art, letztere zu übertragen, erschloß er eine neue Methode der Clavierauszüge. Auch S. Bach und seine großen Orgelphantasien sind durch Lißzt’s[1] Uebertragungen merklich popularisirt worden. Zur Seite dieser beiden Großen stellte er Schubert, Weber, Chopin, in zweiter Linie aber neue Talente. Dabei Schumann wegen Kühle des Publicums und Abneigung seiner Secretäre und Concertunternehmer nach den ersten Versuchen wieder aufgegeben zu haben, hat sich L. nach dessen Tod zum Vorwurf gemacht (siehe den bereits citirten Brief an J. v. Wasielewsky). Zu beachten ist, daß L. folgerichtig, nachdem er die Leistungsfähigkeit des Spielens bis an die Grenzen des Möglichen erweitert hatte, sein Augenmerk auf die Vervollkommnung des Instruments richtete. Darüber gibt die Correspondenz mit Berlioz die reichste Auskunft. Die Versuche brechen mit dem von Alexandre et fils in Paris gebauten, jetzt im Weimarischen Lißztmuseum[1] befindlichen, 3 Manuale, 16 Register und Orgelpedal enthaltenden Riesenclavier ab. Der stagnirende Pianofortebau war Lißzt’s[1] aufs achtzehnte Jahrhundert zurückgehenden Ideen nicht gewachsen.

Ein solcher Virtuos war der geborene Lehrer und Dirigent, sobald ihm nur die Gabe der Mittheilung verliehen war. Sie aber besaß L. in einer unübertrefflichen wirksamen, blitzartigen Spielart. Die zeitgenössische Memoirenlitteratur hat, von A. B. Marx bis auf Janka Wohl, eine Menge von Beispielen dafür aufbewahrt: wie er, statt langer Reden, durch einen Zuruf, eine Geste, einen Griff aufs Clavier seine Auffassung im Nu durchsetzte. Als Dirigent wegen lässiger Tactgebung vielfach angegriffen, antwortete er mit dem Grundsatz: „Wir sind Steuermänner, nicht Ruderknechte!“ Mit der öffentlich wiederholt gestellten Forderung an die Dirigenten seiner eigenen Werke: durch Special- und Gruppenproben in Technik, Dynamik, Tempo und Geist einzudringen, durch Genauigkeit und Klarheit zur Freiheit zu gelangen, ist er für die jüngere Dirigenten-Generation vorbildlich geworden. Seine Bedeutung als Lehrer belegt die Thatsache, daß in den letzten beiden Menschenaltern die Mehrzahl der hervorragenden Pianisten aus seiner Schule gekommen ist. Von vielen der sogenannten Lißztschüler[1] aus den letzten Jahrzehnten hat er allerdings (nach L. Ramann) selbst gesagt: „Sie spielen nicht, sie prügeln Klavier!“

Als Componist ist L. eine geschichtliche Größe durch die Anregungen, die er für den Formenbau in der Instrumentalmusik gegeben hat. Seine in dreizehn „sinfonischen Dichtungen“ und „zwey Sinfonien“ enthaltenen Hauptneuerungen stellen dem, von den Wiener Classikern für die Sonate und verwandte Gattungen ausgebildeten Typus leichtere und freiere Arten an die Seite. Mit der dreisätzigen „Faustsinfonie“ und mit der zweisätzigen „Dantesinfonie“ demonstrirt L. gegen die Alleinherrschaft der viersätzigen Sinfonie, in den einsätzig gehaltenen „sinfonischen Dichtungen“ gibt er Beispiele für einen in Gruppirung und Methode mehr oder weniger auf das Sonatenschema verzichtenden, motivisch reicheren, den Künsten der Durchführung und gründlichen Auslegung die Reize des Wechsels und der Contraste vorziehenden Satzbau. Wiederholt hat es L. ausgesprochen, daß „der Inhalt die Form zu bestimmen hat“ und mit diesem, nicht Formlosigkeit, wol aber Freiheit der Form proclamirenden Satz eine Weiterentwicklung der musikalischen Architektur ermöglicht, die, mit Ausschluß Berlioz’scher Experimente, wirklich originalen Geistern beträchtlich zu statten kommt. Nur stand Lißzt’s[1] Praxis seiner Theorie dadurch im Wege, daß der Inhalt seiner Orchesterwerke sich ziemlich [44] einseitig auf sogenannte „Programmusik“ beschränkte. Für diese Richtung entschieden einzutreten war, wie Berlioz, auch L. in erster Linie durch das Beispiel jener um Victor Hugo und E. Delacroix gescharten neuromantischen Dichter und Maler Frankreichs bestimmt worden, die es wieder einmal für zeitgemäß befanden, die „Naturwahrheit“ als oberstes Kunstgesetz zu verkünden. L. sah auch die Musik von Stillstand und Formalismus bedroht, die geistigen Quellen der Beethoven’schen Zeit schienen ihm versiegt, die der Gegenwart zu wenig beachtet, die nächste Zukunft verlangte in seinen Augen von der Musik weniger Reflexion und Exegese und mehr Anregung und Stärkung der Phantasiekräfte; fesselnde Bilder nicht bloß aus dem menschlichen Innenleben, sondern erst recht aus der Außenwelt lebensgetreu, frisch und so dramatisch deutlich wiederzugeben, daß der Zuhörer ergriffen folgen mußte, hielt er für die wichtigste Aufgabe der Composition. Weil ihm hierfür eine engere Verbindung der Instrumentalmusik mit anderen Künsten das nächste und beste Mittel dünkte, legte er seinen Orchesterwerken nicht bloß Dichtungen, sondern auch Gemälde zu Grunde. Einzelne „sinfonische Dichtungen“, „Mazeppa“ und „Hunnenschlacht“ z. B. sind geradezu als Dioramenmusik gedacht und setzen Unterstützung des inneren Auges durch wirkliche mit den Perioden und Abschnitten der Musik wechselnde Bilder voraus. Den malerischen Absichten unterstellte L. aber nicht bloß die äußere Gesammtform seiner Compositionen, sondern auch ihren rhetorischen Stil; weil seine Musik überall und bis in die kleinsten Züge hinein sprechend und plastisch sein sollte, sann er auf neue Tongebärden, je primitiver, desto willkommener. Dieser Punkt hat die Aufnahme Lißzt’s[1] am meisten erschwert. Programmmusik, wenn sie auch in der Regel bescheidener auftrat, hat es seit Urzeiten gegeben, auch Abweichungen von den herrschenden Formtypen sind immer vorgekommen und noch in der Beethoven’schen Zeit einem C. M. v. Weber, einem Neukomm und anderen Tonsetzern still nachgesehen worden. Aber Neuerungen im Kleinen, im Wortschatz, in der Grammatik haben die Componisten Monteverdischer Art immer nur schwer durchgesetzt. Bei L. kam hinzu, daß er auf einmal in sämmtlichen Elementen der musikalischen Sprache neuerte. Soweit es die Harmonik betrifft, hat sich schon H. Weitzmann mit dem neuen Stile Lißzt’s[1] beschäftigt, umfassender ist er dann von H. Rietsch[WS 13] („Die Tonkunst in der zweiten Hälfte des neunzehnten Jahrhunderts“, 1898) untersucht worden; eine wirklich erschöpfende Darstellung des Themas fehlt jedoch noch. Sie würde zu dem Schlußergebniß führen, daß Lißzt’s[1] Vorliebe für Interjectionen, für Sequenzen, für Ausnahmsintervalle, für Pausen und Fermaten, für Recitativton und unbegleitete Soli, daß seine Eigenheiten im Periodenbau, in Melodik, Rhythmik und Harmonik nicht bloß und nicht immer der nothwendige Ausdruck von Vorstellung und Situation, sondern daß sie sehr häufig französische, ungarische oder individuelle Manieren sind. Auch das läßt sich nicht verkennen, daß L. das malerische Vermögen und die malerischen Pflichten der Musik oft überschätzt, daß er nicht bloß reactionär überschwänglich, daß er nicht selten auch genialisch flüchtig und mit Gemeinplätzen äußerlich gearbeitet hat. Aber nach allen Abzügen bleibt immer noch, auch abgesehen von der formgeschichtlichen Bedeutung seiner Orchesterwerke, ein außerordentlich geistvoller, origineller und erfindungsstarker Componist übrig. Das As-dur-Thema im Gretchensatz der Faustsinfonie, die Francescaepisode in der Dantesinfonie, die Hauptmelodie im Orpheus belegen diese Censur hinreichend. Ihrem geistigen und technischen System nach können die sinfonischen Dichtungen und die Sinfonien Lißzt’s[1] eine Lebensdauer und einen Werth wie die Werke Beethoven’s allerdings nicht beanspruchen, aber sie haben auffrischend gewirkt und eine Schule hervorgerufen, [45] die neben Producten bloßer virtuoser Naturabschreibung doch auch vollkommen reife und sehr liebenswürdige Leistungen aufzuweisen hat. Es ist nicht zufällig, daß außerdeutsche Componisten wie Smetana, St. Saëns u. A. das Lißzt’sche[1] Vorbild am ehesten und besten verstanden haben.

Unter den übrigen großen Instrumentalcompositionen Lißzt’s[1] ragen die Clavierconcerte in Es-dur und A-dur am meisten hervor. Auch sie sind insofern Reformwerke, als sie von dem hergebrachten altitalienischen Aufbau des Concerts in drei Sätzen absehen. Das der „Wanderphantasie“ Schubert’s nachgebildete Es-dur-Concert hat, wie die moderne Sinfonie vier, jedoch entschieden zusammengedrängte, ohne Pausen aufeinander folgende und, wie die Sinfonien Lißzt’s[1], durch Leitthemen in Berlioz’scher und Wagner’scher Weise zur Einheit verbundene Sätze; das in A entwickelt sich als Variationencyklus. Nach der Richtung der Phantasie stehen beide Werke fern von der in den Orchestercompositionen Lißzt’s[1] vertretenen Programmtendenz auf dem Boden alter Kunst und sind Augenblicksbilder aus dem Seelenleben des Componisten. Das Es-dur-Concert führt in eine Stunde des Grolls und der Bitterkeit ein, das in A zeigt ein unter bangen Ahnungen leidendes und kämpfendes Gemüth. Beiden ist die freie und innerlich belebte Führung der Form nachzurühmen, nach Originalität der Empfindung und des Ausdrucks verdient das in A den Vorzug. Es kann an die Spitze von Lißzt’s[1] Instrumentalmusik und muß in der Geschichte des neuen Concerts auf einen sehr hervorragenden Platz gestellt werden. Auch Lißzt’s[1] Verhältniß zu Zeitgenossen, seine Weiterbildung Chopin’scher Elemente, seinen auf R. Wagner geübten Einfluß veranschaulicht es besonders deutlich. Jahrzehnte lang von den Pianisten gemieden, gehören beide Concerte heute zu den meistgespielten. Ein drittes Clavierconcert, das „Concert pathétique“, kommt eben erst, nachdem ihm nachträglich das Orchester zugefügt worden ist, mehr in Umlauf. Die in Vorbereitung begriffene Gesammtausgabe der Werke Lißzt’s[1] kann möglicherweise noch unbekannt gebliebene Concerte vorlegen. Als kleine Concertstücke für Clavier und Orchester sind der Gruppe noch die sehr beliebte „Ungarische Fantasie“ und der „Todtentanz“ anzureihen. Dieser enthält Programmmusik ernstesten Schlags, die „Ungarische Fantasie“ einfache und erfreuliche Volksmusik. Sie ist demnach der einzige Lißzt’sche[1] Beitrag zur Gattung, der ihrem vorherrschenden Charakter als Gesellschaftsmusik ohne Vorbehalt entspricht. Die andern zeigen den Componisten in einer gelinden Opposition und daraus erklärt sich am einfachsten die auffällige Thatsache, daß L. verhältnißmäßig so wenige Concerte geschrieben hat.

In den Compositionen für Clavier solo, die unter den Werken Lißzt’s[1] quantitativ die Hauptmasse bilden, treten die Versuche neue Formen aufzustellen zurück. Die hervorstechendste Ausnahme macht die einsätzige H-moll-Sonate, ein Stück unbenannter Programmmusik, das die Gegensätze einer Faust’schen Natur mit rücksichtsloser Kühnheit und Extravaganz in Tonspiel kleidet. Ihr stehen als ganz unbändige Exemplare der Gattung die Etudes d’exécution transcendante nahe. Sie, die R. Schumann „Sturm- und Grausétuden“ genannt hat, wahren zwar die Gesammtform der Etude, aber darinnen haust ein Revolutionär, dem alles Mechanische und Kleinbürgerische unerträglich ist. Statt eines einzigen Motivs gibt er ganze Reihen, aus dem gewöhnlichsten Tanz wird eine aufgeregte Scene, Leidenschaft und Poesie commandiren die Technik mit einer Entschiedenheit, die auch in der neuen Clavieretude vereinzelt steht. Diese zum Theil unerhört schweren Compositionen gehören unter die bedeutendsten Frühboten neufranzösischer Kunst, von den Stücken, die ihr mit Excessen der Tonmalerei opfern, ist die Etude [46] „Mazeppa“ als Vorläufer der gleichbenanntsn sinfonischen Dichtung besonders bemerkenswerth.

Die übrigen Claviercompositionen Lißzt’s[1] haben in der Mehrzahl ein friedliches Gepräge, sie verlangen hier und da sehr große Virtuosität, aber sie machen an das Auffassungsvermögen keine ungewöhnlichen Ansprüche. Interessant sind sie, voran die beiden großen Sammlungen: „Années de Pélerinage“ und „Harmonies poétiques et religieuses“, durch die Aufschlüsse, die sie über Lißzt’s[1] Entwicklung geben. Zu der Zeit, wo die „Hymne del’ Enfant“ oder die kleine Fantasie „Au lac de Wallenstadt“ entstanden, hatte L. im Elegischen noch nicht viel zu bieten; ehe hier Meisterstücke wie das As-dur-Nocturno, wie die Des-dur-Ballade oder die Skizzen aus „Villa d’Este“ möglich wurden, war das Uebermaß in Einleitungen, Episoden, Dissonanzen und hyperromantischen Liebhabereien zu beseitigen und ein wildes Temperament zu klären und zu beruhigen. Nur in zwei Punkten gleicht die Claviermusik des reifen Mannes der des Jünglings: L. wendet sich zuerst immer an die Phantasie und er bevorzugt ganz ungewöhnlich stark religiöse Vorwürfe. In beiden Fällen drängt ihn eine besondere angeborene Begabung, die dort aus der Fülle und Neuheit der ihm bei geläufigen Aufgaben, wie Schilderung von Glocken und Glöckchenspiel, Kuhreigen, Springbrunnen, Bachesmurmeln zuströmenden musikalischen Motive, hier, wenn er Legenden erzählt, heiliger Bilder und Stätten gedenkt, aus der Sicherheit und oft elementaren Einfachheit des Stils überzeugend hervortritt. Aber von dieser festen Grundlage aus bemüht sich L. bis ans Ende auch in den Claviercompositionen, die nur Erinnerungsblätter sein wollen, um Bereicherung und Vervollkommnung.

Populärer als alle anderen Clavierwerke Lißzt’s[1] sind seine „Ungarischen Rhapsodien“ geworden; in mannichfachen Arrangements drangen sie schnell über die Kreise der ihnen gewachsenen Pianisten hinaus und bewegen auch da, wo sie in ihrem tiefern Sinn als Verherrlichung des Ungarlandes, seines Volks und seiner Geschichte, nicht verstanden werden, durch den in Jubel und Feuer, in Trauer und Dunkel gleich leidenschaftlichen, bei aller Fremdartigkeit immer naturwüchsigen Ausdruck bis heute alle musikalisch empfänglichen Seelen ohne Unterschied von Stand und Bildung. Die von Franz Schubert und früheren Wienern bereits praktisch anerkannte Bedeutung der ungarischen Musik ist durch diese Rhapsodien der weiten Welt zum ersten Mal in größerem Umfang klar geworden. Sie haben den seit Gade[WS 14] allgemeiner rege gewordenen Eifer für nationale Musikarbeit so belebt, daß heute jedes Land seine alten Schätze in eigener Schule hütet, daß die Wissenschaft eine musikalische Völkerkunde anbaut, sie haben über die Musik hinaus die Pflege jeder Art von „Heimathkunst“ beträchtlich gefördert. Ihre freie, elastische und mit rauschendem Schluß gekrönte Form, die alsbald von Slawen, Norwegern und Spaniern nachgebildet wurde, ist ganz Lißt’s Eigenthum, das darin untergebrachte Material dagegen entlehntes, aus gedruckten Sammlungen ungarischer Tänze und Lieder entnommenes, dem singenden Volke und den umherziehenden Zigeunercapellen abgelauschtes Gut. Nach dieser zweiten Seite bilden die Ungarischen Rhapsodien demnach eine Brücke zu Lißzt’s[1] Claviertransscriptionen. Ihre Summe – es sind 450 – könnte allein als Lebenswerk genügen. Ein großer Theil von ihnen besteht aus „Phantasien“ über beliebte Opern, geistvollen, bizarren und übermüthigen Potpourris, die als Beiträge zu einer vormärzlichen Modekunst geschichtlichen, als Uebungsstücke, einzelne als brillante Vortragsstücke aber auch noch praktischen Werth haben. Höher stehen diejenigen bereits oben behandelten Transcriptionen, durch welche L. Beethoven’sche, Schubert’sche und andere unbekannte oder verkannte Musik einzubürgern suchte.

[47] Auch diese ganze Transcriptionsarbeit war für L. im letzten Grunde Studienarbeit. Durch sie eignete er sich die Stilarten der verschiedenen Meister an; sie half mit zu jener Vielseitigkeit des Ausdrucks, die ein Merkmal seiner großen Compositionen ist. In dieser Hinsicht verdient es Beachtung, daß die Kette der von L. transscribirten Originalwerke von Arcadelt[WS 15] bis R. Wagner reicht und Richtungen umschließt, an die keiner seiner Concurrenten gedacht hat. In welchem Grade sich aber L. in fremde Kunst einzuarbeiten wußte, das zeigt am besten seine große Phantasie und Fuge über „BACH“, die bedeutendste unter seinen leider nicht zahlreichen Compositionen für Orgel.

Noch weit zurückhaltender als zum Concert hat sich L. als Instrumentalcomponist zur eigentlichen Kammermusik gestellt. R. Schumann, A. Rubinstein[WS 16] sind hier von ihm wiederholt angeregt worden, anderen Componisten, darunter R. Volkmann, F. Smetana, hat er Verleger oder entscheidende Aufführungen vermittelt, selbst aber, bis auf wenig belanglose Kleinigkeiten, keine Quartette, Trios, Duos oder dergleichen Ensemblemusik geschrieben. Das Gebiet bot und bietet noch heute dieselbe Veranlassung neue Formen zu versuchen wie die Sinfonie, die Consequenz hätte es sogar verlangt, auch auf ihm das System der Satzverknüpfung durch Leitthemen durchzuführen. Wenn ihm L. dennoch fern blieb, so darf wol als Hauptgrund vermuthet werden, daß die Gattung seine drastische Phantasie coloristisch beengte.

Da L. in der Vocalcomposition den ersten größeren Schritt in der Oper gethan hatte, war zu erwarten, daß er sich ihr mit der Zeit wieder zuwenden würde. Die Absicht hat auch wiederholt bestanden. Im J. 1846 soll „in Italien der dramatische Rubicon überschritten“ werden und zwar mit einem mehractigen „Sardanapal“, der um diese Zeit auch in Wien erwartet wird; zehn Jahre später läßt sich L. von Mosenthal einen der ungarischen Sage entnommenen „Jancko“ zum Opernlibretto einrichten. Er ging schließlich an Rubinstein als „Kinder der Haide“ über; was aus dem Sardanapal geworden ist, wissen wir nicht. Die von L. vorhandene Bühnencomposition beschränkt sich auf die sehr bedeutende Musik zu Herder’s „Prometheus“, indirect wendete er sein dramatisches Talent dem Oratorium zu. Mit der „heiligen Elisabeth“ brachte er hier wieder das alttraditionelle Legendengebiet zu Ehren, mit der Gestaltung ihrer Musik verpflanzte er die Principien R. Wagner’s auf ein weiteres Feld. Nach dem, was von dem unvollendet gebliebenen „Stanislaus“ bekannt geworden, schließt er sich im Charakter und Entwurf der „Elisabeth“ an. Der zwischen diese beiden Werke fallende „Christus“ hat dagegen eine ganz andere Anlage und stellt die Heilandsgeschichte von der Geburt ab bis zum Sieg des Christenthums, also in dem gleichen Umfang wie Händel’s „Messias“ in großen Chor- und Orchesterbildern, an denen der Sologesang sich nur wenig betheiligt, dar. Auf eine Verbindung dieser einzelnen Scenen durch dramatische Form oder auch einen Erzähler wird verzichtet, nur Leitmotive vermitteln den Zusammenhang. Dadurch bleibt die Gesammtwirkung des nicht als geschlossenes Ganze entworfenen, sondern stückweise entstandenen Werkes etwas gefährdet. In den einzelnen Theilen enthält das Oratorium das Sublimste und Gewaltigste, was moderne Musik zu bieten hat. Es ist eine auf der Höhe der gegenwärtig erreichbaren musikalischen Bildung stehende Modernität, die diesen „Christus“ auszeichnet, die Beherrschung und Verschmelzung ältester und neuester Kunstformen und die starke Einmischung von Elementen des Gregorianischen Chorals und der Mensuralzeit, war so bis dahin noch niemals geboten und gelungen. L. hat damit der Composition der Zukunft eine Vorlage und eine Aufgabe gestellt, für die sich zunächst die Musikschulen zu rüsten haben. In Ph. Wolfrum’s[WS 17] „Weihnachtsmysterium“ [48] ist die Nachfolge bereits angebahnt; den Einfluß der „Elisabeth“ zeigt u. a. auch E. Tinal’s „Franciscus“.

Auf musikgeschichtliche Studien war L. frühzeitig, durch die Pariser Pionierarbeit von Choron und Fétis gekommen. Er hat sich von da aus selbständig, nach brieflichen Bemerkungen, besonders in Lassus und Palestrina vertieft, ist aber, der den Königsbergern gelobten Doctorpflicht unablässigen Weiterlernens allezeit eingedenk, ganz im allgemeinen allen Bestrebungen zur Wiederbelebung alter Tonkunst, mochten sie sich nun in Bach- und Händelgesellschaften, in Cäcilienvereinen, in Ausgaben von Schütz, Buxtehude oder sonstwie äußern, eifrig gefolgt. Auf dem kirchlichen Gebiet traf der Segen dieser Arbeit mit dem stärksten Zug von Lißzt’s[1] angeborener Begabung, mit einer Ueberlegenheit des religiösen Gefühls und Ausdrucks zusammen, die schon aus den Instrumentalcompositionen ersichtlich wird. So führte denn die vereinte Kraft von Natur und Kunst hier zu neuen Tönen verklärter, still entzückter Andacht, weichen Trostes und innigster Ergebung. Der milde, der priesterliche Theil von Lißzt’s[1] Persönlichkeit tritt groß und edel aus seinen Messen und Psalmen hervor. Jedoch hat er hier, wol, weil er sich jener Ueberlegenheit bewußt war (siehe die erwähnten „Briefe an eine Freundin“), auch besonders viel, hat an naturalistischen Aphorismen und Gesten hier noch mehr gewagt als in den „sinfonischen Dichtungen“. Auch der Wechsel zwischen archaistischem und urmodernem Ton bleibt oft unausgeglichen. Lißzt’s[1] classische kirchliche Compositionen sind die „Graner Messe“ und der „13. Psalm“. In diesen beiden Werken ist das Beste seines Wesens und Könnens zusammengedrängt; was eine eigene, große Seele, in die erhabenen Texte untertauchend, fühlt, denkt, durchlebt, das äußert diese Musik rührend und hinreißend in Tönen, die, ob schlicht, ob dramatisch pathetisch, immer echten Naturlauten gleichen. Den Gehalt beider Compositionen unterstützt die Form durch eine Einheitlichkeit, welche die alte Methode des cantus firmus wagnerisch modernisirt der Kirchenmusik des 19. Jahrhunderts wieder zuführt.

Auch auf dem specifisch deutschen Gebiete des begleiteten Sololiedes, das er vom Jahre 1840 ab mit ungefähr sechzig Nummern bebaut hat, ist L. dadurch zum Reformator geworden, daß er, über Schumann, Schubert bis auf Mozart und noch weiter zurückgehenden Anregungen folgend, eine dramatische, scenische, wiederum die Phantasie voranstellende Auffassung der Texte zum Grundsatz der Liedcomposition und das Situationslied zu einer Norm erhob, der sich auch die ausgesprochensten Stimmungsgedichte anzupassen und einzufügen haben. Zur vollen Verwirklichung seines Liedideals kam ihm eine reiche, charaktervolle und doch einfache Melodik zu Hülfe; noch mehr verdanken die Lieder Lißzt’s[1] seiner scharfen Beobachtungsgabe und seinem logisch geschulten Geist, nämlich eine – abgesehen von einigen Ausnahmen – ganz vollendete Deklamation. Es liegt nahe, an ihr auch der Schule Reicha’s ein Verdienst zuzuschreiben. Dafür, wie L. hier durch einfaches, richtiges Nachdenken zu ungesucht originellen und zwingenden Ergebnissen gelangte, bietet seine Behandlung von Heine’s „Loreley“ das klarste Beispiel. Dadurch, daß er die ersten und die letzten beiden Zeilen als Prolog und Epilog von dem Hauptstück, dem Märchen ablöst, kommt das so oft componirte Gedicht zum ersten Male zu seinem Recht. Auch als Liedcomponist hat L. wegen der in Claviermonologen, in unbegleiteten Stellen, in freien Cadenzen, Recitativformeln, in Melodieunterbrechungen sich äußernden Stilneuerungen lange einen schweren Stand gehabt und hat ihn bei den Sängern zum Theil jetzt noch. Unter den Componisten haben sich ihm frühzeitig bedeutende Talente wie P. Cornelius, A. Ritter angeschlossen [49] und die neueste in H. Wolf[WS 18] gipfelnde Entwicklung des deutschen Kunstlieds folgt seiner Bahn.

Erfreulicher als bei so vielen anderen Vertretern neuer Kunstideen war bei L. die Zeit des Martyriums und der Verkennung doch nur kurz. Mit Ausnahme des von R. Wagner und G. Verdi beherrschten Musikdramas zeigen heute alle Gebiete der musikalischen Composition Deutschlands und des Auslandes die Spuren Lißzt’s[1] reicher und tiefer als die anderer gleichzeitiger Meister. Ob damit eine Lißzt’sche[1] Periode begonnen hat, oder nur eine Episode, läßt sich augenblicklich nicht bestimmen. Nur das steht fest, daß die Musik und die Cultur an Künstlern Lißzt’schen[1] Geistes niemals zu reich sein kann, und daß sein Name in der Geschichte bleiben wird.

Unter den ungemein zahlreichen Bildern Lißzt’s[1] gelten die von Kriehuber und W. v. Kaulbach als die getreuesten und gehaltvollsten, unter den Büsten die von E. Rietschel, Silbernagel, Strobl und A. Lehnert; die von M. Klinger ist als unbeabsichtigte Caricatur merkwürdig. Volle Statuen wurden in Budapest (Opernhaus) und Weimar (Park 1901) errichtet. Weimar besitzt auch ein Lißztmuseum[1] und ist Sitz einer Lißztstiftung[1]; eine Lißztgesellschaft[1] hat sich in Berlin gebildet. Eine Gesammtausgabe der Werke Lißzt’s[1] wird vorbereitet.

Aus der Lißztlitteratur[1] sind den bereits angeführten Werken als beachtenswerth noch die Biographie von B. Vogel (1887) und Ed. Reuß (1898) hinzuzufügen. – Ein authentisches Verzeichniß der Compositionen Lißzt’s[1] hat 1855 A. Dörffel, die Ergänzung hierzu A. Göllerich (Neue Zeitschr. f. Musik, 1888 u. 1889) veröffentlicht.

[Zusätze und Berichtigungen]

  1. a b c d e f g h i j k l m n o p q r s t u v w x y z aa ab ac ad ae af ag ah ai aj ak al am an ao ap aq ar as at au av aw ax ay az ba bb bc bd be bf bg bh bi bj bk bl bm bn bo bp bq br bs bt bu bv bw bx by bz ca cb cc cd ce cf cg ch ci cj ck cl S. 28. Z. 21 v. u. l.: Liszt (statt Lißzt) und ebenso im ganzen Artikel bis S. 49 Z. 22 v. o. [Bd. 55, S. 895]
  2. a b S. 36. Z. 8 v. u. und S. 38 Z. 17 v. u. l.: Belgiojoso (statt Belgioso). [Bd. 55, S. 895]

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Napoléon Antoine Eugène Léon de Saint-Lubin (1805-1850), Geiger und Komponist italienischer Herkunft.
  2. Ferdinando Paër (1771-1839), italienischer Komponist österreichischer Abstammung.
  3. Delphine (Adolphine) von Schauroth, verheiratete Hill-Handley (1813-1887), deutsche Pianistin und Komponistin.
  4. Jacques Pierre Joseph Rode (1774-1830), französischer Violinist und Komponist.
  5. Caroline Comtesse de Saint Cricq (1810-1872), Tochter eines Handelsministers Karls X, war - etwa 1828 - Schülerin und Geliebte von Franz Liszt. Sie heiratete später Bertrand Dartigaux.
  6. Christian Urban (1778–1860), deutscher Musiktheoretiker, Dirigent und Komponist
  7. Félicité de Lamennais (eigentlich de la Mennais; 1782-1854), französischer Priester, Philosoph und Verfasser politischer Schriften.
  8. Marie Cathérine Sophie de Flavigny, verheiratete Comtesse d’Agoult (1805-1876)
  9. Adolphe Pictet (1799-1875), Schweizer Sprachwissenschaftler.
  10. Cristina Trivulzio Belgiojoso (1808-1871), italienische Freiheitskämpferin, Historikerin und Journalistin.
  11. François-Joseph Fétis (1784-1871), belgischer Komponist, Musikkritiker und Musikbiograph.
  12. gemeint ist: Richard Pohl
  13. Heinrich Rietsch (1860-1927), gebürtig Heinrich Löwy, Musikwissenschaftler und Komponist.
  14. Niels Wilhelm Gade (1817-1890), dänischer Komponist und Dirigent.
  15. Jakob Arcadelt (1504/14-1562/68), niederländischer Komponist und Kapellmeister.
  16. Anton Rubinstein (1829-1894), russischer Komponist, Pianist und Dirigent.
  17. Philipp Wolfrum (1854-1919), deutscher Komponist und Organist.
  18. Hugo Wolf (1860-1903), österreichischer Komponist und Musikkritiker.