BLKÖ:Weiner, Johann Paul

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Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
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Weiner, Anton
Band: 54 (1886), ab Seite: 29. (Quelle)
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Weiner, Johann Paul (Schriftsteller, geb. zu Iglau am 15. Jänner 1815, gest. in Wien 1859). Seinen Vater, der Kaufmann und Oekonomiebesitzer in Iglau war, verlor er, als er erst drei Jahre zählte, und so blieb seine Erziehung ganz der Mutter überlassen, an welcher er mit großer Liebe hing, woraus auch die Weichheit der Empfindung, die in seinen Arbeiten vorherrscht, sich erklärt. Zunächst besuchte er die Pfarrschule, und sobald er lesen konnte, fiel er über alles Gedruckte mit einer Begierde ohnegleichen her. Bald war denn auch die Bibliothek, welche der Vater hinterlassen hatte, durchgelesen und darunter das bekannte Werk des Hofrathes Raimarus „Ueber die Triebe der Thiere“, welches denn doch für einen Knaben seines Alters nicht eben paßte. Mit neun Jahren kam er auf das Gymnasium seiner Vaterstadt, wo seine Leselust noch gesteigert wurde, aber bei der Lecture von Ritter- und Geistergeschichten, die er in einer Winkelbibliothek gefunden, ihn die rechte Richtung verfehlen ließ. Als er jedoch in den Humanitätsclassen [30] die Heroen des deutschen Geistes, Schiller, Goethe, Wieland, und unter den kleineren Matthisson kennen gelernt, da erst flammte er, durchdrungen von den herrlichen Schöpfungen der Genannten, auf, und nun begann er selbst den Pegasus zu satteln. Damals entstanden Elegien und Idyllen, deren einige noch im sogenannten „Goldenen Buche“ stehen, in welchem die besten Schülerarbeiten eingetragen zu werden pflegten. Neben der Poesie zogen ihn besonders Geschichte und Alterthumskunde an. Die Ferienzeit verlebte er meist bei einem Verwandten, der Oekonomiedirector war, und auf dessen Wirthschaft erwachte zunächst seine Neigung für die Landwirthschaft, was für seine Zukunft entscheidend werden sollte. Als dann der 15jährige Jüngling die Mutter verlor, welche die ersten Keime alles Edlen und Guten in sein Herz gepflanzt, fand er Aufnahme im Hause seines Vormundes, des Magistratsrathes Sterly [Band XXXVIII, S. 237]. Unter der Leitung dieses Mannes, der Kunst und Wissenschaft liebte, selbst Sprachkenner, Geschichtsforscher, Mineralog, Zeichner und Maler war, entwickelte sich der strebsame Schüler immer mehr. Als er dann die philosophischen Jahrgänge beginnen sollte, kam er nach Wien, wo er sich später den ökonomischen Studien zuwandte, nach deren Vollendung er als Practicant auf demselben Gute eintrat, dem der oberwähnte, mittlerweile verstorbene Verwandte als Director vorgestanden hatte. Nach anderthalb Jahren fand er Stellung als Actuar auf dem k. k. Studienfondsgute Jamny. Um diese Zeit trat er zuerst mit seinen poetischen Arbeiten in die Oeffentlichkeit, und zwar in dem von J. G. Seidl herausgegebenen Taschenbuche „Iduna“. Auch lernte er damals den Redacteur des „Oesterreichischen Zuschauers“, Ebersberg, kennen, mit dem er bis zu dessen Tode im brieflichen Verkehre blieb. Für Ebersberg’s Blatt wurde er nun einer der fleißigsten Mitarbeiter, aber nicht auf dem Felde der Lyrik, sondern auf jenem der Geschichte. Seine „Historischen Skizzen“, wozu ihm seine reiche Büchersammlung die vorzüglichsten Quellen darbot, bildeten bald eine stehende Rubrik im Blatte, an dem sich damals Männer, wie Custos Bergmann, Enk, Seidl, Stein und Andere betheiligten. Ferner trat er mit R. Rohrer zu Brünn in Verbindung und arbeitete fleißig für dessen Blatt „Moravia“. 1839 wurde er zum Amtsvorsteher befördert und blieb in dieser Stellung bis 1849 anhaltend schriftstellerisch thätig. 1850 erfolgte seine Ernennung zum k. k. Steueramtscontrolor in Straßnitz und zwei Jahre später zum Steuereinnehmer in Göding. Da ihm aber das Klima daselbst nicht zusagte, bat er um Versetzung und kam im Frühjahr 1855 mit Beförderung nach Trebitsch. Vier Jahre später raffte den im schönsten Mannesalter Stehenden zu Wien der Tod dahin. Weiner’s schriftstellerische Thätigkeit verliert sich meist in vormärzlichen Unterhaltungsblättern und Taschenbüchern. Seiner Betheiligung an Ebersberg’s „Zuschauer“ wurde bereits gedacht, in den von J. G. Seidl redigirten drei Almanachen „Iduna“, „Der Freund des schönen Geschlechts“ und „Veilchen“ veröffentlichte er die größeren Erzählungen „Leier und Schwert“, „Todt und lebendig“ und „Die Lebensschuldverschreibung“. Im „Oesterreichischen Morgenblatte“, als nach Oesterlein’s 1838 erfolgtem Tode Dützele-Coeckelberghe die Redaction dieses Journals übernahm, erschienen von [31] Weiner mehrere humoristische Aufsätze, dann ein Cyclus „Feierabendlieder“ und Liebesbriefe“; in der von Mehoffer zu Lemberg gegründeten „Galizia“ die Novelle „Die Wachsfigur“; in der schon erwähnten von Rohrer verlegten „Moravia“, in welcher er sich als einer der fleißigsten Mitarbeiter erweist, außer zahlreichen kleineren Aufsätzen wechselnden Inhalts folgende: die große Erzählung aus dem Mittelalter „Der Fluch“, das Lebensbild „Der letzte Termin“, die vaterländische Novelle „Die Schweden in Iglau“, die Skizze aus dem Wanderleben eines Tischlergesellen „Ausgestorben“, die botanische Mythe „Die Esche“, die historische Skizze aus Englands Geschichte „Der Zweikampf“, die humoristische Erzählung „Bekenntnisse eines armen Poeten“, die Dorfgeschichte „Im Tabakhüttchen“, die Novelle „Das Preisstück“, dann die größere Novelle „Der Advocat“, welche der Verfasser selbst für seine beste Arbeit erklärte, die Burleske aus dem Provinzleben „Ein Lichtbratel und seine Folgen“, „Die phantastischen Verhandlungen vor dem Tribunal der Modegöttin“ und „Der Damenmignonkalender“ u. d. m.; „Der Pilger“, eine commerciell-belletristische Zeitschrift, die zuerst der Schriftsteller Schall aus Carlstadt in Croatien, später Eduard Breier herausgab, enthält von Weiner die Novelle „Circe“, das Märchen für große und kleine Kinder „Wie man sich irren kann“, den Sommernachtstraum „1941“, die Erzählung nach einer wahren Begebenheit „Semmelchristel“, die Novelle nach einer italienischen Handschrift „Die Weihe der Pflicht“; ferner „Die satyrischen Crayonskizzen“ und den Roman „Der Krüppel“, der auch als Brochure besonders erschien, und im Beiblatt „Prag“ der Zeitschrift „Ost und West“ aufgenommen wurde; in einem anderen deutschen, zu seiner Zeit viel verbreiteten Unterhaltungsblatte, den von Medau zu Prag verlegten „Erinnerungen“, finden sich von Weiner die Novellen: „Die Lebenstinctur“ und „Aus dem Tagebuche eines Dichters“. Für die von J. N. Enders in Neutitschein herausgegebenen „Blumen aus dem Morgenlande“ schrieb er „Eine Duellgeschichte“, nach einer wahren Begebenheit; für den Ebersberg’schen „Zuschauer“ außer den erwähnten historischen Skizzen die Erzählung „Der Freigeist“; für die „Bellona“, einen Kriegeralmanach für 1844, die Erzählung „Drei Söhne“, aus den Papieren eines österreichischen Officiers, und für Jurende’s „Vaterländischen Pilger“ die Erzählungen „Baronesse Rosa“ und „Eine Teufelsgeschichte“. Die Bewegung 1848 gab vorderhand aller Belletristik und auch der österreichischen den Todesstoß. Weiner, der den Sommer genannten Jahres in Wien verlebte, schrieb nun für die „Brünner Zeitung“ und Bäuerle’s „Theater-Zeitung“ einige finanzwirthschaftliche Artikel, trat mit der von Karl Haas in Wien verlegten, in ihrer ersten Nummer am 2. Mai herausgekommenen von J. C. Schall redigirten „Wiener Schnellpost“ in Verbindung, brach diese jedoch nach kurzer Zeit wieder ab, als die Ereignisse eine Wendung nahmen, welche ihm jede weitere Theilnahme auf publicistischem Gebiete verleideten. Indeß zeigt er in den in Nr. 30 erschienenen „Fibelreimen“ Freimuth und schlagfertigen Witz, wie z. B. der Fibelvers auf den König von Preußen lautet: „Futterkörner meinen hungrigen Hühnern, | Granaten und Bomben meinen lieben Berlinern“; oder an das Volk von Bayern: „Was keinem Mannesernst [32] gelungen, | Hat uns ein tanzend Weib errungen.“ In der „Theater-Zeitung“ veröffentlichte er einen Cyclus von Aphorismen aus dem Frauenleben unter dem Titel „Damenblätter“, und von einem damals begonnenen politischen Roman „Die Clairvoyante“, welcher aber unvollendet geblieben, gelangten nur einige Bruchstücke in die Oeffentlichkeit. Als nach seiner Versetzung nach Trebitsch sein Beruf anstrengender wurde und ihm zu literarischer Nebenbeschäftigung nur wenig Zeit mehr ließ, ging er an eine Sammlung seiner bisher gedruckten besseren Arbeiten, die in 6 Bänden erscheinen sollte, aber nicht unter die Presse kam. Aus seinen letzten Jahren sind nur einige humoristische Arbeiten zu verzeichnen, welche das von Dangelmaier redigirte „Wiener Neuigkeitsblatt“ brachte; in seinem Nachlasse aber befand sich das größere erzählende Gedicht „Die Beicht“, ferner „Beiträge zu einem Plutarch unglücklicher Menschen“ und „Charakteristik der Schriftsteller“. Aus seiner Ehe, welche er 1840 in Wien schloß, hinterließ er vier Kinder. Weiner war ein talentbegabter, vielseitig gebildeter Schriftsteller, der aber an den Schäden der vormärzlichen Zeit gleich vielen anderen krankte und verkümmerte und als die neue Zeit hereinbrach, zu alt geworden war, noch mitzuthun.

Notizenblatt der historisch-statistischen Section der k. k. mährisch-schlesischen Gesellschaft zur Beförderung des Ackerbaues, der Natur- und Landeskunde. Redigirt von Christian Ritter d’Elvert (Brünn, 4°.) Jahrg. 1857, Nr. 9, S. 69.