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Das Passionsspiel in Schwäbisch-Gmünd

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Textdaten
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Autor: Franz Joseph Holzwarth
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Titel: Das Passionsspiel in Schwäbisch-Gmünd
Untertitel:
aus: Katholische Trösteinsamkeit Bd. 7: Passionsbilder, S. 115–275
Herausgeber:
Auflage: 1. Auflage
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1856
Verlag: Franz Kirchheim
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Erscheinungsort: Mainz
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Originaltitel:
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Originalherkunft:
Quelle: Exemplar der Stadtbibliothek Mainz auf Commons
Kurzbeschreibung: Wiedergabe des Gmünder Passionsspiels nach der (inzwischen verschollenen) Abschrift einer Schülerin ca. 1812 nach dem den letzten Aufführungen zugrundegelegten Original
Siehe auch Schwäbisch Gmünd
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[115]
Das Passionsspiel
in
Schwäbisch-Gmünd.


[117]
Einleitung.
I.

Heuer sind es am siebenten und achten April dreiundfünfzig Jahre, daß in der ehemaligen des heiligen römischen Reichs freien Stadt Schwäbisch-Gmünd am Grünendonnerstag und Charfreitag das letzte Mal ein Passionsschauspiel öffentlich und feierlich aufgeführt wurde.

Wenn wir, solange es noch Zeit dazu ist, dieses Passionsspiel vor dem Untergange retten, so glauben wir mit ihm die Trösteinsamkeit durch einen willkommenen Beitrag bereichert zu haben.

Es ist freilich kein feines Stück der Dichtung, das wir in diesem Passionsspiele unsern Lesern vorführen; man darf weder an das Ganze, noch an den Bau und Inhalt der einzelnen Verse den Maaßstab der Kunst anlegen. Wer in diesen schlichten Darstellungen ein Kunstwerk erwarten wollte, würde das Büchlein sehr unbefriedigt aus der Hand legen müssen.

Wer aber eine Freude hat an den alten Gebräuchen, die in unsern katholischen Orten an die Feier der heiligen Feste sich ansetzten, wer aus Kundgebungen dieser Art einen Schluß zu machen weiß auf die Geltung der religiösen Anschauungen einer Zeit, [118] wer Nichts, auch das Kleine nicht mißachtet, um aus ihm seine Erkenntniß vergangener Zeiten und Zustände zu bereichern, wird sicher dieses alte Passionsspiel freudig und darum auch nachsichtig willkommen heißen.

Es ist rührend, die alten Leute, die aus der reichsstädtischen Zeit noch übrig sind, über ihr Passionsspiel sprechen zu hören. Alsbald fangen sie an, die Strophen ihrer Rolle, die sie in der Jugend dargestellt, „ihre Sprüche,“ wie sie sagen, zu declamiren, sie versetzen sich so lebendig in die Darstellung zurück, daß es Mühe kostet, sie zu einer ordentlichen Erzählung des ganzen Herganges zu bringen. Sie standen ihrem Spiel nicht als fremde, gleichgültige Zuschauer gegenüber, darum regt jede Erinnerung an jene von ihnen so hoch gepriesene Zeit ihr ganzes Herz und ihre volle Liebe auf, und statt ruhig zu berichten, declamiren sie und ergießen sich in Ausrufungen; „ja das war eine Zeit! Da kam eine Masse Volkes! Das war rührend! Da weinten die Protestanten, die viele Stunden Weges aus dem Württembergischen kamen, ihre hellen Thränen, wie wir es thaten!“ Dieß und Aehnliches muß man alle Augenblicke hören und hat Mühe, durch fortwährende Fragen aus einzelnen Bemerkungen den ganzen Hergang des Spieles sich zusammenzubauen.

Da aber Viele der Mitspielenden noch leben und ich unter ihnen aufwuchs, so wurde es mir nicht sehr [119] schwer, einen ziemlichen Theil des Personals, das bei der letzten Aufführung betheiligt war, zusammenzufinden und von Jedem den Gang seiner Rolle zu entheben.

Schwerer wurde es, das Schauspielbuch, in dem der vollständige Text des Stückes enthalten war, aufzufinden. Es kann nicht in vielen Exemplaren vorhanden sein, ich fand auch nur ein einziges, das vollständig war.

Da die Leitung der Aufführung lange Zeit in Einer Familie sich erhielt, so vererbte sich das Textbuch bei ihr, und die Spielenden erhielten jedes Jahr ihre Rollen, welche nach der Aufführung wieder zurückgegeben werden mußten. Die Sprüche waren leicht im Gedächtniß zu behalten, und es war vielleicht keine Familie in der ganzen Stadt, die nicht ein oder das andere ihrer Glieder unter den Mitspielenden ein oder das andere Mal gehabt hatte. So war die Kenntniß des Stückes und seiner einzelnen Sprüche überall lebendig aufbewahrt, und hieraus ist leicht zu erklären, daß man nicht daran dachte, viele Abschriften vom Ganzen zu nehmen.

Weil aber die Träger der Ueberlieferung reichsstädtischer Zustände nach und nach heimgehen und es die Art des jungen Geschlechtes ist, keinen Sinn für die alten Verhältnisse zu haben, so wird auch von diesem Passions-Schauspiele in wenigen Jahren die Erinnerung bis auf dürftige Spuren seines ehemaligen [120] Daseins verschwunden sein. Darum ist es Zeit zu retten, was noch zu retten ist; und wenn kein anderer Gewinn aus dieser Veröffentlichung zu ziehen wäre als dieser, den Alten, welche jene Zeit noch gesehen und mitdurchlebt haben, in den letzten Stunden noch eine Freude gebracht und den Andern Zustände einer vergangenen Zeit, die zu den ehrenwerthesten gehören, zur Betrachtung und Beherzigung hingestellt zu haben, so würde immerhin Vieles geschehen und erreicht worden sein.

II.

Die Handschrift, nach welcher der gegenwärtige Abdruck gemacht wurde, ist von einer Schülerin ungefähr im Jahre 1812 nach dem Originale gefertigt, das den letzten Vorstellungen zu Grunde gelegt worden war.

Daß auch dieses Passionsspiel in Folge der Zeiten eine Aenderung erlebte, wie das bei ähnlichen Stücken in der Regel der Fall war, ist begreiflich. Es kommen zu viele Sachen darin vor, welche den Geschmack des vorigen Jahrhunderts verrathen, als daß noch ein Zweifel bestehen könnte über Aenderungen, die es in dieser Zeit erfahren hatte.

Es lebt noch ein Bürger, der davon gehört hat, daß in den ganz alten Zeiten, die sein Leben nicht mehr berührt, die Sprache des Stückes viel „gmünderischer“ gewesen sei. In unserer Handschrift [121] kommt auch eine Stelle vor, in welcher es heißt, daß die „Reue Petri“ nach dem alten Werke gegeben worden sei.

In wiefern unser gegenwätiges Stück vom alten verschieden sei, kann nicht angegeben werden.

Es ist sicher, daß das Spiel sehr weit hinaufreicht. Gmünd hat in der Darstellung derartiger Spiele keine Ausnahme von andern Städten in Schwaben gemacht. Aber die ursprüngliche Gestalt konnten die Passionsspiele nicht beibehalten, weil sie wirkliche Volksschauspiele waren. Wie nun der Geschmack des Volkes, seine ganze Art mit der Zeit eine andere wird, so wechseln auch solche Werke volksthümlicher Auffassung und künstlerischer Gestaltung der Masse.

Kam man Anfangs darauf, die kirchlichen Gebräuche der heiligen Charwoche durch einzelne Reden zu erweitern, so setzten sich an diese ersten Erweiterungen mit der Zeit noch andere an, bis Einer kam, der dem Ganzen eine bestimmte Gestalt gab, die es dann solange trug, bis ein Anderer wieder neue Scenen hinzusetzte und andere wegschnitt.

Gewann so der Unterbau eines Stückes in verschiedenen Zeiten eine verschiedene Gestalt, so zeigt sich in der Ausführung im Einzelnen, in Sprüchen und Reimen, in Witz- und Scheltworten, in Allegorien u. dgl. ganz klar die Färbung einer bestimmten Zeit.

[122] So aber können Sitten und Bräuche, die religiösen Anschauungen, die Bildung, Freud und Leid unseres Volkes aus den letzten dreißig, vierzig Jahren einer schwäbischen Reichsstadt aus gegenwärtigem Passionsspiele mit Sicherheit erkannt werden.

Wir haben es nicht über uns gebracht, Abänderungen zu machen. Ob der Reim klinge oder nicht, ob eine Rede in ihrer Weitschweifigkeit ermatte und eine andere fast unverständlich sei u. dgl. – Das haben wir Alles stehen lassen, wir wollen ja an diesem Passionsspiele kein künstlerisches Behagen schöpfen, sondern die Gebräuche unserer Väter kennen lernen und an ihnen uns erfreuen und dessen uns getrösten, daß wenn auch Vieles faul war in den letzten Zeiten des heiligen Römischen Reiches deutscher Nation, doch mancher brave Brauch die Gemüther erhob und erquickte.

III.

Man hat sicherlich nicht recht gethan, diese Schauspiele zu verbieten. Die Kirche würde sie nicht geduldet und ihre Priester würden sie da und dort nicht befördert haben, wenn eine Gefahr für die Religion oder öffentliche Sitte durch sie nahe gelegt worden wäre.

Nachdem man in Tyrol und dem bairischen Gebirg sich eine Zeitlang alle Mühe gegeben hatte, diese Spiele, die aus den weiten Gauen des deutschen Vaterlandes zu den Bauern in den einsamen [123] Gebirgsthälern geflüchtet waren, zu verbieten und auszurotten; erfreuen sich jetzt alle zehn Jahre viele Tausende aus allen Ständen des Bauernspiels in Oberammergau, und selbst Leute vom Theater finden es in der Ordnung, mit rühmenden Worten jener einfachen Darstellungen zu gedenken.

Ob man auch in Schwäbisch-Gmünd die Anfführung des Passionsspieles verboten, weiß ich nicht. Die Franzosenzeit, die ewigen Kriegsunruhen, trugen viel zum Untergang bei, dann wurde Gmünd württembergisch, es kam eine neue Zeit und mit ihr neue Anschauungen, die alten Herrn konnten nicht mehr und die jungen wollten nicht mehr. Es hat von selber aufgehört, sagen die alten Leute.

Ist das der Fall, so ist es wohl gut, daß die Aufführung nicht mehr versucht wird, denn nur was gesund und lebenskräftig steht, fällt nicht von selbst dem Untergange anheim.

Aber aus der rührenden Anhänglichkeit der alten Leute an das Spiel ihrer Jugend dürfte hervorgehen, daß ein gesunder Kern immerhin noch vorhanden gewesen – aber wir haben hier die Ursachen nicht zu erörtern, warum die Aufführung des Passionsspieles aufgehört habe.

Wichtiger ist es zu wissen, daß noch in den letzten Jahren vor seinem Untergange die Theilnahme eine allgemeine und bei sehr Vielen eine herzliche war.

[124]
IV.

Wer hat bei dem Spiele sich betheiligt? wer hat sich als Zuschauer eingefunden?

War die Theilnahme eine allgemeine, schloß kein Stand sich aus, so mußte das Schauspiel tief in das Herz des Volkes sich eingesenkt haben; und haben die Spielenden und die Zuschauer die ergreifenden Bilder nicht äußerlich an sich vorübergehen lassen, sondern haben die Einen als eine religiöse Handlung, als ein frommes Werk ihre Bethätigung beim Spiele angesehen und die Andern getrauert, wenn der Oelberg und die Verurtheilung und der martervolle Kreuzweg in ernsten Bildern und Tönen an ihnen vorüberzog; – so ist das wohl ein rühmliches Zeugniß für die ehrsamen Bürger der schwäbischen Reichsstadt, daß die Feier der kirchlichen Feste bei ihnen aus den heiligen Mauern des Gotteshauses herausgetreten und mitten hinein in das Volksleben anregend und erhebend, erfreuend und ergreifend sich gestellt hat.

Wirklich war die Theilnahme eine allgemeine. Kein Stand schloß sich vom Spiele aus, und die ganze Masse des Volkes aus der Stadt und Umgegend und in einzelnen Schaaren weit über diese hinaus fand sich bei der Aufführung ein, die unter freiem Himmel stattfand und viele Stunden dauerte.

Es war das noch eine Zeit, wo in dieser schwäbischen Reichsstadt der Unterschied der Stände noch [125] nicht so schroff sich geltend machte, wie das nachgerade eintrat. Die Geschlechter, die Patricierfamilien waren längst vertrieben, und es fand sich der Bürger nur seinesgleichen gegenüber. Nur der Besitz bildete im öffentlichen Leben den Unterschied; aber der Kaufmann hieß eben „Handler,“ mochte er den Zucker lothweise verkaufen oder mit seinen Goldwaaren in Frankfurt und Leipzig die Messe beziehen; der Goldschmied hieß eben Goldschmied und war Geselle oder Meister und noch nicht Fabrikherr und Arbeiter.

Es war noch eine Zeit, wo in den Mauern dieser Stadt die äußern Abzeichen des katholischen Glaubens etwas galten, wo die Rathsherrn mit dem Rosenkranz in der Hand auf das Rathhaus gehen mußten; weil es so die Bürgerschaft, wie die Chronik erzählt, im Zeitalter der Glaubenstrennung von seinem Magistrat verlangte, da sie einmal von ihm fürchtete, er denke die Stadt in den Abfall anderer Reichsstädte Schwabens hineinzuziehen. Es war noch eine Zeit, wo ein ehrsamer Rathsherr Freimaurer sein und doch alle Samstag Abend mit der versammelten Familie den Rosenkranz auf den Knien beten konnte.

Bei Verhältnissen, von denen diese wenigen Züge ein ungefähres Bild entwerfen können, ist es leicht begreiflich, daß die Darstellung des Passionsspieles nicht bloß den Armen und Niedrigen zufallen konnte. Die vornehmen Rollen mußten wohl Reiche übernehmen, da die Kleidung manch’ schönes Stück Geld [126] erforderte und bei den übrigen großen Kosten und dem niedrigen Eintrittspreiß wenig überblieb, für Alle die kostbaren Kleider zu beschaffen. Von einem der reichsten Kaufherrn wurde mir erzählt, daß er bis in sein höchstes Alter seine Rolle nicht abgegeben habe. Und als er nicht mehr zu Pferd steigen konnte, wie ihm als Kaiphas beim Kreuzwege zukam, ließ er sich noch in seinem Wagen bei der Prozession mitführen.

Jedermann machte sich eine Ehre daraus, bei der Vorstellung sich betheiligen zu dürfen. Wenn Keines aus der Gesellschaft unter dem Jahre starb, so waren es immer die Nämlichen, welche das Spiel aufführten. Wurde eine Rolle erledigt, so riß man sich darum. Aber den Reichen fiel es nicht bei, die Ehre des Spiels allein für sich in Beschlag zu nehmen. Auch die Armen betheiligten sich. Und diese erhielten vom Ueberschuß der Einnahme ein kleines Trinkgeld, oder einige Speise ins Haus für ihre Familie.

Wie man durch den Puzenmann die Kinder schreckt und durch Prämien sie zum Fleiß ermahnt, so wurde den braven Kindern versprochen, sie dürfen mitspielen, und den Unartigen wurde mit dem Ausschluß gedroht. Ich kann mich noch gut des Jubels in der Kinderwelt erinnern, als einmal in den dreißiger Jahren das Gerede ging, man werde die Passion wieder spielen. Wie man uns damals erfreute, so that man es früher mit den Kindern, die nun als alte Leute mit inniger [127] Freude an die Rollen sich zurückerinnern, die sie einst vertreten durften.

In Schwäbisch-Gmünd hatte zu alten Zeiten fast jede Familie ihren Uebernamen oder Spitznamen geführt. Und nun heißt man die Familie, in der die Rolle Christi durch einige Generationen hindurch verblieben war, bis auf diesen Tag „s’ Hergettle’s“[1]. Ist das nicht ein Wink, daß das Passionsspiel für die Stadt wirklich eine Bedeutung hatte?

Kamen die Bauern in hellen Haufen zur Aufführung in die Stadt herein, so war das Schauen nicht das Einzige, was sie thaten. Sie hatten in ihren Wäldern das Holz zum Gerüste gefällt, es unentgeldlich zur Stadt gebracht und die große Bühne bauen helfen. So trug Stadt und Land seinen Theil zum frommen Werke bei.

Für die Größe der Volksmasse, welche zur Aufführung sich versammelte, wissen die alten Leute, die mir davon erzählten, fast keinen Ausdruck zu finden.

Der öffentliche Platz bei der Kirche, wo die Aufführung stattfand, mag seine fünfzehntausend Menschen fassen; und er war gedrängt voll, und zu allen Fenstern der benachbarten Häuser hingen sie heraus und alle Dächer waren bevölkert. Als der Kreuzweg über den Marktplatz zog, der vielleicht der größte im Lande ist, sagte einer vom Rath der Juden, der hoch zu Rosse über die viel tausend Köpfe hinwegsah, zu [128] seinem Nachbar, man könnte über die Köpfe wegschreiten, es würde Keiner auf den Boden kommen, so dichtgedrängt war die Masse Volkes.

Und wie wohnte sie der Vorstellung an? Daß nicht Alle gerührt wurden und die Gerührten auch wieder lachen konnten, wer mag Das verwunderlich finden? Der gesunde derbe Sinn unseres Volkes bricht auch bei traurigen Anlässen gerne durch, und einem Herzen kann es bitterer Ernst und ein schmerzliches Leid sein, und doch lächelt es auch wieder durch die Thränen heraus.

Daß viele Weltlichkeit sich einschlich, und mancher leichtsinnige Gesell nur um des Spektakels willen mitmachte, wer wollte es bezweifeln? Die Juden schlugen so grob auf den kreuztragenden Christus ein, daß Einer unter seinem Kreuze hervor einmal rufen mußte: „Jetzt macht es nur gnädig.“ Die Teufel, welche den Zug beim Gange durch die Straßen der Stadt umschwärmten, trieben allerhand Possen mit den Leuten, die in den Straßen wogten.

Aber wenn der Herr an den Oelberg ging, wurde ein allgemeines Schluchzen laut, und in Freud und Leid erinnert sich manches Gemüth bis auf diesen Tag der ersten Eindrücke des Spieles aus der längst vergangenen Jugendzeit. So sagte mir eine Frau, die mir über das Spiel erzählen mußte, gleich bei meiner ersten Frage: Es sei noch keine Stunde, daß sie an einen Spruch gedacht. Man habe sie erzürnen [129] wollen, da sei ihr das Bild des Simon von Cyrene eingefallen und der Spruch Simons, als man ihn zwang, dem Herrn sein schweres Kreuz tragen zu helfen:

Und muß das Kreuz getragen sein,
So sei’s in Gottes Namen;
So geb’ ich meinen Willen drein,
Sonst seyn zwei Kreuz’ beisammen.

Im Jahre 1803 lag ein Trupp Franzosen in der Stadt, vor denen man sich fürchtete, so daß man vom Spielen abstehen wollte. Als das der commandirende Offizier erfuhr, so setzte er sein Ehrenwort ein, daß von seinen Leuten das Spiel nicht gestört werden solle. Ein französischer Soldat zog beim Kreuzweg den Säbel. Warum? Es erbarmte ihn die Marter Christi und er wollte den groben, unfläthigen Juden wehren.

V.

Auf den Grünen-Donnerstag war die Bühne und Alles bereitet, und Abends sieben Uhr begann das Spiel.

Auf der nördlichen Seite der sehr großen, herrlichen Pfarrkirche ist ein freier Platz, der sich der ganzen Länge der Kirche entlang und noch soweit darüber hinaus ausdehnt, daß auch der östliche Chor und die westliche Wand vollständig frei stehen.

Liest man in alten Büchern, daß die Aufführung von Passionsspielen gerne auf den Kirchhöfen stattgefunden [130] habe, so darf man unter dem Kirchhof nur nicht gerade einen Gottesacker verstehen. Wie sich’s schon aus dem Worte ergibt, so ist der Kirchhof der freie, die Kirche umgebende und zu ihr gehörende Platz.

So war denn nun auch in Schwäbisch-Gmünd der Ort für die Darstellung ein Theil des Kirchhofes, jener nördliche Theil, welcher nicht zur Ruhe der Todten diente, die ihren Begräbnißort auf dem südlichen Theile des Kirchhofes hatten.

Ungefähr ein Dritttheil der Länge des Platzes war durch Schranken eingehegt. Hier standen die Teufel und andere vermummte Figuren, z. B. der Tod, als Einnehmer an den Pforten. Was draußen stand, konnte frei zuschauen, war aber auch vom Hören befreit, denn man stand zu weit von der Bühne ab. Der Preiß der Plätze war, wie es für ein heiliges Spiel nicht anders ziemte, äußerst gering. Aber man war zufrieden, wenn nur die großen Kosten gedeckt werden konnten und für die Armen unter den Mitspielenden noch ein Brosamen abfiel.

Die Zuschauer standen und saßen unter freiem Himmel, nur die Bühne war überdeckt. Auf dieser standen drei tempelartige Gebäude, deren breite Eingangsthüre durch einen Vorhang verhüllt war. Wurden diese Vorhänge zurückgezogen, so lag ein Saal vor den Augen der Zuschauer. Aber wir halten uns bei dieser Beschreibung nicht auf, da die [131] Oertlichkeit bei der jedesmaligen Beschreibung eines Auftrittes im Spiel deutlicher werden wird. Und es sei nur noch bemerkt, daß links von der Bühne der Oelberg sich befand.

Was endlich noch die Kleidung betrifft, so war diese ein Gemisch der altjüdischen und der bürgerlichen Tracht des vorigen Jahrhunderts. Bei meinem Aufwachsen hatte der Meßner in einem Kasten unter der Stiege die Reste dieser alten Herrlichkeit aufbewahrt. Gelang es uns Knaben, durch einige Kreuzer oder ein Päckchen Tabak den Meßnerknecht zu bestechen, daß er den Kasten heimlich öffnete, so lagen da Turbane, zweihörnige Priesterkappen, kurze seidene Hosen, Westen, reich bordirt, die mit ihren Schößen bis auf die Beine herabfielen, und ähnliche Dinge.

Wenn bis sieben Uhr die „Actores“, wie die Darsteller sich nannten, beisammen waren, begann die Musik ein Trauerlied zu spielen. Der Decan trat unter die Spielenden und hub ein Gebet an. Man schloß einige Vater Unser und den christlichen Glauben an, dann sprach der Decan: „Im Namen Jesu fanget an“ und die Spielenden traten auf die Bühne.

Zwölf Auftritte wurden an diesem Abend gespielt; dann ging man um zehn Uhr in der Nacht auseinander.

[132]
Trauerspiel,

oder
Geschichte des leidenden und sterbenden Heilandes

Jesus Christus

in 24 verschiedene Auftritt abgetheilt, und öffentlich aufgeführt in der Hochlöblichen des heiligen Römischen Reichs Kaiserlichen Freien Stadt Schwäbisch-Gemünd;

Also

Daß die ersten 12 Abänderungen am Grünen-Donnerstag, die übrigen aber am heiligen Charfreitag vorgestellt wurden.


Erster Auftritt.

Christus nimmt Urlaub von seiner liebsten Mutter.

Es tritt auf Christus mit seinen heiligen Aposteln Petrus, Jakobus und Johannes; und Christus beginnt mit dem Gebet zum himmlischen Vater:

Sieh Vater! sieh herab vom Thron,
Mein’ Stund’ bereits erscheint!
Verklär’ nun deinen liebsten Sohn,
Mit deinem Willen stets vereint!

5
Ich hab ja von des Himmels Saal

Mich auf die Erd begeben
Und g’führt in diesem Jammerthal
Ein armuthvolles Leben.

[133]

Sehr eifrig hab ich nachgetracht

10
Nur deinem höchsten Willen,

Du weißt, ich suchte Tag und Nacht
Denselben zu erfüllen.

Christus wendet sich zu seinen heiligen Aposteln und spricht:

O Peter und ihr Donnersöhn’
Jetzt denkt an jene Zeiten!

15
Ihr saht mich wie die Sonne schön!

Ihr saht nur Herrlichkeiten!
Elias, Moses zwar zugleich
Auf Tabors Spitze stunden,
Doch habt ihr mich alleinig reich

20
An Herrlichkeit gefunden.

Auch heut auf einen Berg ich geh’
Doch dort gibt’s keine Freuden,
Denn sehen werd’t ihr nichts als Weh’,
Als Angst, als Sorg und Leiden.

Petrus.

25
Auf Berg und Thälern, Städt und Land

Bei dir ich Herr will bleiben,
Mein Leben sei das Unterpfand,
Kein Furcht soll mich vertreiben.

Johannes.
O liebster Meister! wie ich dort

30
Zu folgen war bereitet,

So standhaft heut’ an alle Ort
Johannes dich begleitet.

Jakobus.
Ach sag’s, o Herr, ich bitte dich,
Wohin denn willst uns führen?

35
Erklär’s, ich bitt dich inniglich,

Mein Bitten laß dich rühren!

[134]

Christus.
Ihr wißt ja selbst aufs allerbest
(Was braucht denn ferner fragen!)
Das jährlich hohe Osterfest

40
Das kommet nach zwei Tagen,

Zu welcher Zeit des Menschen Sohn
Die Heiden werden richten,
Damit er sterb’ mit Spott und Hohn,
Das sind der Sünde Früchten.

45
Doch weil es ist des Vaters Will,

Den Tod mein Seel umfasset;
Mein Seel hat dessen Wink zum Ziel,
Sie liebt mit ihm und hasset.
Nur meine Mutter schmerzet mich,

50
Die allzeit ich geliebet;

Im Geist dieweil ich vor schon sieh,
Wie sehr sie sich betrübet.

Hier tritt Maria auf mit den heiligen Frauen Martha und Magdalena, und der Herr spricht zu ihnen:

Ihr kommt, da euch wollt suchen ich,
O Mutter und Bekannte,

55
Wo seind auch, die noch lieben mich,

Die andere Bekannte?
Denn wißt, nun ist diejenig Stund,
So mich von euch abtrennet,
Die mir der göttlich Liebesfund

60
Zum Scheiden hat benennet.

Dir Mutter ist’s kein fremde Sach,
Daß muß am Kreuz ich sterben,
Damit der Mensch könn’ allgemach
Den Himmel wieder erben.

[135]
65
Ich danke dir denn tausendmal

Für alle Lieb’ und Güte,
Erzeigt so du mir hast ohn’ Zahl! –
Betrüb’ dich nit, ich bitte!

Maria.
O Schmerz! o Schwert! von Simeon

70
Schon längst mir vor verkündet!

O Zeit! o Stund! – o liebster Sohn!
Was Qual mein Herz empfindet!
So soll ich denn, o liebstes Kind,
Dich ferner nit mehr sehen?!

75
Auch ich bei dir, wenn Gnad ich find,

In Tod mit dir will gehen!

Martha.
Ach Meister! ach ein’ kurze Zeit
Dich schenk’ noch deinen Freunden,
Flieh’ länger noch der Juden Neid,

80
Entzieh dich deinen Feinden!


Magdalena.
Du bist ja jener beste Theil,
Den du mir selbst verheißen,
Der mir um alle Welt nicht feil,
Wer darf dich mir entreißen?

Christus zu Maria.

85
Verschone deinem Mutter Herz

Und mäßige die Thränen,
Die Oberhand nit laß dem Schmerz,
Nit thu’ zu sehr dich sehnen!
Des Vaters Will erfüllt muß sein,

90
Ich bin darum gekommen;

Zu trinken aus den Kelch der Pein
Hab’ ich auf mich genommen.

[136]

Inzwischen Dank dir sage ich
Vor alle Mutterliebe;

95
Und glaube, daß ich liebe dich

Mit größtem Liebestriebe.

Maria.
Was dir, o Jesu, ich erwieß,
Ist Mutterpflicht gewesen,
Zur Mutter aber mich gewiß

100
Dein Gnad hat auserlesen.

Dich sehen einst war meine Freud,
Dich küssen war mein Glücke,
Nun aber nichts als Herzeleid
Mir bringen deine Blicke.

105
O Gnad! zur Mutter daß du mich

Hast auserwählen wollen,
O Leid! daß nur zum Kreuz ich dich
Geboren haben solle!

Magdalena.
Mein’ Schwester durft nit trennen mich

110
Kurz vor von deinen Füßen!

Drum gib nit zu, daß jetzt soll ich
Von selber scheiden müssen.

Martha.
Ach der du meinem Bruder hast
Das Leben erst gegeben,

115
Noch länger selbsten bleib mein Gast,

Und frist auch mir das Leben!

Christus.
Es war ja meines Vaters Will’,
Daß sollt’ am Kreuz ich sterben;
Und diesen ich mit Freud’ erfüll’,

120
Der Mensch soll nicht verderben!


[137]

Maria.
Weil nit für dich, auch nit mit dir
Zu sterben mir wird erlaubet,
Gib wenigst, gib den Segen mir,
Weil du mir wirst geraubet.

Christus.

125
Streck aus, o Vater, deine Hand,

Und meine Mutter segne,
Auch Allen, die mir anverwandt,
Mit Gnad’ und Heil begegne!

Maria.
O liebster Sohn!

Christus.

130
 O Mutter mein!


Maria.
Dieß Schwert mein Herz durchrennet.

Christus.
Gott sei mit dir!

Maria.
 Ach bleib’ bei mir!

Christus.
Der Will’ des Vaters trennet.

Christus geht mit seinen Jüngern ab. Nun spricht Maria.

135
Ihr Sion’s Töchter! helft geschwind,

Ich schmacht’ vor Lieb’ und Schmerzen!
O Wunden, die ich schon empfind
In meinem Mutterherzen!
Ihr Freundinnen! Ihr Gespielinnen,

140
Ich sink’ ganz kraftlos nieder;

O Sohn, o Jesu! – Soll’ ich denn
Dich nicht mehr sehen wieder!

[138]

Magdalena.
Maria! ach! erhole dich
Und dich nit so betrübe!

145
Dein Leid sonst auch entkräftet mich,

Weil ich dich herzlich liebe.

Martha.
O Mutter Jesu! doch gedenk’,
Dieß seie Gottes Willen,
Nach selbem auch den deinen lenk’,

150
Das soll den Schmerz dir stillen!


Maria.
Es gescheh! Du deinen Sohn, o Gott,
Zum Sohn mir hast gegeben!
Es gescheh’ dein Will’, er geh’ in Tod,
Er end’ am Kreuz sein Leben!

155
Damit der Mensch das Heil erwerb’

Nach deinem höchsten Willen,
So sterb’, mein Sohn! mein Jesus sterb’,
Mein Leid dein Will’ soll stillen!


Anderer Auftritt.

Die Priester und Schriftgelehrten halten Rath wider Jesum in dem Haus des Caiphas.

Nun wird der Vorhang vor einem der drei Pavillone weggezogen und man sieht die Versammlung des hohen Rathes. Es spricht

Caiphas.
Ihr Herren! was bedeut’ die Sach’,

160
Daß der nit mehr erscheinet,

Zu dessen Tod mit gerechter Rach
Wir uns so oft vereinet?

[139]

Daß er so g’schwind die Stadt vermeid’,
Mir seltsam will fürkommen!

165
Weil nirgends man ihn siehet heut,

Hat er die Flucht genommen?

Annas.
Wo immer man erfragen ihn kann,
Muß man nach ihme trachten,
Sonst käm’s so weit, daß Jedermann

170
Würd’ uns’re Gewalt verachten.


Ismael.
Geraumet aus dem Weg muß sein
Der boshaft Volksverwirrer;
Und holt man ihn mit Gewalt nit ein,
So trozt uns der Verführer.

Psolomas.

175
Man weiß ja, wie zu aller Zeit

Das Volk ihm angehangen;
Drum daß nit komm’ die Sach zu weit,
Bei Zeit man ihn muß fangen.

Joram.
Wir haben schon oft ihm nachgetracht’

180
Und dennoch nichts gewonnen;

Er hat uns ja nur ausgelacht
Und ist allzeit entronnen.

Jozachael.
D’rum wird auf’s Höchste nöthig sein,
Ihm heimlich aufzulauern,

185
Sonst lacht er in sein Faust hinein

Zu unserm Leid und Trauern.

Mesa.
Kein And’re meine Meinung ist,
Ich hab’ genug erwogen;

[140]

Bezahlt auch werden muß mit List,

190
Der uns so oft betrogen.


Isaak.
Auch ich glaub’, daß das Beste sei,
Ganz still auf ihn zu streifen,
Und heimlich ohn’ viel’ Meuterei
Nach ihme bald zu greifen.

Psolomas.

195
Wenn wir nit thun bei Zeit zur Sach’,

Wird er die Wunder mehren;
Mir gehet vor schon allgemach,
Wie er uns noch wird scheeren.

Ismael.
Er wiegelt auf das ganze Volk,

200
Wenn dieß die Römer hören,

Wie leicht ein dürstend Kriegesvolk
Wird Land und Leut beschweren!

Caiphas.
Recht so, ihr Herrn! Denn besser ist,
Daß Ein Mensch solle sterben,

205
Als daß durch fernere Teufelslist

Das ganze Volk verderbe.

Simeon.
Doch jetzt ihr Herren, kann’s nit sein,
Ihr müßt die Sach verschieben;
Jetzt Geistlich, Weltlich, groß und klein

210
In Andacht sich muß üben.


Aminadab.
Wenn heut’ wir würden fangen ihn,
Ein Aufruhr könnt’ entstehen;
Drum besser wär’s nach meinem Sinn,
Man ließ ihn heut’ noch gehen.

[141]

Caiphas.

215
Was soll denn endlich sein das Best’,

Wie ist die Sach zu thun?
Soll man bis nach dem Osterfest
Noch Alles lassen ruhn?

Der ganze Rath der Juden spricht zugleich:
Es dünket uns, es sei das Best’,

220
Man laß es heut noch bleiben;

Man kann es nach gehalt’nem Fest
Mit größ’rem G’walt betreiben.


Dritter Auftritt.

Während die Versammlung des Raths durch den Vorhang verdeckt wird, tritt Judas auf, der sich entschließt, seinen Meister zu verrathen, und meldet sich dessentwegen bei den hohen Priestern.

Judas spricht zuerst allein.
Jetzt Judas hast Gelegenheit
Im Werke zu erfüllen,

225
Zu was du warest lang bereit,

Was längstens war dein Willen.
Dein Meister dich nit achtet mehr
Und wenig dir vertrauet,
Er meint, er sei alleinig Herr,

230
Auf dich er nit mehr schauet.

Er ließ von Magdalena sich
Mit theurer Salb’ begießen,
Doch wart’ nur Jesu! sicherlich
Die Salb’ du bald wirst büßen!

235
Dreihundert Pfennig hätt’ ich g’löst

Gewiß an allen Orten,
Und wär’ dieß noch nit viel gewest,
Verkauft wenn’s wäre worden.

[142]

Doch wart’, du sollst es zahlen mir,

240
Ich will an dir mich rächen;

Zu legen eine Maschen dir,
Den Kopf mir wird nit brechen.
Gar recht du dich beurlaubt hast
Bei deinen guten Freunden,

245
Denn Morgen gönnt dir gewiß kein Rast

Die Menge deiner Feinden;
Denn heut’ noch (glaub’ es sicherlich),
Dich also will ich kleiden,
Dein Lebtag daß du denkst an mich;

250
Kein Hund soll dich beneiden.

Mit dir jetzt mach ich nit mehr viel,
Es soll mir gewiß nit fehlen,
All’ deine böse Ränk’ ich will
Den Priesteren erzählen.

Vor dem Thor der Rathsversammlung steht ihr Diener. Zu diesem spricht jetzt Judas.

255
Mein Freund! seind nit beisammen hier

Die Priester und Gelehrte?
Ich hätte ’was zu bringen für
Wenn’s sein könnt’ ohn’ Beschwerde.

Levi, der Diener.
Geduld! ich will es bringen an

260
Und dir die Antwort sagen.

Der Diener geht in die Rathsversammlung hinein und Judas ruft ihm nach:

Sag, Judas seie jener Mann,
Der etwas hätt’ zu klagen.

Nun spricht Judas wieder mit sich selbst.
Jetzt biete deinen Kräften auf,
Jetzt Judas laß dich hören,

[143]
265
Jetzt schwätz! jetzt klag’ und lüg’ brav drauf

Und spar’ auch nicht das Schwören!
So schwarz du kannst den Meister malen,
So wirst du desto schöner,
Sag, daß kein Werk mehr kann gefallen

270
Dir an dem Nazarener.


Levi der Diener.
Komm’ nur! es seind die Herren heut
In einem guten Zeichen;
Du wirst auch ohn’ Beschwerlichkeit
Dein Ziel und End’ erreichen.

Jetzt wird der Vorhang vor der Rathsversammlung wieder weggezogen, Judas tritt ein, verneigt sich vor den Herren und Caiphas ruft ihm freundlich entgegen:

275
Wie geht’s, mein Judas? Hast vielleicht

Mit Jesu dich entzweiet?
Dein Klagen all’n zum Trost gereicht,
Dein Hiersein uns erfreuet.

Judas.
Ihr Herren! weis’ und hochgelehrt,

280
Hört mein gerechtes Klagen!

Mein Meister ist es nit mehr werth,
Daß ihn die Erd’ soll tragen.
Sein Jünger ich mich schäm’ zu sein,
So boshaft ist sein Leben,

285
Ich ihn an Euch will liefern ein,

Sagt, was ihr mir wollt geben?

Annas.
Auf meine Mühl du Wasser tragst,
Ich hab oft selbst betheuert,
Dein Meister seie wie du sagst,

290
Dein Wort der Wahrheit steuert.


[144]

Mesa.
Er hat mit seinen Zauberkünst’
Sehr Viele schon verwirret,
Es wird auch durch sein Lehrgespinnst
Das ganze Volk verführet.

Psolomas.

295
Gewiß er mit dem Lucifer

Hat einen Bund errichtet.
Durch welchen uns’re Anschläg’ er
So oft schon hat zernichtet.

Ismael.
Er ist halt ein Samaritan

300
Und wird ein solcher bleiben,

Auch in des Teufels Nam der Mann
Die Teufel thut austreiben.

Judas.
Nun sagt, was ihr mir geben wollt,
Ich will ihn euch verrathen,

305
Auch bald ihr ihne haben sollt

Ohn’ euch viel abzumatten.

Alle sprechen.
Zu nah’ für jetzt die Ostern seyn,
Es läßt sich jetzt nicht machen,
Man muß behutsam gehen drein

310
Bei so bestellten Sachen.


Judas.
Laßt wachsen euch kein graues Haar,
Ich will ihn übergeben,
Dieweil er ja nicht werth fürwahr,
Daß länger er soll leben.

315
Nur sagt, was ihr mir geben wollt’,

Dann will ichs so betreiben,

[145]

Daß euch es mit gereuen sollt,
Dabei hat’s sein Verbleiben.

Caiphas.
Hör’ Judas! Dreißig Silberling

320
Für gwiß dir wollen geben;

Doch mach’ uns keine leere Spring’
Und führ’ uns nit darneben.

Alle sprechen.
Dein Wort fein halt und bring’ ihn ein,
Du sollst den Lohn nit missen.

Judas.

325
Ich werd’, ihr Herren, allzeit sein

Auf Dieses höchst beflissen,

Er verneigt sich vor den Herren und tritt heraus. Der Vorhang verdeckt die Versammlung des Rathes und Judas spricht übermüthig, lustig und dann pfiffig.

Gelt Jesu! jetzt hab ich eins dir
Recht meisterlich versetzet,
Erfahren wirst jetzt bald von mir,

330
Wie hoch dich Judas schätzet.

Ich muß mich doch noch stellen an,
Als wäre ich dein Freunde.
Damit vermerken Niemand kann,
Daß Judas sei dein Feinde.


Vierter Auftritt.

Es wird der Vorhang vor einem andern Pavillon auseinandergezogen. Da sieht man Christus mit seinen Jüngern, der sie aussendet, das Ostermahl zu bereiten.

Christus spricht:

335
Nach zweien Tagen Ostern wird,

Ihr selbsten dieses wisset,

[146]

Damit denn g’scheh’, was sich gebührt,
Damit nichts werd’ vermisset,
Nimm Peter den Johannes mit

340
Und dich in d’ Stadt begibe,

Bereit’, was noch bereitet nit,
Dieß ist die letzte Liebe.

Johannes.
Du weißt, daß wir bereitet seyn
Zu thun nach deinem Willen;

345
Drum präg’ uns selben klarer ein,

Damit wir ihn erfüllen.

Petrus.
Sag’ Meister! wo zum Osterlamm
Wir Anstalt sollen machen?
Für dich und uns in deinem Nam,

350
Weil es Gesetzes Sachen.


Johannes.
Wo ist das Haus? wer ist der Herr,
Zu dem wir sollen gehen?
Damit wir nit Gespött vielmehr,
Als Trost und Freud’ ersehen!

Christus.

355
Um dieß nit viel bekümmert euch,

Es wird sich Alles schicken;
Und g’wiß wird widerfahren gleich
Man euch in allen Stücken.
Dieß solle euch das Zeichen sein,

360
Daß Alles gut werd’ gehen:

Sobald ihr kommt in d’ Stadt hinein,
Gleich werdet ihr ersehen,
Ein Mensch, der euch begegnen wird,
Im Krug Der Wasser traget,

[147]
365
Und dieß sobald ihr habt verspürt,

Nit um den Herren fraget;
Nur folget auf dem Fuß ihm nach
In’s Haus, wohin er gehet.
Alldorten, wenn ihr allgemach

370
Den Herrn des Hauses sehet,

So sagt ihm: „Unser Meister spricht,
Hier will ich Ostern halten.
Wo ist ein Zimmer zugericht’
Nach des Gesetzes G’stalten?“

375
Und euch er einen großen Saal

Wird unverweilet weisen;
Bereitet dort das Abendmahl,
Dort wollen wir s’ letztmal speisen.

Petrus.
Was redst, o Meister? willst du denn

380
Von uns heut wirklich scheiden?

O weh’ uns armen Jüngeren,
Wer wird uns ferner weiden?

Jakobus.
O Meister! trau’ den Juden nit,
Im Sinn nichts Gut’s sie führen,

385
Sie hart dir werden fahren mit,

Man kann’s schon g’nug verspüren.

Christus.
Bekümmert euch um mich nit zuviel,
Ich weiß schon, was zu thun,
Ich weiß, was meines Vaters Will,

390
Bei diesem laßt’s beruhn!

Der Vorhang wird zugezogen und Petrus und Johannes erscheinen auf der Straße.

[148]

Petrus.
Du weißt, Johannes, kaum sicher ist
Für uns schier eine Gassen,
Wer weißt es, wo der Juden List
Auf uns vielleicht thut passen!

395
Ich sorg’ um mein Person nit mich,

Wenn nur des Meisters Willen
Wir können bald und sicherlich,
Geh’s wie es will’, erfüllen.

Johannes.
Ein Mensch, sieh’ Petre, kommt herfür,

400
Wie Jesus vorgesaget,

Wer weiß es, ob er im Geschirr
Auch nit ein Wasser traget?

Petrus.
Mein Freund! was tragst du in dem Krug,
Zu fragen wenn erlaubet?

Eleazag.

405
Nur Wasser! Kommt und trinkt euch g’nug,

Damit ihr’s besser glaubet!

Petrus.
O nein, mein Freund! uns dürstet nit,
Was anders wir begehren,
Wir bitten, laß uns kommen mit

410
Zur Wohnung deines Herren.


Eleazag.
Hier könnet ihr schon allgemach
Das Haus von ferne sehen.

Johannes.
Erlaub, daß wir dir gehen nach,
Erlaub’ uns mitzugehen!

[149]

Pesalinas, der Wirth, tritt aus seinem Hause und spricht:

415
Woher so spät, ihr gute Freund!

Wen wollt ihr hier erfragen?

Petrus.
Gesandt wir von dem Meister seind,
Der laßt dir freundlich sagen:
Wo ist die Mahlzeit, wo der Saal,

420
Wo Ostern halten können

Der Meister und wir Jünger all’?
Den Ort uns wollst benennen!

Pesalinas.
Ich werd’ es für die größte Ehr,
Für gleiches Glück auch halten,

425
Wenn Jesu kommet zu mir her,

Er kann nach G’fallen walten.
Ich sag’ es (glaubt mir’s) frei heraus
So lieben, werthen Gästen,
Was immer ist in meinem Haus,

430
Wollt geben ich zum Besten.

Ein wohlgebrat’nes Osterlamm,
Auch and’re gute Bissen,
Auch guten Wein werd’ allzusamm
Ich aufzutragen wissen.

435
Hier sehet, dieser große Saal

Schon stehet euch bereitet!
Nun gehet, und zum Abendmahl
Den Meister herbegleitet!

Johannes.
Weils du erlaubt, wir alsobald,

440
Was nöthig, woll’n bereiten,

Den Meister, wie’s ihm wohlgefallt,
Alsdann hieherbegleiten.

[150]
Fünfter Auftritt.

Hier wird vorgestellt die Genießung des Osterlamms, die Fußwaschung, das letzte Abendmahl. Es gibt auch Christus seinen Aposteln viele gute Lehren, und betet den Lobgesang.

Christus ist mit seinen Jüngern beim letzten Abendmahl. Der Vorhang verdeckt noch ihn und den Saal. Da tritt Judas auf und spricht:

Judas.
Die Sach ist trefflich g’sponnen an;
Heut wird mein Meister sehen,

445
Was der verschlag’ne Judas kann,

Und wie es ihm werd gehen!
Doch wenn zu ihm ich wieder komm,
Darf ich nichts merken lassen;
Ich muß mich stellen noch so fromm,

450
Und alle Wort wohl fassen.

Ja, ja, so geht der Handel an,
So will, so muß ich’s machen;
Damit mir nit entgeh’ der Mann,
Sonst gäb’ es böse Sachen.

455
Doch Zeit jetzt ist zum Osterlamm,

Ich hätt’ es bald vergessen.
Ich glaub’, sie sind schon all’ beisamm,
Muß auch mit ihne fressen.
Ich will mich in der Still geschwind

460
Hinein zu ihnen schleichen;

Und wie ein fromm’s, unschuldigs Kind
Mit ihnen thun dergleichen.

Nun theilt sich der Vorhang, und man sieht den Herrn und seine heiligen Jünger beim Abendmahl. Auf der vordern Bühne begegnen sich Pesalinas der Wirth und Eleazag der Knecht.

[151]

Pesalinas.
O Gott! was Wunder sah ich heut
Bei diesen frommen Leuten!

465
Gottesfurcht und Ehrerbietigkeit

Erblickt man schon von Weitem.

Eleazag.
Das Herz im Leib bewegte sich,
So sehr wurd’ ich gerührt.
Vom Weinen kaum enthielt ich mich,

470
Du wirst es haben verspürt.


Pesalinas.
Wie eifrig wird das G’setz erfüllt!
Ich konnt mich selbst kaum fassen.
Auf Gottes Ehr und Andacht ziehlt
All’ deren Thun und Lassen.

Nun wird von unsichtbaren Engeln gesungen, während der Herr sich anschickt, seinen Jüngern die Füße zu waschen.

475
O Nacht! welcher alle Nächte weichen,

Dieweil keine ist seinesgleichen,
Denn du allein sahest bei dem Feuer der Liebe
In keinem andern als göttlichen Herzen mögliche Liebe,
Die Himmel selbst erstarren drob,

480
Daß eine so unbegreifliche Liebesprob

Uns Jesu wollte geben.
Komm, o Christ, und höre,
Merk auch wohl, was ich dich lehre!

 1.
O Demuth ohne Grund,

485
O edler Liebesfund,
[152]

Des Heilands höchster Finger
Wascht ab die Füß der Jünger!
Hast du, o übertünchtes Grab,
Du Sündenbrut vor Allen

490
Dich auch so weit gebeugt hinab

Dem Heiland zu gefallen?

 2.
Doch hat die Lieb kein Ziel,
Nein, ihm ist nichts zuviel,
Sie sammelt alle Flammen

495
In Jesu Herz zusammen,

Nehmt ihn und esst, Das ist mein Leib,
Spricht er, in Brodsgestalten,
Bei euch bis an das End ich bleib,
Eure Liebe zu erhalten.

500
Hieher mein Mensch (und) dieß Geheimniß wohl betrachte!

Die dir gegeb’ne Lehr weit höher als bisher des Heilands achte!

Gleichwie sich wend’t die Sonnenblum
Nach dem Gestirn zu ihrem Ruhm,
So wollt’ auch als ein Mensch,

505
Nach seines Vaters Willen,

Der mit dem Vater gleicher Gott,
Den G’horsam bis in Tod,
Bis in den bittern Tod
Vollziehen und erfüllen.

510
Merk auf denjenig’ göttlich Mund,

So einst gestift’ den alten Bund!
Jetzt will er heilig und gerecht
Die fremden Sünden büßen;

[153]

Und eh’ er setzt den Neuen ein,

515
Ein Beispiel dir der Demuth z’ sein

Neigt sich gleich einem Knecht
Zu seiner Jünger Füßen!

Eleazag.
Dergleichen hab ich niemal noch
Mein Lebenlang gesehen.

Pesalinas.

520
Wie hat mein Haus verdienet doch,

Daß ihm die Gnad geschehen!
Komm laß uns ferner sehen zu,
Was sie noch weiter machen!
Ich kann sonst haben keine Ruh’

525
Bei so bestellten Sachen.

Jesus will dem Petrus die Füße waschen. Aber dieser spricht:

O Meister! was soll Dieses sein?!
Das laß ich nicht geschehen!

Christus.
Was jetzt ich thu, (red’ mir nicht ein!)
Du wirst hernach schon sehen!

Petrus.

530
Mir waschen ab, mir ewiglich

Die Füß von dir nit lasse.

Christus.
Wenn ich nit waschen werde dich
(Zu Herzen dieses fasse!)
Auch haben wirst du keinen Theil

535
An mir zu allen Zeiten;

Es liegt daran dein ewigs Heil;
Wirst länger annoch streiten?

Petrus.
O Herr! nit mir die Füß allein
Das Haupt und auch die Hände,

[154]
540
Wenn du doch willst so gnädig sein

Laß waschen mir geschwinde.

Christus.
Wer sauber schon gewaschen ist
Kein Mehreres hat vonnöthen;
Als daß die Füß ihm wasche ich,

545
Die Erd weil die betreten.

Wer gwaschen, ich sag’s noch einmal,
Der ist schon aus den Reinen;
Auch Ihr seid rein, jedoch nicht all’,
Die Sach wird bald erscheinen.

Jetzt ist die Fußwaschung vorüber und der Herr spricht weiter:

550
Nun liebste Jünger hört mich an,

Hört, was euch vor ich trage.
Ihr wisset, was ich erst gethan;
Jetzt hört auch, was ich sage;
Ihr nennet euren Meister mich

555
Zugleich auch euren Herren;

Zu thun auch, was gethan hab’ ich,
Soll euch mein Beispiel lehren.
Ich neigte mich erst kurz vorher
Gar bis zu euren Füßen,

560
Ihr sahet selbe (euch zur Lehr).

Mit Wasser mich begießen.
Doch! und Das bringt mir großen Schmerz,
Ihr seid nit All gereinigt;
Und dieß durchschneidet mir das Herz,

565
Dieß ist, was mich sehr peinigt.

Aus euch wird Einer heut noch mich,
O unerhörte Thaten!
Aus euch: (Das wahrlich sag’ euch ich)
Wird Einer mich verrathen.

[155]

Johannes.

570
Ach sag mirs Herr! wer dieser ist,

Wenn doch man es darf wissen.

Christus.
Der ist’s, Johannes, sei vergewisst,
Dem ich geb diesen Bissen.

Judas.
Sag’s Meister! wenn es dir gefällt,

575
Bin ichs? Sag’s unverdrossen!


Christus.
Du hast’s gesagt, d’rum thu’ nur bald,
Was du zu thun entschlossen.
Gwiß besser es dem Menschen wär,
Wenn er nit wär geboren;

580
Es würd’ mich schmerzen nit so sehr,

Wenn er nit ging verloren.
Die Schrift doch muß erfüllet sein,
Der Hirt muß sein geschlagen,
Die Schaaf’ zerstreut, o große Pein!

585
Wem soll ich solche klagen?

Judas stiehlt sich heimlich fort, ein Teufel erscheint bei ihm und begleitet ihn. Christus spricht weiter zu den Jüngern:

Ihr All’ an mir werd’t ärgern euch,
Die Flucht ihr werdet nehmen;
Verlassen ihr mich allzugleich
Und meiner euch werdt schämen.

590
Doch wenn durch meinen Tod ich hab

Des Todes Reich zernichtet,
Erstehen werd’ ich von dem Grab;
Auf dieses All euch richtet!

[156]

Petrus.
Wenn, liebster Meister, heut’ an dir

595
Sich Alle ärgern wollen,

Mich weder Kerker (glaub’ es mir!)
Noch Tod besiegen sollen!
     (Es kräht der Hahn.)

Christus.
O Peter! du bist nit der Mann,
Der sich so stark darf nennen.

600
Eh’ zweimal krähen wird der Hahn,

Wirst dreimal mich nit kennen.
Inzwischen nehmet an das G’satz,
So euch auf’s Neu’ ich gibe:
Der Nächstenliebe gebet Platz,

605
Vereint euch in Ein’ Liebe. –

Dir Herr des Hauses Dank ich sag’
Für all’ erzeigte Ehren,
Begehr’, was dir gefallen mag,
Ich will dein’ Bitt erhören!

Pesalinas.

610
O liebster Herr! o! dank nit mir,

Noch mehr von mir begehre!
Verbunden weil vielmehr ich dir
Für solche große Ehre.
Doch weil es selbst du tragst mir an,

615
Ein Gnad ich will begehren,

Bei mir, so oft es g’schehen kann,
Dich würd’ge einzukehren.
Inzwischen gib den Segen mir
Und gnädig mir vergibe,

620
Daß heut’ ich hab gedienet dir

Mit zu geringer Liebe.

[157]

Christus.
So sei’s! Anstatt des Dankes dich
Mein Vater wolle segnen.
Kein Unheil soll getrauen sich

625
Dir einmal zu begegnen!

Beglücket leb und selig schließ
Die fernere Lebenszeiten,
Mein Gnad, mein Segen solle gwiß
Dich überall begleiten!

Pesalinas.

630
Doch Meister! bei so eitler Nacht

Wo willst dich hinbegeben?
Zu retten ach doch besser tracht’
Dein viel zu edles Leben!

Christus.
Der Will des Vaters rufet mich

635
Jetzt ist die Stund des Scheidens;

Der Kelch der Peinen nähert sich,
Es kommt die Zeit des Leidens.
Es bleibt allzeit mein Gnad bei dir,
Du wirst mich nit mehr sehen! –

640
Kommt, liebe Jünger, kommt mit mir,

Auf’n Oelberg laßt uns gehen!
Das Lobgesang wir wollen doch
Zuvor mit Andacht sprechen,
So viel ist übrig Zeit schon noch,

645
Bis sich die Feinde rächen.


Lobgesang.

Christus.
Kommt, ihr Kinder, all’ zusammen,
Helft mir loben Gottes Namen!

[158]

Apostel.
Jetzt und bis in Ewigkeit
Sei sein Nam’ gebenedeit!

Christus.

650
Wo die Sonn pflegt aufzustehen,

Wo sie unter pflegt zu gehen,

Apostel.
Ist der Nam’ des Herrn bekannt,
Hochgelobt in alle Land!

Christus.
Alle Völker hin und wieder

655
Seind dem höchsten Gott zu nieder;


Apostel.
Und die Himmel nit so breit,
Als sein Lob und Herrlichkeit.

Christus.
Wer wie unser Herrscher thronet
In dem Himmel? welcher wohnet

Apostel.

660
In dem Himmel und auf Erd

Wird von ihm die Demuth g’ehrt.

Christus.
Die im Staub der Erde lagen
Dankbar werden annoch sagen:

Apostel.
Er hat uns zu Fürsten g’macht,

665
Und uns hoch das Volk jetzt acht’.


Christus.
Kommt, ihr Kinder, all’ zusammen,
Helft mir loben Gottes Namen!

[159]

Apostel.
Jetzt und bis in Ewigkeit
Sei sein Nam’ gebenedeit!


Sechster Auftritt.

Der jüdische Rath ist wieder beisammen, Judas bekommt von ihm sein Geld und bestimmt die Zeit der Gefangennehmung und Verrathung.

Bevor der Vorhang vor der Versammlung weggezogen wird, kommt Judas auf die Straße und spricht:

670
Ein alt und wahres Sprichwort sagt,

Der Handel wird gelingen,
Die härtest’ Sach, wer frisch es wagt,
Kann oft ohn’ Müh bezwingen.
In Busen einen Schelmen zwar

675
Mir Jesu hat gejaget,

Doch wachst mir drum kein graues Haar,
Judas darnach nix fraget.
Jetzt geht erst recht der Handel an,
Bei Priestern und Gelehrten;

680
Und ist begierig Jedermann,

Was aus der Sach soll werden.
Holla! eröffnet g’schwind das Thor,
Damit ich ein möcht gehen!
Laßt mich bei denen Herren vor,

685
Weil gute Wind jetzt gehen.


Levi, der Diener, kommt und spricht:
Was machst schon wieder Judas hier,
Was Unruh’ thust verüben?

[160]

Judas.
Geschwind mach, daß ich komme vor,
Es laßt sich nit verschieben.

Levi.

690
Ha ha! Dir gern ich widerfahr,

Gleich will ich’s hinterbringen.
Allhier ein kleine Zeit verharr,
Die Antwort will ich bringen.
     Levi geht hinein.

Judas.
Man sing’, man sag mir, was man will,

695
Ein Schelm genannt will werden,

Wenn heut ich nur erreich mein Ziel,
Ohn’ Aufschub und Beschwerden.

Levi kommt heraus und spricht:
Ich hab’s gemeldt, komm nur herein,
Man tragt nach dir Verlangen,

700
Du wirst heut Allen ang’nehm sein,

Wenn Alles gut gegangen.

Man sieht in die Rathsversammlung. Caiphas ruft dem Judas entgegen:

Was bringst für Zeitung Judas her,
Was hast du unternommen?
Sag’, ob man Jesum ohn’ Gefähr

705
Anheut noch könnt bekommen?


Judas.
Hochwürdigster und weiser Herr
Die Sach sich so befindet,
Und laßt sich nicht verschieben mehr,
Denn List er sonst ergründet.

Simeon.

710
Wenn nur nicht wär das Osterfest,

So könnt’s vielleicht sich schicken,

[161]

Doch weil sich Das nicht schieben läßt,
Wird uns die Sach nit glücken.

Aminadab.
Ein Aufruhr zu befürchten wär,

715
Wenn wir ihn würden fangen;

Vielleicht auch würden nimmermehr
Wir unser Ziel erlangen.

Simion.
D’ Verwirrung könnt nit ärger sein
Bei solcher Menge Leuten,

720
Ein Mensch wenn wird gefangen ein

In heiligsten Osterzeiten.

Judas.
Ihr Herren sagt nur, ob ihr wollt
Mit meiner Meinung halten?
Die Sach ist b’schaffen, wie’s sein sollt,

725
Laßt das Eisen nit erkalten.

Auf Sionsberg jetzt sitzet er
Mit Jüngern zwar umgeben,
Die doch als ihne schätzen mehr
Gewiß ihr eignes Leben.

730
Das Nachtmahl er mit ihnen genoß,

Ich selbst hab’ beigewohnet,
Und was mir in der Seel verdroß,
Er hat mir nit verschonet.
Er warfe vor mir offentlich

735
All meine Werk und Thaten,

Drum greift nach ihm, denn ihr und ich
Bei ihme sind verrathen.
Er hat mir in das G’sicht gesagt,
Ich seie sein Verräther,

[162]
740
Doch hat er mir kein Forcht eing’jagt,

Ich fürcht kein solches Wetter.
Darum beschließet euch geschwind,
Ich will mich brauchen lassen,
Und euch ihn liefern so in d’ Händ,

745
Daß ihr ihn leicht könnt fassen.


Annas.
Die Sach hat Judas überlegt
Und weiß es auszuführen,
Und wer es so wie er erwägt,
Muß gleichen Antrieb spüren.

Judas.

750
Damit doch desto sicherer

Wir in die Sache gehen,
Damit auch nit entkomme er,
Und wir betrogen uns sehen,
Zur Sicherheit für euch und mich

755
Bewaffnet etlich’ Männer,

Und liefern will ich sicherlich
Euch bald den Nazarener.

Caiphas.
Ihr Herren, Alles schickt sich gut
Und wohl ist’s überleget;

760
Drum geht und seiet auf der Hut,

Damit sich Niemand reget.
Doch eure Knechte schicket her
Mit Dolchen, Prügeln, Stangen,
So wollen, eh’s verhoffet er,

765
Ihn leicht wir heut noch fangen.


Judas.
Den Lohn zuvor doch gebet mir,
Laßt länger mich nit leiden.

[163]

Den Handel ich zu Ende führ’
Mit desto größern Freuden.

Caiphas.

770
Sieh’ Judas! dreißig Silberling

Zum Voraus wir dir geben,
Nach g’schehener Sach’, wenn dieß zu g’ring,
Kannst noch mehr hier erheben.

Judas.
Weil nun mit dreißig Silberling

775
Mein Seckel ist gefüllet,

So geh’ ich an die Sach ganz ring,
Mein Gelddurst ist gestillet.

Caiphas.
Ich zum Pilatus schicken will
Und eifrig mich bestreben,

780
Damit er voll(ends), doch in der Still,

Auch seine Rott muß geben.

Annas.
Wie wär’s, ihr Herren, wenn aus euch
Auch etlich würden gehen?
Mit Ernst, mit Rath und That zugleich

785
Den Andern beizustehen?


Mesa. Isak. Aminadab.
Auch dieses uns’re Meinung ist,
Wir wollen gleich uns rühren,
Und seh’n, wie mit Gewalt und List,
Hieher wir bald ihn führen.

Caiphas.

790
So können wir ohn’ G’fahr und leicht

Den Schwärmer überwinden.

[164]

Alle im Fortgehen.
Wenn unser Will sein Ziel erreicht,
Wir wollen g’wiß ihn finden.

Der Vorhang fällt vor der Rathsversammlung. Unterdessen ist der Oelberg beleuchtet worden.


Siebenter Auftritt.

In diesem wird der Oelberg und die Angst vorgestellt.

Christus kommt mit seinen Jüngern in den Oelgarten und spricht:

Verbleibet sitzen hier ihr acht,

795
Bis ich hingeh’ und bete,

Damit euch meines Vaters Macht
Von allem Unheil rette.
Du aber Petre folg’ mir nach,
Wie auch ihr Donnerskinder,

800
Ich werde fallen allgemach

In Händ und G’walt der Sünder.

Jakobus.
O Meister! o was Traurigkeit
Auf deiner Stirn ich liese,
Wo ist die g’wöhnlich Fröhlichkeit?

805
O was ein’ Angst ist diese!

Nachdem Christus mit den Drei auf den Oelberg gegangen, spricht er:

Ach ja, mein Seel’ bis in den Tod
Betrübt ist über d’ Massen.
Ach liebster Vater! höchster Gott!
Ach wollt’st mich nit verlassen!

810
Ihr liebste Jünger bleibet hier!

Mit großer Sorgfalt wachet!
Mich Angst und Qual entseelet schier,
Und ganz mich kraftlos machet.

[165] Christus fällt auf die Knie und betet mit aufgehobenen Händen.

     Ach Vater, wann

815
     Es sein doch kann,

Den Kelch von mir laß gehen!
     Jedoch erfüll’
     Nit meinen Will’,
Was dir g’fallt, soll geschehen!

Christus kommt und sieht nach seinen drei Jüngern.

820
Wo ist, o Petre, deine Stärk’,

In Tod mit mir zu gehen?
Auf dich hinfüran besser merk’,
Sonst wird es übel stehen.
O allerliebste Jünger wacht!

825
Mit größerem Eifer betet,

Damit von des Versuchers Macht
Ihr werden mögt errettet!

Christus geht wieder weg, kniet nieder und betet:

     Ach Vater hör’,
     Was ich begehr’!

830
Nimm hin von mir dieß Leiden!

     Doch nur dein Will
     Soll sein mein Ziel!
Ich will kein Qual vermeiden.

Christus kommt abermals zu seinen drei Jüngern, und da er sie schlafend findet, spricht er:

So schlaft ihr denn schon abermal,

835
So könnt ihr denn nicht wachen?

Da doch so groß am Abendmahl
Ihr euch habt wollen machen!
So sei es! schlafet sorgenfrei
Ich nochmal geh’ zu beten,

840
Mein Vater, daß euch gnädig sei,

Daß euch er woll’ erretten!

[166]

Christus kniet und betet:
     Wenns sein kann nit,
     Was ich erbitt,
So gescheh, o Gott, dein Willen!

845
     Ich bin bereit

     Zu aller Zeit
Denselben zu erfüllen.

Nun schwebt auf der Höhe des Oelbergs aus einer erleuchteten Wolke der Engel des Trostes, der den Kelch des Leidens trägt, und singt:

 1.
     O Jesu sieh,
     Dein Vater dich

850
Mit einem Trost bestrahlet!

     Doch nur allein
     Dein Trost soll sein,
Daß ihm dein Leiden g’fallet!

 2.
     Du selbst ja hast

855
     Die Sündenlast

Ganz frei auf dich genommen!
     Du frei erwählt
     Hast, in die Welt
Zum Heil der Welt zu kommen.

 3.

860
     Es muß doch sein,

     Der Kelch der Pein
Von dir kann nit mehr gehen.
     Der Mensch sonst hat
     Bei Gott kein Gnad,

865
Es ist mit ihm geschehen.


[167]

 4.
     O Mensch betracht!
     Was du gemacht,
Für dein Schuld thut Gott leiden!
     Sein Vater doch

870
     Dich liebet noch,

Wenn nur die Sünd thust meiden!

Christus.
     Es g’scheh’ dein Will,
     Ich auch erfüll’,
O Vater, deinen G’fallen,

875
     Der Mensch damit

     Verderbe nit
Sein Schuld will ich bezahlen.

Christus kommt zu seinen schlafenden Jüngern und spricht:

Was macht ihr Jünger ihr?
Ach ja sie schlafen alle,

880
O in Versuchung seht euch führ’

Aus euch daß Keiner falle!
Doch schlafet, weil ihr ja so schwach,
Daß ihr nit könnet wachen,
Es wird die Zeit doch allgemach

885
Euch sicher wachen machen.

Während die Jünger schlafen und Christus wieder auf dem Oelberg kniet, geht der achte Auftritt vor sich.


Achter Auftritt.

Christus wird von dem Judas verrathen und von seinen Feinden gefangen.

Es hat sich die Rotte der Juden gesammelt und Judas spricht:

Wie steht’s? Ist Alles zubereit,
Was nöthig ist zur Sache?

[168]

Damit ich zur bestimmten Zeit
Der Sach’ den Anfang mache?

Mesa.

890
Jetzt Judas ist schon allbreits hier,

Die Sach ist gut ang’fangen,
So kann’s nit fehlen, daß ihn wir
Ohn G’fahr ganz sicher fangen.
Vom ganz hochweisen Priesterrath

895
Wir vier sind zugesellet;

Nimm Judas dich nur wohl in Acht,
Daß es an dir nit fehlet.

Isaak.
Vor den dir noch bedingten Lohn
Ohn Anstand nit darfst sorgen,

900
Wann glücklich All’s vollendet schon,

Noch heut und nit erst morgen.

Simon.
Noch Eins Judas dir sagen will,
Hab Sorg’, brauch alle Listen,
Daß Alles g’schehe in der Still

905
Und er nit thut entwischen.


Aminadab.
Sieh’ Alles ist bereitet schon,
Weil keine Müh’ wir sparten,
Auf dich, als auf die Hauptperson,
Wir ganz begierig warten.

Judas.

910
Kein Forcht, kein Sorg, kein Kummer habt,

Schon Alles ist entwickelt,
Daß werde diese große That
Ohn’ alle Forcht ausg’richtet.

[169]

Laternen, Fackeln nehmet mit,

915
Mit Waffen euch versehet,

Damit er uns entwischet nit
Und eine Nasen drehet.
Nun folget auf dem Fuß mir nach,
So könnet ihr nit irren;

920
Fein kühn und herzhaft geht in d’ Sach,

Laßt keine Furcht verspüren.

Judenhauptmann.
Kein Zweifel darfst nit tragen du
An uns, nur sicher leite
Auf gute Weg, sonst siehe zu!

925
Fein g’schwind zur Sache schreite.


Judas.
Verbergt euch hier; ich geh’ zum Haus
Ganz kurz mich zu befragen,
Ob er schon sei gegangen aus,
Man wird es gleich mir sagen.

Judas tritt zum Hause, wo das Abendmahl gefeiert worden war und spricht zum Knechte:

930
Sag’ Freundchen, ob mein Meister sich

Vielleicht noch hier befinde?
Mit ihm zu sprechen hätte ich,
Geh’ hin und ihms verkünde!

Eleazag der Wirth.
Ach nein, er ist von hier schon fort

935
Und auf den Oelberg gangen;

Er wird auch sein Gebet alldort
Schon haben angefangen.

Judas.
Gut, Gut.
     (Zu den Soldaten.)
Jetzt geht geschwind mit mir,

940
Ich hab ihn schon erfraget;
[170]

Doch sehet euch behutsam für
Und merkt, was Judas saget.
Ich will euch geben sicherlich
Ein unfehlbares Zeichen,

945
Durch welches könnet ihr und ich

Das Ziel und End erreichen.
Zu dem ich werde gehen hin
Und ihn als Meister grüßen,
Und wenn ich überdieß noch ihn

950
Ganz freundlich werde küssen:

Der ist der recht, das glaubet mir,
Nach dem wir All’ verlangen,
Den uns wir heut genommen für
Zu suchen und zu fangen.

955
Drum wenn ihr dieses Zeichen seht,

Ergreifet ihn geschwinde,
Und wie er’s längst verdienet hätt’,
G’schwind bindet ihm die Hände.
Mit Strick’ und Ketten fesselt ihn,

960
Behutsam ihne führet,

Damit er euch nit wischet hin,
Und sich wie sonst verlieret.

Während Judas mit seiner Rotte sich entfernt, tritt Christus wieder zu seinen schlafenden Jüngern und spricht:

Nun liebste Jünger, nun erwacht
Von Eurem langen Schlummer,

965
Zu Nutzen meine Wort euch macht,

Wie auch mein Leid und Kummer.
Jetzt ist die Stund, jetzt ist die Zeit,
Von der ich soviel sagte;
Seht Judas ist von hier nicht weit,

970
Den ich so oft beklagte;
[171]

Den Heiden und den Sünderen,
Jetzt in die Händ’ ich falle,
Kommt! laßt uns ihm entgegen geh’n!
Kommt! folget nach mir Alle!

Die Rotte der Juden tritt auf. Christus geht ihnen entgegen und spricht:

975
Wen sucht ihr hier, geliebte Freund’,

Wer hat euch kommen heißen?
Mich dünkt, ihr suchet einen Feind,
Um ihne zu zerreißen.

Alle Juden.
Wir suchen Jesum, den man nennt

980
Insg’mein den Nazarener.


Christus.
Seht mich an! ob ihr mich nicht kennt.
Denn selbsten ich bin jener.

Die Juden fallen zu Boden. Nachdem sie in Verwirrung sich wieder erhoben, spricht

Michas:
Jetzt sieh ich selbst sein Zauberkünst,
Ich hab es selbst erfahren;

985
Sag Keiner mir von Hirngespinnst,

Sonst stech’ ich ihm den Staaren.

Christus.
Herzliebste Freund! Wen suchet ihr?
Das zweitmal ich euch frage;
Wer that euch Leids? bekennt es mir,

990
Und vorbringt eure Klage!


Alle Juden.
Wir suchen Den von Nazareth,
Der sonst sich Jesus nennet.

[172]

Christus.
Der ist’s, vor Euch der wirklich steht,
Und selbsten sich bekennet.

995
Wenn ihr denn suchet mich allein,

So lasset diese gehen,
Kein Hinderniß, noch groß, noch klein,
Wird in den Weg euch stehen.

Judas tritt aus der Menge hervor und spricht:
O Meister sei auf’s Schönst von mir

1000
Zu Tausendmal gegrüßet.


Christus.
O Freund! was gabe Anlaß dir,
Daß du mich so geküsset?
Wenn auch du warst entschlossen schon,
Von mir ganz abzuweichen,

1005
Warum verrathst des Menschen Sohn

Durch dieses Freundschaftszeichen?

Judenhauptmann.
Frisch auf, Soldaten, packt ihn an,
Fein fest und stark ihn bindet,
Damit sich nit der lose Mann

1010
Euch aus den Händen windet.


Abdenago.
Komm nur, ich will schon binden dich,
Daß gewiß du nit entrinnest;
Du wirst nit übervortheiln mich,
So sehr du nach auch sinnest.

Aminadab.

1015
Jetzt endlich bist in deren Macht,

Die du so oft verwirret,
Die du betrogen Tag und Nacht,
Und hinters Licht geführet.

[173]

Petrus tritt vor und spricht in Eifer:
Herr! sag’ nur Ja! so schlag ich drein,

1020
Ich setz für dich mein Leben,

Der Nächst, der Best soll todt mir sein,
Ich will den Rest ihm geben.
     (Petrus haut drein.)

Malchus.
O weh! o Schmerz! ich lieg’ im Blut!
Wer hat mir dieß versetzet?

1025
Welch’ ein verdammte Höllenbrut

Hat mir das Haupt verletzet?

Christus.
O Peter! steck’ dein Schwert in d’ Scheid,
Denn mit dem Schwert wer richtet,
Gewiß auch sich zu seiner Zeit

1030
Umsonst vor selbem flüchtet.

Viel tausend Engel sicherlich
Mein Vater würd’ mir senden,
Die gewiß erretten würden mich
Aus meiner Feinde Händen.

1035
Doch nein! den Kelch ich trinken will,

Den dar der Vater reichet,
Sein Willen ist mein einzig’s Ziel,
Der mein dem Seinen gleichet.
Und sollt den Kelch nit trinken ich,

1040
Wie könnt erfüllet werden,

Geschrieben was ohnveränderlich
Zum Heil und Trost der Erden?
     Zu Malchus.
Komm Malchus mit dei’m Ohr herbei,
Ohn’ Furcht komm ohnverweilet,

[174]
1045
Und wohl bedenk, wer jener sei,

Der dich so schnell geheilet.
     Zu den Juden.
Ihr aber seid gekommen her
Mit Schwertern, Prügeln, Stangen,
Und mit dergleichen Waffen mehr,

1050
Mich mörderisch zu fangen.

Ich hab’ ja täglich öffentlich
Im Tempel euch gelehret,
Wer hat denn dort zu fangen mich
Euch armes Volk verwehret?

1055
Doch dortmal war mein Zeit noch nit,

Zu leiden und zu sterben.
Jetzt werd’ ich überliefert euch,
Der Finsternisse Erben!
Jetzt könnt ihr fangen, binden mich,

1060
Denn das ist eure Stunde.


Michas.
Ja, ja, wir wollen heut’ noch dir
Gewißlich also zünden,
Vor Finsterniß, daß g’wiß kein Thür
Zur Ausflucht du wirst finden.

Aminadab.

1065
Wart nur, wir wollen treiben aus

Dir g’wiß die Zaubereien,
Und eh’ wir kommen noch nach Haus,
Dir zeigen, wer wir seien.

Abdenago.
Gebt acht, damit er unsichtbar

1070
Nit mög vielleicht sich machen;

Er und die ganze Volkesschaar
Ansonst würd’ unser lachen.

[175]

Abraham.
Ihr viel zu gut geht mit ihm um,
Ihr müßt ihn besser zwagen,

1075
Wie es sich schickt, grad oder krumm,

Auf ihn müßt ihr brav schlagen.

Heli.
Schaut nur den schönen König an,
Wem sollt er nit gefallen!
Mit Speichel huldigt diesem Mann,

1080
Denn er verdient’s vor Allen.


Abraham.
Recht so, was braucht’s viel Wortgepräng,
Mit ihm die Faust laßt sprechen,
Recht fest ihn haltet, schließt ihn eng,
Daß er sich nit kann rächen.

Malchus.

1085
Schlagt, stoßt ihn, weil’s verdienet er,

Daß man ihn so soll laben,
Und brauchet ihr noch Stricke mehr,
Hier könnt ihr viele haben.

Abraham wirft dem Herrn einen Strick um den Hals.
Es sind zwar unserer Strick so viel,

1090
Daß er nit mehr verlanget,

Doch gib nur her, ich machen will
Noch schöner, daß er pranget.

Michas.
Gelt, wahrheitsloser Wetterhahn,
Der du uns so betrogen,

1095
Heut’ bringen so viel Streich wir an,

So viel du uns belogen.

Abdenago.
Du Beelzebub, du loser Kund’,
Du bist zwar oft entronnen,

[176]

Doch heut’ man deine Winkel fund,

1100
Heut’ haben wir dich g’wonnen.


Aminadab.
Gedenkst noch dran, vor kurzer Zeit
Mit Stricken hast uns g’schlagen,
Heut’ woll’n wir zahlen dich allbereit,
Daß du von uns wirst sagen.

Heli.

1105
Ich weiß noch wohl, wie einst du dich

Hast unsichtbar gemachet,
Betrügen jetzt nit mehr lassen sich,
Die du so oft verlachet.

Malchus.
Der ganze Rath schon wart’ auf ihn,

1110
Euch nit so lang verweilet,

Wenn er nit geh’n will, reisset ihn hin.

Judenhauptmann.
Fort, fort mit ihme eilet.
Du Achim geh’ und uns ansag’,
Daß man uns gleich vorlasse

1115
Bei Annas, daß wir noch vor Tag

Könn’ kommen aus der Straße.

Sie ziehen, den Herrn mißhandelnd, ab und kommen vor das Haus, wo Annas wohnt. Als sie hineingedrungen, tritt Petrus auf und spricht:

Ich weiß nit, was ich auch thun soll,
Ich weiß mir nit zu rathen;
Hinein auch gern ich gehen wollt,

1120
Doch förcht ich die Soldaten.


Johannes zur Magd.
Mein Freundin! dieser gute Mann,
Den ihr hier stehen sehet,
Mit Fug’, wenn es geschehen kann,
[M]öcht’ sehen, wie’s drinnen gehet.

[177]

Magd zu Petrus.

1125
Wenn du kein Jünger Jesu bist,

So magst du es wohl wagen,
Ansonst die Sach gefährlich ist,
Ich kann’s dir redlich sagen.

Petrus.
O Nein; sein Jünger bin nit ich,

1130
Ja ihn ich gar nit kenne;

Ich weiß nit einmal, wie er sich
Mit seinem Namen nennet.


Neunter Auftritt.

Jesus wird dem Hohenpriester Annas vorgestellt, und was er bei diesem erlitten.

Man sieht in das Haus des Hohenpriesters.

Der Judenhauptmann Kneus spricht:
Was mir ein weiser Priesterrath
Ganz ernstlich aufgetragen,

1135
Dieß Alles man vollzogen hat,

Daß Niemand konnte klagen.
Gebunden stell’ ich dir jetzt für,
Den Alle wollten sehen.
Gewiß was immer oblag mir,

1140
Ist Alles wohl geschehen.

Hochwürdig, hoch und weiser Herr,
Nun prüfe gut die Sachen,
Von deiner Weisheit ich begehr’,
Was ferner sei zu machen.

Annas zum Hauptmann.

1145
Er hat sein Sach ganz wohl gemacht,

Soll auch den Lohn empfangen,

[178]

Weil er nun jenen eingebracht,
Den wir sosehr verlangen.

     Zu Christus.
Du aber gib jetzt Rechenschaft,

1150
Du toller Volksverkehrer,

Bestellet wessen Macht und Kraft
Dich hab zu einem Lehrer.
Sag jetzt, wo deine Jünger seind,
Die du an dich gezogen?

1155
Sag’ ob sie seien noch vereint,

Sag’ ob sie sei’n geflohen?
Bekenn’ nun deine Predigten,
Bekenn’ die falsche Lehren,
Sag’! dich bestellet wer und wann,

1160
Das Volk so zu bethören?

Wer hat das G’saz des Moses dir
Erlaubet aufzuheben?
Auch ich dieß nit getraute mir,
Weil Gott es selbst gegeben.

Christus.

1165
Der Tempel war ja jener Ort,

Wie auch die Synagogen,
Das Volk wo ich, ja da und dort
Die Lehrer selbst bewogen.
Auch wirklich jetzt herum um mich

1170
Sieh’ Einige ich stehen

Im Tempel, die mich öffentlich
Gehöret und gesehen.
Ich hab nit im Geheim geredt,
Was willst nur mich dann fragen?

1175
Frag’ Jene, so mich angehört,

Frag sie! Sie werden’s sagen.

[179]

Heli.
Was? Du mit Hohenpriesteren
Sollst also dörfen sprechen?
Sieh so pflegt man derselbigen

1180
Verletzte Ehr’ zu rächen!

     Heli schlägt den Herrn.

Christus.
Wenn Unrecht hab geredet ich,
Den Fehler mir benenne;
Wenn nit; Warum dann schlagst du mich?
Deine Unthat jetzt erkenne!

Annas.

1185
Jetzt seht nur seine Bosheit an,

Er will nit haben g’fehlet!
Aus Allen keinen ärgern Mann
Die ganze Erde zählet.
Doch warte nur, du saub’rer G’sell,

1190
Ich will so warm dir machen,

Daß g’wiß dir wird vergehen schnell
Das Pochen wie das Lachen!
Jetzt bindet ihn recht fest auf’s Neu!
Recht fest, wie wirs begehren!

1195
Ich will ihm zeigen, wer ich sei,

Und wen er hab zum Herren.
Gebunden so zum Kaiphas ihn
Jetzt ohnverweilet führet,
Ich selbst folg’: – Stoßt ihn her und hin,

1200
Wenn er sich auch nur rühret.

     Der Vorhang verdeckt sie.

[180]
Zehnter Auftritt.

Die betrübteste Mutter Maria mit Magdalena und Marta will Jesum aufsuchen.

Maria.
O Angst! mein liebendes Mutterherz
Wird allzusehr beklemmet.
All’ Augenblick sich mehrt der Schmerz,
Wer ist, der selben hemmet?

1205
O Sohn! dein Leiden ist mein Pein,

Dein Leben ist mein Leben!
Wer gibt mir, so beglückt zu sein,
Für dich mein Seel’ zu geben?
Ach, schone deinen Sohn, o Gott,

1210
Ansonst auch mir nit schone!

Verein’ zur höchsten Gnad im Tod
Die Mutter mit dem Sohne!

Magdalena.
Ein gleicher Schmerz beängstigt mich,
Ich muß ihn nochmal sehen.

1215
Drum wollen wir begleiten dich

Und g’schwind nach ihme gehen.

Marta.
Ich weiß, daß er das Osterlamm
Auf Sions Bergen ’gessen,
Vielleicht des Leids uns allzusamm

1220
Macht dieser Berg vergessen.


Maria.
So geht denn, meine Freundinnen,
Und laßt uns Alles wagen!
Damit wir finden nochmal den,
Nach dem wir Sehnsucht tragen.

[181]

Marta.

1225
Du weißt ja, deinen Sohn und dich

Von Herzen daß ich liebe,
Zu gehn darum bin b’reit schon ich,
Dich ferner nit betrübe!

Magdalena.
Du Mutter Jesu weißt es schon,

1230
Daß ihn allein ich schätze,

Daß liebe ich nur deinen Sohn,
Nur Er daß mich ergöze.

Maria.
O daß mein liebends Mutterherz
Ein Mensch ergründen könnte!

1235
Er ganz gewiß vor eitel Schmerz

Ein Schmerzenmeer mich nennte.
O Gott mich nur so weit verschon’,
Daß ich noch lebend sehe,
Den du mir ’geben hast zum Sohn,

1240
Bei ihm daß ich noch stehe!


Marta.
Mit uns Maria komm sodann,
Wir wollen dich begleiten.

Maria.
Nit mich, nur meinen Jesu nenn!
O säh’ ich ihn von Weitem!

Magdalena.

1245
Ich werd’ ihn suchen bis in’s Grab,

Ich muß ihn nochmal finden.

Marta.
Ich laß vom Suchen g’wiß nit ab.

Maria.
Nichts soll mich überwinden!

[182]
Eilfter Auftritt.

Hier wird abgehandelt die falsche Verklagung, Verdammung und Verspottung Jesu; (und) wie die zweimalige Verleugnung des Herrn von dem Petro geschehen.

Im Hause des Caiphas, wo der Rath der Juden versammelt ist. Der Judenhauptmann bringt den Herrn gebunden herein und spricht:

Judenhauptmann.
Hochwürdig hoch und weiser Rath,

1250
Wie auch ihr Schriftgelehrte,

Mit List und Macht hab ich vollbracht,
Was man von mir begehrte.
Ich stell den Nazarener vor,
Beschwert mit Kett’ und Bande,

1255
Der selbst sich hob zu Gott empor

Zu seiner größten Schande.
Bisher hab ich mein Pflicht erfüllt,
Wie es war eu’r Begehren,
Was mir ein Priesterrath befiehlt,

1260
Bin ich bereit zu hören.


Caiphas zu dem Hauptmann spricht.
Gewiß Er hat recht meisterlich
Sein Treu anheut bezeiget,
Der Lohn kommt nach, inzwischen ich
Mit Gnad euch bleib geneiget.

1265
Ihr Herren aber, die ihr heut

Allhier Euch habt vereinet,
Ein Jeder red’ jetzt ohngescheut
Im Herzen, wie ihr’s meinet.

Annas.
Er ist gewiß ein Zauberer;

1270
Seind das nit große Sachen!
[183]

Man sah ihn ja (was will man mehr?)
Sich unsichtbar oft machen.

Ismael.
Er truge falsche Lehren vor
In denen Synagogen;

1275
Er schwang sich auch hiedurch empor,

Das Volk wurd’ ihm gewogen.

Psolomas.
Er trieb zwar viele Teufel aus,
Doch nur ins Teufels Namen;
Und so gewann er manches Haus; –

1280
Da ist sein Lob beisammen.


Joram.
Er war bei aller Freßerei
Der öffentlichen Sünder,
Und legte noch ganz kühn uns bei
Den Nam’ der Teufelskinder.

Josaphat.

1285
Er bließe über’s Dach hinaus

Des Moses G’setz und Lehren,
Und macht’ sich noch ein Ehr daraus,
Das Volk so zu verkehren.

Mesa.
Er ist, der soviel Aufruhr macht,

1290
Er ist, der All’s verwirret,

Er ist, der unser G’setz veracht’,
Und alles Volk verführet.

Isak.
Wer ist, den nit betrogen er?
Er hat bei sich den Teufel,

1295
So g’wiß als wenn ers selbsten wär,

Ich glaub’ es ohne Zweifel.

[184]

Simon.
Er hat durch falsche Wunderwerk
Das dumme Volk verblendet;
Heut’ sieht man aber seine Stärk’,

1300
Und wer ihn hab gesendet.


Aminadab.
Dem G’satz zuwider schützte er
Ein Weib, so d’ Eh’ gebrochen,
Und macht, daß Viel’ durch solche Lehr
Auf ihre Sünden pochen.

Annas.

1305
Er hat sich Gottes Sohn genennt,

Mithin Gott selbst verletzet;
Ich hab noch keinen Schelm gekennt,
Der Gott sich gleich geschätzet.
Die Wahrheit haben g’redt wir All’,

1310
Doch wer ’was Neu’s thut wissen,

Zu sagen es in diesem Fall
Sei Jedermann beflissen.

Ein falscher Zeuge.
Er sagte, daß den Tempel er
Bald niederreißen wolle,

1315
Der nach drei Tagen wie vorher

Doch wied’rum stehen solle.
Durch sechsundvierzig ganze Jahr
Am Tempel wurd’ gebauet,
Und dieser ihn zu stellen dar

1320
Sich in drei Tag’ getrauet.


Caiphas spricht zu dem gebundenen Christus.
Jetzt hast du wirklich angehört
Sehr viel und große Klagen;

[185]

Ein Antwort man von dir begehrt,
Laß länger dich nit fragen.

Abdenago.

1325
Das Maul hätt’st schon am rechten Ort,

Wenn du nur reden wolltest;
Warum denn mit der Sprach nit fort
Du jetzund können solltest?

Abraham.
Red! Antwort gib du grober Knopf,

1330
Wenn Obrigkeiten sprechen;

Setztst du dir’s Schweigen in den Kopf,
So wart, ich will’n dir brechen!

Caiphas.
Sag’ uns, ob Gottes Sohn du bist,
Bei Gott ich dich beschwöre,

1335
Damit wir Einmal sei’n verg’wißt,

Was dir gebührt für Ehre.

Christus.
Du hast’s gesagt; und werdet ihr
Von nun an Alle sehen,
Wie aus den Wolken kommt herfür,

1340
Der sich jetzt läßt so schmähen.

Zur Rechten der Kraft Gottes ich
Werd sitzen und auch richten,
Umsonst vor meinem Grimme sich
Wird woll’n die Bosheit flüchten.

Caiphas.

1345
Ihr habt die Gotteslästerung

Jetzt Alle selbst gehöret;
Wer hat dich, derbe Lästerzung,
Zu reden so gelehret?

[186]

Euch weise Herren frage ich,

1350
Was jezund sei zu thun?

Versichert bei eurm G’wissen mich,
Ob ferner man soll ruhn.
Weil nun ich höchster Priester bin
In so verworr’nen Zeiten,

1355
Des Todes schuldig acht ich ihn;

Wer ist auf meiner Seiten?

Alle.
Wohl tausendmal er hat den Tod
(So urtheil’n wir) verschuldet,
Uns wundert, daß solang ihn Gott

1360
Auf Erden hat geduldet.


Michas.
Pfui dich! du saubrer Gottessohn,
Du schöner Herr und König!
     (Speit den Herrn an.)
Die Speicheln sollen sein dein Lohn,
Doch das ist noch zu wenig.

Abdenago.

1365
Mit diesem nimm vorlieb derweil

Und laß ihn dir wohlschmecken!
Es sind mir noch viel tausend feil,
Wenn dieser nit soll klecken!

Heli.
Wie steht es jetzt, du Zauberer,

1370
Mit deinen Teufelspossen?

Probire was! kannst gar nix mehr,
Ist All’ dein Kunst z[er]flossen?

[187] Während sie so den Herrn mißhandeln, vor ihm knien und ihn verspotten, kommt nebenan in den Vorhof Petrus und die Magd spricht zu ihm:

Du Kerl, was machst schon wieder hier?
Was hast daher zu stehen?

1375
Du kommest mir verdächtig für,

Man muß auf dich wohl sehen.
     Zu den Soldaten.
Auch dieser oft mit Jesu war,
Er kann es nit verneinen;
Ich glaub’, er ist sein Jünger gar,

1380
Drum will er hier erscheinen.


Ein Soldat.
Ha! ha! bist du ein solcher Mann,
Jetzt kannst bald fort dich machen!
Sonst wird man so dich sehen an,
Daß g’wiß du wirst nit lachen.

Petrus.

1385
O Weib, ich weiß nit was du sagst,

Ich muß, was wahr, bekennen;
Auch hundertmal wenn du mich fragst,
Ich kann ihn dir nit nennen.

Der Judenhauptmann kommt heraus und spricht zu den Soldaten:
Was gebt auf diesen Mann ihr Acht,

1390
Thut eure Schuldigkeiten!

Es wird ohn euch schon ausgemacht,
Laßt ihn nur ferner streiten!

Mesa ruft drinnen:
Jetzt bringt uns einen Lumpen her,
Die Augen zu verbinden,

1395
Damit, ob Alles wisse er,

Man wahrhaft mög ergründen!

[188]

Ismael.
Das Volk als ein Propheten dich
Hat öftermal geehret;
Jetzt muß die Wahrheit zeigen sich

1400
Ob dir die Ehr gehöret.


Aminadab.
Wer gschlagen dich, uns Christe sag’,
Sag wessen Faust es war,
Gib Antwort, was ich ferner frag,
Wer zieht dich bei dem Haar?

Malchus.

1405
Welch’ ein Prophet bist, pfui der Schand,

Und weißt nit zu errathen,
Wer g’schlagen dich hat mit der Hand,
Wie schmeckt dir dieser Braten?
     Schlägt ihn.

Ein Soldat zu Petrus im Vorhof.
Es sei wie immer woll’ die Sach,
Du bist ein Galiläer;

1410
Darum dich aus dem Staub bald mach,

Eh’ man dir kommet näher.

Abraham.
Jetzt läugn’s nur nit, denn selbst ich dich
Im Garten hab gesehen;
Du weißt, was dort ereignet sich,

1415
Drum kannst bei Zeiten gehen.


Petrus.
Ich schwör bei meiner Ehr’ und Treu,
Bei Gott und dem Gesetze,
Daß ich nit wisse, wer er sei,
Daß ich ihn auch nit schätze.

[189]
1420
Ich keinen Theil will haben an Gott,

Wenn sein ich soll sein Freunde;
Es reiß mich hin der jähe Tod,
Wann ich nit bin sein Feinde.
     Es kräht der Hahn.

Michas zu Petrus.
Geh! geh nur, jetzt grad ist es Zeit!
     Er tritt hinein und spricht zu Christus.

1425
Du aber, Judenkönig,

Erzeige deine Herrlichkeit
Uns seind ja unterthänig.

Caiphas.
Bis morgen frühe noch Geduld
Mit ihm wir wollen tragen.

1430
Bis beim Pilatus g’mäß der Schuld

Wir können ihn verklagen.
Jetzt schleppt ihn ins Gefängniß fort
Und ihn fein wohl bewachet,
Mit ihme auch ohn Sorg alldort,

1435
Was euch beliebig, machet.


Judenhauptmann.
Dem sollen wir gleich kommen nach
Und uns sogleich bereiten,
Um Jesu in ein neu’s Gemach
Mit Freuden zu begleiten.

Caiphas.

1440
Wir wollen gehen jetzt zur Ruh’.

Doch laß nur Witz verspüren,
Wenn morgen wir in aller Fruh
Ihn zu Pilatus führen.

[190]
Zwölfter Auftritt.

Maria bekommt Zeitung von Johannes, Jesus sei gefangen, will ihn sodann mit Magdalena und Marta aufsuchen, welches aber Johannes für dießmal mißrathet.

Maria.
Warum Johannes kommst allein,

1445
Was hat sich zugetragen?

Ich bitt’, es mög’ was immer sein,
Du wollst mir Alles sagen.

Johannes.
Ach Jungfrau, ach erschrecket nicht,
Dem Schmerz nit unterlieget

1450
Gedenk, wenn ich nichts Guts bring mit,

Daß Gott es also füget.

Maria.
Entdeck mir, was es immer sei,
Ich will, was Gott hat wollen,
Des Höchsten Will bringt Trost mir bei,

1455
Und so hat’s g’schehen sollen.


Johannes.
Entschlossen, weil denn so du bist,
So will ich es erzählen.
Mein Meister ist durch Gwalt und List
– Wen soll dieß nit entseelen?

1460
Mein Meister in der Feinde Hand

Ist wirklich schon gerathen,
Und Judas war’s, ich hab ihn ’kannt,
Der ihne hat verrathen.

Maria.
O Bitterkeit! o Leid! o Schmerz!

1465
Weit größer sind die Plagen,
[191]

Als daß mein liebends Mutterherz
Dieselbe könnt ertragen.
Was that mein Sohn, o Judas, dir?
Was wolltest also rächen?

1470
Er zog dich vielen Andern für,

Nur dieß war sein Verbrechen.
Ist dieß der Dank für All’, daß er
Dich gar zum Schaffner machte?
Und wann dieß auch nit g’wesen wär,

1475
Sag, was so weit dich brachte?

Du Leib und Seel ihm schuldig bist
Und raubst ihm doch das Leben;
Wann dieses keine Bosheit ist,
Wo soll’s ein Bosheit geben?

1480
Du gabst uns in das Angesicht

Viel tausend schöne Worte;
Die That von dir jetzt anders spricht,
Du wolltest uns ermorden.

Marta.
Hilf Magdalena! hilf geschwind!

1485
Maria sinkt zur Erden!


Magdalena.
Erheb’ sie von der Erd geschwind!

Marta.
Ach was soll Dieses werden!

Magdalena.
Maria! ach erhole dich!
Uns hilf’, o Himmel, schicke!

Marta.

1490
Schon allgemach erholt sie sich.


[192]

Magdalena.
O ja! o großes Glücke!

Maria.
Ach dir, o Himmel! dir, o Gott!
Mein Elend kann ich klagen.
Du weißt allein, wie groß mein Noth,

1495
Wie unzählbar die Plagen.


Johannes.
O daß du sähst, dein Leiden mir
Wie heftig dring’ zu Herzen!
So groß mein’ Liebe ist zu dir,
So groß sind auch die Schmerzen.

Marta.

1500
Ich glaub’ es dir Johannes zwar,

Daß du dich sehr betrübest;
Doch mach’ uns nit die G’fahr so groß,
Wenn wahrhaft du uns liebest.

Magdalena.
Johannes hat ganz recht gethan,

1505
Er sagt, was er gesehen,

Und was man nit mehr ändern kann,
Das muß man lassen g’schehen.

Maria.
Ich lobe, Magdalena, dich,
Auch dich ich Marta lobe,

1510
Verdient macht auch Johannes sich,

Eure Lieb’ hält gleiche Probe.
Doch du, Johannes! weil die Sach
Weit leichter kannst erfahren;
Nach meinem Sohn sieh’ allgemach,

1515
Bericht mich aller G’fahren.


[193]

Johannes.
Ich werde thun, was ich nur kann,
Und wie’s mit Jesu stehe,
Nachforschen will bei Jedermann,
So lang, bis ich ihn sehe.

Maria.

1520
Ich trau’ dir mehr als Anderen,

Weil Jesu dich sehr liebet,
Und weil ich deine Tugend kenn’,
So in der That sich übet.
Drum bitt ich, daß mit großem Fleiß

1525
Du sorgen woll’st für beide,

Für Jesum mir die Lieb erweis,
Du siehst ja, wie ich leide.

Johannes.
Du weißt es ja, daß inniglich
Ich Jesum und dich liebe;

1530
Doch Jungfrau jetzt gedulde dich,

Dich nit so sehr betrübe!

Magdalena.
Ich wag’ mich mitten in die Feind,
Ich laß mich nit abtreiben;
Kommt! laßt uns gehen, liebste Freund,

1535
Ich kann nit länger bleiben.


Marta.
Auch alsbald will mitgehen ich,
Nichts soll mich überwinden.
Ich will nichts lassen schrecken mich,
Bis daß wir Jesum finden.

Maria.

1540
Ach ja! so wollen’s machen wir.

Kommt! kommt und laßt uns eilen!

[194]

Johannes geh! Wir folgen dir,
Ohn’ Aufschub, ohn’ Verweilen.

Johannes.
Ach Jungfrau! ach ihr Freundinnen,

1545
Unmöglich kann’s jetzt g’schehen.

Die Sach’ ich besser g’wiß erkenn’,
Heut hilft nichts unser Gehen.
Mich aller Beschwärnuß, glaubt es mir,
Gewiß will unterwinden,

1550
Ihn in der Früh’ woll’n suchen wir

Und werden ihn auch finden.

Maria.
Es g’scheh’, ich folge deinem Rath,
Weils anders nit kann g’schehen;
Doch in der Früh’, weils jetzt zu spat,

1555
Muß Jesu ich dich sehen.


Magdalena.
O daß es nur bald Morgen wär!

Marta.
O Morgenroth erscheine!

Maria.
O Jesu! o mein Sohn und Herr,
Mich bald mit dir vereine!

Alle Uebrigen.

1560
Uns bald mit dir vereine!


[195]
Nachspiel.
Die Reu Petri.
Nach dem alten Werk.

Petrus geht bei dem mittlern kleinen Pavillon heraus, sprechend:

Ach Petre! ach was hast gethan,
Daß solch groß Sünd begangen!
Dein Meister dich gleich g’sehen an,
Da er dort stund gefangen.

1565
Bekennen mußt, daß nit werth sei,

Mit einem Menschen z’ sprechen.
Ich förchte, Gott werd solch Untreu
An mir ganz grimmig rächen.
Jesum dreimal verläugnet hab,

1570
Das thut mich schmerzlich quälen,

Ja bringt mich vor der Zeit ins Grab
Wird mich alsbald entseelen.
O Spott! o Schand! zuvor woll’st geh’n
Mit ihm in Tod und Streiten!

1575
Nun aber dir nit traust zu g’stehn,

Daß seist aus dessen Leuten.
Ach Hahneng’schrei, ach Hahneng’schrei
Werd deiner ewig denken,
Daß mir vorg’rupft hast mein Untreu,

1580
Die schmerzlich mich thut kränken.

Ach! wer wird meinen Augen geben
G’nug der Zähr’ und Wasser viel,
Daß ich bewein’ mein gottlos Leben
Heimlich und ganz in der Still.

1585
Heut ist es an mir klar zu sehen,

Daß gemein das Sprichwort wahrhaft sei,

[196]

Wer d’ G’fahr liebt, der zu Grunde gehen
Wird darin mit später Reu.
Schlechte Dienstmägd mich erschreckten,

1590
Wenig Diener und Kriegsknecht

In mir solche Forcht erweckten,
Daß gethan hab groß Unrecht.
Der hohe Priester mich nit fragte,
Kein Schriftgelehrter mich verhört,

1595
Niemand schwerlich mich verklagte,

Rede dannoch ganz verkehrt.
Bei dem Feu’r zwar that ich stehen,
Aber ganz kalt in der Liebe.
Ach Gott! vor Leid möcht ich vergehen,

1600
Jetzt mich bis in Tod betrübe!

Weichet von mir, o ihr Engel,
Wendet ab eu’r Angesicht,
Seht nicht an mein’ Sünd und Mängel,
So von Herzen mich anficht!

1605
Ach mich armen, schwachen Sünder,

Der ich schnell gefallen bin!
Bin drein ’gangen wie ein Blinder,
Ganz verwirrt war ich im Sinn.
Jesu mir wollt’ anvertrauen

1610
Seine Schäflein, seine Heerd’;

Auf mich als ein’ Felsen bauen
Seine Kirch auf dieser Erd.
Aber weil ich jetzt gefallen,
Fehlt’s ja schon im Fundament;

1615
Muß mich schämen denn vor Allen,

Ein Treuloser werd genennt.
Ich soll binden und auflösen
Andre von der Sünden Band;

[197]

Jetzt bin selbst Derjenig g’wesen,

1620
Der begangen Sünd und Schand.

Nun will ich in dreien Tagen
Nehmen weder Speis noch Trank,
Sondern weinen, trauern, klagen,
Weil mein Seel ist ganz todtkrank.

1625
Fließen sollen aus den Augen

Heiße Zähr’, ganz Wassergüß,
Will mir richten rechte Laugen,
Daß ich meinen Fehler büß!
     Hier kniet Petrus nieder und spricht:
O Lamm Gottes! Der Welt Sünden

1630
Kommen bist zu nehmen hin,

Wollt’st mich gnädig auch entbinden,
Da ein großer Sünder bin.
Ach erleucht mit Gnadenstrahlen
Seel’ mir und betrübtes Herz,

1635
Daß ich schöpfen mög dermalen

Wahre Reu und bittern Schmerz!
Ach laß mich doch nit verderben,
Willst ja nit des Sünders Tod!
Sondern laß mich Heil erwerben,

1640
Jesu, liebster Herr und Gott!

Straf’ mich nit nach mein’m Verbrechen
In dem Zorn und G’rechtigkeit;
Ach thu dich an mir nit rächen,
Sondern zeig Barmherzigkeit!

1645
Auf daß ich und alle Sünder

Nachlaß haben in der Zeit,
Bei dir Jesus Hoffnung finden
In der Buß zur Seligkeit!

Nun wird die Vorstellung für heute geschlossen.


[198]
Am
heiligen Charfreitag,

Mittags 12 Uhr, nimmt die Vorstellung ihren Fortgang und wird mit einem Vorspiel eröffnet.

Die Vorspiele wechselten in den verschiedenen Jahren. In unserer Handschrift steht Folgendes:

Christus ist im Kerker. Auf der Bühne erscheint Petrus und bei ihm der Engel der Hoffnung, auch Judas tritt auf, und diesen begleitet der Fürst der Hölle. Recht bezeichnend für die Geschmacklosigkeit der Zeit hält der Engel der Hoffnung dem Petrus einen Anker vor, und der Fürst der Hölle, der eine brennende Fackel trägt, klopft dem Judas immer wieder vertraulich auf die Schulter.

Judas spricht:
Ist denn schon hin aller Gnaden Glanz,

1650
Versperrt die Hoffnungspforten?


Fürst der Finsterniß.
Ja, ja, du bist verloren ganz,
Der Höll’ ein Opfer werden.

Petrus.
O mich Treulosen! Ach wie lang
Soll ich des Lichts noch g’nießen!

Engel der Hoffnung.

1655
Nur hoff! laß dir nit werden bang,

Laß nur die Zäher fließen!

Judas.
Das böse G’wissen beißt und nagt,
Will mir kein Ruh gestatten.

Fürst der Finsterniß.
Dasselbe billig dich verklagt,

1660
Weil deinen Gott verrathen.


[199]

Petrus.
O Schmerz, was habe ich gethan,
Darf mich kaum sehen lassen.

Engel der Hoffnung.
Nur hange Christo fürder an,
Tritt an die Zäherstraßen.

Judas.

1665
Ich mach mich auf und geh davon,

Kann mich nit mehr ertragen.

Engel der Hoffnung.
Zu Gott nur geh! Bitt um Pardon,
Kein Zeit ist, zu verzagen.

Judas.
So sei’s, zu Gott ich wiederkehr!

Fürst der Finsterniß.

1670
Den du aus Geiz verkaufet!

Du hast beleidigt ihn sosehr,
Sein Gnad dir g’wiß entlaufet.

Petrus.
Obschon ich dich zum Drittenmal,
O Gott, verläugnet habe!

1675
Wirst doch von deiner Kinderzahl

Mich Sünder nicht verwerfen!

Judas.
Ach ist dann übrig mir kein Gnad?

Fürst der Finsterniß.
Zu schwer sind deine Sünden!

Christus spricht aus seinem Kerker hervor:
Kommt doch ihr Alle! ich euch lad’,

1680
Bei mir ist Gnad’ zu finden.

Kommt! eilet Alle zu mir her,
Die Süße meiner Gnaden

[200]

Verkostet, wenn auch noch so sehr
Mit Sünd euch habt beladen.

Judas.

1685
O Trost! o ihr liebreichen Wort!

Ach könnt’ ich Gnad erwerben!

Fürst der Finsterniß.
Bei dir sie finden doch kein Ort,
Der bist schon im Verderben.

Petrus.
Dein’ Jünger, sieh o Jesu, an,

1690
Wollst mich doch nit verstoßen!


Engel der Hoffnung.
Dir ist gezeigt die Himmelsbahn!
Erlösungsblut ist schon vergossen.

Christus.
Wenn als Erlöser ich nit wollt
Aus sonderer Erbarmung,

1695
Daß jeder Sünder g’langen sollt

Zur Gnad und Liebsumarmung,
Ließ ich mich nit beladen so
Mit Qual und tausend Schmerzen.
Den Untergang erst dort ich droh’,

1700
Wo man mit mir will scherzen.


Engel der Hoffnung.
Hörst nit? wie möglich es so leicht
Verzeihung zu erhalten.
Gott g’wiß mit seiner Gnad nit weicht,
Wenn d’ Lieb nit lasst erkalten.

Petrus.

1705
Wie gut, o Heiland, ist’s, daß ich

Dich wiedrum hab gefunden.

[201]

Engel der Hoffnung.
Mit Lieb und Treu, vollkommentlich
Ihm ewig bleib verbunden.

Christus.
Wer auf mich hofft, wie auch getreu

1710
In meiner Lieb verharret,

Wer über seine Sünd hat Reu,
All’ Tröstung g’wiß erfahret.
Mein Güte ist unendlich groß,
Mein Lieb erwartet Alle!

Petrus.

1715
Ach mich Zerknirschten nit verstoß,

Aus Reu dir z’ Füßen falle.

Nun kniet Petrus nieder und betet sein Gebet wie am Abend vorher:

O Lamm Gottes! Der Welt Sünden
Kommen bist zu nehmen hin,
Wollt’st mich gnädig auch entbinden,

1720
Da ein großer Sünder bin.

Ach erleucht mit Gnadenstrahlen
Seel’ mir und betrübtes Herz,
Daß ich schöpfen mög dermalen
Wahre Reu und bittern Schmerz!

1725
Ach laß mich doch nit verderben,

Willst ja nit des Sünders Tod!
Sondern laß mich Heil erwerben,
Jesu, liebster Herr und Gott!
Straf’ mich nit nach mein’m Verbrechen

1730
In dem Zorn und G’rechtigkeit;

Ach thu dich an mir nit rächen,
Sondern zeig Barmherzigkeit!

[202]

Auf daß ich und alle Sünder
Nachlaß haben in der Zeit,

1735
Bei dir Jesus Hoffnung finden

In der Buß zur Seligkeit!

Judas.
So hat mich nur alleinig dann
Das Unglück so getroffen,
Daß ich als ein verstockter Mann

1740
Verzeihung nit darf hoffen.


Fürst der Finsterniß.
Nun ferners keine Gnad mehr such,
Weil voller Fluch dein Leben!

Judas.
So sei es dann! – Mich nichts als Fluch

1745
Soll wie ein Kleid umgeben!


Engel der Hoffnung.
Gesprochen selig wird der Mann,
Obschon mit Sünd erfüllet,
Der tapfer auf Gott hoffen kann,
Dein Buß den Zorn g’wiß stillet.

Petrus.

1750
Deßhalben mich ganz hoffnungsvoll

Zu dir, Geliebter, wende;
Die Sünd mich ewig reuen soll,
In Buß mein Leben ende!

Christus.
Von Herzen will ich alle Schmach,

1755
So mir durch d’ Sünd zug’messen,

Besänftigt und ohn alle Rach
Den Sünderen vergessen.

[203]

Fürst der Finsterniß.
Nit trau! denn du sein theures Blut
Wirst nit ersetzen können!

1760
So er g’wiß von dir fordern thut,

Laß uns der Höll zu rennen!
     (Geht ab.)

Judas.
Ich bin verflucht und ewig nicht
Soll seiner ich genießen;
Wie schrecklich ist sein Angesicht,

1765
Ach ewig muß ich büßen!

     (Geht ab.)

Engel der Hoffnung.
Du aber allzeit halte fest
Den sichern Hoffnungsanker!
Durch diesen allzeit wird getröst
Ein jeder Seelenkranker.

1770
Auf den dich unabläßig stütz,

Jetzt wieder ist vorhanden
Die ’vor erlosch’ne Liebeshitz’,
Die Hoffnung macht nit z’ Schanden.

Petrus.
So komm, o Hoffnung, mich begleit

1775
In eine Schmerzenshöhle!

Versüße mir die Bitterkeit,
Die ich zur Buß mir wähle!

Christus.
Ich nit den Tod des Sünders will,
Vielmehr, daß er auflebe,

1780
Daß mein Gebot er hier erfüll’,

Und dort in Freuden schwebe!

     Ende des Vorspiels.


[204]
Erste Station.
Der versammelte Judenrath verhandelt über Christus.

Caiphas spricht zu dem versammelten Rath:
Daß ich euch g’laden hab zu Rath,
Nicht wundert, weise Herren;

1785
Die Zeit ist kurz und groß die That,

Sehr wichtig das Begehren.
Wir waren gestern All’ beisamm,
Doch wurde nichts vollendet;
Nun aber fordert Jedermann,

1790
Daß man den Handel endet.

Jesus, den man geliefert hat
Gefangen und gebunden,
Viel großer, schwerer Missethat
Er schuldig wird befunden.

1795
Der uns schon durch so manche Jahr

Recht viel Verdruß gemachet,
Der auch des Höchsten G’setz sogar
Im Uebermuth verlachet,
Des Moses und der Väter Lehr

1800
Verwirret und verachtet,

Den Sabbath schändt, raubt Gott die Ehr,
Sich selbst zu Gottes Sohn machet. – –
Nun stehet einem Jeden frei,
Sein’ Meinung klar zu geben,

1805
Ob Jesus des Tod’s schuldig sei,

Ob er verdient das Leben.
Bei mir kein Gnad er z’ hoffen hat,
Er ist ein Missethäter;
Den Tod verdienet seine That,

1810
Weil er ist ein Verräther.
[205]

Darum bedenkt ihr Herren euch,
Was mit ihm anzufangen;
Ob ihr ihn wollet richten gleich,
Wie es ist mein Verlangen.

Annas.

1815
Ich bin nit aus der Jenen Zahl,

Die sich all’ Stund verkehren;
Doch ihn zu sehen abermal
Wär heut’ noch mein Begehren.

Caiphas.
Ganz g’wiß, Herr Schwäher! alsobald

1820
Soll er vor uns erscheinen.

Wir wollen sehen, wie’s ihm g’fallt,
Daß wir’s mit ihm so meinen.
     Zum Diener spricht er:
Du geh’ geschwind und Anstalt mach,
Daß man mit ihm soll eilen!

1825
Die Zeit ist kurz und groß die Sach,

Es leidet kein Verweilen.

Diener.
Ich werd’ die Sach betreiben so,
Als wär’ sie schon geschehen.

Caiphas.
Wir werden Alle sein sehr froh,

1830
Wenn wir allhier ihn sehen.

Bei mir ist es beschlossen schon,
Er soll kein Huld erwerben.
Der Tod ist sein verdienter Lohn,
Er soll ohn’ Gnad heut sterben.

Annas.

1835
Er hat genug am Narrenseil

Uns All’ herumgeführet;

[206]

Mein Ehr ist mir um ihn nit feil,
Daß ich noch würd’ gerühret.

Ismael.
Ja, ja, es liegt daran die Ehe

1840
Der Priester und Gelehrten;

Wer würd’ uns künftig schätzen mehr,
Wenn wir uns da nit rührten?

Psolomas.
Auch ich pflicht dieser Meinung bei,
Man muß die Sach betreiben.

1845
Man muß ihm zeigen, wer man sei,

Und bei dem B’schluß verbleiben.

Joram.
Wenn unter uns wird zeigen sich
Ein Einigkeit der Schlüssen,
So wird er ohnverhinderlich

1850
Sein Bosheit heut noch büssen.


Isaak.
Recht so! Jedoch mit alter Macht .
Muß auf die Sach man dringen;
Wir würden sonst nur ausgelacht,
Wenn es uns würd’ mißlingen.

Mesa.

1855
Darum wenn zum Pilatus ihn

Hernach wir werden führen,
Muß Alles sein Ein Herz und Sinn,
Kein Zwietracht darf man spüren.
So ist’s; allein die Einigkeit

1860
In solchen Sachen sieget,

Ansonst auch selbst die Billigkeit
Nicht selten unterlieget.

[207]

Josaphat.
Die Vorsicht selbst beseelet euch,
Wohl überlegt die Sache.

1865
Mein Sinn ist nicht dem euren gleich

An Härtigkeit und Rache.
Was billig, recht und rechtens ist,
Das soll und muß geschehen.
Doch prüfet, daß nicht falsche List

1870
Euch möchte hintergehen.

Die Klagen, die man vorgebracht,
Sind groß und viel, – muß sagen,
Doch untersucht auch wohlbedacht,
Ob wahr auch sind die Klagen.

1875
Wer Andern eine Lasterthat,

Ein Bosheit will anschwätzen;
Die Prob davon zu machen hat,
Laßt Euch nit z’ viel aufhetzen.
Judas ist’s, der ihn klagt an,

1880
Der ihn uns übergeben.

Daß dieser ist ein falscher Mann,
Die Prob’ ist leicht zu heben.
Wie? – War nicht Judas selbst sein Freund,
Dem Alles Er vertrauet?

1885
Wie sollt er werden jetzt sein Feind,

Auf den sein Glück er bauet?
Wahr ist, daß Jesus den Judas hat
Zum Schaffner selbst erkiesen.
Doch dieß zum Raub ihm Anlaß gab,

1890
Wie es schon ist erwiesen.

Die Salb, die Magdalena that
Auf Jesu Füß ausgießen,
Hat ihn aus Neid hieher gebracht,

[208]

Daß Jesu sie sollt’ büßen.

1895
Dreihundert Pfenning war sie werth,

Er wollte sie erhaschen.
Aus Geiz hat er das Geld begehrt,
Zu schieben in die Taschen.
Verdient wohl ein so schlechter Mann,

1900
Daß wir ihm Glauben geben,

Da man von Jesu sagen kann,
Daß heilig sei sein Leben?
Ihr wollt verdammen einen Mann,
Von dem die Unschuld zeuget;

1905
Er hat kein Laster je gethan,

So bin ich überzeuget.
Mein’ Meinung ist, ich halt’s für gut,
Man lasse ihn jetzt gehen;
Man schone das unschuldig Blut,

1910
Nur so kann’s Recht bestehen.


Caiphas.
Was? Was? – Auch du bist aus der Zahl,
Die nicht mit uns so denken?
Du schützest Jesum abermal?
Sein List thut dich nicht kränken?

1915
Weißt nicht, daß er zu Gottes Sohn

Sich freventlich gemachet.
Weißt nit, daß er dem G’setz spricht Hohn,
Die Obrigkeit verlachet?
Weißt nit, daß er all’ Lasterthat

1920
Beim Volke uns beschuldet?

Wer so viel Schlecht’s begangen hat,
Der werd’ nit mehr geduldet.

Annas.
Ja wohl! Sie haben Recht, Herr Schwäher,
Ich kann es nit ertragen,

[209]
1925
Er hat mißhandelt unsre Ehr’,

Hat sich erfrecht zu sagen,
Daß wir Betrüger, Gleißner sei’n,
Daß wir die Bosheit schützen,
Daß wir nur unsern Sinn allein

1930
Vorziehen Gottes G’setzen.

Dieß ist ein Frevel, der auch muß
Gebüßt und gestrafet werden.
Sonst würden wir zur größten Buß
Verlacht auf dieser Erden.

1935
Ein Hoherpriester selber hat

Dir vor ganz klar benennet,
Was greulich große Lasterthat,
Welch’ Bosheit er anspinnet.
Mit Stolz und mit Vermessenheit

1940
Er’s ganze Volk aufrühret!

Und erst mit was Vermessenheit
Den Königs Nam er führet!
All’ Dieses dünkt dich nichts zu sein?
Hiefür soll er nicht tragen

1945
Den ärgsten Tod, die schwerste Pein?

Wie magst von Unschuld sagen?! –
Dein Rettungsg’schwätz gibt klar an Tag,
Daß du bist Jesu Freund!
Ich dir denn unverholen sag,

1950
Daß du bist unser Feind.

Hochwürdig hoch und weiser Rath,
Nicht kann geduldet werden
Ein Feind, der widersprochen hat.
Aus dem Rath muß g’jagt er werden.

1955
Verflucht sei jeder Mann, der sich

Dem Rathe widersetzet,

[210]

Der ohne Scheu vermessentlich
Auch uns’re Ehr verletzet!
Du willst noch retten jenen Mann,

1960
Der uns so oft geschändet;

Von dir man wahrlich sagen kann,
Du seiest ganz verblendet.
Ich glaub, du bist aus jener Rott,
Die ihm so angehangen,

1965
Die immer trachtet, uns zum Spott,

Seine Freiheit zu erlangen.
Du falscher Schmeichler, glaubst du wohl
Das Urtheil hinterz’treiben?
Ich schwör dir hoch und theu’r, es soll

1970
Das Todes-Urtel bleiben.


Josaphat.
Was eiferst du so wider mich,
Da ich gered’t von Herzen?
Ich hab erklärt mich öffentlich,
Mit Blut sei nicht zu scherzen.

1975
Wenn hab vertheidigt Jesum ich,

Das Recht ich nicht verletze;
Allein bei dir zeigt deutlich sich
Verletzung der Gesetze.
Glaubst du, daß ich verblendet sei,

1980
Glaubst du, ich woll’ ihn schützen?

Ich sag dir: Ja! – ohn’ alle Scheu,
Ihr hörts All’, die da sitzen.
Dein ganz Gemüth verblendt muß sein,
Vom Neidesgeist ang’hauchet,

1985
Weil du so boshaft redest d’rein,

Dein Herz vom Rauchfeu’r rauchet!
Dein schäbig’s G’müth voll böser Ränk

[211]

Sich immerdar muß zeigen;
Du steckst ganz voller böser Schwänk,

1990
Die dir sind all’ ganz eigen.

     (Zu Annas und Caiphas.)
Ihr Beide sehr Viel g’schwätzet habt,
Doch ohn’ alle Rechtesgründe
An Jesum keine Lasterthat,
Kein Bosheit auch ich finde.
     (Zum ganzen Rath der Juden.)

1995
Ihr Herren auch erlaubet mir

Ein Wort noch d’rein zu reden.
Ihr bringet viele Klagen für
Und könnt doch nichts erheben.
Ihr beschuldigt Jesum böser That,

2000
Doch ohne Wahrheitsgründe;

Beweist, was er begangen hat,
Sagt, was ihm g’reicht zur Sünde!
Hat er nicht schon im zwölften Jahr
Recht weislich uns gelehret?

2005
Er legt’ uns aus, was dunkel war,

Habt ihr’s nit selbst gehöret?

Caiphas.
Was bringst du noch dieß Kinderg’schwätz?
Was willst du daraus machen?
Schweig gleich von Dem, man wird zuletzt

2010
Dich sonst als Narr auslachen.


Josaphat.
Wer’s hell Licht nit ertragen kann,
Dem sind auch all’ Wahrheiten
Nur leere Träume, wenn gleich der Mann
Als Gott sie thut verbreiten.

2015
Doch glaubt ihr jetzt dem Lehrer nicht,

So glaubet seinen Werken,

[212]

Die noch kein Mensch hat ausgericht,
Thut diese euch wohl merken!
Zu Kana in der größten Noth

2020
Aus Wasser Wein er machte,

Mit etlich Fisch und wenig Brod
Fünftausend Mann er labte.
Aus Menschen er die Teufel treibt,
Die Lahmen heißt er gehen,

2025
Das tobend Meer gleich stille bleibt,

Habt ihr’s nit selbst gesehen?
Den Blinden kann er’s Augenlicht,
Das G’hör den Tauben geben,
Und wie viel Todte hat er nicht

2030
Erweckt zu neuem Leben?

Hier müßt ihr sehen, wenn euch nicht
Die Augen sind verblendet!
Begreifen müßt ihr sicherlich,
Daß Gott ihn selbst gesendet!

Annas.

2035
Nur Zauberkünst und Teufelslist

Hat diese Werk geschaffen.
Du aber seines Gleichen bist –
Was hast mit uns zu schaffen?

Josaphat.
Wer selbst die Unschuld ist wie Er,

2040
Wer Allen Guts erweiset,

Wo auch die That mit seiner Lehr
Einstimmend sich beweiset:
Ein solcher Mann, der so viel That
Und Tugend hat beisammen,

2045
Den kann ein hochwohlweiser Rath

Zum Tode nit verdammen.

[213]

Die Gesetze euch erlauben’s nicht,
Daß er getödtet werde,
Weil man nicht findet vor Gericht

2050
Ihn schuldig großer B’schwerde.


Caiphas.
Was braucht’s ihr Herren? Kurz bekennt!
Ob ihr euch wollet rächen?
Ob ihr ihn für schuldlos erkennt,
Oder’s Todes schuldig sprechen?
     Alle stehen auf und schreien.

2055
Er sterbe! – Seinen Tod wollen wir!

Kein Gnad soll er erlangen!
Pilato ihn gleich führ man für,
Am Kreuzholz muß er hangen!


Zweite Station.

Christus wird vor den versammelten Rath geführt und daselbst unschuldig zum Tod verurtheilt.


Zuerst wird der Herr gebunden aus seinem Kerker geführt, Soldaten und allerhand Volk kommt mit ihm; da geht die Mißhandlung wieder an.


Abdenago.
Gelt gestern kam’s dir seltsam für,

2060
Daß uns es so gelungen.

Das hast nit eingebildet dir,
Sonst wär’st du uns entsprungen.

Misach.
Wie hat dir g’fall’n die heutig Nacht?
Hat dir All’s wohl geschmecket?

2065
Wir hab’n dich noch in uns’rer Macht,

Wenn dieses dir nit kleket.

[214]

Abraham.
Glaub nur, daß wir so dumm nit seyn,
’Was Neues zu erfinden;
Der Teufel gibt uns g’wiß noch ein,

2070
Was du wirst hart empfinden.


Aminadab.
Und wenn alleinig wäre ich,
Ich wollt’ dich so zerzausen,
Daß dir an mir ganz sicherlich
Alleinig schon würd’ grausen.

Heli.

2075
Komm’! komm’! du saub’rer Gottessohn!

Die Herren dich verlangen!
Du wirst den längst verdienten Lohn
Ohn Zweifel heut empfangen.

Malchus.
Noch einen Dank dir schuldig bin,

2080
Weil gerst’ mein Ohr geheilet,

Hier hast ihn, nimm ihn willig hin!
     (Schlägt den Herrn.)

Hauptmann.
Marschirt und mit ihm eilet!

Als sie in die Versammlung des Raths getreten sind, spricht der Hauptmann.

Den Gefang’nen, den wir diese Nacht
Verwahrt und eng gehalten,

2085
Stell ich für einen Hohen Rath,

Wie’s ferner sei zu halten.
Ich schätze mir’s für eine Gnad,
Den Auftrag zu erfüllen,
Darum ich auch mit Eifer hab

2090
Gethan nach eurem Willen.
[215]

Da ich nun meine Schuldigkeit
Erfüllt mit Lust und Freuden,
Das Uebrig’ eurer Wohlweisheit
Verbleibet zu entscheiden!

Caiphas spricht zu Christus.

2095
Bist wieder da, du saub’rer G’sell?

Du Schand und Last der Erden!
Jetzt gib uns Antwort auf der Stell,
Was wir dich fragen werden!
Sag’ ob du der Messias bist,

2100
Den Gott uns längst versprochen;

Bekenn, ob Gott dein Vater ist,
Wie man dich hörte pochen.

Christus.
Wenn schon ich euch die Wahrheit sag’,
Ihr werdet’s doch nit glauben;

2105
Und über mich ein’ neue Klag

Hieraus zusammenklauben.
Ihr werdet mich erkennen nicht,
Vielmehr auf’s Neue hassen;
Es wird eu’r boshaft Volksgericht

2110
Mich dannoch nit entlassen.

Jedoch! – Von nun an, sag’ ich euch, –
Und Das wird bald geschehen! –
Ihr werdt mich in mein’s Vaters Reich
Zur Rechten sitzen sehen!

Alle.

2115
So bist du wahrhaft Gottes Sohn?

Und ist Gott selbst dein Vater?

Christus.
Ihr sagts; denn ich bin Gottes Sohn
Und Gott ist selbst mein Vater.

[216]

Caiphas.
Ihr Herren habt nun selbst gehört

2120
Die Gotteslästerungen.

Selbst wider Gott hat sich empört
Er mit sein’ Lästerzungen.

Alle schreien zusammen, sich erhebend.
Man braucht kein and’res Zeugniß mehr,
Wir Alle selbst seind Zeugen,

2125
Daß Er geraubt Gott selbst die Ehr!

Kann Bosheit höher steigen ?

Caiphas.
So soll es denn beschlossen sein,
Der Bös’wicht soll heut sterben!
Von jetzt vermehret ihm die Pein!

2130
Er soll kein’ Gnad erwerben.


Alle schreien zusammen.
So wahr Gott lebt, er ist nit werth,
Daß er soll länger leben!
Wir müssen diese Pest der Erd
Den Römern übergeben!

Caiphas..

2135
Ich lobe eure Einigkeit

Ihr Herrn gelehrt und weise!
Ihr habt gethan eu’r Schuldigkeit,
Ich Alles selbst gutheiße!



Dritte Station.
Maria sucht ihren geliebten Sohn. In ihrer Begleitung kommen Johannes, Marta und Magdalena.

Maria spricht
Die Augenblick mir Stunden seind,

2140
Die ich ohn’ Jesum lebe,
[217]

Für ihn, ach gönnten’s mir die Feind,
Daß ich mein Leben gebe!
Es ist noch fruh! doch nit zu fruh!
Mein Lieb’ ja allzeit wachet!

Marta.

2145
Auch ich leb ohne alle Ruh’,

Die Sorg’ mir bange machet.

Magdalena.
Und ich kann keinen Augenblick
Der g’ringsten Ruh’ genießen.
Nur Jesu ist mir Freud und Glück,

2150
Der soll mir’s Leid versüßen!


Marta.
Nur Jesu bringet Freud auch mir,
O Jesu ich dich liebe!

Maria.
Und ich noch größ’re Qualen spür’,
Weil ihn als Sohn ich liebe. –

2155
Johannes wirst erinnern doch

Dich annoch deiner Worten,
Daß heut seh meinen Sohn ich noch,
Es sei an was für Orten.
Drum führ’ all’ Drei uns jetzt dorthin,

2160
Wo wir ihn sehen können.

Ach! wo wir wenigst sehen ihn!
Wer sollt’ uns Das nit gönnen?

Johannes.
Des Caiphas Haus war jener Ort,
Wo ich von ihm mußt scheiden.

2165
Ich glaub ohn’ Zweifel, daß er dort

Auch heut noch Viel muß leiden.
Es kommt heut dort der Rath zusamm’
Der Priester und Gelehrten,

[218]

Auch gestern, als ich dort ankam,

2170
Sie wirklich ihn verhörten.


Maria.
So führe! ach führ uns dorthin!
Wo Jesum sie verwahren!
Die Lieb ist wie der Tod so kühn,
Sie fürchtet keine G’fahren.

Sie sind nun an das Haus des Caiphas gekommen. Johannes zeigt mit dem Finger nach dem Hause und spricht

2175
Hier sehet, hier in diesem Haus

Der höchste Priester wohnet,
Hier gestern Jesus viel stand aus
Und wurd’ ihm nit geschonet.
     (Es lassen sich Juden sehen.)

Marta.
Genug schon hab’ ich g’sehen hier

2180
An diesen losen G’sellen.

Seht! seht nur diese grausam’ Thier!
Wie spöttlich sie sich stellen!

Magdalena.
Ich achte ihres Spottens nicht,
Könnt ich nur Jesum sehen;

2185
Ich scheu kein Pein, ja auch kein G’richt,

Mit ihm in Tod zu gehen.

Maria.
Ach! so beglückt wenn ich doch wär,
Die ich so Vieles leide,
Ach daß ich sterben könnt für dich,

2190
O Jesu meine Freude!

O Gott! o Herr! o liebstes Kind!
O Ursprung aller Dinge!

[219]

Wie theur kommt dir der Menschen Sünd’,
Die sie so frech vollbringen!

Hier horcht Johannes vor der Pforte des Hauses. Dann spricht er:

2195
Ich merke es schon allgemach,

Die Unruh’ sich vergrößert;
Ich fürchte, meines Meisters Sach
Hab heut sich nicht verbessert.

Er führt die heilige Jungfrau an das Portal und spricht:

Hier Jungfrau, wenn es dir gefällt,

2200
Wollen wir bleiben stehen,

Bis daß, wie sich’s mit ihm verhält,
Wir Alle können sehen.

Maria.
Ja, also wollen’s machen wir,
Doch du nit wollest weichen!

Johannes.

2205
Ich weich nit ab, ich bleib bei dir!


Maria zu den heiligen Frauen.
Ihr Beide thut deßgleichen!

Nun wird der Lärm größer, die Rotte tritt heraus und Christus wird vorbeigeführt.

Maria.
O Gott! Mein Sohn soll dieses sein,
Den du mir selbst gegeben!
O Schmerz!

Johannes.

2210
 O Leid!


Marta.
O große Pein!

Magdalena.
Dieß bringt mich um das Leben!


[220]
Vierte Station.
Christus wird zu Pilatus geführt und allfälschlich angeklagt.

Pilatus sitzt auf einem Throne. Draußen auf der Straße hält der Zug. Christus in Mitten der Soldaten.

Der Hauptmann spricht zu Pilatus.
Im Judenland der Kaiser dich
Zum Pfleger hat gesetzet.

2215
Damit zu dir möcht wenden sich,

Wenn Jemand würd’ verletzet.
Darum gelanget auch zu dir
Des Judenraths Beschwerde,
Damit Das, was er bringet für,

2220
Durch dich vollendet werde.


Pilatus.
So kommt ihr Herren nur herein,
Ich bin bereit zu hören;
Was nur gerechte Klag möcht sein
Und wer sich will empören.

Annas.

2225
Das Osterfest erlaubt uns nicht,

Zu dir hinein zu gehen.
Doch diesen nach Verdiensten richt,
Den du hier siehest stehen.

Pilatus.
Es g’scheh, ich komm heraus zu euch,

2230
Was hat sich zugetragen?

Ich werd die Sach entscheiden gleich,
Betreibt nur eure Klagen!

Alle schreien.
Wenn als ein Uebelthäter er
Nit hätt’ verwirkt sein Leben,

[221]
2335
So wären wir nit kommen her,

Ihn dir zu übergeben!

Pilatus.
Wenn so beschaffen ist die Sach,
Das Urtheil selber fället;
Verübt an ihm gerechte Rach,

2340
Es sei euch heimgestellet!


Caiphas.
Gebunden hier ist unsre G’walt,
Wir dörfen Niemand tödten.
Du weißt ja selbst, daß dergestalt
Dein Ausspruch sei von Nöthen.

Alle schreien:

2345
Mit vielen Lastern dieser G’sell

Beschweret hat die Erde;
Drum unverweilt das Urtel fäll’,
Daß er gekreuzigt werde!

Annas.
Er hat ganz kühn das G’setz veracht’,

2350
So Gott uns selbst gegeben,

Mithin des Tod’s sich schuldig g’macht
Durch sein verkehrtes Leben.
Er hat durch seine falsche Lehr’
Das ganze Land verwirret;

2355
Er hat als wie ein Zauberer

Das dumme Volk verführet.

Caiphas.
Er ist’s, der es verboten hat,
Den Zins dem Kaiser z’ geben;
Erwäg’, ob solche Missethat

2360
Nit hab verwirkt das Leben?


[222]

Psolomas.
Er zog das Volk durch List an sich
Und wider d’ Obrigkeiten
Zu setzen sich, boshaftiglich
Hat er’s g’lehrt aller Zeiten.

Ismael.

2365
Er warf sich auf zum König gar,

Ja wider Kaisers Ehre;
Und einmal fehlt’ es kaum ein Haar,
Gekrönt er worden wäre.

Pilatus spricht zum schweigenden Christus:
Die Klagen hast du angehört,

2370
Die Zeugen sind zugegen,

Gib’ Antwort! Hast du falsch gelehrt,
Und Aufruhr woll’n erregen?
Ist’s wahr, daß du verboten hast,
Den Zins dem Kaiser z’ geben.

2375
Dieß wär’ fürwahr ein große Last

Und kosten könnt’s das Leben.

Alle schreien:
Ja wir bezeugen Alles dieß
Ohn’ Skrupel, ohn’ Beschwerden;
Darum ganz billig und gewiß

2380
Soll er gekreuzigt werden!


Pilatus.
Du siehst, wie schlecht es steht um dich,
Nur Ich kann dich erretten.
Darum bekenn’ als gütiglich,
Laß dich dazu nit nöthen!

Pilatus wartet eine Zeitlang auf Antwort. Dann spricht er weiter zu Christus:

2385
Komm G’fang’ner! komm herein zu mir,

Ich muß dich ferner fragen,

[223]

Ich muß erforschen noch aus dir,
Ob wahr all diese Klagen.
     (Christus wird zu Pilatus hineingeführet.)
Ihr Herren geht inzwischen hin,

2390
Ich werd euch heißen kommen,

Wenn ich verhört werd haben ihn
Und Alles wohl vernommen.

Alle schreien.
Wir ehren deine Oberg’walt
Wir trauen deinen Pflichten;

2395
Jedoch die Sach’ betreibe bald

Und förcht’ die bösen Früchten!


Fünfte Station.
Judas mit später Reu’ bringt das Geld wiederum.

Die Hohenpriester und der Judenrath haben sich in ihren Versammlungssaal begeben. Unterdessen kommt Judas und spricht für sich das Folgende, bis ihn Caiphas anredet.

Ach daß so weit, o Judas, dich
Der Geldgeiz bringen können!
Man darf forthin dich sicherlich

2400
Den größten Schelmen nennen!

Die Unschuld selbsten hast du ja
Der Bosheit übergeben!
Ein Blinder auch erkennet da,
Wie b’schaffen sei dein Leben!

2405
Dir waren dreißig Silberling

Viel lieber als dein Meister,
Der dich doch schätzte nit gering,
Dein allerbester Meister!

[224]

Er hatte zum Apostel dich

2410
Vor Anderen erwählet!

Du Ursach bist! Daß jämmerlich
Er jetzo wird gequälet!
Er hatte dich zum Schaffner g’macht,
Dir Alles übergeben!

2415
Du hast in deine Faust gelacht

Und g’schoben viel daneben!
Er war der allerbeste Mann,
Wie konnt’ ich ihn doch hassen!
Ach Judas! ach, was hast gethan!

2420
Wie warst du so verlassen!

Sein Leben war nur Heiligkeit,
Unschuldig all’ sein’ Thaten!
Wie kam mein’ Bosheit doch so weit,
Daß sie ihn konnt’ verrathen!

2425
Er hielt mich für den besten Freund,

Und ich bring’ ihn ums Leben!
Durch einen Kuß hat seinen Feind
Kein Feind in’ Tod gegeben!

Caiphas sieht ihn und ruft ihn an:
Wo fehlt es lieber Judas dir?

2430
Was ist dir Leid’s geschehen?

Du kommst mir ganz verwirret für,
Ich kann es nit verstehen!
Wer hat dir etwas Leid’s gethan?
Wer hat dich so verwirret?

2435
Du stellst dich so verzweifelt an,

Daß Jedermann es spüret.

Judas.
Ihr Herren selbst! Was fragt ihr lang?
Ihr habt mich so betrogen!

[225]

Ihr habt mich –, dieses macht mir bang,

2440
Ihr habt mich so betrogen.


Annas.
Wir haben dich bezahlet baar,
Wie darfst du dich beklagen?
Mit Grund und ohne Lug fürwahr
Kannst von Betrug nicht sagen.

Judas.

2445
Was nutzt mich das verfluchte Geld,

Es bringt mich um mein Ehre!
Und wollte Gott! daß es gefehlt
Nit mit der Seel auch wäre!
Hier habt’s das Geld! es reuet mich,

2450
Daß Jesum ich verriethe!

Er ist unschuldig, b’haupte ich,
Zur Prob’ ich mich erbiete.

Caiphas.
Ob du, und wie gesündigt du,
Sind unsre letzten Sorgen.

2455
Du selbst, und du allein sieh zu,

Wie’s geh’ heut oder morgen.
Hätt’st du ihn uns verrathen nit,
Wärst nit so weit gekommen;
Das Geld und Schuld und Sorg damit

2460
Hast du von uns genommen.

     (Geht aus dem Rath weg.)

Annas.
Geh’ du nur hin, doch wird das Geld
Schon finden einen Herren;
Es gibt noch Leut g’nug in der Welt,
Die selbes sehr begehren.

[226]

Isaak.

2465
Zum Opferkasten darf doch man

Das Blutgeld nit mehr legen –
Man muß darum, so gut man kann,
Die Sach bei sich erwägen.

Mesa.
Es ist ein’s Hafners Acker feil,

2470
Man könnt ihn g’wiß drum haben,

Um in denselben mit der Weil
Die Fremdling zu begraben.

Alle.
Das wird wohl sein der beste Rath,
Bei diesem soll’s verbleiben!

2475
Das ist das Beste in der That,

Dieß wollen wir betreiben.

(Der Vorhang wird vor der Rathsversammlung zugemacht.)


Sechste Station.
Judas verzweifelnd thut sich selbst erhenken.

Er kommt aus der Rathsversammlung und spricht:

Jetzt Judas ist es aus mit dir!
Es ist mit dir verhauset!
Du stehst schon vor der Höllenthür,

2480
Bei dir ist’s ausgeschmauset.

O Himmel! Was hab’ ich gethan!
Daß Jesum ich verrathen!
Was das verfluchte Geld nit kann!
O lastervolle Thaten!

2485
Mein Meister war ohn’ alle Schuld,

Ganz heilig war sein Leben!
Und meiner Bosheit sein Geduld
Gar oft hat nachgegeben!

[227]

Er hatte zum Apostel mich

2490
Aus lauter Gnad erwählet!

Ach da hab ihn verkaufet ich –
Wie grob hab’ ich gefehlet!
Er hat mir Alles anvertraut,
Mir Alles übergeben!

2495
Er hat nit einmal nachgeschaut,

Ob ich nichts schob daneben!
Was Er mir that, nur Gutthat war,
Ich muß, was wahr, bekennen.
Er wollt’ mich größten Schelm sogar

2500
Noch seinen Freunde nennen!

Und ich! – durch einen falschen Kuß –
O ärgerliche Thaten!
Und ich! – O Gmüthes Finsternuß! –
Hab boshaft ihn verrathen!

2505
Und doch von mir kein Zäherlein

Kann Alles dieß erzwingen!
Da doch sollt’ selbst ein Marmelstein
Von Leid und Schmerz zerspringen!
Komm nur, o Strick! ein Ende mach’

2510
Dem lastervollen Leben!

Ich will mich der gerechten Rach
Verzweiflungsvoll ergeben!
O daß ich! – ich sag’s frei und rund! –
Nie wär’ geboren worden!

2515
So sperrten wider mich den Schlund

Nit auf die Höllenpforten!
Kommt nur, ihr Teufel! kommt geschwind!
Was wollt ihr lang verweilen?
Wie billig den Verdienst der Sünd

2520
Sollt ihr mit mir jetzt theilen!
[228]

Ich stirb, wie ich gelebet hab,
Voll Bosheit, ohne Reue,
Die Höll wird sein mein ewigs Grab,
Hol Teufel mich ohn’ Scheue!

2525
Wer mehrer schätzet Gut und Geld,

Als Gott und seine Gnade,
Aus allen Theilen dieser Welt
Zur Leich’ in d’ Höll’ ich lade.
Mich holt, – ich hab es wohl verschuld’t!

2530
Mich holet jetzt der Teufel!

Auch meines Gleichen! – Nur Geduld!
Wird holen er ohn’ Zweifel.

Judas geht mit dem Strick fort und bindet diesen an einen Baum, dann verdeckt ihn der Vorhang.


Siebente Station.
Christus wird von Pilatus gefragt und dann dem Herodes überantwortet.

Man sieht in die Gerichtsstube des Pilatus.

Pilatus.
Erkläre jetzund dich vor mir,
Ob wahrhaft du ein König!

2535
Und ich will machen, daß man dir

Gewiß sei unterthänig.

Christus.
Ist dir dieß selbst gefallen ein,
Daß ich ein König seie?
Der Königs Nam’ ist nit so g’mein,

2540
In keinem Reich sind zweie.


Pilatus.
Daß ich kein Jud, ist dir bekannt,
Wie darfst denn also fragen?

[229]

An dir sehr Vieles hat genannt
Dein Volk mit schweren Klagen.

2545
Du weißt’s, ein’ hohe Priesterschaft

Hat dich mir übergeben,
Sie hat dich g’nommen in Verhaft,
Sie tracht’ dir nach dem Leben.
Sie kommen Alle überein,

2550
Sie führen gleiche Klagen;

Und daß du wollt’st ihr König sein,
Mit vollem Mund sie sagen.

Christus.
Mein Reich ist nit von dieser Welt,
Jedoch bin ich ein König;

2555
Alles ist königlich bestellt,

All’s ist mir unterthänig.
Dieweil doch ist mein Königreich
Nit wie die Reich der Erden,
Beobacht’ man auch nit die Bräuch’,

2560
Die sonst beobacht’ werden.

Ich prang mit keiner Königskron,
Kein Hofstaat mich begrüßet,
Ich sitz auf keinem goldnen Thron,
Kein Leibwach’ mich umschließet.

2565
Wenn von der Welt mein Königreich

Wie and’re Länder wäre,
Mein Kriegsheer würde kommen gleich,
Zu schützen meine Ehre!

Pilatus.
Du nennest einen König dich,

2570
Und Niemand will dich ehren,

Das ist fürwahr verwunderlich,
Du mußt dich mehr erklären!

[230]

Christus.
Du hast es ja schon selbst gesagt,
Und König mich genennet;

2575
Mein Volk hat mich vor dir verklagt,

Weil es mich nit erkennet.
Ich bin kein König dieser Welt,
Jedoch der größte König.
Erfahren wird’s, wie sehr er fehlt,

2580
Der mich jetzt achtet wenig.

Der Wahrheit gebe Zeugnuß ich,
Ich bin darum gekommen!
Ich hab nie – glaub’ es sicherlich! –
Ein’ Falschheit unternommen.

2585
Wer immer aus der Wahrheit ist,

Der höre meine Stimme!
Dieß, weilen du ein Richter bist,
Dir wohl zu Herzen nehme!

Pilatus.
Du sprichest von der Wahrheit hoch,

2590
Darum auch jetzt nur sage,

Worin die Wahrheit b’stehe doch,
Um dieß ich dich noch frage.
     (Pilatus ruft jetzt zu einem Diener.)
Du aber ruf zusamm’ geschwind
Die Priester und Gelehrten,

2595
Damit ich urtheil’, wie ich find,

Weil’s dieß von mir begehrten.

Diener.
Sie kommen eben All’ daher
Ganz hurtig ohn’ Verweilen;
Es braucht alsdann jetzt gar nichts mehr,

2600
Als mit dem Urtheil eilen.


[231] Die Hohenpriester, Schriftgelehrte und viel Judenvolk sind unterdessen beim Hause des Pilatus zusammengeströmt. Nun spricht Pilatus zu ihnen:

Ihr habt vorher mir diesen Mann
Zu richten übergeben;
Doch weil kein’ Schuld ich finden kann,
So laß ich ihne leben!

Alle schreien:

2605
Nimm Richter deine Pflicht in Acht,

Und laß dich nit verblenden!
Verfahr’ mit ihm nach deiner Macht,
Du hast ihn ja in Händen.
Von Galiläa bis hieher

2610
Hat er das Volk verführet.

Das ganze Land! Was will man mehr?
Hat dieser Schalk verwirret.

Pilatus.
Gut, wenn ein Galiläer ist
Der Mensch, den ihr so hasset,

2615
Geht zum Herodes! Seine List

Von ihm verurtheil’n lasset!
Was geht mich Galiläa an?
Hier bin ich Landespfleger.
Was hier vorgeht, ich richten kann,

2620
Sonst hör’ ich keine Kläger.


Caiphas.
Hiedurch uns eine Gnad’ geschieht,
Herodes wird schon sprechen;
Er kann durch lang verlangtes G’richt
Sich heut an ihme rächen.

[232]

Annas zu den Juden spricht:

2625
Ihr Herren jetzt erfreuet euch,

Die Sach ist schon gewonnen!
Ein End bekommt sein Königreich
Vor Untergang der Sonnen.

Während sie Christum fortführen, spricht Pilatus für sich:

Ich weiß nicht, was ich noch thun soll,

2630
Die Sach’ ist ganz verwirret;

Das Urtheil ist gefahrenvoll,
Es ist gar bald geirret.
Die Juden klagen greulich an
Ihn mit vereinten Stimmen,

2635
Kein Ursach’ ich doch finden kann!

Was soll sich nun geziemen?
Der Haß hat schon die Oberhand,
Ich merk’s aus allen Dingen;
Sie setzen selbst das Leben zum Pfand,

2640
Das Urtheil zu erzwingen.

Doch was! Es sind ja g’lehrte Leut’,
Die also mich berichten;
Sie werden es nit thun aus Neid,
Sie wissen ihre Pflichten.

2645
Allein da ich kein’ Ursach find,

Ihn mit dem Tod zu strafen,
Muß seiner ich annehmen mich
Und ihme Ruh’ verschaffen.
Jedoch! – Was geht’s mich ferner an?

2650
Herodes wird schon sprechen;

Was dieser thut, das sei gethan,
Er mag sich mein’thalb rächen.
Herodes war bisher mein Feind,
Doch kann es heut geschehen,

[233]
2655
Daß er hiedurch mir wird zum Freund,

Das Spiel kann sich verdrehen.

Bis die Juden ihre Klage bei Herodes anbringen, sieht man in die Hölle, wo viele Teufel sind. Man hört aus dem höllischen Feuer den Judas klagen.


Die Klage des Judas.


 1.
Ach Weh! ach Weh! ach Bitterkeit!
Ach Elend! Noth in Ewigkeit!
Hätt’ ich den Meister nit verrathen,

2660
Müßt ich nit ewig! ewig braten!


 2.
O Feu’r! o Flamm! o Hitz! o Gluth!
Wer ist’s, der mich erretten thut?
O Rauch! o Nebel! finstre Nacht!
Was hat d’ Rach Gottes nit erdacht!

 3.

2665
O Pech! o Schwefel! feurigs Meer!

O G’sellschaft der Verdammten Heer!
O G’spenst! o Larven allerlei!
O G’heul! Gebrüll und Mordgschrei!

 4.
Ach Hunger! Durst! o ach Gestank!

2670
O Schlangenspeis! o Schwefel Trank!

Was aber mir die größte Pein,
Ich muß des Himmels b’raubet sein!

 5.
Beraubt von Gott, von Sonn und Mon,
und hab’ dazu den Spott zum Lohn!

2675
O Reu und doch, ach kein Verzeihung!

O Pein! und doch, ach kein Befreiung!

[234]

 6.
Ach wie wird jetzt mein Herz gebrennt,
O Ewigkeit! wann hast ein’ End?
Verflucht sei’st Geld, so mich eing’nommen,

2680
Wodurch in diese Qual ich kommen!


 7.
Verflucht der Tag! Verflucht die Nacht!
In der ich ward in d’ Welt gebracht!
Verflucht der Leib, der mich empfangen,
Von dem ich in die Welt gegangen!

 8.

2685
Verflucht die Eltern, die mich gezeugt,

Verflucht die Brust, die mich gesäugt,
Der mich erschaffen, sei verflucht!
Auch der mich zu erlösen g’sucht!

 9.
Verflucht, verflucht o Judas bist,

2690
In Ewigkeit hast keine Frist,

Mußt sitzen, schwitzen in der Pein,
Ein Höllenbrand mußt’ ewig sein!
     (Die Hölle wird zugedeckt.)


Achte Station.
Christus wird bei Herodes verklagt und von ihm verspottet.

Zu Herodes wird Christus von der tobenden Judenrotte hineingeführt, dann spricht

Caiphas.
Hier stellen einen Mann wir dar,
Durchlauchtigster König!

2695
Dein Majestät selbst lauft Gefahr,

Weil er dich acht’ sehr wenig.

[235]

Sein Vaterstadt ist Nazareth,
Und Jesus ist sein Namen,
Dein Kron durch dessen Tod errett!

2700
Sonst fällt dein Thron zusammen.


Herodes.
Fürwahr wir haben schon lange Zeit
Verlanget, ihn zu sehen;
Dieweil durch ihne weit und breit
Viel Wunder sind geschehen.

2705
Nun heut in eigener Person

Können wir es erfahren,
Ob wahr, was wir gehört davon,
Oder ob es Lügen waren.

Annas.
Gib aber wohl, o König, acht,

2710
Daß er dich nit betrüge!

Und wie er’s vielen Andern g’macht,
Dich meisterlich belüge!

Judenhauptmann.
Pilatus deiner Majestät
Durch mich läßt übergeben,

2715
Diesen Jesum da von Nazareth,

Weil er auch hat sein Leben
In Galiläa meist vollbracht,
So stellet er die Sache
Dir heim, damit durch deine Macht

2720
Du nimmst an ihm die Rache.


Ismael.
Und daß man nehm’ ein’ große Rach,
Ist schon daran gelegen;
Sonst könnten werden allgemach
Noch Andre so verwegen.

[236]

Psolomas.

2725
Er ist gewiß ein Zauberer,

Daran darf man nit zweifeln;
Man hat’s erkannt aus seiner Lehr,
Daß ers hielt mit den Teufeln.

Joram.
Er hat verkehrt des Moses G’satz

2730
Durch seine falsche Lehren;

Der Sabbath fand bei ihm nit Platz,
Weil er Gott nit wollt ehren.

Ismael.
Mit off’nen Sündern hielt er Schmaus!
Zur Freud der Judenfeinde,

2735
Da leert er manches Glas auch aus

Zum Aergerniß der G’meinde.

Mesa.
Er hat im Galiläer Land
Wie hier die Leut verhetzet,
Und wider deine Kron’ und Stand,

2740
O König, viel geschwätzet.


Isaak.
Er hat durch seine Lehr vergift
Viel einfaltvolle Seelen;
Er hat so viele Uebel g’stift,
Daß man sie nit kann zählen.

Simion.

2745
Er ist’s, der einen Fuchsen dich,

O König, selbst genennet,
Und also dir boshaftiglich
Die Ehr nit anerkennet.

[237]

Aminadab.
Er wollt’ den Tempel reißen ein,

2750
Wo Gott selbst wird geehret;

Konnt’ eine größ’re Bosheit sein,
Wer hat je so ’was g’höret?

Annas.
Er warf selbst auf zum König sich
Zum Nachtheil deiner Krone,

2755
Drum muß der Tod sein sicherlich

Zum wohlverdienten Lohne.

Caiphas.
Er hat den Höchsten selbst veracht’t,
Den Tempel auch entehret;
Er hat zu Gott’s Sohn sich gemacht,

2760
Er hat das G’setz verkehret.


Alle zusammen sprechen:
Darum mit höchster Billigkeit
Soll er des Todes sterben!
Er solle kein’ Barmherzigkeit
In Ewigkeit erwerben!

Herodes.

2765
Wir haben zur Genüg’ ang’hört

Die vorgebrachten Klagen,
Doch weil er sich daran nit kehrt,
Muß man ihn ferner fragen:
     Er spricht zu Christus:
Sag’ an, bist du der theure Mann,

2770
Der ihm den Ruhm erworben,

Daß er auf’s Neu erwecken kann,
Was vor viel Täg’ gestorben?
Bist du es, der das Augenlicht
Den Blinden kann ertheilen?

[238]
2775
Hast du die Krumme aufgericht?

Bekenn’ es unverweilen!
Bist du es, der verborg’ne Ding’
Erkennt, eh’ sie geschehen?
Ich will dich b’schenken nit gering,

2780
Sagst du, wie’s mir wird gehen?

Sag’, wer dir G’walt gegeben hat,
Als König einzureiten?
Warum auch wollt’ die ganze Stadt
In Tempel dich begleiten?

2785
Man sagt, du habest Wunderwerk

Gewirket nach dem Hundert;
Zeig’ auch vor uns die Wunderwerk,
Die man so sehr bewundert!
Mach Wein aus diesem Wasser hier,

2790
Wie du gethan vor Jahren!

Und alsobald soll Gnade dir
Von mir selbst widerfahren!
Mach, daß sich dieses kleine Brod
Vor unsern Augen mehre!

2795
Wenn’s sättigt unsre Kriegesrott,

So soll’s dir bringen Ehre! – –

Da Christus fortwährend schweigend dasteht, spricht Herodes weiter:

Was b’sinnst dich lang? Ein Wunder thu!
Ich schwör’ bei Thron und Krone,
Daß ich dir will verschaffen Ruh’,

2800
So wahr als ich hier wohne!


Ein Diener spricht:
Er schweigt; er schaut aus ganz verwirrt,
Entfärbet und erblasset!
Ich glaub’ darum, weil er verspürt,
Daß ihn sein Kunst verlasset.

[239]

Herodes.

2805
Was red’tst nit? Willst dich stellen gar,

Als wär’st du ganz verzücket?
Uns dünkt vielmehr, du seist ein Narr
Und in dem Hirn verrücket.
Geht! – Legt ihm an ein Narrenkleid

2810
Und laßt uns seiner lachen!

Weil ja mit Leuten, so nit g’scheid,
Nichts anders ist zu machen.

Ein Diener.
Komm’ her, du saub’rer Wundermann,
Du Spötter deiner Herren!

2815
Laß’ seh’n, wie dir dieß Kleid steht an!

Verdienst wohl solcher Ehren!
     (Er wirft das weiße Kleid über den Herrn.)

Herodes.
Fürwahr ein schöner Gottessohn!
Fürwahr ein saub’rer König!
Der gegenwärtig Spott und Hohn

2820
Ist noch für dich zu wenig!


Das Töchterchen des Herodes.
Recht so, mein Vater, Herr und König,
Hier verlachet werde er;
Denn sein Verlangen war nit wenig
Zu bekränken deine Ehr!

2825
Ja es hat der Böswicht g’macht,

Daß viel tausend Knaben
In Bethlehem wurden umgebracht,
Sind das nit g’rechte Klagen?

Caiphas.
Jetzt lehr! jetzt schrei! jetzt rühme dich,

2830
Jetzt laß dein’ Weisheit hören!


[240]

Jetzt kehr’ All’s unter, über sich,
Jetzt thu die Leut’ bethören!

Herodes.
Wir haben nun genug g’seh’n ihn,
Pilatus mag selbst sprechen,

2835
Führt ihn zu ihm nun wieder hin,

Er kann den Stab selbst brechen!
Ihr Herren habt sehr wohl gethan,
Daß ihr ihn mir vorg’führet,
Jetzt kenn ich doch auch diesen Mann,

2840
Der’s Volk so aufgerühret,

Ich weiß, daß er mich längst geschimpft,
Daß er mich nur verachtet,
Daß er mich einen Fuchs genennt
Und nach dem Reich mir trachtet.

2845
Doch ich acht’ seiner gar nit mehr,

Mit Narren ist nichts z’ machen,
Auch ihn zu seh’n nit mehr begehr’
Bei so bewandten Sachen.
Betreibt den Handel tapfer fort,

2850
Laßt euch mit nichts abschrecken!

Bis ihm Pilatus spricht den Tod,
Thut alle Kräft’ aufwecken!
     (Zum Judenhauptmann spricht er:)
Du führ’ ihn zu Pilato hin,
Sag’ ihm in meinem Namen,

2855
Wir hegen Alle Einen Sinn,

Jesum soll er verdammen.

Nun wird Christus fortgeführt, und als Herodes noch allein zurückgeblieben, spricht er zu sich selbst voll Freuden:

Der heut’ge Tag erfreut uns hoch,
Es ist ein’ Ehr’ uns g’schehen,

[241]

Daß wir den Nazarener doch

2860
Vor seinem Tod gesehen.

Pilatus ihn verdammen mag,
Ich acht’ es um kein Haar.
Genug, daß uns vereint der Tag
Mit dem, der Feind uns war.

2865
Er hat als König uns erkannt

Im Galiläer Lande.
Zu einem Freundschaftsunterpfand
Geb’ ich ihm heut die Hande.


Neunte Station.

Die Rotte der Juden bringt den Herrn wieder vor Pilatus, zu welchem der Judenhauptmann spricht:

Wir haben diesen Bösewicht da

2870
Dem König vorgestellet;

Doch was wir glaubten, nicht geschah,
Das Urtheil wurd’ nicht g’fället,
Er hat’s zwar als ein Freundschaftsstück
Ganz gnädig aufgenommen;

2875
Doch schickt er ihn hieher zurück,

Von dir soll’s Urtheil kommen!

Pilatus.
Was halten Sie nun von der Sach’,
Gelehrt’ und weise Herren?
Getrau’n Sie wider Jesum Rach

2880
Noch weiter zu begehren?


Annas.
Wir bleiben bei dem ersten Schluß,
Der Böswicht muß heut sterben.
Am Kreuz er heut’ noch hangen muß,
Er soll kein Heil erwerben.

[242]
2885
Herodes hätt’ verdammen ihn

Zum Tod zwar billig sollen,
Ich weiß nit, war er nit so kühn,
Oder hat er halt nit wollen.
Dir sei genug, daß er ihn dir

2890
Zum Richten überlasset;

Genug sei, Jesum gleich wie wir,
Daß auch Herodes hasset.

Pilatus.
Daß ihr ihn hasset, sieh’ ich klar,
Jedoch nit, mit was Gründe,

2895
Dieweil bekannt und offenbar,

Daß ich kein Todschuld finde.
Auch selbst Herodes fand kein Schuld,
Drum wollt’ er ihn nit tödten,
Darum auch soll er finden Huld,

2900
Ich will sein’ Unschuld retten.


Alle schreien:
Ist All’s umsonst, den Tod er hat
Viel tausendmal verschuldet,
Nit länger seine Missethat
Kann werden mehr geduldet.

Pilatus zu seinen Soldaten spricht:

2905
Soldaten, g’schwind den Mörder holt,

Der längst schon liegt gefangen,
Der hat’s verdienet, daß er sollt’
Am Kreuzesgalgen hangen.
     (Nun spricht er wieder zu den Juden:)
Es ist ein’ hergebrachte Sach’,

2910
Euch einen loszugeben,

Dem sonst man aus gerechter Rach
Benehmen sollt’ das Leben.

[243] Nun wird Christus neben den Mörder Barrabas gestellt und

Pilatus spricht:
Hier stehen der Gefang’nen zwei,
Ihr seht sie steh’n beisammen,

2915
Ihr wisset All’, wer Jesus sei,

Ihr nennet dessen Namen.
Ich fand an ihm kein Uebelthat,
Doch will ich euch nachgeben;
Es sei, daß er gesündigt hat,

2920
Daß er verwirkt’ sein Leben!

Den Andern man Barrabas nennt,
Ein Ungeheu’r der Erden!
Den Menschenmord er selbst bekennt,
Weil’s nit kann g’läugnet werden. –

2925
Jetzt welchem auf das Osterfest

Soll ich das Leben schenken?
Ich mein’, es wär’ das allerbest,
Ich ließ den Mörder henken!

Caiphas.
Nein! Nein! Gib uns den Mörder frei!

2930
Er solle Gnad’ erwerben!

Und Jesu! – Also bleit’s dabei! –
An dessen Statt soll sterben!

Pilatus.
Ihr Juden All’! Ich frage euch,
Wem aus diesen Zweiten

2935
Soll euch zu g’fallen ich sogleich

Gnad’ lassen angedeihen?

Alle schreien:
Du hast es einmal schon gehört,
Barrabas ist derjenig,
Den los das ganze Volk begehrt,

2940
Und nit der Juden König!


[244]

Pilatus.
Was soll ich denn mit Jesus thun,
Der Christus wird genennet?
Mein G’wissen lasset mich nit ruh’n,
Weil es sein’ Unschuld kennet.

Alle schreien:

2945
Er soll, weil er’s verdient gar wohl,

Er soll gekreuzigt werden!
Nit anders es geschehen soll,
Nimm weg ihn von der Erden!

Pilatus.
Wo keine Schuld find einen Platz,

2950
Ein blutges Todgericht

Wär wahrlich wider alles G’satz
Und wider meine Pflicht!

Alle schreien:
Er muß, es sei nun, wie ihm woll’,
Er muß gekreuzigt werden!

2955
Weil er nit werth, daß tragen soll

Ihn länger noch die Erden!

Pilatus.
Obwohl an ihm ich find kein’ Schuld,
Will ich ihn dennoch strafen;
Und zwar ohn’ alle Gnad und Huld,

2960
Um Ruhe mir zu schaffen.

Ihr Götter! ach verzeihet mir,
Wenn Unrecht ihm geschiehet;
Ich kann ja einmal nit dafür,
Die ganze Stadt es siehet.

2965
Ihr Herren bringet heut mich weit,

Ihr nöthigt mich zur Rache!
Obwohl ganz anderen Bescheid
Erforderte die Sache.

[245]

Alle schreien:
Um dieß nit viel bekümm’re dich!

2970
Die Kläger muß man hören!

Die jetzig Welt weiß z’ schicken sich
In vielerlei Begehren.

Pilatus.
Ich thu’ zu Lieb ihr Herren euch
Mehr, als erlaubt mein G’wissen.

2975
Und werd’ hiedurch jedoch nit reich,

O harte Richtersbissen!
Doch sei es: Euer Will’ gescheh’,
Weil ihr nit nach wollt’ geben!
Man geißle ihn! Doch daß ich seh,

2980
Daß ihm nichts g’schieht am Leben!


Judenhauptmann.
Ich werd’ betreiben d’ Sach so wohl,
Als wenn’s schon wär’ geschehen,
Man wird g’wiß, eh’ man’s hoffen soll,
Ihn recht gegeißelt sehen.

Aminadab.

2985
Komm’ nur, mein Christus, komm’ geschwind,

Wir wollen dich so zahlen,
Daß man an dir kein Plätzlein find’,
So nit mit Blut gemalen.

Pilatus.
Verfahr’n mit ihm, wie’s euch beliebt,

2990
Ihr meinetwegen möget;

Doch daß nichts Böses ihr verübt,
Bei euch wohl überleget!

Achim kommt mit einem Arm voll Ruthen und Geißeln, und spricht:
Ruthen, Geißeln bring’ ich euch hier,
Thut ihne nur brav streichen!

[246]
2995
Bis daß das helle Blut springt für,

Und keinem Menschen er thut gleichen.
(Sie führen den Herrn fort zur Geißelung.)

Pilatus.
Wir aber wollen sinnen nach,
Zu thun was ferner seie,
Damit nit diese üble Sach’

3000
Werd’ ärger auf das Neue!

Einmal das Todes-Urtheil ich
Kann über ihn nit sprechen,
Dieweil an ihm nit zeiget sich
Ein Schuld und ein Verbrechen.


Zehnte Station.

Man sieht in den Geißlungssaal, wo Christus mit seinem Blut überronnen und übergossen an die Säule gebunden ist. Die Henkersknechte liegen auf dem Boden herum. Auf dem Vordergrund der Bühne aber steht ein Engel, welcher eine Seele an der Hand führt und auf den gegeißelten Herrn hindeutet.

Der Engel singt:

3005
Betracht’, o Menschenkind,

Wie weit gebracht die Sünd
Den Schöpfer aller Ding’!
Du sündigst ohne Scheu
Und rühmst dich noch dabei,

3010
Sag’, ob dieß sei gering!


Die Seele singt:
So bin denn Ursach’ ich,
Daß läßt entblößen sich
Der Sohn des Ewigen!
     Die Seele kniet nieder und singt:
Verzeih’ o Jesu mir,

[247]
3015
Denn ich verspreche dir,

Mein Leben all’ zu ändern.

Der Engel singt:
Zur Buß dich wende,
Das Leben ende,
Es ist die höchste Zeit!

3020
Hör’ auf von Sünden,

Gott kann dich finden,
Fürcht’ sein’ Gerechtigkeit!

Die Seele singt:
Ach schlimmes Leben,
Dem ich ergeben,

3025
Nun geh’ es von mir weit!

Mit bittern Schmerzen
Ruf ich von Herzen,
O Gott, Barmherzigkeit!

Der Engel singt:
Sieh’ was für Grausamkeit

3030
Dein Sünde hat verübt!

Mit was für Heftigkeit
Dein Gott dich Seele liebt!
Geh’ und die Wunden zähl’,
Verboste Menschenseel!

Die Seele singt:

3035
So hab’ denn ich

Gegeißelt dich,
O Gottessohn!
Die Sünd’ ach mir
Zu süß kam für

3040
Aus falschem Wahn!


[248]

Der Engel spricht:
Ach Jesum hast du hart getroffen!
Nun wund’re nit, daß d’ Höll’ steht offen,
Das macht dein’ Sündenbrut.

Die Seele spricht:
Es rette mich sein Blut!

Die Henkersknechte haben den Herrn von der Säule gebunden und er sinkt unter seinen Schmerzen zusammen.

Der Engel singt:

3045
Sieh’ Sünder liegen hier,

Die Schönheit ohne Zier!
Wer hat sie so zernichtet?
Wer also zugerichtet?
Wer hat’s gethan?

3050
Dein wilde Lust!

Dein Sünden-Wust!
Du hast’s, o Mensch, gethan!

Die Seele singt:
Ich bekenne mein Verbrechen,
Selbst will ich die Unbild rächen!

Der Engel singt:

3055
Sieh’ an den Schmerz, die Noth!

In seinem Blut liegt Gott!
O mein Menschenkind!

Die Seele singt:
Nie mehr soll es geschehen!
Mich nit mehr will vergehen!

3060
Verflucht sei jede Sünd!

O weh’! was thate ich,
Daß ich ließ reizen mich
Zur grausenvollen Sünd!
Sieh’, ich bekenn’ mein’ Schuld.

[249]
3065
Ach Jesu, gönne Huld!

Dem armen Menschenkind!

Ein Bube hat Dornen herbeigebracht, welche die Juden zu einer Krone flechten. Nun reißen die Juden den Herrn auf, drücken die Dornenkrone auf sein Haupt und setzen ihn auf einen Stuhl. Unterdessen singt

Der Engel:
Die Rosen aller Ueppigkeit,
Weil du für dich gebrochen,
Das Haupt dem Herrn der Ewigkeit

3070
Mit Dörnern wird durchstochen!

Dein’ Hoffart ist die Ursach’ des Spottes,
Daß leidet der Eingeborene Gottes!

Die Seele singt:
Ich sieh’ es, meine Eitelkeit,
Mein Hochmuth, meine Zärtlichkeit

3075
Mit Dörnern grausamlich,

O Jesu, krönet dich!
Meine Hoffart belegt, dich o Gott!
O König der Ehren mit Spott!

Der Engel singt:
Wie lang’ noch wird der Wollust Ros’

3080
Ergötzen deine Sinnlichkeit;

Wie lang wird Hochmuth, Eitelkeit,
O Sünde, sein dein Ziel und Looß!
Nun jag’ jetzt fort aus deinem Schooß
Betrügliche Ergötzlichkeit!

3085
Die Demuth sei dein Ziel allzeit,

Der Dorn der Buße sei dein’ Ros’.

Der Engel singt wieder:
Pilatus dem Herodes war
Gewiß kein guter Freund!

[250]

Herodes gleichfalls offenbar

3090
War des Pilatus Feind!

Wie kommt es dann,
Daß beid’ sich also lieben
Und sich in Freundschaft üben?
Wer ist der Mittelsmann?

3095
Dein Heiland ist’s, o Seel’!

Die einzig’ Friedensquell!
Den Frieden stiften ist sein Ziel!
O komm’, wer sich versöhnen will!

Die Seele singt:
Versöhnt zu werden ich verlang’,

3100
Mir war bisher so angst und bang,

Ich wußt nit was zu thun!
Ich konnte nit mehr ruh’n!
Du aber tröstest mich,
Auf’s Neue lebe ich!

3105
O Jesu sei mein Freund!

Ich liebe meinen Feind,
Aus Lieb zu dir!
Gib’, daß ich Gnade find!
Ach wehe meine Sünd!

3110
Verzeihe mir!


Der Engel singt:
O umfang mit Lieb den Feind,
So machst dir Gott zu deinem Freund,
Buß, Tugend zeig’ mit Werk und Wort,
Und haß die Sünd, Gott liebe fort!

Die Seele singt:

3115
Den Feind aus Lieb zu Gott,

Werd’ lieben bis in Tod!
Buß, Tugend üben allezeit,

[251]

Gott lieben in all’ Ewigkeit!
Das ist nun mein Entschluß!

Der Engel.

3120
Das sei nun dein Entschluß!

     (Beide treten zurück.)

Verspottung Christi durch die Juden und Henkersknechte.

Der Judenhauptmann spricht:
Der König sitzt auf seinem Thron,
Um seine Pracht zu zeigen!
Vor seiner schönen Königskron’
Sollt’ ihr euch niederbeugen!
     Die Juden fallen auf Ein Knie nieder vor dem Herrn.

Judenhauptmann.

3125
Seht ihr doch euren König an!

Wie ihn der Kummer quälet!
Ihr denket nit einmal daran,
Daß ihm der Szepter fehlet.

Ein Judenbub spricht:
Zu einer solchen Königskron

3130
Muß ich den Szepter holen!

Ihr Männer hättet früher schon
An dieses denken sollen!
     Er geht fort, das Rohr zu holen.

Judenhauptmann.
Wenn ferner noch ’was fehlen kann,
Befehle nur, o König!

3135
Für einen solchen großen Mann

Ist diese Ehr zu wenig!
Mit seiner großen Königsmacht
Sich viel Geduld verbindet;

[252]

Ich zweifle, ob man solche Pracht

3140
Selbst bei dem Kaiser findet.


Der Judenbub bringt das Rohr und spricht:
Hier ist ein Szepter, nimm ihn hin
Und groß damit dich mache!
Es ist nichts Klein’s nach meinem Sinn
Um deine Königssache.

Abdenago.

3145
Hier ist ein altes Purpurkleid,

Das könnt’ dir wohl anstehen!
Dein’ Majestät und Herrlichkeit
In diesem laß’ uns sehen!
     Sie werfen dem Herrn den rothen Mantel um die Schultern.

Aminadab.
Ei was ein’ Zierd! ei was ein’ Pracht!

3150
Ei was ein großer König!

Nimm dein’ Gewalt doch wohl in Acht,
Uns sind ja unterthänig!

Michas.
Gelt dieses hätt’st du nit geglaubt,
Daß wir so höflich wären!

3155
Daß deinem hohen Königshaupt

Gereichen solche Ehren!

Heli.
Wahrhaftig trotz dem Salomon
Der neue König pranget,
Nur Schad! daß er am Kreuz nit schon

3160
So schön geschmücket hanget!


Aminadab.
Der Kaiser führt kein’ solche Pracht,
Und nit so triumphiret!
Du hast dein Sach recht weit gebracht,
Dir große Ehr’ gebühret!

[253]

Abdenago.

3165
Du bist’s, der g’heime Ding’ erkennt,

Drum müssen wir auch sehen,
Da man dich ein’ Propheten nennt,
Ob dir nit Unrecht g’schehen.

Abraham schlägt den Herrn und spricht:
Da hast ein’ Ohrfeig! Schmeckt sie dir?

3170
Wer hat sie dir gefanget?

Was für ein Garten, sag’ es mir,
Mit solchen Früchten pranget?

Malchus speit den Herrn an und spricht:
Wer hat mit diesem Speichelwust
Dein Angesicht benetzet?

3175
Wer hat – du mir es sagen mußt –

Dir diesen Streich versetzet?

Michas.
So viel ich merk’, wird er ganz schwach,
Wir müssen ohn’ Verweilen,
Damit ein End’ gewinnt die Sach,

3180
Mit ihm zum Richter eilen.

     Zu einem Knechte:
Inzwischen laufe du voran
Und sag’, daß wir gleich kommen;
Wir haben mehr, als man fordern kann,
Mit ihm nun vorgenommen.

Heli.

3185
Wir haben die Sach’ recht wohl gemacht,

Die Herren werden lachen!
Der Teufel selbst mit seiner Macht
Könnt’s ihm nit ärger machen.

Malchus.
Nun Brüder laßt ihm keine Ruh’,

3190
Laßt ihn nur nicht verschnaufen!


[254]

Judenhauptmann.
Doch laßt uns dem Pilatus zu
Nun aber mit ihm laufen.
     Sie ziehen mit dem Herrn über die Straße.


Eilfte Station.
Ecce Homo!

Pilatus ist in seiner Gerichtsstube. Der Rotte, die den Herrn führt, geht der Judenhauptmann voraus, der zu Pilatus spricht:

Hier stell’ ich den Gezüchtigten!
Er hat sein’ Sach’ bekommen.

3195
Man hat als Schwerbeschuldigten

Ihn tapfer mitgenommen.
Er ist gewiß um seiner Streich’
Von Niemand zu beneiden;
Ich um ein ganzes Königreich

3200
Möcht’ nit so Viel erleiden.


Pilatus.
Führt ihn nur gar zu uns herein,
Damit wir mögen sehen,
Was ferner uns zu thun wird sein,
Und wie ihm sei geschehen.

3205
Ihr habt ihn furchtbar zugericht’t,

Mehr als wir es begehrten;
So glaub’ ich, daß genug geschieht
Den jüdischen Gelehrten.

Man hat den Herrn zu ihm hinaufgeführt, Pilatus spricht zu einem Diener.

Du geh’ und ruf die Herren zusamm’,

3210
Damit sie mögen sehen,

In meinem und in ihrem Nam’,
Wie Uebels ihm geschehen!

[255]

Diener.
Ich eile: – doch sie kommen schon,
Es strömt auf allen Wegen;

3215
Sie stehen schon vor deinem Thron!

Hier sind die Herren zugegen!

Pilatus tritt mit dem Herrn ganz vor und spricht zu den Hohenpriestern und allem jüdischen Volke:

Seht einen Menschen hier vor euch,
Gelehrte, weise Herren!
Er siehet keinem Menschen gleich,

3220
Was könnt ihr mehr begehren?

D’rum will ich ihn jetzt lassen frei
Und nit mehr weiter plagen;
Denn daß zuviel schon g’schehen sei,
Liegt sonnenklar am Tage.

Alle schreien.

3225
Nein! Nein! Bei diesem bleibt es nicht,

Er soll kein’ Gnad’ erwerben!
Wie er’s verschuld’t, durch dein Gericht
Soll er am Kreuze sterben!

Pilatus.
So ist denn kein’ Barmherzigkeit

3230
Bei euch, ihr Herr’n, zu finden?

Soll ich durch eu’r Gehäßigkeit
Mich lassen überwinden?

Caiphas.
Weil er zuwider dem Gesatz
Gelehrt und g’führt sein Leben,

3235
Find’ auch bei ihm kein’ Gnade Platz,

Man muß den Rest ihm geben!
Er gab sich aus für Gottes Sohn,
Er wollt’ sein unser König,

[256]

Der Tod muß sein der Frechheit Lohn,

3240
Und dieß ist noch zu wenig.


Pilatus.
Komm Jesu noch einmal herein,
Ich muß dich nochmal fragen;
Ihr aber sollt bedacht wohl sein,
Ob g’recht auch eure Klagen.
     Pilatus tritt mit Christus zurück und spricht:

3245
Jetzt sage mir, woher du seist,

Sag’ dein Geschlecht und Namen!
Woher denn dein Regierungsgeist
Und Gottessohnes Namen?
Gib’ Antwort! Warum schweigest du?

3250
Gib Antwort auf mein’ Frage!

Ansonsten meß dir selber zu,
Wenn ich dich ferner plage.
Weißt nit, daß hab’ als Richter ich
Gewalt über dein Leben?

3255
Die Priester und dein Volk haben dich

Mir darum übergeben.

Christus.
Käm’ nit der G’walt von oben dir,
Du würdest nichts vermögen;
Kein Härlein könntest krümmen mir,

3260
Noch mich mit Straf’ belegen.

Wer aber deinem G’richte mich
Hat boshaft übergeben,
Macht größ’rer Sünde schuldig sich,
Und größ’rer Straf daneben.

Pilatus spricht mit sich selber.

3265
Sollt’ ich noch hundertmal die Sach’

Bedachtsam überlegen,

[257]

So find’ ich nichts, zu fern’rer Rach’
Was könnte mich bewegen! –
     Zu den Juden spricht er nun.
Ihr Herren ändert euren Sinn,

3270
Kein Schuld kann ich erfahren,

Ich will somit entlassen ihn,
Laßt eure Wuth auch fahren!

Alle schreien.
Einmal das soll, das kann nit sein,
Er muß gekreuzigt werden!

3275
Ja, er verdient noch größ’re Pein!

Vertilg’ ihn von der Erden!

Annas.
Wer selbsten sich zum König macht,
Das Volk dabei verhetzet,
Des Kaisers Majestät veracht’

3280
Und gräulich sie verletzet;

Ein Kaisersfreund gewiß nit kann
Allhier durch d’ Finger sehen,
Wenn du nit kreuzigst diesen Mann,
Gib’ Acht, was dir wird g’schehen!

Hier tritt Pilatus verwirrt und zornig zurück, und es wird der Gerichtssaal zugeschlossen. Diener bereiten vorn den Richterstuhl. Die Hohenpriester und Juden bleiben heraußen stehen.

Caiphas spricht zu den Priestern.

3285
Ihr Herren weichet nit mehr ab

Von Dem, was wir beschlossen;
Ihr wißt, was ich geredet hab’,
Sein Blut muß sein vergossen.
     (Zum Volke spricht er.)
Ihr Alle, die ihr Mosis G’saz

3290
Als Gottes G’saz verehret,

Gebt keiner Huld, noch Gnade Platz,
Zum Tod ihn kühn begehret!

[258]

Alle schreien.
Was einmal schon verlanget wir,
Bei Dem soll es verbleiben!

3295
Wir werden weichen nit von hier,

Bis g’schieht, was wir betreiben!

Annas.
Recht so, ihr Kinder Israels,
Ihr wackere Hebräer,
Steht unverrückt, als wie ein Fels,

3300
Zum Spott dem Nazaräer!


Abdenago.
Der Henker heut uns Alle holl’,
Wenn er dem Kreuz entgehet!
Pilatus muß, wenn er nit woll,
Kein List das Spiel verdrehet!

Heli (schreit gegen des Pilatus Haus.)

3305
Pilatus mach einmal, daß geht!

Was braucht es viel Verweilen?
Wenn ich heut’ zu befehlen hätt’,
Man würd’ g’wiß müssen eilen!

Alle schreien.
Den Stab einmal Pilatus brich’,

3310
Laß dich nit länger bitten!

Sonst fällt die ganze Schuld auf dich,
Wenn’s Laster wird gelitten!


Zwölfte Station.
Christus wird unschuldig zum Tod verurtheilt.

Pilatus tritt wieder heraus und spricht:
Ich sieh’ es schon, ich richte nichts,
Ihr nöthigt mich zur Rache,

[259]
3315
Das fürcht’ ich, und vielleicht geschieht’s,

Daß ändert sich die Sache.
Inzwischen weil ihr zwinget mich,
Will ich das Urtheil sprechen,
Den Richterstuhl besteige ich,

3320
Dem Recht den Hals zu brechen.

Während Pilatus den Richterstuhl besteigen will, springt sein

Söhnchen herbei und ruft:
Herr Vater!

Pilatus.
Was willst du, liebstes Kind?

Söhnchen.
Mich die Frau Mutter schicket,
Daß Sie entlassen doch geschwind,

3325
Den’s Judenvolk so drücket.

Der Mensch ist ein gerechter Mann,
Den Sie verdammen sollen!
Die Bosheit Viel erdichten kann,
Thun Sie, was d’ Götter wollen!

3330
Dieß ist der besten Mutter Bitt,

Denn sie hat Viel gelitten.

Pilatus.
Und wie?

Söhnchen.
Im Traume und in ei’m Gesicht
Wurd sie sehr hart bestritten.

3335
Der Tod des G’rechten stand vor ihr,

Er droh’te harte Strafen,
Dieß machte auch, so sagt’ sie mir,
Daß sie nicht konnte schlafen.

Pilatus.
Mein Söhnlein, Das verstehst du nicht,

3340
Dieß sind gelehrte Herren;
[260]

Nit leicht thun sie ein’ schelen Schritt,
Ich thu’, was sie begehren.

Söhnchen.
O mein! Der Mutter Angst und Qual
Wird sich sobald nit enden!

3345
Viel größer wird nur ihr Trübsal,

Wenn sie nit Gnad wird finden.

Pilatus.
Geh’ hin, mein Sohn, und einen Gruß
Der Mutter überbringe!
Sie hat schon recht, jedoch ich muß

3350
Erst seh’n, wie es gelinge. –

     (Sein Söhnchen geht fort, und Pilatus spricht zu den Juden:)
Nun seht, ihr Herren! Alles sich
Auf Jesu Seite lenket,
Nur ihr ganz unbarmherziglich
An keine Huld gedenket!

Alle schreien.

3355
Hinweg! hinweg! zum Tod mit ihm!

An’s Kreuze laßt ihn henken!
Erwart von uns kein’ and’re Stimm!
Nichts Anders wir gedenken.

Pilatus (wird ganz zornig und ruft:)
Was soll ich euren König dann

3360
Zum Kreuzestod verdammen?!

Zur ew’gen Schand gereichen kann
Dieß eurem ganzen Namen!

Alle.
Des Kaisers Majestät allein
Wir unsern König nennen.

3365
Wir Juden Alle, groß und klein,

Kein Anderen erkennen.

[261]

Pilatus (steht von seinem Richterstuhle auf und spricht:)
Weil denn bei euch Nichts helfen will,
Die ihr so gar verhartet!
Bevor ich euren Will’ erfüll’,

3370
Wie ihrs von mir erwartet,

So wisse nun die ganze Welt,
Daß ich Dieß’ thu’ gezwungen;
Ich thät’ es nicht um Gut und Geld,
Ich thu’ es nothgedrungen.

3375
Ist es gefehlt, so fehlt’s bei euch,

Ihr Herren und Gelehrte,
Ihr sehet zu! Mir gilt es gleich!
Ich thu’, was man begehrte.
Unschuldig bin und will ich sein

3380
Am Blute dieses G’rechten!

Wir eine solche G’wissenspein
Nit auf uns nehmen möchten!

Alle schreien.
Es komme über uns sein Blut,
Und über uns’re Kinder!

3385
Wenn dieser Mensch vor Gott ist gut,

So geh’s uns nit gelinde!

Pilatus.
S sei es denn! den Stab ich brech’,
Es sterb’ der Nazaräer!
Und zwar am Kreuz! So will es ich,

3390
So wollen’s die Hebräer.

     (Zum Notar)
Notari! Ist das Protokoll
Ins Reine abgefasset?
Ist’s so? – Man es mir bringen soll,
Dieß Volk mich sonst mehr hasset!

[262]

Der Notar.

3395
Landpfleger Juda’s und Beherrscher,

Der du nur Recht und Tugend liebst,
Der du für Böswicht und Verbrecher
Allzeit gerechte Strafe üb’st,
Sieh, schon ist jetzt nach dei’m Befehle,

3400
Das Urgericht schon abgefaßt.

Und auch, damit ich nichts verfehle,
Was du mir aufgetragen hast,
Sieh diesen Titel da beineben,
Damit man wisse, wer da hangt,

3405
Wie du mir hast die Vorschrift’ geben.

Sag’ an, was ferner man verlangt.

Pilatus (zum Notar.)
Damit das ganze Volk doch weiß’
Den Hergang dieser Sache,
Aufmerksam und mit großem Fleiß

3410
Bekannt das Urg’richt mache!
Der Notarius verliest stehend Folgendes:
Urgericht über gegenwärtigen, scharf verklagten Aufrührer Jesus von Nazareth.

In der Neunzehnten Jahresregierung des großmächtigsten und unüberwindlichsten Kaisers und Beherrschers des Erdenkreises Tiberius, in der zweihundert und dritten griechischen vierjährigen Zeitrechnung; da Herodes im Galiläerland Fürfürst war; und bei den Juden das oberste Priesterthum Caiphas und Annas verwalteten – haben wir Pontius Pilatus, des Römischen Kaisers wirklicher Landpfleger im Judenland, aus habender Gewalt zur Ehr und Erhöhung Höchstgedachter glorreicher Majestät, zur Beförderung des römischen Gemeinen Wesens, auf Anklag und deren vielfältigen [263] Gezeugnußen einer Jüdischen Hohenpriesterschaft, und deren selben Gelehrten, nach eingenommenen, auch peinlichen Verhören, jedoch nicht Bekenntniß, doch Erkennung der Sachen; wie auch auf Verlangen des ganzen, in jetziger Zeit in allen Städten und Ländern, beiderlei Geschlechts so sehr herrschenden Judenvolks – um des Monats Märzens Mitte zum Tod erkannt, verurtheilt und verdammt, – erkennen, verurtheilen und verdammen auch nochmal hiemit zum Tod gegenwärtigen Jesum von Nazareth, welcher von dem Volk Messias oder Christus, das ist der Gesalbte, genennt wird, daß Er, dieser Jesus, ein Uebelthäter, an das schmähliche Kreuz angenagelt, und also Andern zur fürchterlichen Warnung aufgestellt werde, und zwar darum, weil Er

Erstens: ein aufrührerischer Mann ware wider das Gesetz der Juden, welches sie das Mosaische nennen;

Zweitens: Weil er wider obengesagten Volks Hohepriesterschaft sich aufgelehnt;

Drittens: Weil er die Abänderung der jüdischen Gemeindsordnung, die Zerstörung ihres geheiligten Tempels und die ganze Tilgung der ganzen großen und mächtigen Stadt Jerusalem vorzusagen sich nit gescheut hat;

Und über alles Dieß, weil er sich

Viertens lästerlich zu Gottes Sohn gemacht und als einen solchen unter dem Titel eines Königs der Juden sich ausgegeben: –

Und Dieses zwar auf Seiten der Juden;
In Betreff der Römer aber:

Weil er sich nit nur (wie die Juden sagen) zu deren König aufgeworfen, sondern auch überdas

[264] Fünftens sowohl in der Stadt, als auf dem Land unter allerhand Leuten einen Anhang sich gemachet, unter deren Schutz er

Sechstens vor sechs Tägen zu großem Nachtheil unsers mächtigsten Römischen Kaisers Tiberius mit Palmen und Siegszweigen unter fröhlichem Zurufen des jauchzenden Volkes als ein Sieger in gegenwärtige Hauptstadt und deroselben Tempel eingezogen, auch alldorten durch verschiedene, aufrührerische Reden das Volk rege gemacht, aus welchem allem vorgegangenen Betragen mißliche Folgen erwachsen konnten; und was

Siebentens das Größte ist, so verbot er (wie die Juden sagen) dem Römischen Kaiser den Zins zu geben.

Daher

ergehet Unser, als des bevollmächtigten, wirklichen Landpflegers Pilati Gericht, förmliches Urtheil, daß gegenwärtiger Jesus von Nazareth wegen ersterwähnter hoch- und leibsträflicher Ursachen und Uebelthaten, nach dem römischen Gebrauch gemäß schon vorgegangener Geißlung durch den Kreuzestod hingerichtet werde.

Wir wollen also aus aufhabendem Römischen Landpfleger-Amt, daß zu Vollziehung dieses gefällten Urtheils Unser Hauptmann Cornelius Longinus ihm, dem Jesus von Nazareth, sein Gericht und Kreuz auflade, ihn hinaus zum Hochgericht, die Schädelstatt genannt, führen, mit Nägeln an das Kreuz anschlagen, und allen Uebelthätern zu einem heilsamen Schrecken also angenagelt aufrichten lassen solle, auch was ferners mit seinem Leichnam vorzunehmen Unseres Bescheides warte.

Endlich wollen wir auch, daß allen Aufrührern zur Warnung, zur Anzeig der verschuldeten Straf in den heutiges Tags gemeinsten und fürnehmsten Sprachen, [265] als: griechischen, hebräischen und lateinischen Buchstaben zu oberst an das Kreuz gesetzt werde folgender Titel:

Jesus von Nazareth, ein König der Juden.

Gegeben und geschehen zu Jerusalem an dem Ort Likostrathon, zu hebräisch Gabbatha genannt, um die sechste Stunde des Tages.

Nachdem das Schriftstück verlesen, ruft

Psolomas.
Pilatus, Dieses ist nit recht!

Ismael.
Er ist nit Judenkönig,
Schreib, daß er wider alles Recht
Sich selbst aufwarf zum König!

Pilatus.

3415
Was g’schrieben, g’schrieben bleiben soll,

Laßt ab, uns fern zu plagen,
Sonst macht ihr uns den Kopf zu voll
Durch euer b’ständigs Klagen!

Alle.
Wir danken vor das Urtheil dir

3420
Für die erfüllte Pflichten,

Daß du, wie es verlangten wir,
Die Sache wolltest schlichten.

Caiphas.
Wir schätzen es vor eine Gnad,
Als solche wir’s erkennen;

3425
Wir werden auch bei jeder That

Uns deine Freunde nennen!

Judenhauptmann.
Jetzt auf, ihr Männer! zeigt im Werk,
Daß ihr seid tapf’re Leute!
Zeigt euren Muth, zeigt eure Stärk’,

3430
Beim Strafen wie im Streite!


[266]

Michas.
     (Reißt dem Herrn den Spottmantel ab und hält ihm seinen Rock hin.)
Komm! schliff in deinen Rock hinein,
Das Lustspiel wird angehen!
Fein hurtig schicke dich darein,
Laß uns nit lang hier stehen!
     Man wirft dem Herrn das Kreuz vor die Füße und es spricht

Abdenago.

3435
Hier sieh’st das Kreuz, an das wir dich

Jetzt bald anklammern werden!
Ich wüßt’ wahrhaftig heut für mich
Kein’ größ’re Freud auf Erden!

Christus.
     Kniet zu seinem Kreuze nieder und umarmt es, sprechend:
O edles Kreuz! zu tausendmal

3440
Sei du von mir gegrüßet!

Du bist’s, an dem des Menschen Fall
Der Sohn des Höchsten büßet!
Nach dir schon drei und dreißig Jahr
Geht alle mein’ Begierde!

3445
Heut endlich stellest du dich dar!

O daß die Welt es einseh’n würde!
Doch mir ist’s g’nug, daß wird hiemit
Des Vaters Will’ erfüllet!
Weil also nur, und anders nit

3450
Wird dessen Will’ erfüllet!

Ich lieb’, umfang’, ich küsse dich!
O süßer Kreuzesstammen!
O Mensch sieh und betrachte mich,
Erwäg’ die Liebesflammen!

Abraham.

3455
Mich dünkt, das Kreuz sei gar zu schwer,

Er kann’s allein nit zwingen.
     (Hier kommt Simon von Cyrene des Weg’s gegangen.)

[267]

Wenn nur zugegen Jemand wär,
Der Hülf’ ihm könnte bringen.

Abdenago zu Simon.
Du kommst uns grad’ zur rechter Stund!

3460
Jetzt braucht’s nit viel umfragen!

Komm nur, du alter, grauer Hund,
Und hilf das Kreuz ihm tragen.

Simon von Cyrene.
Ich bin nit darum kommen her,
Ich geh’ nach andern Sachen,

3465
Und über Das, ein’ schlechte Ehr’

Würd’ ich mir hiedurch machen.

Heli.
Komm’ nur und sprütze dich nit lang,
Sonst will ich dir ’was sagen,
Daß dir wird werden angst und bang

3470
Vor Schläg’ und andern Plagen!


Simon.
Und muß das Kreuz getragen sein,
So sei’s in Gottes Namen;
So gieb’ ich meinen Willen drein,
Sonst seyn zwei Kreuz beisammen.
     (Es wird das Kreuz dem Herrn und Simon aufgeladen.)

Judenhauptmann.

3475
Nun führt ihn fort mit vollem G’walt

Und handelt nach Belieben;
Ohn’ alle Scheu, was euch gefallt,
Könnt ihr an ihm ausüben.

Michas.
Gesellen kommt! ein’ kurze Zeit

3480
Können wir an ihm uns rächen!
[268]

Laßt uns nun ohn Barmherzigkeit
Mit Schlägen ihm zusprechen!

Malchus.
Kameraden jetzt recht wacker d’rauf!
Zur Schädelstatt thut eilen!

3485
Nur hurtig fort und dran und drauf!

Ohn’ Aufschub und Verweilen!

Achim.
All’ Marterzeug habt hier beisamm’,
Strick, Nägel und Beißzangen!
Gebt keine Ruh’, bis dieser Mann

3490
Am Kreuzesholz thut hangen!

(Während sie den Herrn fortführen, kommt die betrübteste Mutter Maria mit Johannes und den heiligen Frauen und hinter diesen viele Töchter Jerusalems.)

Maria.
O Jesu! liebster Sohn!
Wan muß ich noch erleben!
Ist das der höchsten Liebe Lohn,
Wird dir das Kreuz gegeben!

3495
Des Kreuzes Last zu tragen für dich,

O wär’ mir das vergönnet!
O daß an deiner Statt man mich
Mit Dörnern hätt’ gekrönet!
O daß für dich am Kreuzesbaum

3500
Dein’ Mutter dürfte hangen!

Erlaub’ es mir! Ich mich nit saum’,
Ich will’s mit Freud umfangen!

Christus.
Ach Mutter! Deine Wort all’ sind
Stich’, die mein Herz durchdringen!

3505
Du weißt, daß mich der Menschen Sünd’

Ans Kreuzesholz thut bringen!

[269]

Mein Vater mich zum Kreuz hat g’sandt,
Er will, daß ich nur leide;
Dieß ist dir längstens ja bekannt,

3510
Mein Tod soll dir sein Freude!


Johannes.
O Herr! an deiner Liebesbrust
Die Liebe ich hab’ gesogen.
Wie groß mein Lieb’, ist dir bewußt,
Das hat mich denn bewogen,

3515
Dich z’ bitten, wenn es könnte sein,

Daß mir dein Last aufbürdest!
Für dich würd’ geh’n in Tod hinein,
Ein Gnad erweisen würdest!

Christus.
Johannes! Du der liebste bist

3520
Aus allen Jüngern g’wesen;

Doch kann’s nit sein, um was du bitt’st,
Dein G’schäft ist nit Erlösen.

Marta.
Ach daß ich leider könnt’ die Qual,
Die du mußt, Herr, ertragen!

3525
Ach daß all’ Peinen, allzumal,

All’ Schmerzen, alle Plagen
Könnt leiden und du würd’st befreit
Mit Freuden meines Herzens!
Ich will sie tragen, gib, o Herr,

3530
Mir deine Todesschmerzen!

Laß sterben für dich, o Meister, mich,
Du Freude meines Herzens!

Tochter Sion.
Ach daß ich leiden könnt’ für dich
Doch einen Theil der Schmerzen!

[270]

Veronika.

3535
Ach Jesu! ach! dein Angesicht,

Dem alle Schönheit weichet,
Wie übel ist es zugericht’,
Wie tödtlich ist’s erbleichet!
Wie voller Wunden ist es nicht!

3540
Mit Speichel ganz verwüstet!

Ach daß man dir so fahret mit
Dein’ Ung’stalt mich entrüstet!
O daß dir meine Liebsdienst ich
Erzeigen möchte können.

3545
Wie würde ich erfreuen mich,

Wie mich beglücket nennen!
Zum Liebeszeichen nimm von mir,
Nimm diesen Schleier inzwischen!
Mit diesem kannst du wenigst dir

3550
Das Blut und d’ Schweiß abwischen.


Tochter Sion.
     spricht zu den Zuschauern:
O Menschen, die ihr hier da steht,
Dem Trau’rspiel habt zug’sehen!
Ohn Mitleid nit von hinnen geht,
Betracht’, was hier geschehen!

3555
Ein Gott zu euch aus lauter Lieb

Von Feinden läßt sich fangen.
In jeder Qual geduldig blieb,
Aus Lieb’ am Kreuz wollt hangen.
Aus Lieb all’ Schmerzen ohne Zahl

3560
Vor euch hat übertragen,

Damit er von der Höllenqual
Euch rett’, was wollt ihr sagen?
Habt ihr’s gesehn, ein solcher Schmerz,

[271]

Den Jesu wollt’ ausstehen,

3565
Ich sag’ es euch! o bitt’rer Schmerz,

Für eure Sünd’ ists geschehen!
Seht an das theure Gottesblut,
Das aus den Adern g’flossen,
Das eure lose Sündenwuth

3570
Aus Jesu Herz gestossen!

Damit euch Jesu Leiden sei
Zur Nachlaß eurer Verbrechen,
Geht nicht von hier ohn’ wahre Reu’,
Sonst förcht’, er werd’ sich rächen!

Christus.

3575
Ihr Töchter von Jerusalem

Ach über mich nit weinet!
O über euch, daß selbst nit komm’
Das Elend, eh’ ihrs meinet!
Ohn’ Unterlaß beweint vielmehr

3580
Euch selbst und eure Kinder!

Die Strafe eilet schon daher,
Drum förchte dich, o Sünder!
In Acht euch nehmt, euch vor ich’s sag,
Es werden kommen Zeiten,

3585
In welcher sich ein’ große Plag

Wird über euch verbreiten.
„O daß kein’ Mutter wäre ich,
Wird manche Mutter sagen!
Das Elend trifft alleinig mich

3590
Zur Mind’rung meiner Plagen.

Ihr Hügel uns vergrabt zusamm’!
Ihr Berg wollt uns bedecken!
Denn wenn dieß g’schieht am grünen Stamm,
Wie geht es dürren Stöcken!“

[272]

Judenhauptmann.

3595
Nach euren Reden glaubt ihr fast,

Daß wir verblendet seien!
Ihn wird von seiner Kettenlast
Sogleich der Tod befreien!
Drum eilen wir zur Schädelstatt,

3600
Das Urtheil zu vollführen.

Ihm wird, was er verdienet hat,
Mich kann kein Bitten rühren!

Alle Juden.
Fort! fort! was braucht’s dieß leere G’schwätz,
Nichts kann dich mehr erretten!

3605
Du kommst nit mehr aus uns’rem Netz,

Es hilft kein Droh’n, kein Beten!

Judenhauptmann.
Den Auftrag von Pilato habt
Bereits ihr All vernommen;
Habt Sorg, ihn fleißig nehmt in Acht,

3610
Dem emsig sollt nachkommen.

Drum Männer spannt die Kräfte an,
Ihn tapfer abzuschlagen!
Schlagt drein! stoßt zu! wer immer kann,
Thut nicht an ihm verzagen.

Aminadab.

3615
Nun Christ! es soll jetzt gehen an!

S’ ist theu’r und hoch geschworen!
Ich dir es g’wiß vorsagen kann,
Dein Leben ist verloren!

Malchus.
Schlagt drein! stoßt zu! laßt keine Ruh’

3620
Kein Ein’ger hab Mitleiden!
[273]

Statt Peitschen schlagt mit Prügeln zu,
Ich gib’ sie euch mit Freuden.

Michas.
Ha! ha! ein’ guten Einfall hast,
Laß mich ein’ starken wählen,

3625
Damit ich diesem saubern Gast

Recht tapfer kann aufzählen!

Heli.
Auch mir gib diesen Knittel her,
Er möchte sonst faul werden!
Ich will ihm geben, daß er nit mehr

3630
Hinfalle auf die Erden.


Malchus.
Recht so! nimmt hin und schlagt brav zu
Auf den, der uns gepeitschet
Im Tempel, und zwar noch dazu
Uns gar so oft getäuschet!

Abraham.

3635
Im Tempel hast brav g’schlagen drein,

Ich hab’s dir nit vergessen;
Jetzt will dir’s wieder messen ein,
Wie du hast ausgemessen.

Abdenago.
Jetzt Christe hab nur gutes Herz,

3640
S’ Spiel wird ein End gewinnen;

Vergehen soll dir aller Scherz,
Darfst nit auf Bessers besinnen!

Unter diesen Reden hat sich der Zug der Kreuziger gesammelt. Während Christus abgeführt wird und auf einige Zeit den Augen der Zuschauer verdeckt ist, treten die Vorbilder aus dem Alten Testament [274] auf die Bühne. Jedes derselben hat seinen Spruch. Es treten auf Adam und Eva, Joseph und seine Brüder, Samson, die Tochter Jephtha’s und Andere. Auch Bilder aus dem Neuen Testament treten auf, z. B. die heilige Genovefa mit dem Schmerzenreich, auch allegorische Figuren, wie die sieben Hauptsünden.

Der Kreuzzug bewegt sich durch mehrere Straßen der Stadt und zwar in folgender Ordnung.

Voraus auf weißem Rosse ohne Sattel reitet der Tod, mit Krone und Scepter.

Dann kommt zu Roß ein Sardenbläser, der mit einzelnen abgestoßenen, überaus traurigen Tönen den nahenden Zug ankündigt.

Jetzt kommen Adam und Eva. Zwei uralte Leutchen, weiß gekleidet, mit Pflug und Ochsen. (Eine lange Reihe von Jahren ist Ein und dasselbe Ehepaar in dieser Rolle aufgezogen.)

Der hohe Rath der Juden zu Pferd. Es sind alte, angesehene Bürger, welche den Rath bilden.

Der Judenhauptmann auch zu Pferd. Ihm folgt die Rotte der Henker, welche die Leidenswerkzeuge, Nägel, Hammer, Zange, Rohr mit Schwamm und Stricke tragen.

Christus mit dem Kreuz. Simon von Cyrene hilft ihm dasselbe tragen.

Dem Herrn folgt Maria, die heiligen Frauen, Johannes und die Töchter Jerusalems.

[275] Dann kommen die sieben Todsünden, Joseph von Kindern an einem Band geführt.

Simson von vier schwarzen Rittern geführt.

Ein Tod und ein Teufel führen in einem Wägelchen das Söhnchen des Pilatus und das Töchterchen des Herodes.

Die heil. Genovefa mit dem Schmerzenreich von vier Jägern begleitet.

Nun folgt eine Menge von Büßern, welche schwere Kreuze schleppen, Andere, welche die Arme ausgespannt tragen, auch Kinder als Pilger verkleidet mit kleinen Kreuzen.


Dreimal fällt der Herr an bestimmten Plätzen unter seinem Kreuze.

Wenn der Zug auf den Platz bei der Kirche zurückgekommen, wird der Herr in den Kerker geführt, das Kreuz bereitet und das Spiel hat sein Ende erreicht.

O. a. m. D. gl.

  1. Des Herrgottle’s, das ist die Familie des Herrgotts.