Gesetz, betreffend die französische Kriegskosten-Entschädigung

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Titel: Gesetz, betreffend die französische Kriegskosten-Entschädigung.
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Fundstelle: Deutsches Reichsgesetzblatt Band 1872, Nr. 24, Seite 289 - 292
Fassung vom: 8. Juli 1872
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Bekanntmachung: 24. Juli 1872
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(Nr. 862.) Gesetz, betreffend die französische Kriegskosten-Entschädigung. Vom 8. Juli 1872.

Wir Wilhelm, von Gottes Gnaden Deutscher Kaiser, König von Preußen etc.

verordnen im Namen des Deutschen Reichs, nach erfolgter Zustimmung des Bundesrathes und des Reichstages, was folgt:

Artikel I.

Zur Wiederherstellung, Vervollständigung und Ausrüstung der in Elsaß-Lothringen gelegenen Festungen, sowie zur Erbauung und Einrichtung der erforderlichen Kasernen, Lazareth- und Magazin-Anstalten in den offenen Garnisonstädten von Elsaß-Lothringen ist aus den bereitesten Mitteln der von Frankreich zu zahlenden Kriegskosten-Entschädigung die Summe von 40.250.950 Thalern flüssig zu machen.
Von dieser Summe sind zu verwenden:
1) für die artilleristische Ausrüstung und die Herstellung von Artilleriegebäuden 9.000.000 Thaler,
2) für Wiederherstellung der Artillerie-Werkstatt in Straßburg und Ergänzung der Betriebseinrichtungen der Pulverfabrik in Metz 210.000 Thaler,
3) für den fortifikatorischen Ausbau der elsaß-lothringischen Festungen Straßburg, Metz, Bitsch, Neu-Breisach und Diedenhofen 19.000.000 Thaler,
4) zur ersten Einrichtung und Ausstattung der Kasernements, Stallungen und sonstigen Garnison-Anstalten 9.500.000 Thaler,
5) zur Herstellung, Vervollständigung und Ausstattung der Festungslazarethe 386.100 Thaler,
6) desgleichen der Garnisonlazarethe 318.000 Thaler,
7) zum Neubau und zur Einrichtung der Train-Wagenhäuser für das Traindepot in Straßburg 182.000 Thaler,
und für den Ausbau und die Ausstattung des Kriegsschulgebäudes in Metz 100.000 Thaler,
8) zur Wiederherstellung der Magazin-, Bäckerei- und Mühlen-Etablissements 906.950 Thaler,
9) zur Sicherstellung des Festungs-Approvisionnements an Brotmaterial und Hafer 442.900 Thaler,
10) zur Instandsetzung des Montirungs-Depot-Gebäudes in Straßburg 25.000 Thaler,
11) zur Erwerbung und Einrichtung eines Gouvernementsgebäudes in Straßburg 180.000 Thaler,
Summe 40.250.950 Thaler.
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Artikel II.

Von der im Artikel I. nachgewiesenen Summe von 40.250.950 Thalern werden dem Reichskanzler für das Jahr 1872
15.817.328 Thaler
und für das Jahr 1873
13.700.200 Thaler
zur Verfügung gestellt. Die später zu verwendenden Beträge sind in die Reichshaushalts-Etats der betreffenden Jahre aufzunehmen.

Artikel III.

Aus den bereitesten Mitteln der von Frankreich zu zahlenden Kriegskosten-Entschädigung werden ferner dem Reichskanzler für die Jahre 1872 und 1873
1.375.000 Thaler
zur Erwerbung und Herrichtung eines Schießplatzes für die Artillerie-Prüfungs-Kommission zur Verfügung gestellt.

Artikel IV.

Die Einnahmen aus der Veräußerung der entbehrlich werdenden Festungsgrundstücke, oder solcher Grundstücke, welche nach der Wiederherstellung und Vervollständigung der Festungen im Besitze der Militärverwaltung verbleiben oder welche aus Reichsmitteln in Gemäßheit dieses Gesetzes erworben werden, dürfen nur unter Genehmigung des Bundesrathes und des Reichstages verausgabt werden und sind, sofern diese Genehmigung nicht anderweitig erfolgt ist, in dem nächsten Reichshaushalts-Etat in die zur Deckung der gemeinschaftlichen Ausgaben bestimmten Einnahmen einzustellen.

Artikel V.

Nachstehende durch die Kriegführung wider Frankreich erwachsene oder mit derselben in unmittelbarem Zusammenhange stehende Ausgaben, als:
1) die Kosten für die Armirung und Desarmirung der Festungen;
2) der Aufwand für das Belagerungsmaterial;
3) die durch den Krieg veranlaßten außeretatsmäßigen Ausgaben für die Kriegsmarine; [291]
4) die Ausgaben für vorübergehende Einrichtungen zur Küstenvertheidigung und die Kosten der Stromsperren;
5) die Kosten für Anlegung und Wiederherstellung von Eisenbahnen im Interesse der Kriegführung, soweit dieser Aufwand sich nicht als eine nützliche Anlage im Interesse der Gebiete der an dem Kriege betheiligt gewesenen deutschen Staaten darstellt, ferner die Kosten der für die okkupirten Bahnen während des Krieges beschafften Betriebsmittel, abzüglich des für dieselben erzielten Erlöses, ingleichen die Kosten der Wiederherstellung der zu Landesvertheidigungs-Zwecken zerstörten Landstraßen;
6) die Kosten der nicht in den Bereich der Feldtelegraphie fallenden Telegraphenanlagen und des Betriebes derselben unter den unter Ziffer 5 bemerkten Beschränkungen;
7) der Aufwand, welcher durch die einstweilige Civilverwaltung in Frankreich, sowie bis Ende des Jahres 1871 durch die Verwaltung der Eisenbahnen in Elsaß-Lothringen entstanden ist, soweit derselbe nicht durch die in Frankreich erhobenen Steuern und Kontributionen bezw. durch die Betriebseinnahmen jener Bahnen bereits gedeckt ist;
8) die Kosten des großen Hauptquartiers im Betrage von 1.006.012 Thalern;
9) der von der Reichshauptkasse in den Jahren 1870 und 1871 für gemeinsame Zwecke bestrittene Kostenaufwand im Betrage von 206.339 Thalern;
10) die Kosten der vom 1. Juli 1871 an erfolgten militärischen Leistungen einschließlich der Kosten der in Folge der Okkupation französischer Gebietstheile nach dem 1. Juli 1871 fortbestehenden Feldpost und der auf diese Gebietstheile sich erstreckenden Telegraphenverwaltung, ferner die Mehrkosten, welche durch die größere Stärke der in Elsaß-Lothringen aufgestellten Truppen, sowie durch Gewährung überetatsmäßiger Friedenskompetenzen an diese für das 2. Semester 1871 entstanden sind und aus den Gesammtmitteln des Friedensetats für 1871 nicht gedeckt werden können, ingleichen die Kosten, welche durch Bewilligung von Zulagen, beziehungsweise extraordinären Kompetenzen an die in Elsaß-Lothringen dislozirten Kommandobehörden, Administrationen und Truppentheile für das Jahr 1872 erwachsen,
sind als gemeinsame Ausgaben des vormaligen Norddeutschen Bundes, Bayerns, Württembergs, Badens und Südhessens zu betrachten und den Betheiligten aus den bereitesten Mitteln der von Frankreich zu bezahlenden Kriegskosten-Entschädigung zu ersetzen.
Die Feststellung der von den betheiligten Staaten auf Grund der vorstehend unter Ziffer 1 bis 7 getroffenen Bestimmungen liquidirten Beträge erfolgt durch den Bundesrath und den Reichstag.
Der Reichskanzler ist ermächtigt, den einzelnen Staaten Vorschüsse auf die liquidirten Summen zu gewähren.
Der Prüfung des Rechnungshofes unterliegt nicht nur die Verausgabung der festgestellten Beträge an die einzelnen Regierungen, sondern auch die bestimmungsmäßige Verwendung derselben von Seiten der betreffenden Regierungen. [292]

Artikel VI.

Die Einnahmen, welche sich ergeben aus:
1) der von Frankreich zu bezahlenden Kriegskosten-Entschädigung von 5 Milliarden Franken bis zum Betrage von 3½ Milliarden Franken, nebst den vertragsmäßig zu zahlenden Zinsen,
2) der von der Stadt Paris bezahlten Kontribution von 200 Millionen Franken, und
3) den in Frankreich erhobenen Steuern und den nicht für besondere militärische Zwecke verwendeten örtlichen Kontributionen nach Abzug der Kosten für die Verwaltung derjenigen Theile Frankreichs, in welchen diese Steuern und Kontributionen aufgekommen sind,
werden, insoweit über diese Einnahmen nicht durch die Bestimmungen der vorstehenden Artikel oder durch besondere Reichsgesetze oder den Reichshaushalts-Etat bereits verfügt worden ist, zwischen dem vormaligen Norddeutschen Bunde, Bayern, Württemberg, Baden und Südhessen vertheilt, und zwar die zunächst eingehenden drei Viertheile nach dem Maßstabe der militärischen Leistungen während des Krieges, das letzte Viertheil dagegen nach demjenigen Maßstabe, nach welchem im Jahre 1871 die Matrikularbeiträge aufgebracht worden sind.
Nach dem Maßstab der militärischen Leistungen ergeben sich für
den vormaligen Norddeutschen Bund 107.679.125 Theile,
Bayern 14.538.825 Theile,
Württemberg 4.345.450 Theile,
Baden 3.768.450 Theile,
Südhessen 1.869.975 Theile
Ueber die Verwendung der einstweilen reservirten 1½ Milliarden wird im Wege der Reichsgesetzgebung Bestimmung getroffen.
Aus denselben werden insbesondere die auf Grund der Gesetze vom 9. November 1867 und 20. Mai 1869 zur Erweiterung der Bundes-Kriegsmarine und zur Herstellung der Küstenvertheidigung kontrahirten oder noch zu kontrahirenden Anleihen getilgt. Auch wird das Gesetz die erforderlichen Bestimmungen über die angemessene Form der Verwendung dieser Geldmittel zur Deckung der dem Reiche nach Maßgabe des Gesetzes vom 27. Juni 1871 in Folge des Krieges von 1870/71 obliegenden Ausgaben treffen.
Bei einer auf Grund des Reichsgesetzes stattfindenden weiteren Vertheilung kommt gleichfalls der im Vorstehenden festgestellte Vertheilungsmaßstab zur Anwendung.

Artikel VII.

Ueber die dem ehemaligen Norddeutschen Bunde in Gemäßheit des Artikels VI. dieses Gesetzes zufallende Einnahme wird im Wege des Reichsgesetzes verfügt.
Urkundlich unter Unserer Höchsteigenhändigen Unterschrift und beigedrucktem Kaiserlichen Insiegel.
Gegeben Bad Ems, den 8. Juli 1872.
(L. S.)  Wilhelm.

  Fürst v. Bismarck.