RE:Erbse

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Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
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die Gattung der Erbsen
Band VI,1 (1907) S. 393397
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Erbse. Von der Gattung Pisum L. werden kultiviert die verschiedensten Spielarten von Pisum arvense L., der Feld- und Stock-E., mit eckigen und braun-oder graugrünen Samen und Pisum sativum L., der Gartenerbse, mit runden und hellen, meist gelben Samen. Man ist aber meist geneigt, Pisum arvense L. für die Stammpflanze aller E. anzusehen oder auch (z. B. bei Th. Rümpler Illustr. Gartenbau-Lex. 1890, 242) für wahrscheinlich zu halten, daß es nur eine wahre Spezies, Pisum sativum L., gebe. Von P. Taubert (bei Engler und Prantl D. natürl. Pflanzenfamilien III 3, 1894 S. 355) ist auf diese Frage gar nicht eingegangen; während nach andern wenigstens Pisum arvense in Nord- und Mittelitalien wild wächst, erklärt er die Heimat der E. für unbekannt, nimmt aber an, daß sie wahrscheinlich durch die arischen Völker sowohl nach Westen wie auch nach Indien, wo sie gleichfalls seit langer Zeit bekannt sei, da es dafür (für Pisum sativum) einen Sanskritnamen (harenso ?) gebe, verbreitet sei. Nach Th. v. Heldreich (D. Nutzpflanzen Griechenlands 1862, 71) heißt Pisum sativum L. heute τὰ πιζέλλια, albanes. pizélle und wird häufig kultiviert; nach E. Boissier (Flora oriental. II 1872, 623) findet sich aber auch Pisum arvense unter den Saaten verwildert in der Peloponnes, in Syrien und wohl auch anderswo (z. B. kaum spontan in Thessalien und Boiotien nach E. v. Halácsy Conspectus Flor. Graec. I 1900, 463) und wird dort auch oft gebaut, nach A. De Candolle (D. Ursprung d. Culturpfl., übers. v. Goeze 1884, 412) bis nach Nordindien. In Kleinasien bedienen sich die Türken zur Bezeichnung der E. entweder des griechischen Fremdworts pizélia oder eigener Namen (K. Kannenberg Kleinasiens Naturschätze 1897, 113). Im heutigen Ägypten wird Pisum sativum gebaut und heisst besille (L. Anderlind D. Landwirtsch. in Egypten 1889, 33). In Italien wird Pisum arvense bisweilen im Gebirge als Futterpflanze gebaut, da es der Kälte mehr als Pisum sativum widersteht, und vom Volke rubiglio, orbiglio, gruiglio u. s. w. genannt; Pisum sativum wird allgemein unter dem Namen pisello gebaut. Altgr. πίσος, πισός, πίσσος oder πίσον, welches wir zuerst bei den Dichtern der altattischen Komoedie antreffen, geht vielleicht [394] auf zerstoßen zurück. Dasselbe kann man für lateinisch pisum (pisa im Edict. Dioclet. 1, 13. 14. Pall. XI 14, 9. Apic. öfters) annehmen. Doch hält O. Schrader (Reallex. d. idg. Altertumsk. 1901, 197) es für möglich, daß die Römer das Wort von den Griechen entlehnt haben. Dabei ist zu berücksichtigen, daß erst Saserna (bei Col. II 13, 1) um 100 v. Chr. von den Erbsen spricht, andrerseits abgesehen von einigen späteren Fällen nur die Fachschriften der Römer sie erwähnen, unter diesen aber Cato und Vergilius nicht. Dagegen hat man in den Pfahlbauten der Schweizer Seen aus der neolithischen Periode und der Bronzezeit und in Deutschland bei Funden aus der Hallstadtperiode kleinkörnige Erbsen gefunden und diese für Pisum sativum erklärt; bei einem Funde in Spanien noch aus der Bronzezeit scheint es sich um Pisum arvense zu handeln (S. Buschan Vorgeschichtl. Botanik 1895, 199ff.). Auch bei den Ausgrabungen des alten Carnuntum in Niederösterreich sind zusammen mit römischen Waffen E. (Pisum sativum?) gefunden worden (Berl. Philol. Wochenschr. 1900, 735 nach ,Anzeiger d. Kaiserl. Akad. d. Wissensch. zu Wien’). Namentlich aber sind schon in der gebrannten Stadt auf dem Hügel von Hissarlik Haufen von verkohlten rundlich eckigen Körnern ausgegraben worden (Virchow bei H. Schliemann Ilios 1881. 361, 3). Wegen ihrer zum Teil etwas eckigen Gestalt bei 3,6–4 mm. Durchmesser vermutete L. Wittmack zuerst, daß es Erven (Ervum ervilia L.) seien, doch erkannte er in spätern reichlicheren Proben sie unzweifelhaft als Erbsen, Pisum sativum L. (Verhandlungen d. Berl. Gesellsch. für Anthropologie u. s. w. 1890, 615. 617; Abb. bei Wittmack Führer durch d. vegetabil. Abteilung d. landwirtschaftl. Mus. in Berlin 1886, 46 u. Fig. 6 u. 7). Doch ist dabei zu berücksichtigen, daß, wie mir Herr G.-B. Wittmack persönlich mitzuteilen die Güte gehabt hat, nach seiner Ansicht Pisum arvense und Pisum sativum dasselbe ist. Mit der Bestimmung der gefundenen E. als Pisum sativum lassen sich nämlich einige Angaben der Alten über ihre E. schwer vereinigen. Ja v. Fischer-Benzon (Altdeutsche Gartenflora 1894, 95ff.) glaubt, daß sie nur auf Pisum arvense gedeutet werden könnten. So sagt Theophrast (h. pl. VIII 5, 3), daß einige Hülsenfrüchte cylindrische Gestalt hätten, wie die Erve und die E. (vgl. Plin. XVIII 125), und der Same der E. dieselbe Gestalt wie der der Erve habe. Doch nach einigen Stellen bei den Alten kann es scheinen, dass sie den Samen der Erve (s. d.) eher für rund als eckig angesehen haben. Nach Columella (II 10. 19) ist die E. der cicercula ähnlich, d. h. dem eckigen, weißen oder dunkelbraunen Samen der eßbaren Platt-E., Lathyrus sativus L. Geradezu eckig werden sowohl die cicercula als das pisum von Plinius (XVIII 124) genannt. Auch beruft sich v. Fischer darauf, daß Theophrast (ebd. VIII 5, 1) die E. nicht unter den Hülsenfrüchten nennt, welche auch weisse (oder helle) Samen hätten. Etwas Positives über die Farbe der Samen finden wir freilich nirgends deutlich ausgesprochen. Nur ein paar Stellen bei spätern Schriftstellern kann man so deuten, daß die Farbe gelb gewesen sei. So soll der Kaiser Heliogabalus (Hist. Aug. Heliog. 21, 3) wilden Tieren Erbsen nebst Goldmünzen [395] vorgeworfen haben, wobei nach dem Zusammenhange zu schließen die Gleichheit der Farbe mit im Spiele gewesen zu sein scheint. Von Apicius (195) wird die Bereitung der pisa indica angegeben, worunter ein schwarzes Erbsengericht zu verstehen ist, welches seine Farbe durch den Zusatz der braunschwarzen Tinte des Kuttelfisches, Sepia officinalis, erhalten sollte (vgl. Schuch z. d. St.), ohne daß von einer Quetschung oder Zerkleinerung der E. die Rede ist. Hieher gehört vielleicht auch die an sich teils falsche, teils unverständliche Notiz des Isidorus (orig. XVII 4, 10), pisum habe davon den Namen, weil damit kleine Stücke Goldes gewogen seien, denn pis bedeute Gold. Hingegen wird wieder in mittelalterlichen Glossarien (Corp. gloss. lat. III 589, 35. 609, 62) die Kicher, die übrigens sonst selbst außer als weiß auch als schwarz und rötlich bezeichnet wird (Theophr. h. pL VIII 6, 5), pis albus genannt.

Noch einige andere Bemerkungen über die botanischen Eigenschaften der E. finden sich bei Theophrast. Sie geht mit vielen Blättern auf (h. pl. VIII 1, 4); die Blätter sind mehr länglich als rund (ebd. 3, 1; vgl. Plin. XVIII 58); die Hülse hat keine Scheidewände, so daß sich die Samen fast berühren (ebd. 5, 2); der Stengel liegt darnieder (ebd. 3, 2 und bei Gal. VI 542; weshalb es nach Plin. XVIII 57 vorteilhaft ist, ihn zu stützen); am wenigsten widerstandsfähig unter den Saaten ist die E. sowohl gegen den Meltau, weil sie viele Blätter hat (vgl. Plin. a. a. O. 58), sich gleich von der Erde aus stark verzweigt, schnell wächst und selbst bei spärlicher Saat den Raum schnell ausfüllt, als auch gegen Kälte und Frost, weil sie schwache Wurzeln hat (c. pl. IV 14, 4); wenn sie naß wird und starke Hitze folgt, entstehen in den Samen Würmer (h. pl. VIII 10, 5; c. pl. III 22. 3). nämlich die Käferlarven von Bruchus pisi. Nach Columella (II 11, 10. Pall. VI 1, 1) dauert die Blüte wie bei allen Hülsenfrüchten mit dikotyledonen Samen 40 Tage (nach Pall. besonders im Mai), und ebenso viele Tage braucht sie bis zur Reife. Im elischen Pisa sollte die E. reichlich gedeihen (Schol. Ar. Plut. 427). Doch steht der Name dieser Stadt wohl ebensowenig im Zusammenhange mit der E., obwohl ein Scholiast (ebd.) darauf anspielt, wie der Name des etruskischen Pisae und das Cognomen Piso der Gens Calpurnia (über letzteres s. o. Bd. III S. 1374, 52).

Gesät wird die E. spät (Theophr. h. pl. VIII 1, 4), d. h. im Frühjahr. Nach Plinius (XVIII 123) wird sie jedoch in Griechenland im Herbst oder Frühjahr gesät und muß sie, da sie sehr empfindlich gegen Kälte ist, an sonnigen Stellen, in Italien und rauhern Gegenden nur im Frühjahr in leichte und lockere Erde gesät werden. Von andern (Col. II 10. 4. Pall. X 6) wird zwar auch ein lockerer und leichter (ein knetbarer, πηλώδης Geop. II 13, 3) Boden, warme Lage und feuchtes Klima verlangt, doch für Italien als Saatzeit Ende September angegeben. Jedenfalls aber widersteht selbst das empfindlichere Pisum sativum heute noch in Norditalien den gewöhnlicheren Wintern und verträgt dort die Saat auch zu Ende November. Das Quantum der Aussaat beträgt 3–4 Modien aufs Iugerum (Col. Pall. a. a. O. Plin. [396] XVIII 198), d. h. 26–35 L. auf 1/4 ha. Nach Saserna (bei Col. II 13, 1) gehören die Erbsen zu den Hülsenfrüchten, welche an sich den Boden düngen. Sie können längere Zeit aufbewahrt werden (Gal. VI 546). Im Edikt des Diocletian vom J. 301 (1, 13. 14) ist der Maximalpreis des Doppelmodius = 17,51 L. geschrotener Erbsen auf 100 Denare = 1,83 M. und ungeschrotener auf 1,10 M. festgesetzt.

Die E. diente vorwiegend zur menschlichen Nahrung (so Aristoph. bei Poll. VI 60. VII 181. Eupolis und Phanias Eres, bei Athen. IX 406 c. Alexis bei Phot. lex. s. πίσον. Isid. orig. XVII 4, 2). Der Rhea Kybele wurde sie von den Korybanten nebst Getreide und andern Hülsenfrüchten geopfert (Ammonios bei Athen. XI 476 f). Man backt daraus ebensowenig wie aus andern Hülsenfrüchten Brot (Gal. VI 524. Sim. Seth p. 130,2 Langk.). Bei dem Gastmahl des Athenaios (XI476 b) wurden Erbsen und andere Hülsenfrüchte, welche zusammen mit Hühnern gekocht waren, mit diesen aufgetragen. Sie wurden auch in Form eines Breis (ἔτνος bei Ar. eq. 1171. Antiphanes bei Athen. IX 370 e. Bekk. anecd. 10, 12. 351, 15) gegessen und bildeten vielleicht auch mit andern Hülsenfrüchten die λεκιθόπωλις (Ar. Plut. 427; vgl. Schol.) oder den λέκιθος. Freilich sollte mit λέκιθος nur das Fleisch der Linse bezeichnet sein (Gal. XIX 117; vgl. Ps.-Hipp. II 676 K. und Meleagros Gadar. bei Athen. IV 157 b); unzuverläßig ist wohl die späte Notiz, daß so der πισός, also die E., wegen der Ähnlichkeit in der Farbe mit dem Eidotter genannt sei (Suid. s. λέκιθος). Auch machte man aus Erbsen wie aus Puffbohnen Schrot, ἐρειγμός (Gal. VI 533; vgl. Aristoph. bei Poll. VII 181). Die Zubereitung verschiedener Erbsengerichte lehrt Apicius (180. 194. 196. 198–200), so der schon erwähnten pisa indica und der nach dem Kaiser Vitellius benannten pisae Vitellianae (197. 201). Auch Tauben fressen gerne Erbsen (Varro r. r. III 7, 8. Geop. IV 1, 5). Darin kann Käse lange aufbewahrt werden (Geop. XVIII 19. 8). Dunkelfarbigen Wein kann man in einem Tage weiß machen, wenn man einen Absud der afrae pisae hinzugießt (Pall. XI 14, 9). Diese africanischen Erbsen sind natürlich nicht identisch mit den pisi Maurisci, d. h. Mohrenerbsen vielleicht im Sinne von braunen Erbsen (vgl. v. Fischer-Benzon a. a. O. 96. 183) im Capitulare de villis Karls d. Gr. (70, 68), sondern eine nicht bestimmbare Sorte.

Über die diätetischen Eigenschaften der E. sprechen sich mehrere Ärzte, aber z. B. nicht Dioskurides. aus. In der ca. 400 v. Chr. geschriebenen ps.-hippokratischen Schrift De diaeta (bei Kühn I 677; bei Gal. VI 543. 545) ist gesagt, daß sie weniger blähten als die Puffbohnen, aber mehr auf den Stuhlgang wirkten. Nach Diokles Karystios (bei Gal. VI 344f Sim. Seth p. 134, 14 Langk.) kommen sie, was ihre Nahrhaftigkeit betrifft, gleich hinter den Puffbohnen, blähen aber nicht, schmecken besser und werden schneller als die δόλιχοι, Dolichos sinensis L.?, verdaut. Puffbohnen und Linsen sind eine kräftigere Nahrung als Erbsen (Cels. II 18 p. 65, 3 Dar.). Bei Befriedigung des Geschlechtstriebes sind Erbsen zu essen, welche den Körper durchlüften (?) und reichlich nähren (Ruf. Ephes. p. 322 Dar.). Sie sind [397] in jeder Hinsicht eine bessere Nahrung als die Puffbohnen (Gal. de victu atten. 45). Sie blähen nicht so wie diese, reinigen aber weniger (Gal. VI 532 = Orib. coll. med. I 19. Gal. VI 545. 790), besonders Geschwüre (Aret. p. 325, 3 K. = p 260, 2 Erm.), und werden langsamer verdaut (Gal. VI 532. Orib. a. a. O. III 26; syn. IV 25). Bei chronischem Kopfschmerz sind sie zu vermeiden (Aret. p. 300, 2 K. = 244, 1 Erm.).

Der Traumdeuter Artemidoros (onir. I 68) sagt, das πῖσον bedeute Überredung oder Gehorsam, besonders für Steuerleute und Redner; denn jenen werde das Steuerruder, diesen die Richter folgen. Endlich ist noch zu erwähnen, daß die Alten eine Art Zucker-E. unter den Namen (φάσηλος, phaselus u. s. w. gekannt zu haben scheinen (s. o. Bd. III S. 622, 30ff. 623, 44ff. 627, 22ff.).

[Olck. ]