Seite:Friedlaender-Interessante Kriminal-Prozesse-Band 4 (1911).djvu/131

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Dieser Text wurde anhand der angegebenen Quelle einmal korrekturgelesen. Die Schreibweise sollte dem Originaltext folgen. Es ist noch ein weiterer Korrekturdurchgang nötig.
Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 4

Prozeß Leckert-Lützow.

Der unheilvolle Einfluß der Hofkamarilla Philipp Eulenburg und Genossen machte sich bekanntlich bereits geltend, als Fürst Bismarck noch am Ruder war. „Die Minister können uns sonst was,“ rief Landrat a. D. v. Diest, daher vor einigen Jahren im Zirkus Busch in einer Generalversammlung des Bundes der Landwirte aus. Was war aber dieser ehemalige Landrat gegen den Schloßherrn von Liebenberg. Letzterer vermochte selbst den mächtigsten Kanzler des Deutschen Reiches, den Fürsten Bismarck, dessen Nachfolger, den Grafen v. Caprivi und den so ungemein beliebten alten „Onkel Chlodwig“, Fürsten Hohenlohe zu stürzen und den vierten Kanzler Fürsten v. Bülow von seinem Botschafterposten in Rom nach Berlin zu dirigieren. „Ich will Könige machen, aber nicht König sein,“ sagte Eulenburg zu der Fürstin v. Bülow, als diese ihn bat, ihren Mann doch in Rom zu lassen und selbst das Kanzleramt zu übernehmen.[1] Im Dezember 1906 stand der deutsche Kanzlerposten, dank der Kamarilla Philipp Eulenburg wiederum auf des Messers Schneide. Die am 13. Dezember 1906 erfolgte Auflösung des Reichstages war Bülows einziger Rettungsanker. Und wäre bei den „Hottentottenwahlen“ (Januar 1907) nicht eine Kartellmehrheit (der konservativ-liberale Block) zustande gekommen, dann wäre es der Liebenberger Tafelrunde vielleicht doch gelungen, den Fürsten Bülow zu stürzen. Vor 15 Jahren war der jetzige deutsche Botschafter in Konstantinopel, Freiherr Marschall v. Biberstein, ein ehemaliger Erster Staatsanwalt in Mannheim, Staatssekretär des Auswärtigen Amts. Ein Berliner Kriminalkommissar, dem das politische und


  1. Vgl. den Prozeß Moltke-Harden im 3. Bande.
Empfohlene Zitierweise:
Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 4. Hermann Barsdorf, Berlin 1911, Seite 127. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Friedlaender-Interessante_Kriminal-Prozesse-Band_4_(1911).djvu/131&oldid=- (Version vom 25.7.2023)