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Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 4

zu seinem Amt habe er sich zugetraut, obgleich er bis dahin noch in keiner Fürsorgeanstalt tätig gewesen war. Matthies habe vorher mit ihm über die Erziehungsgrundsätze gesprochen. Dabei habe er (Breithaupt) dessen Auffassung über den Erfolg milder Behandlung nicht teilen können, vielmehr habe er den Standpunkt eingenommen, daß man, wo mit Milde nichts zu machen sei, von Strenge mehr Erfolg zu erwarten habe. Bezüglich der Strafarten sei ihm nur gesagt worden, daß die Disziplinarvorschriften der Berliner Anstalt Lichtenberg anzuwenden seien. Gekannt habe er sie allerdings nicht; vergeblich habe er Pastor Matthies und auch den Inspektor Buth von der Anstalt Lichtenberg um Beschaffung eines Exemplares gebeten. „Wie stellten Sie sich denn,“ fragte der Vorsitzende, „das nun vor, wie Sie da zu verfahren hätten?“ „Wie ich es für recht hielt,“ versetzte der Angeklagte. Er behauptete, auf alle Fälle sei es seine Pflicht gewesen, auf strenge Disziplin zu sehen, um die auf Flucht sinnenden Zöglinge festzuhalten. Der Vorsitzende hielt dem Angeklagten vor, daß er nicht nur wegen Fluchtverdachts strenge Strafen verhängt habe. – Angekl.: Getan mußte etwas werden, Vorschriften hatte ich nicht, da tat ich, was ich nach bestem Wissen und Gewissen für recht hielt. – Der Angeklagte Engels gab auf Befragen des Vorsitzenden an: Er war anfänglich Kaufmann. Von 1900 an arbeitete er in Bodelschwinghs Anstalten in Bethel als Diakon, dann in Wietingsmoor als Erziehungsgehilfe. Strafen durfte dort nur der Hausvater verhängen, 10–15 Schläge mit dem Rohrstock auf das Gesäß, in schlimmsten Fällen 20 Schläge. Dieses Maximum sei aber später vom Landeshauptmann verboten worden. Später ging er nach Hoffnungsthal. Nach Mieltschin wurde er durch Breithaupt als Aufseher engagiert; er zweifelte nicht, daß er diesem Posten gewachsen sei, er habe auch Breithaupts Befähigung für sein Amt nicht bezweifelt. Der Verteidiger, Justizrat Wronker, ließ feststellen, daß Engels sowohl beim Militär als auch in Bethel das

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Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 4. Hermann Barsdorf, Berlin 1911, Seite 231. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Friedlaender-Interessante_Kriminal-Prozesse-Band_4_(1911).djvu/235&oldid=- (Version vom 16.12.2023)