Seite:Friedlaender-Interessante Kriminal-Prozesse-Band 4 (1911).djvu/246

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 4

An der Stimmung der Burschen habe ich nie etwas bemerkt, vielleicht deshalb, weil sie die körperliche Strafe wohl nicht so schwer empfanden. Daß Breithaupt leicht erregt war, kann ich nicht sagen, doch hat Breithaupt allerdings Widerspruch nicht vertragen können. Eine ärztliche Aufsicht ist für die Anstalt geplant gewesen, vorerst hatte ich nur privatim mit Kreisarzt Dr. Boehnke (Witkowo) abgemacht, daß er sich um Mieltschin kümmern möchte, wenn es seine Zeit erlaubte. – Pastor v. Bodelschwingh (Bethel bei Bielefeld), ein Sohn des „alten Bodelschwingh“, berichtete über Breithaupts Aufenthalt in Lobetal, wo er die Stellung eines pflegenden Bruders gehabt habe und als „Vorarbeiter“ tätig gewesen sei. Br. habe sich dort seiner Aufgabe, so hatte der Vater des Zeugen erklärt, mit großem Eifer und mit vieler Hingabe gewidmet. Allerdings sei bei Br. damals eine gewisse Neigung zur Erregtheit und zur Unklarheit des Urteils zu bemerken gewesen. Große Menschenkenntnis habe er nicht gehabt, wohl aber ein selbstbewußtes Auftreten, das den tatsächlichen Verhältnissen nicht entsprach. Br. wäre weder dem Vater des Zeugen noch ihm selber als der geeignete Mann für Mieltschin erschienen; beide hätten ihn nicht empfohlen, wenn sie gefragt worden wären. Aus Lobethal wurde Br. entlassen wegen eines Konfliktes mit der Polizei. Er war in Berlin, so bemerkte der Zeuge, „betrunken und verkehrshindernd aufgefunden und zur Polizei gebracht worden“. – Staatsanwalt Dr. Reiner fragte, warum denn dann Br. so gute Zeugnisse aus Hoffnungstal usw. habe. – Zeuge: Die wurden von meinem Vater ausgestellt, aber vor jenem Vorfall. Nach Br.s Entlassung haben übrigens die Gnadentaler Kolonisten um seine Wiederanstellung gebeten. – Über den Angeklagten Engels, den der Zeuge gleichfalls kennen gelernt hatte, äußerte er sich nicht ungünstig. Auch der Angeklagte Wendland sei ihm bekannt, er sei jetzt sogar wieder in Bethel, doch könne er kein bestimmtes Urteil über ihn abgeben. Auf eine Frage des Vorsitzenden nach der

Empfohlene Zitierweise:
Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 4. Hermann Barsdorf, Berlin 1911, Seite 242. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Friedlaender-Interessante_Kriminal-Prozesse-Band_4_(1911).djvu/246&oldid=- (Version vom 17.12.2023)