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Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 6

wegen Falschspiels aus dem Auslande betrieben worden. Da sei die weitere Strafverfolgung wegen Kreditbetruges der Staatsanwaltschaft nicht unwillkommen gewesen. War diese Strafverfolgung begründet, so wurde damit die Voreiligkeit in der Strafverfolgung wegen Falschspiels verdeckt. Es sei nicht zu leugnen, daß der beamtete Richter der Staatsanwaltschaft hier einen Mißerfolg, der in den Augen der Allgemeinheit auf die Justiz schlechthin seine Schatten würfe, nicht gönne. Deshalb könne auch der beamtete Richter dem Ausgang dieses Strafverfahrens nicht so gleichgültig und unbefangen gegenüberstehen, wie das einem unbeamteten Richter möglich sei. Die Anklage sei eine Verlegenheitsanklage. Ein Teil der unter Anklage gestellten Fälle biete geradezu Schulbeispiele für das, was nicht Betrug sei. In einem anderen Teil der Fälle könne man auch nicht einmal raten, gegen wen überhaupt der Betrug gerichtet sein solle. Wer die Anklageschrift lese, fühle sich in der Rechtsgeschichte mindestens um vierzig Jahre zurückversetzt, in eine Zeit, wo man sich noch völlig dar- über unklar war, wie das damals neue Strafgesetzbuch auszulegen sei. Er (Verteidiger) finde den heutigen Rechtszustand, der das frivole Schuldenmachen geradezu legalisiere, durchaus nicht ideal, aber man könne doch nicht die feststehende Auslegung des Betrugsparagraphen über den Haufen werfen. Eine Bestrafung des Angeklagten wegen Betruges könne nur eintreten, wenn sein Verhalten auch nach österreichischem Recht den Begriff des Betruges erfülle. Der Angeklagte sei wegen Betruges durch Falschspiel ausgeliefert worden. Da zwischen Österreich und Deutschland nicht das sogenannte Prinzip der Spezialität bestehe, sei die Staatsanwaltschaft nicht gehindert, den Angeklagten auch wegen solcher strafbaren Handlungen zur Aburteilung zu ziehen, die nicht in dem Auslieferungsgesuch angegeben waren. Hier aber müsse der Richter nachprüfen, ob, wenn wegen dieser Handlungen eine Auslieferung begehrt worden

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Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 6. Hermann Barsdorf, Berlin 1912, Seite 254. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Friedlaender-Interessante_Kriminal-Prozesse-Band_6_(1912).djvu/258&oldid=- (Version vom 30.12.2022)