Seite:Verräterisches Parfüm.pdf/4

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Walther Kabel: Verräterisches Parfüm (Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens, Band 3)

Geschmeide und ließ sie sich sofort durch einen Angestellten in seine Wohnung bringen. Dort verschloß der „Graf“ die Kästchen mit den Pretiosen vor den Augen des von dem Geschäftsinhaber zu besonderer Vorsicht ermahnten Angestellten in einen Schreibsekretär, reichte dem jungen Manne den Schlüssel und ging ins Nebenzimmer, um das Geld zur sofortigen Begleichung der Rechnung zu holen. Als der Spitzbube nach einer Viertelstunde nicht zurückkehrte, begab sich der Angestellte in das Nebenzimmer, das er völlig unmöbliert fand. Dafür entdeckte er aber in der Wand ein Loch, durch das der Schwindler die Juwelenkästchen aus dem seiner Rückwand beraubten Schreibtisch geholt hatte. Die Wohnung war nur zum Schein gemietet und nur das eine Zimmer möbliert worden. Die Londoner Polizei fand aber in dem möblierten Raum als einziges Andenken, das der Spitzbube zurückgelassen hatte, ein Paar Glacéhandschuhe, die auffallend nach Patschuli rochen. Nach diesem Merkmal wurde in den Aufzeichnungen des Verbrecheralbums gesucht, wo man wirklich neben dem Bilde eines vielfach vorbestraften Pariser Hochstaplers eine Bemerkung fand, die auf dessen Leidenschaft für jenes Parfüm hinwies. Wenige Tage später saß der Gauner hinter Schloß und Riegel. –

Auch Mörder sind schon durch Parfüm von der strafenden Gerechtigkeit ereilt worden. Ein klassisches Beispiel hiefür ist der Fall Kremser. In Wien wurden im Herbst 1902 eine ältere adelige Dame und ihre Dienerin ermordet aufgefunden. Von dem Täter, der Bargeld und Juwelen im Werte von mehreren tausend Kronen geraubt hatte, fehlte jede Spur. Bei Feststellung der gestohlenen Sachen machte nun der Sohn der ermordeten Dame, ein Legationssekretär, die Polizei darauf aufmerksam, daß auch ein mit Rubinen besetztes Fläschchen fehle, das ein Parfüm enthalten habe, das er seiner Mutter aus Japan mitgebracht hätte. Nach einiger Zeit wurde einem Kommissär eine Fabrikarbeiterin namens Anna Kremser wegen eines kleinen Vergehens vorgeführt, die so auffällig nach einem dem Beamten ganz unbekannten Parfüm duftete, daß dieser sie fragte, woher sie das eigenartige Parfüm bezogen habe. Ahnungslos erwiderte das Mädchen, daß ihr Bruder es ihr geschenkt habe.

Empfohlene Zitierweise:
Walther Kabel: Verräterisches Parfüm (Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens, Band 3). Union Deutsche Verlagsgesellschaft, Stuttgart, Berlin, Leipzig 1915, Seite 209. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Verr%C3%A4terisches_Parf%C3%BCm.pdf/4&oldid=- (Version vom 1.8.2018)