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Walther Kabel: Was Tiere träumen (Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens, Band 6)

bedeckt … Er träumt. – Meine Papageien sprechen sogar im Schlaf deutliche Worte vor sich hin und bewegen den Schnabel, als ob sie fräßen. Ein Kakadu mit einer prächtigen Haube, auch am Tage ein sehr lebhafter Vogel, träumt wohl am häufigsten. Obwohl er fest schläft, wie ich durch Versuche festgestellt habe, kommt er nie ganz zur Ruhe. Bald trippelt er auf seiner Stange von einem Fuß auf den anderen, bald reibt er die Schnabelhälften knirschend aneinander, dann wieder richtet sich seine Haube wie im Zorn auf, und gleichzeitig stößt er etwas wie ein ärgerliches Schnattern aus. Alle meine Kanarienvögel singen im Schlaf, brechen dann aber regelmäßig diese ihnen unbewußte Musikübung mit einem schrillen Mißton ab.

Von meinen vierbeinigen Hausgenossen träumen die Hunde am häufigsten und lebhaftesten: sie winseln, bellen leise, bewegen die Pfoten, atmen keuchend, strecken die Zunge aus, sträuben die Rückenhaare und schließen klappernd die Kiefer. Bei den Katzen bemerkte ich wieder im Schlaf recht oft kratzende Bewegungen der Vorderbeine, als ob sie irgendeinen Gegenstand verscharrten, auch ein Hervorstrecken der Krallen und die für ihr Geschlecht charakteristischen Töne des Wohlbehagens, das Schnurren. Mein alter Schimmel, der nun schon seit Jahren das Gnadenbrot bei mir frißt, wiehert häufig im Schlaf laut auf, seine Beine zucken, sein Schweif bewegt sich lebhaft. Vielleicht träumt er von jenen Tagen, wo wir beide noch die Umgebung von Trunay durchschweiften und die Wirtin des Gasthofes von Montesson ihm die vielen Zuckerstückchen reichte, wofür er sich stets durch lebhaftes Schweifwedeln bedankte. Meine Kapuzineräffchen, ebenso mein Pavianmännchen Mungo stehen, was die Lebhaftigkeit ihrer Träume anbetrifft, nicht weit hinter meinen Hunden zurück. Oft, wenn ihre Kiefer sich schnatternd bewegten, wenn sie im Schlaf grunzten und quiekten und ihre Greifhände sich immer wieder öffneten und schlossen, glaubte ich, sie müßten wach sein. Und doch schliefen sie.

Der Inhalt der Träume dürfte bei den Tieren zumeist aus Wiederbelebung von Erinnerungsbildern bestehen, wobei frische Erinnerungen, die die Tiere stark erregt haben, wohl hauptsächlich

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Walther Kabel: Was Tiere träumen (Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens, Band 6). Union Deutsche Verlagsgesellschaft, Stuttgart, Berlin, Leipzig 1916, Seite 205. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Was_Tiere_tr%C3%A4umen.pdf/4&oldid=- (Version vom 1.8.2018)