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3. Kapitel.
Die Zigarrenspitze.

Harst hatte sich zurückgelehnt und starrte in das zarte Maiengrün der Baumkronen. Sein schmales, rassiges Gesicht, das seit dem Tode seiner Braut noch magerer, noch durchgeistigter geworden war, hatte jetzt nicht jenen etwas einfältigen Ausdruck, den es als zur Rolle des Heinrich Hinkel gehörig in den letzten Tagen zu zeigen pflegte. Ich merkte, daß sein scharfer Verstand all das nochmals überprüfte, was er bisher im Falle Schmiedicke lediglich dank seiner geradezu bewundernswerten Kombinationsgabe an bisher unbekannt gebliebenen Tatsachen festgestellt hatte. Ich störte ihn durch keine Bewegung, freute mich über ein Meisenpaar, das sich jagend durch die Büsche huschte, freute mich der erquickenden Luft und war doch mit meinen Gedanken nur halb inmitten dieser vom Frühlingszauber durchwehten Natur, – denn ich war ja der Privatsekretär und Gehilfe eines Harald Harst und hatte Pflichten und – besaß sehr viel Ehrgeiz. Ich vergaß denn auch bald den Maientag und zwang mein Denken auf die dunklen Pfade des Verbrechens zurück. So vergingen wohl zehn Minuten. Dann regte Harst sich. Und seltsam,

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Walther Kabel: Zwei Taschentücher. Verlag moderner Lektüre G.m.b.H., Berlin 1920, Seite 102. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Zwei_Taschent%C3%BCcher.pdf/103&oldid=- (Version vom 1.8.2018)