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saß – Bremer und – unterhielt sich mit Schilling, Kriminalwachtmeister Schilling, der hier nun Oberkellner spielte. Ich spitzte die Ohren. Die Terrasse hatte sich inzwischen geleert. Und – ich hörte, wie der Pockennarbige sagte: „Meinen Sie wirklich, daß die Polizei die Verbrecher noch fangen wird?! Ich bezweifle das. Wenn erst so viele Tage seit der Tat verstrichen sind, ist es –“ Das weitere entging mir, da ein Lastwagen auf der Straße vorüberfuhr. Dann wieder erklärte der „Ober“: „Für mich ist’s nicht gerade angenehm. Alle Gäste wollen die Zimmer 46 und 47 sehen, bieten mir weiß Gott was, um einen Blick hineinwerfen zu können. Und dabei hat die Polizei sie doch noch mit Beschlag belegt. Wir dürfen dort nicht aufräumen – nichts! Vorläufig soll dort noch alles so bleiben, wie es bei der Entdeckung des Mordes lag und stand.“ – Dann sprach wieder Bremer. Ich hörte die Worte – „leicht begreifliche Neugier – Sensationshunger –“ – Darauf flüsterte er mit dem „Ober“, der nun lächelnd erklärte: „Es geht wirklich nicht –“ und mit einem Bückling verschwand. Auch Bremer schob jetzt die Kaffeetasse beiseite, ließ sich noch eine Zigarre geben und machte Miene, die Terrasse zu verlassen. – Ich mußte diese Gelegenheit benutzen! Und – die Mittagszeitung glitt von meinem Schoß auf den Fliesenboden. Ich suchte sie aufzuheben, angelte danach mit meinem Stock, ächzte laut. Eines meiner Rückenkissen fiel herab. – Ah – endlich! Bremer wurde aufmerksam, sprang zu, hob die Zeitung und Kissen auf, stopfte mir letzteres wieder in den Rücken. Ich dankte und fügte hinzu: „Es ist ein Elend, so hilflos zu sein. Nun, auch Sie haben schon eine schwere Krankheit durchgemacht, mein Herr. Pocken sind furchtbar. Ich habe meine Eltern daran verloren.“ – So gelang es mir, ihn festzuhalten. Er zeigte sich gesprächiger, als ich zu hoffen gewagt hatte, setzte sich zu mir, stellte sich vor und bald waren wir beim Fall Schmiedicke angelangt. Ich tat sehr ängstlich, schalt auf meinen Diener, der gerade dies Hotel gewählt hätte, und meinte, ich begriffe nicht, wie Leute sich für Verbrechen lediglich aus – Sensationshunger interessieren könnten. – „Nun,“ erklärte

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Walther Kabel: Zwei Taschentücher. Verlag moderner Lektüre G.m.b.H., Berlin 1920, Seite 105. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Zwei_Taschent%C3%BCcher.pdf/106&oldid=- (Version vom 1.8.2018)