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er, „auch ich gehöre zu diesen Leuten.“ Er lächelte etwas dabei. Und dieses Lächeln war voller Ironie. „Ich will Ihnen sogar gestehen, Herr Schrammel, daß ich soeben dem Ober hundert Mark geboten habe, wenn er mich in Nr. 47 einläßt.“ – Ich zuckte die Achseln: „Mir unverständlich! Hundert Mark! Mich brächten nicht zehn Pferde in das Zimmer hinein!“ – Da störte uns der Liftboy Karl. – „Dieser Brief ist soeben für Sie abgegeben worden, Herr Schrammel.“ – Er reichte ihn mir und ging wieder. Auch Bremer verabschiedete sich mit einem „Gute Besserung. Vielleicht können wir nochmals ein wenig plaudern –“ – Ich schaute ihm nach. Viel hatte ich nicht gewonnen durch diese Unterhaltung mit ihm. Nur – das Lächeln, das Lächeln! – Dann öffnete ich den Brief. Die Tinte auf dem Umschlag war noch halb feucht und schlecht mit dem Löscher getrocknet worden. Der Briefbogen mit dem Hotelstempel enthielt nur die Worte: „In seinem Mantel, Brusttasche, steckt eine Zigarrenspitze aus Papier mit dem Aufdruck: „Hotel Deutscher Hof, Warnemünde.“ – Karl.“ – Karl war also ebenfalls eifrig an der Arbeit. Diese Zigarrenspitze war wertvoll – ohne Frage! Sie bewies, daß der Pockennarbige zuletzt wohl in Warnemünde gewesen war.

Um sechs Uhr erschien mein treuer Heinrich und brachte mich sofort mit Hilfe Karls, den er sich holte, auf unser Zimmer, wo der schlaue Junge dann noch in aller Hast von seinem Funde erzählte. – „Die Spitze muß ich haben,“ meinte Harst. Und – kaum vier Minuten später hielt ich sie in der Hand. Inzwischen hatte ich ihm bereits mitgeteilt, wie ich Spitze bewertete. Er trat jetzt damit ans Fenster. Dann setzte er sich neben mich auf das Korbsofa unseres gemeinsamen Wohnzimmers. – „Ich bezweifle, daß Bremer unlängst in Warnemünde war,“ sagte er und hielt mir die Papierspitze hin. „Das Loch der Federpose ist vollständig mit allerlei Taschenschmutz – Stoffäserchen, zerriebenem Papier und anderem – gefüllt, die Pose selbst ganz braun von Zigarrenrauch, dazu zweimal eingeknickt, das Papier oben halb verkohlt, eingerissen und die Öffnung ebenfalls halb verstopft mit

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Walther Kabel: Zwei Taschentücher. Verlag moderner Lektüre G.m.b.H., Berlin 1920, Seite 106. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Zwei_Taschent%C3%BCcher.pdf/107&oldid=- (Version vom 1.8.2018)